Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2008

LSG NRW: eltern, sinn und zweck der norm, freibetrag, verfassungskonforme auslegung, minderjähriger, thüringen, verfügung, anwendungsbereich, innenverhältnis, auflage

Landessozialgericht NRW, L 20 AS 7/07
Datum:
21.04.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 20 AS 7/07
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 23 AS 104/06
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 4 AS 58/08 R
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf
vom 24.11.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im
Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob den Klägern Leistungen nach dem
Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
zustehen.
2
Der am 00.00.1963 geborene Kläger zu 1) sowie die am 00.00.1968 geborene Klägerin
zu 2) sind die Eltern des mit ihnen gemeinsam in einem Haushalt lebenden, am
00.00.2004 geborenen Klägers zu 3). Der Kläger zu 1) war von Juni 2004, nachdem er
zuvor Arbeitslosengeld I nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) bezogen
hatte, bei der Messe E beschäftigt. Arbeitslosengeld I bezog er nachfolgend nicht. Der
Kläger zu 3) erhält Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR monatlich. Außerdem erhielt die
Klägerin zu 2) bis zum Ende ihres Erziehungsurlaubes im Januar 2006 Erziehungsgeld.
Weiteres Einkommen ist - außer geringen Kapitalerträgen - nicht vorhanden.
3
Die Kläger bewohnen eine 73 m² große Dreizimmerwohnung, für die sie im streitigen
Zeitraum eine Gesamtmiete von monatlich 544,00 EUR aufwenden mussten.
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Am 06.07.2005 beantragte der Kläger zu 1) erstmals Leistungen nach dem SGB II. Bei
Antragstellung lag nach den Angaben der Kläger bei der Klägerin zu 2) folgendes
Vermögen vor:
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ein PKW Ford Mondeo mit einem geschätzten Wert von 4.900,00 EUR, ein Girokonto
mit einem Negativsaldo von 681,58 EUR, Sparguthaben bei der T mit einem Guthaben
von 70,16 EUR, Sparguthaben bei der J mit einem Guthaben von 8.115,76 EUR,
Sparbriefe bei der Q mit einem Wert von 2.457,67 EUR sowie 5.639,64 EUR; Kurswerte
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am 30.08.2005 in Höhe von 2.595,23 EUR und 5.713,27 EUR, eine Rentenversicherung
mit einem Wertstand am 29.07.2005 in Höhe von 2.282,26 EUR.
Vermögen des Klägers zu 1) und des Klägers zu 3) wurden nicht angegeben. Der
Kläger zu 1) gab vielmehr an, Privatinsolvenz angemeldet zu haben. In der Folge
forderte die Beklagte weitere Unterlagen zur Feststellung des aktuellen
Vermögenstandes an.
7
Mit Bescheid vom 15.11.2005 lehnte sie die Gewährung von Leistungen nach dem SGB
II ab. Dabei wurde ein Vermögen von 22.564,18 EUR im Juli 2005 zu Grunde gelegt
(Sparcard 70,16 EUR, J 12.115,76 EUR, Depot bei der Q 8.096,00 EUR und
Rentenfond 2.282,26 EUR). Das Vermögen überschreite den Vermögensfreibetrag des
Klägers zu 1) und seiner Lebensgefährtin von 17.100,00 EUR um einen Betrag von
5.464,18 EUR.
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Am 19.12.2005 beantragte der Kläger zu 1) beim Sozialgericht Düsseldorf den Erlass
einer einstweiligen Anordnung auf Verpflichtung der Beklagten, Leistungen nach dem
SGB II zu gewähren und legte hilfsweise Widerspruch gegen den vom Urkundsbeamten
der Geschäftsstelle des Sozialgerichts von der Beklagten angeforderten Bescheid vom
15.11.2005 ein. Er machte geltend, das Vermögen habe sich inzwischen auf deutlich
unter 15.000,00 EUR reduziert. Im Übrigen seien die Freibeträge hinsichtlich des
Vermögens nicht beachtet worden. Nach einer Auskunft der D müsse auch für den
Kläger zu 3) ein Vermögensfreibetrag von 4.100,00 EUR berücksichtigt werden.
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Mit Bescheid vom 06.01.2006 half die Beklagte dem Widerspruch vom 19.12.2005
insoweit ab, als sie Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.11.2005 bis
31.01.2006 gewährte. Die erneute Prüfung des Vermögens habe ergeben, dass das
ehemals zum Zeitpunkt der Antragstellung vorhandene Vermögen zum 01.11.2005 die
Vermögensfreigrenze unterschritten habe. Bis zum 02.11.2005 ergebe sich für die
Klägerin zu 2) bei einem Alter von 36 Lebensjahren ein Vermögensfreibetrag von
7.200,00 EUR und für den Kläger zu 1) bei einem Alter von 42 Lebensjahren (42 x
200,00 EUR) ein Vermögensfreibetrag von 8.400,00 EUR. Darüber hinaus sei ein
Anschaffungsfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II in Höhe von 2.250,00 EUR (3 x
750,00 EUR) zu berücksichtigen. Daher ergebe sich ein Vermögensfreibetrag von
17.850,00 EUR. Der Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II könne nicht
berücksichtigt werden, da dieser Freibetrag nicht grundsätzlich für Kinder gewährt
werde, sondern für das Vermögen des Kindes. Dies bedeute, dass dieser Freibetrag als
personenspezifisch zu charakterisieren sei und somit auf die Eltern nicht übertragen
bzw. mit dem Vermögen der Eltern verrechnet werden könne. Da der Kläger zu 3) kein
eigenes Vermögen besitze, werde der Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a
SGB II von 4.100,00 EUR bei der Berechnung nicht zu Grunde gelegt. Bei
Antragstellung habe ein Vermögen von 22.564,18 EUR vorgelegen, wobei der Ford
Mondeo mit einem Wert von ca. 5.000,00 EUR als geschütztes Vermögen nach § 12
Abs. 3 Nr. 2 SGB II nicht berücksichtigt worden sei. Der Betrag setze sich zusammen
aus dem Guthaben aus einer Sparkarte 3000 plus (Kto-Nr. 000), Stand 30.06.2005, von
70,16 EUR, dem Guthaben auf einem J Konto (Stand 30.06.2005) von 12.115,76 EUR,
dem Wert eines Qdepots (000), Stand 31.12.2004, von 5.639,00 EUR, dem Wert eines
Qdepots (000), Stand 31.12.2004, von 2.457,00 EUR, sowie dem Rückkaufswert einer
Q-Rentenversicherung (00), Stand 24.08.2005, von 2.285,56 EUR.
10
Das Vermögen habe sich nachfolgend laufend vermindert. Das Vermögen sei am
11
02.11.2005 mit Abbuchungen von insgesamt 606,15 EUR unter den Wert 17.850,00
EUR gefallen.
Mit weiterem Bescheid vom 06.01.2006 bewilligte die Beklagte Leistungen für den
Kläger zu 1) und die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen für den
Bewilligungszeitraum 01.11.2005 bis 31.01.2006 in Höhe von 1.057,00 EUR monatlich.
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Den Widerspruch der Kläger vom 23.01.2006 gegen den Bescheid vom 06.01.2006
wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2006 zurück. Hinsichtlich der
Auffassung der Kläger, es sei ein zusätzlicher Vermögensfreibetrag von 4.100,00 EUR
für den Kläger zu 3) zu berücksichtigen, sei darauf hinzuweisen, dass nach § 9 Abs. 2
Satz 2 SGB II ein Einsatz von Vermögen, welches der Kläger zu 3) besitze, nur für
diesen selbst, nicht aber für die Eltern gefordert werden könne. Demzufolge finde eine
Einkommens- und Vermögensberücksichtigung nach § 9 Abs. 2 SGB II lediglich
einseitig im Hinblick auf hilfebedürftige Kinder bei überschießenden Elternmitteln statt,
nicht aber umgekehrt bei Hilfebedürftigkeit von Eltern(-teilen). Insoweit bestehe
zwischen Kindern und Eltern keine gegenseitige Einstandsgemeinschaft wie z.B. bei
Partnern. Die Auffassung der Kläger werde auch nicht durch die Gesetzesbegründung
gestützt:
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§ 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II sei erst durch das Vierte Gesetz zu Änderung des Dritten
Sozialgesetzbuches (SGB III) und anderer Gesetze in die Vorschrift des § 12 SGB II
eingefügt worden und beziehe sich auf das Vermögen jedes hilfebedürftigen Kindes. Mit
dieser Gesetzesänderung sei nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 15/3674)
beabsichtigt gewesen, das Vermögen der Kinder bei der Grundsicherung für
Arbeitssuchende besser zu schützen, so dass ein Grundfreibetrag für dieses Vermögen
in Höhe von 4.100,00 EUR eingeräumt worden sei. Ausweislich der
Gesetzesbegründung solle durch die Einführung dieses Grundfreibetrages bis zur Höhe
von 4.100,00 EUR jedwedes Vermögen - sei es auch Sparvermögen oder etwa
Ausbildungsversicherungen - bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes
II/Sozialgeldes für das Kind geschützt bleiben (BT-Drs. 15/3674, Seite 11 zu Artikel 2 Nr.
2b). Demzufolge handele es sich bei dem Grundfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II
um einen Freibetrag zur Schonung des Vermögens minderjähriger Kinder (BT-Drs.
15/3674, Seite 1 zu B). Der Kindergrundfreibetrag dürfe also dem Vermögen der Eltern,
eines Elternteils oder eines Kindes weder ganz noch teilweise hinzuaddiert werden.
Ebenso wenig ließen sich nicht ausgeschöpfte Freibeträge der Eltern auf ihre Kinder
übertragen. Korrespondierend dazu werde Vermögen eines zur Bedarfsgemeinschaft
gehörenden Kindes ausschließlich auf seinen eigenen Bedarf, nicht auf den Bedarf
anderer Angehöriger der Bedarfsgemeinschaft angerechnet. Freibeträge, die einem
Kind eingeräumt würden, seien damit ausschließlich dessen Vermögen zuzuordnen.
Der Kläger zu 3) verfüge aber über kein eigenes Vermögen.
14
Hiergegen ist am 24.03.2006 Klage beim Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben
worden. Zu deren Begründung haben die Kläger ausgeführt, es komme hinsichtlich des
Grundfreibetrages für Kinder nicht darauf an, ob dem Kind das vorhandene Vermögen
zivilrechtlich zugeordnet werden könne. Der Wortlaut des § 12 Abs. 2 SGB II lasse
erkennen, dass das Vermögen der Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft als
gemeinsames Vermögen aufgefasst werde. Es sei nämlich stets von "dem Vermögen"
die Rede, von dem Grundfreibeträge "für" volljährige hilfebedürftige bzw. hilfebedürftige
minderjährige Kinder abzusetzen seien. Nichts deute darauf hin, dass danach
differenziert werden solle, wem welches Vermögen zivilrechtlich zustehe. Von
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"Vermögen minderjähriger Kinder" sei im Gesetz nichts zu lesen. Diese
gesetzgeberische Wertung sei lebensnah, da enge Familienangehörige im
Innenverhältnis ihr Vermögen als gemeinsames Vermögen behandelten, ganz gleich
wie die Eigentumsverhältnisse nach außen geregelt seien. Konsequenterweise werde
nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 SGB II innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft jede Person, also
auch minderjährige Kinder, als hilfebedürftig angesehen, auch wenn sie ihren Bedarf
aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken können. Gehe man davon aus, dass
eine Bedarfsgemeinschaft aus einem Topf wirtschafte, sei es nur logisch, dass
mehreren Personen ein größerer Topf zugestanden werde. Dagegen spreche nicht,
dass nach § 9 Abs. 2 SGB II von Eltern erwartet werde, dass sie Einkommen und
Vermögen für ihre Kinder einsetzen, aber nicht umgekehrt. Diese Regelung spreche im
Gegenteil dafür, dass den Eltern auch der Grundfreibetrag des Kindes zustehe, sofern
das Kind kein entsprechendes eigenes Vermögen habe. Denn es werde gemeinhin
erwartet, dass sie vorhandene Mittel mit den Kindern teilten. Durch die Regelung des §
9 SGB II solle Kindesvermögen vor dem Zugriff der Eltern geschützt werden. Dies
bedeute aber nicht zugleich, dass auch unausgeschöpfte Freibeträge vor dem Zugriff
der Eltern geschützt werden sollten. Das liege jedenfalls nicht im Interesse des Kindes.
Im Termin zur mündliche Verhandlung beim Sozialgericht haben die Beteiligten
übereinstimmend erklärt, die Berechnung der Beklagten sei im Einzelnen nicht zu
beanstanden. Gestritten werde lediglich über die Anwendbarkeit des § 12 Abs. 2 Nr. 1a
SGB II.
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Die Kläger haben erstinstanzlich beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.01.2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 02.03.2006 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom
06.07.2005 bis 31.10.2005 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines
weiteren Freibetrages nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II zu bewilligen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Mit Urteil vom 24.11.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung
hat es ausgeführt, die Berechnung der Beklagten erweise sich auch nach eigener
Prüfung als richtig. Die Vermögensfreibeträge der Kläger zu 1) und 2) addierten sich
unter Berücksichtigung des Freibetrages für notwendige Anschaffungen in Höhe von
750,00 EUR je Person der Bedarfsgemeinschaft auf einen Betrag von 17.850,00 EUR.
Dieser Freibetrag sei im noch streitigen Zeitraum jeweils überschritten gewesen. Ein
weiterer Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II komme nicht in Betracht.
Entscheidend sei insoweit, dass der Kläger zu 3) nicht über eigenes Vermögen verfügte
und ihm auch kein Vermögen der Eltern zugeordnet werden könne. Es handele sich
eben nicht um einen "Kinderfreibetrag". Der Grundfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a
SGB II mindere lediglich das zu berücksichtigende Vermögen des Kindes selbst. Zwar
spreche der Wortlaut der Norm, die den Grundfreibetrag "für jedes hilfebedürftige
minderjährige Kind" vorsehe, dafür, den Grundfreibetrag unabhängig vom bestehenden
Vermögen des Kindes anzuerkennen. Die Einleitung des § 12 Abs. 2 SGB II stelle aber
klar, dass sowohl der Grundfreibetrag nach Nr. 1 als auch der Grundfreibetrag nach Nr.
1a in Bezug auf Vermögen gewährt würden. Auch die Begründung des Gesetzentwurfs
erwähne ausdrücklich, dass der Freibetrag "allen hilfebedürftigen minderjährigen
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Kindern ... zur Verfügung steht", und nicht, dass der Freibetrag für Kinder zu gewähren
sei. Die Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II sei ferner im Zusammenhang mit § 9
Abs. 2 Satz 2 SGB II zu sehen. Danach bleibe bei der Berechnung des Bedarfs von
minderjährigen unverheirateten Kindern, die Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft
seien, auch das Einkommen und Vermögen der Eltern zu berücksichtigen, nicht aber
umgekehrt eine Unterstützung der Eltern durch Ihre Kinder. Konsequenterweise könne
den Eltern auch nicht ein Grundfreibetrag bzgl. des Vermögens ihrer Kinder zugute
kommen. Dies wäre mit dem Zweck der Regelung unvereinbar, das Kindesvermögen
beispielsweise Sparguthaben oder eine Ausbildungsversicherung schützen zu wollen.
Die Kammer halte die Einwendungen zwar für berechtigt, dass es der
Lebenswirklichkeit entspreche, Kindern zugedachtes Vermögen zunächst unter
eigenem Namen zu verwalten, halte aber eine andere Betrachtung vor dem Hintergrund
des Gesetzessystematik für ausgeschlossen und sei im Übrigen der Auffassung, dass
trotz der beschriebenen Lebenswirklichkeit ein Anwendungsbereich für den § 12 Abs. 2
Nr. 1a SGB II verbleibe. Als Beispiel seien auf den Namen eines Kindes
abgeschlossene Bausparverträge zu nennen.
Gegen das ihnen am 03.01.2007 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Kläger
vom 05.02.2007 (einem Montag). Die Kläger halten an ihrer Auffassung fest, es sei ein
weiterer Vermögensfreibetrag in Höhe von 4.100,00 EUR zu berücksichtigen. Das
Vermögen der Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft sei entgegen der Auffassung
des Sozialgerichts als gemeinsames Vermögen aufzufassen. Das gelte unabhängig
davon, wem welches Vermögen zivilrechtlich zustehe. Unstreitig sei zwar auf den
Namen des Kindes kein Vermögen separat angelegt. Über den Wortlaut der Vorschrift
hinaus spreche für die Annahme eines gemeinsamen Vermögens, dass eine
Bedarfsgemeinschaft aus einem Topf wirtschafte und deshalb die Bedürfnisse aller aus
den gemeinsamen Mitteln ohne Rücksicht auf rechtliche Unterhaltsansprüche oder
interne Ausgleichsansprüche gleichmäßig befriedigt würden. Dies entspreche der
Auffassung des Sozialgerichts Aurich, Urteil vom 15.02.2006 - S 15 AS 107/05. Enge
Familienangehörige behandelten im Innenverhältnis ihr Vermögen üblicherweise ohne
Rücksicht auf die zivilrechtliche Zuordnung als gemeinsames Vermögen. So werde oft
von Selbständigen Vermögen sicherheitshalber auf die Ehefrau übertragen, damit im
Konkursfalle nicht alles verloren gehe. Auch werde üblicherweise Vermögen schon zu
Lebzeiten sukzessiv auf die Kinder überschrieben, um Erbschaftssteuer zu sparen. Dies
alles geschehe in der selbstverständlichen Erwartung, dass das Vermögen weiterhin bei
Bedarf allen zugute komme. Die Erwartung, dass sich enge Familienangehörige
gegenseitig helfen und die vorhandenen Mitteln teilen würden, sei schließlich auch die
Rechtfertigung dafür, dass einer Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts vorenthalten würden, solange nur einer der Angehörigen über
Vermögen verfüge, das das sog. Schonvermögen übersteige. Dies gelte zumindest im
Verhältnis der Partner untereinander sowie für Eltern gegenüber den Kindern. Deshalb
sei es nur folgerichtig, dass einer Bedarfsgemeinschaft, der Kinder angehörten, ein
entsprechender größerer Topf als eiserne Reserve zugestanden werde (Verweis auf
Rechtsprechung des Sozialgerichts München, Urteil vom 15.03.2006 - S 50 AS 333/05
und des Bayrischen LSG, Urteil vom 17.02.2006 - L 7 AS 8/05). Die Eltern behielten sich
schließlich die Verwaltung des den Kindern zugedachten Vermögens üblicherweise vor,
bis das Kind alt genug sei, um über die entsprechenden Beträge selbst vernünftig zu
verfügen zu können. Selbst wenn das einem Kind zugedachte Geld auf einem auf den
Namen des Kindes lautenden Sparbuch angelegt sei, seien deshalb auch zivilrechtlich
die Eltern Inhaber der Forderung gegen die Bank, solange sie im Besitz des Sparbuchs
seien. Zumindest bei jüngeren Kindern wäre der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2
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Nr. 1 SGG II deshalb äußerst schmal. Eine Auslegung, die allein darauf abstelle, auf
wessen Namen ein Vermögensteil angelegt sei, würde deshalb den Sinn und Zweck
der Regelung verfehlen. Sie würde zumindest den Schutz des kindlichen Vermögens
von der mehr oder weniger zufälligen Einhaltung von Formerfordernissen abhängig
machen, die mit dem Sinn und Zweck der Regelung nichts zu tun hätten.
In der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2008 hat die Beklagte anerkannt, dass der
PKW Ford Mondeo einen Verkehrswert von 4.900 EUR hatte und die Kosten der
Unterkunft mit insgesamt 544 EUR als angemessen anzuerkennen wären. Zudem sind
die Beteiligten übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Berechnung der
Beklagten zu den Vermögensfreibeträgen in den angefochtenen Bescheiden zutreffend
erfolgte.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom
24.11.2006 und unter Abänderung der Bescheide der Beklagten vom 15.11.2005 und
06.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2006 zu verurteilen,
ihnen für die Zeit vom 06.07.2005 bis 31.10.2005 Leistungen nach dem SGB II unter
Berücksichtigung eines weiteren Freibetrages nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II zu
bewilligen.
25
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und verweist auf die Ausführungen im
Widerspruchsbescheid vom 02.03.2006.
28
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
vom Senat beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Prozessakte Bezug
genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässige
Berufung der Kläger ist unbegründet. Dabei sind die ausdrücklich lediglich vom Kläger
zu 1) erhobene Klage und die Berufung unter Berücksichtigung der Ausführungen in
den angefochtenen Bescheiden sowie der Klage- und Berufungsbegründung von
vornherein nicht anders auszulegen gewesen, als dass Ansprüche der gesamten
Bedarfsgemeinschaft geltend gemacht werden sollten. Insoweit hätte es der Klarstellung
durch den Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2008 vor dem Senat
nicht bedurft.
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Das Sozialgericht hat die zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 52 Abs. 1,4
SGG) zu Recht abgewiesen. Gegenstand des Verfahrens ist der Ablehnungsbescheid
vom 15.11.2005 in der Fassung der (Abhilfe-) Bescheide vom 06.01.2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2006, der bei verständiger Würdigung den
durch den "Widerspruch" vom 23.01.2006 aufrechterhaltenen Widerspruch der Kläger
vom 19.12.2005 erstmalig in vollem Umfang beschied. Die Bescheide vom 06.01.2006
enthalten lediglich eine Entscheidung über den von der Abhilfe erfassten Zeitraum ab
32
dem 01.11.2005.
Die Kläger waren nicht hilfebedürftig gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9
Abs. 1 SGB II (i.d.F. des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I, 2954). Hilfebedürftig ist im Sinne dieser
Vorschrift, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den
Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht
oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch die
Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder
Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht oder nicht ausreichend von
anderen, insbesondere Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Dabei ist das Einkommen und Vermögen der Klägerin zu 2), die gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3
Buchstabe b mit dem Kläger zu 1) in Bedarfsgemeinschaft lebt, auf Grund des § 9 Abs. 2
Satz 1 SGB II auch beim Kläger zu 1) zu berücksichtigen. Gleiches gilt nach § 7 Abs. 3
Nr. 4 SGB II i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II in Bezug auf den Kläger zu 3).
33
Das Vermögen der Bedarfsgemeinschaft überstieg die (Grund-) Freibeträge gemäß § 12
SGB II. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (i.d.F. des Vierten SGB III-Änderungsgesetzes
vom 19. November 2004, BGBl I, 2902) war vom Vermögen abzusetzen ein
Grundfreibetrag in Höhe von 200,00 Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen
Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 4.100,00 Euro. Der
Kläger zu 1) hatte das 42. Lebensjahr vollendet, die Klägerin zu 2) das 36. Lebensjahr.
Hieraus errechnet sich ein Grundfreibetrag gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von
15.600,00 Euro (78 x 200 EUR). Dies ist zwischen den Beteiligten ebenso unstreitig wie
die Berücksichtigung eines Freibetrags für notwendige Anschaffungen gemäß § 12 Abs.
2 Nr. 4 SGB II in Höhe von 750,00 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden
Hilfebedürftigen (3 X 750,00 EUR) und der sich daraus ergebende Gesamtfreibetrag von
17.850,00 Euro. Nach den vom Senat im Einzelnen nachvollzogenen Berechnungen
der Beklagten, die von den Klägern bestätigt worden ist, lag im streitigen Zeitraum das
Vermögen der Bedarfsgemeinschaft durchgehend über diesem Betrag. Auf die Frage,
ob mit dem PKW oder im Übrigen weiteres verwertbares Vermögen vorlag, kommt es
daher nicht an.
34
Weitere Absetzungen sind vom Vermögen der Bedarfsgemeinschaft nicht vorzunehmen.
Insbesondere ist für den Kläger zu 3) kein Grundfreibetrag gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1a
SGB XII (i.d.F. des Vierten SGB III-Änderungsgesetzes vom 19.11.2004, BGBl I, 2902)
in Höhe von 4.100,00 EUR vom Vermögen abzusetzen. Es handelt sich bei dem
Grundfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II nicht um einen "Kinderfreibetrag" (so
auch Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, 10. Erg.-Lfg. II/07, § 12 RdNr. 139c; Mecke in
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 12 Rn. 42; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II
u.a., 56. AL Januar 2008, § 12 Rn. 14; LSG Thüringen, Beschluss vom 06.06.2006 - L 7
AS 235/06 ER; SG Reutlingen, Beschluss vom 19.02.2007 - S 2 AS 565/07 ER [in der
Beschwerdeinstanz vom LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.03.2007 - L 7 AS
1214/07 ER-B, mit dem Bemerken offen gelassen, dass " jedenfalls hinsichtlich der im
vorliegenden Verfahren in den Vordergrund gerückten Freibetragsregelung des § 12
Abs. 2 Nr. 1a SGB II mit Blick auf Wortlaut, systematischen Zusammenhang sowie Sinn
und Zweck der Norm manches für die Auffassung des SG Reutlingen im angefochtenen
Beschluss spricht, dass der Kindergrundfreibetrag allein der Schonung des Vermögens
minderjähriger Kinder dient und daher - auch im Fall seiner nicht vollständigen
Ausschöpfung - nicht vom Vermögen der Eltern abgesetzt werden kann."]. Auch
Auffassung des Senats sprechen die überzeugenderen Gründe vielmehr dafür, dass der
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Grundfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II nur in Fällen abzusetzen ist, in denen
das Vermögen dem Kind (eindeutig) zugeordnet werden kann (ebenso Radüge in
JurisPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 12 Rn. ). Hat das Kind kein Vermögen verfällt der
Grundfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II (so ausdrücklich auch Adolph, a.a.O.).
Dabei geht der Senat allerdings zunächst davon aus, dass der Wortlaut eine Auslegung
der Vorschrift im Sinne der Kläger nicht ausschließt (vgl. etwa auch LSG Thüringen,
a.a.O.). Systematische Gründe sowie die mit der Vorschrift ausweislich der
Gesetzesbegründung verfolgten Ziele legen ihm gegenüber eine Auslegung
dahingehend nahe, dass der Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II ausschließlich
das Vermögen minderjähriger Kinder schützen soll.
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§ 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II ist noch vor Inkrafttreten des SGB II (nach öffentlicher
Diskussion vgl. hierzu: Hasske in Echtelmann, SGB II, 12/05, § 12 RdNr. 20) mit dem
Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer
Gesetze ausdrücklich "zur Schonung des Vermögens minderjähriger Kinder" (BT-Drs.
15/3674, S. 1) eingeführt worden. Ohne diese Neuregelung hätten minderjährige Kinder
ihr Vermögen wegen der Regelungen in §§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 2
SGB II vollständig für ihren Lebensunterhalt verbrauchen müssen, bevor die elterliche
Einstandspflicht nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II eingegriffen hätte (vgl. auch LSG
Thüringen, a.a.O.). In der Gesetzesbegründung (BT-Drs 15/3674, S. 11) ist weiter
ausgeführt:
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"Die Regelung stellt klar, dass allen hilfebedürftigen minderjährigen Kindern, die
Anspruch auf Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II haben, ab ihrer Geburt ein
Grundfreibetrag von 4 100 Euro zur Verfügung steht. Dies bedeutet, dass jedwedes
Vermögen - sei es aus Sparvermögen oder etwa Ausbildungsversicherungen - in dieser
Höhe bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II/Sozialgeldes für das Kind geschützt
bleibt.".
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Zur Überzeugung des Senats bringt die Gesetzesbegründung unmissverständlich zum
Ausdruck, dass der Gesetzgeber allein die Schonung des Vermögens minderjähriger
Kinder im Blick hatte, keineswegs aber höhere Grundfreibeträge für die gesamte
Bedarfsgemeinschaft bzw. das "Familienvermögen". Entsprechend hat der Gesetzgeber
nicht etwa, was nahegelegen hätte, die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II geändert
und dort einen Grundfreibetrag von 4.100,00 EUR für Minderjährige normiert. Vielmehr
hat er die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II wegen der "gesonderten Regelung" für
Kinder in Nr. 1a SGB II lediglich angepasst (vgl. BT-Drs 15/3674, S. 11).
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Auch systematische Gründe unterstreichen das schon aus der Gesetzesbegründung
gewonnene Ergebnis.
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Die Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II steht in untrennbarem Zusammenhang mit
den Regelungen in § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II. Liegt bei dem
minderjährigen Kind Vermögen über dem Freibetrag vor, zählt es gar nicht erst zur
Bedarfsgemeinschaft, da der Bedarf im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II aus eigenem
Einkommen und Vermögen beschafft werden kann (vgl. Hänlein in Gagel, SGB III und
SGB II, Stand der 31. EL Januar 2008, § 7 Rn. 59). Die Berücksichtigung des
Vermögens der Eltern oder eines Elternteils gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II kommt aus
nämlichen Gründen von vornherein nicht in Frage. Die Berücksichtigung von Vermögen
des minderjährigen Kindes im Rahmen der Sicherung des Lebensunterhalts seiner
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Eltern scheidet mangels gesetzlicher Regelung ohnehin aus. Daher kann nach der
gesetzlichen Konzeption rechtlich nicht von einem "Wirtschaften aus einem Topf"
ausgegangen werden, mag dieses in der Lebenswirklichkeit auch den Regelfall bilden.
Es ist daher eine exakte rechtliche Bewertung erforderlich, wem in einer
(vermeintlichen) Bedarfsgemeinschaft Vermögen zusteht (vgl. auch Hengelhaupt, a.a.O.,
Rn. 139). Bei der Auslegung des Gesetzes ist nicht darauf Rücksicht zu nehmen, dass
es einer weithin geübten Praxis entsprechen mag, ggf. zur Sicherstellung möglichst
weitgehender Ansprüche auf Soziallleistungen oder Minimierung von Steuerlasten,
Vermögen gleichsam "zum Schein" auf andere Familienmitglieder zu übertragen. Es
kann in diesem Zusammenhang kaum die Rede davon sein, dass es von Zufälligkeiten
abhänge, ob ein Sparbuch, ein Bausparvertrag oder andere Vermögenswerte auf den
Namen des Kindes oder der Eltern liefen (so aber Sozialgericht Aachen, Urteil vom
11.09.2007 - S 11 AS 124/07, Berufung anhängig beim Landessozialgericht Nordrhein-
Westfalen - L 7 AS 80/07; SG Aurich, Urteil vom 15.02.2006 - S 15 AS 107/05). Vielmehr
erfolgt die Zuordnung in der Praxis weitestgehend unter Berücksichtigung rechtlicher
und insbesondere steuerrechtlicher Vorgaben. Die Befürchtung, die Ansicht, die die
Freibeträge von Eltern und Kindern getrennt ermittle, werde
Antragsteller/Leistungsbezieher vermutlich nur dazu veranlassen,
Vermögensgegenstände innerhalb der Familie so zu verschieben, dass die Freibeträge
möglichst ausgeschöpft würden, und dies könne letztlich auch zu
Vermögensübertragungen von Kindern auf Eltern führen, wenn das Vermögen eines
Kindes den Freibetrag übersteige, mag zutreffen (wobei allerdings Letzteres
unabhängig von der vorliegend streitigen Auslegungsfrage zu befürchten steht, da
Kinder in diesem Fall gar nicht erst zur Bedarfsgemeinschaft gehören, s.o.). Es erscheint
allerdings, wie bereits dargelegt, nicht geboten, der Gefahr der Anpassung an rechtliche
Rahmenbedingungen eine die Auslegung bestimmende Bedeutung zukommen zu
lassen.
Zudem hat der Gesetzgeber durch Wahl der beispielhaft genannten geschützten
Vermögenswerte ("Ausbildungsversicherung") minderjähriger Kinder deutlich gemacht,
dass der Schutz solcher Vermögen beabsichtigt war, die den Kindern zumindest bei
objektiver Betrachtung unmittelbar zustehen sollten.
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Der Senat vermag sich nach alledem der Auffassung des Sozialgerichts Aurich (a.a.O.)
Artikel 3 und 6 Grundgesetz gebiete eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift
des § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II dahingehend, dass ein Gesamtfreibetrag für die Familie
unter Einschluss des Grundfreibetrages für die minderjährigen Kinder zu bilden sei,
schon deshalb nicht anzuschließen, weil die minderjährigen Kinder bei Überschreiten
"ihres" Freibetrages nicht zur Bedarfsgemeinschaft zählen (s.o.) und bei Fehlen eigenen
Vermögens eine verfassungswidrige, weil von Zufälligkeiten abhängige
Benachteiligung von Familien gerade nicht zu erkennen ist.
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Die vom Sozialgericht Aachen beanstandeten Konsequenzen hinsichtlich der
unterschiedlichen Bestimmung des Begriffs "Vermögen" machen einerseits deutlich,
dass der Gesetzgeber der Komplexität der sich aus den Regelungen zur
Bedarfsgemeinschaft ergebenden Weiterungen durch dem Wortlaut nach eindeutige
Regelungen ggf. auch in diesem Kontext nicht gerecht geworden ist. Im Übrigen ist eine
unterschiedliche Auslegung hinsichtlich der in § 12 Abs. 2 Nr. 1 - 4 SGB II getroffenen
Regelungen aber angesichts der aus Sicht des Senats gebotenen Auslegung
hinzunehmen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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Der Senat misst der hier entschiedenen Rechtsfrage schon angesichts widerstreitender
Rechtsprechung grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu
und hat die Revision zugelassen.
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