Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26.08.2009

LSG NRW (darlehen, tochter, sgg, hauptsache, beschwerde, bezug, abzug, angebot, prüfung, antrag)

Landessozialgericht NRW, L 6 B 71/09 AS ER
Datum:
26.08.2009
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 6 B 71/09 AS ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 22 AS 95/09 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
1
I.
2
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Mitteln für die Beschaffung von
Küchengeräten bzw. einer Waschmaschine streitig.
3
Die Antragstellerin, die mit ihrer Tochter eine Bedarfsgemeinschaft bildet, bezieht von
der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Anlässlich eines Umzugs bat die Antragstellerin die
Antragsgegnerin im März 2009 um "Beihilfe" für einen Kühlschrank, eine
Waschmaschine und einen Ofen, die durchgerostet seien sowie eine durchgefaulte
Spüle. Die Antragsgegnerin lehnte die Übernahme von Kosten ab, weil es sich um eine
Ersatzbeschaffung handle, die grundsätzlich aus der Regelleistung (Ansparung)
vorzunehmen sei.
4
Am 08.04.2009 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) die
einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, sie im Hinblick auf die
fehlenden Möbel/Geräte zu unterstützen. Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom
21.04.2009 ihre Bereitschaft erklärt, für die Beschaffung der benötigten Gegenstände ein
Darlehen in Höhe von 459,00 Euro zu gewähren (Elektroherd 118,00 Euro, Kühlschrank
81,00 Euro, Spüle 50,00 Euro, Waschmaschine 210,00 Euro). Das SG hat den Eilantrag
der Antragstellerin mit Beschluss vom 26.05.2009 abgelehnt. Es fehle an einem
Anordnungsgrund für die Beschaffung der Küchenmöbel bzw. Geräte in Form eines
verlorenen Zuschusses, da die in der Vergangenheit bewilligten und gewährten
Regelleistungen auch den Bedarf für die Neubeschaffung bereits vorhandener aber
unbrauchbar gewordener Einrichtungsgegenstände und Küchengeräte umfasse.
5
Darüber hinaus sei auch das Vorliegen bzw. Fortbestehen eines Anordnungsgrundes
nicht glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin habe der Antragstellerin mit ihrem
Angebot zur Gewährung eines Darlehens die umgehende Beschaffung der benötigten
Gegenstände ermöglicht. Die Angelegenheit sei daher nicht mehr eilbedürftig.
Gegen den ihr am 29.05.2009 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am
05.06.2009 Beschwerde eingelegt. Sie bitte nochmals um eine Beihilfe/Darlehen für
eine neue Küche/Geräte. Derzeit habe sie keine Gelegenheit, etwas zu erwärmen, zu
waschen oder Lebensmittel kühl zu lagern. Die Zustände seien unhaltbar. Die alte
Küche habe im Jahr 1992 ca. 7.500,00 DM gekostet. Das Darlehen der Antragsgegnerin
habe sie nicht abgelehnt. Sie wolle die Sozialhilfe neu ausgerechnet bekommen, weil
ihr 50 % für Darlehen abgezogen würden, obwohl lediglich ein Abzug von 10 % zulässig
sei. Sie müsse mit ihrer Tochter von 378,00 Euro Regelleistung und 164,00 Euro
Kindergeld leben.
6
Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die Regelleistung
der Antragstellerin und ihrer Tochter betrage insgesamt 632,00 Euro monatlich. Hiervon
würden lediglich 60,00 Euro - somit weniger als 10 % - zur monatlichen Tilgung von
Darlehen in Abzug gebracht.
7
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Prozessakten und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
8
II.
9
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
10
Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf einstweilige Verpflichtung der
Antragsgegnerin zur Zahlung einer neuen Küche einschließlich Geräten.
11
Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache
auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in
Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das vom Antragsteller geltend
gemachte Recht (sog. Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit, d.h. die
Dringlichkeit, die Angelegenheit sofort vor einer Entscheidung in der Hauptsache
vorläufig zu regeln (sog. Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S.
4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Für die Glaubhaftmachung
genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und
Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom
08.08.2001, B 9 V 23/01 B = SozR 3-3900 § 15 Nr. 4). Ob ein Anordnungsanspruch
vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der
Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch
schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren
nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG,
Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05 = Breith 2005, S. 803). Liegt ein
Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der
Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg,
ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit
aufweist. Bei offenem Ausgang muss eine umfassende Interessenabwägung erfolgen
(vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 86b Rn 29, 29a). Die besondere Eilbedürftigkeit, die den
12
Anordnungsgrund kennzeichnet, ist zu bejahen, wenn dem Antragsteller unter
Berücksichtigung auch der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur
Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann (Meyer-Ladewig, SGG,
9. Aufl. 2008, § 86b Rn 28, 29a m.w.N.).
Soweit der Beschwerdeantrag der Antragstellerin dahingehend zu verstehen ist, dass
sie die Übernahme der Kosten für eine solche Neuanschaffung begehrt, fehlt es an
einem Anordnungsgrund. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die
Begründung des angefochtenen Beschlusses des Sozialgerichts gemäß § 142 Abs. 2 S.
2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug.
13
Soweit die Antragstellerin die Gewährung eines Darlehens fordert, fehlt es diesem
Antrag am Rechtsschutzbedürfnis, da die Antragsgegnerin ein solches Darlehen bereits
zugesagt hat. Die von der Antragsgegnerin für die begehrten Gegenstände/Geräte in
Ansatz gebrachten 459,00 Euro sind für die Beschaffung von gebrauchtem Elektroherd,
Kühlschrank, Spüle und Waschmaschine bei Wahrnehmung günstiger Angebote in
örtlichen Zeitungen und im Internet auch ausreichend. Darüberhinaus fehlt es nach der
Zusage der Darlehensgewährung - worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat -
an der Eilbedürftigkeit, d.h. einem Anordnungsgrund. Auch das Verhalten der
Antragstellerin selbst weckt Zweifel an der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit. Obwohl
die Antragsgegnerin bereits im April erklärt hat, ein Darlehen gewähren zu wollen, hat
die Antragstellerin dieses Angebot bis zum heutigen Tag nicht in Anspruch genommen.
Eine Anfrage des Senats vom 17.06.2009, in welcher konkreten Höhe sie Leistungen
begehre, hat sie trotz Erinnerung unbeantwortet gelassen. Zu dem anberaumten Termin
zur Erörterung der Sach- und Rechtslage ist die Antragstellerin ohne hinreichende
Entschuldigung nicht erschienen.
14
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin die der Antragstellerin
und ihrer Tochter monatlich auszuzahlende Leistung zutreffend berechnet hat. Dass der
Antragstellerin und ihrer Tochter die Regelleistungen nicht in vollem Umfang ausgezahlt
werden, beruht nicht auf einer überhöhten Rückzahlungsverpflichtung von Darlehen.
Vielmehr übersieht die Antragstellerin, dass auf die Regelleistung der Tochter das von
der Familienkasse gezahlte Kindergeld anzurechnen ist und dass weiterhin
Energiekosten zu Recht abgezogen werden. Der Abzug für Darlehen beträgt
entsprechend den richtigen Angaben der Antragsgegnerin mit 60,00 Euro monatlich
weniger als 10 % der Regelleistungen.
15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 ZPO.
16
Die Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).
17