Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 03.01.2005

LSG NRW: rücknahme der klage, versäumnis, klagerücknahme, unverzüglich, daten, gesundheit, versicherungspflicht, abmeldung, feststellungsklage, abgabe

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Landessozialgericht NRW, L 16 B 44/04 KR
03.01.2005
Landessozialgericht NRW
16. Senat
Beschluss
L 16 B 44/04 KR
Sozialgericht Dortmund, S 40 KR 102/03
Krankenversicherung
rechtskräftig
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des
Sozialgerichts Dortmund vom 05.05.2004 geändert. Der
Beschwerdegegner trägt die außergerichtlichen Kosten der
Beschwerdeführerin.
Gründe:
I.
Der Beschwerdegegner war bei der Fa. T Kurierdienst GmbH (im Folgenden:
Arbeitgeberin) beschäftigt. Zum 10.10.2001 erfolgte eine arbeitgeberseitige Kündigung des
Arbeitsverhältnisses sowie - ebenfalls mit Wirkung zum 10.10.2001 - eine Abmeldung bei
der zuständigen Krankenkasse (BIG Gesundheit in Dortmund) als Einzugsstelle. Im
Rahmen des vor dem Arbeitsgericht Dortmund geführten Kündigungsschutzverfahrens
einigten sich der Beschwerdegegner und die Arbeitgeberin am 07.12.2001 vergleichsweise
auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.11.2001.
Mit Beschluss vom 29.08.2002 eröffnete das Amtsgericht Dortmund (Az.: 252 IN 104/02)
das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin und ernannte die
Beschwerdeführerin zur Insolvenzverwalterin.
Am 16.04.2003 hat der Beschwerdegegner Klage beim Sozialgericht Dortmund erhoben
mit dem Ziel, die Beschwerdeführerin zu verpflichten, die sozialversicherungsrechtlich
relevante Abmeldung gegenüber der Einzugsstelle auf den 15.11.2001 zu berichtigen.
Nachdem die BIG Gesundheit bestätigt hatte, dass eine Korrektur am 16.05.2003 auf der
Grundlage eines entsprechenden Telefaxes der Beschwerdeführerin vom Vortage erfolgt
sei, hat der Beschwerdegegner die Klage zurückgenommen. Er hat vorgetragen, die
prozessuale Geltendmachung seines Anspruchs sei notwendig gewesen, nachdem die
Beschwerdeführerin auf ein anwaltliches Schreiben vom 26.02.2003 nicht reagiert habe,
und beantragt, der Beschwerdeführerin seine außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Die Beschwerdeführerin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, die Angelegenheit
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hätte sich durch einen Anruf erledigen lassen; einer Klage habe es nicht bedurft. Das
Schreiben vom 26.02.2003 sei ihr nicht zugegangen.
Mit Beschluss vom 05.05.2004 hat das Sozialgericht Dortmund der Beschwerdeführerin die
Kosten des Verfahrens auferlegt und zur Begründung ausgeführt, diese müsse sich das
Versäumnis der Arbeitgeberin zurechnen lassen. Da unrichtige Meldungen gegenüber der
Einzugsstelle gemäß § 28a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) i. V. m. § 14 der
Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Daten für die Träger der
Sozialversicherung (DEÜVO) unverzüglich zu berichtigen seien, komme es nicht darauf an,
ob der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin vor Klageerhebung auf die unrichtige
Meldung hingewiesen und Berichtigung verlangt habe.
Gegen den ihr am 12.05.2004 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am
28.05.2004 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, der Beschwerdegegner
habe bereits im Hinblick auf die Rücknahme der Klage die Kosten zu tragen. Im Übrigen
weist sie darauf hin, dass der Insolvenzverwalter mit Verfahrenseröffnung in den gesamten
Pflichtenkreis des ehemaligen Arbeitgebers einrücke. Ihm obliege - erst - von diesem
Zeitpunkt an u. a. die Wahrnehmung von Meldepflichten gemäß § 28a SGB IV. Handele es
sich um ein Versäumnis des ehemaligen Arbeitgebers aus einer früheren Zeit, so könne
dieses dem Insolvenzverwalter nicht zugerechnet werden. Er sei lediglich verpflichtet, die
Meldepflichten ab Kenntnis von dem Versäumnis nachzuholen. Diese Kenntnis habe erst
mit Übersendung der Klageschrift bestanden. In der Folge sei die Meldung unverzüglich
berichtigt worden.
Der Beschwerdegegner hält demgegenüber die erstinstanzliche Entscheidung für
zutreffend und vertritt die Auffassung, der Beschwerdeführerin hätten ab dem Zeitpunkt der
Bestellung zur Insolvenzverwalterin sämtliche Vertrags- und Personalunterlagen zur
Verfügung gestanden. Dennoch sei zunächst keine Berichtigung der Daten der
Einzugsstelle gegenüber erfolgt. Erst nach Klageerhebung sei die Beschwerdeführerin tätig
geworden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Prozessakte verwiesen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
II.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde ist begründet.
Das Sozialgericht hat der Beschwerdeführerin zu Unrecht die außergerichtlichen Kosten
des Beschwerdegegners auferlegt und diese dadurch in ihren Rechten verletzt. Vielmehr
sind die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin vom Beschwerdegegner zu
tragen.
Gemäß § 102 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erledigt die Klagerücknahme den
Rechtsstreit in der Hauptsache. Auf Antrag ist diese Wirkung durch Beschluss
auszusprechen und, soweit Kosten entstanden sind, über diese zu entscheiden. Dabei sind
im Rahmen der vom Gericht zu treffenden Ermessensentscheidung entsprechend § 193
SGG das Ergebnis des Rechtsstreits und der Sach- und Streitstand unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls einzubeziehen (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 102 RdNr.
9, § 193 RdNr. 12 ff m. w. N.).
In Anwendung der o. g. Grundsätze ist der Beschwerdegegner verpflichtet, die
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außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin zu tragen. Anders als in anderen
Verfahrensordnungen trifft bei einer Klagerücknahme zwar nicht ohne Weiteres den Kläger
die Kostenlast (Meyer-Ladewig, a. a. O.). Entscheidend ist vielmehr, dass seine Klage
keine Aussicht auf Erfolg hatte. Sie war bereits unzulässig. Bei Streitigkeiten über das
Bestehen der Versicherungspflicht und die Beitragspflicht auf Grund von
Beschäftigungsverhältnissen ist ausschließlich die Einzugsstelle richtige Klagegegnerin.
Diese entscheidet gemäß § 28 h Abs. 2 SGB IV durch Verwaltungsakt bei Zweifeln oder
Streit. Da diese Regelung zwingend und abschließend ist (vgl. BSG, Urt. vom 11.09.1995,
SozR 3-2400 § 28h Nr. 6), ist eine gegen den früheren Arbeitgeber gerichtete
Verpflichtungsklage auf Abgabe einer berichtigten Meldung, auf Zahlung von Beiträgen an
die Einzugsstelle bzw. eine Feststellungsklage auf Bestehen von Versicherungspflicht in
der gesetzlichen Kranken- oder Rentenversicherung unzulässig (BSG, Urt. vom
26.05.2004, SozR 4-2500 § 5 Nr. 2; Urteil vom 26.09.1996, SozR 3-2400 § 28h Nr. 7; siehe
auch Urt. vom 23.09.2003, SozR 4-2400 § 28h Nr. 1; Urt. vom 12.10.2000, SozR 3-2400 §
28 b Nr. 1). Da die Beschwerdegegnerin als Insolvenzverwalterin in die Rechtsposition der
früheren Arbeitgeberin eingetreten ist, gilt dieser gegenüber nichts anderes.
Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.