Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 02.02.2006

LSG NRW: krankengeld, arbeitsunfähigkeit, meldung, krankheit, krankenkasse, erwerbsunfähigkeit, unverzüglich, zeitrente, arbeitsamt, ausnahme

Landessozialgericht NRW, L 16 (2) KR 72/05
Datum:
02.02.2006
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 16 (2) KR 72/05
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 13 KR 454/04
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 1 KR 61/06 B
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund
vom 15. Juni 2005 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander
auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision
wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten rückwirkend die Zahlung von Krankengeld für
den Zeitraum vom 01.04.2001 bis zum 31.12.2001.
2
Der am 00.00.1953 in der Türkei geborene Kläger verfügt über keine abgeschlossene
Berufsausbildung und lebt seit 1979 in Deutschland. Hier arbeitete er als angelernter
Arbeiter der S H, Fa. G X GmbH & Co KG in X, zunächst als Pressen- und ab dem
01.09.1994 als Ofenarbeiter (Arbeitgeberauskunft vom 30.11.1998, eingeholt im
Verfahren S 38 RJ 268/98 des Sozialgerichts Dortmund). Es handelte sich dabei um
eine körperlich schwere Tätigkeit im Stehen.
3
Aufgrund eines Bandscheibenvorfall-Rezidiv L4/L5 rechts mit Operation am 19.08.1997
bestand bei ihm Arbeitsunfähigkeit ab dem 15.08.1997 (AU-Erstbescheinigung Dr. T, I,
vom 15.08.1997). Wegen dieser Krankheit war der Kläger erstmals am 10.01.1990
arbeitsunfähig erkrankt. Unter Anrechnung von Krankengeldzeiträumen vom 16.01.-
26.01.1996 (11 Tage) und vom 27.05. - 16.07.1997 (51 Tage) berechnete die Beklagte
einen Restanspruch auf Krankengeld bis zum 11.12.1998 (484 Tage). Vor Ablauf der
Krankengeldzahlung zog die Beklage von der LVA-Oberfranken-Mittelfranken, heute
Deutsche Rentenversicherung Oberfranken-Mittelfranken (im Folgenden: DRV
Oberfranken-Mittelfranken), ein Rentengutachten des Internisten Dr. G (Gutachten vom
13.07.1998, Untersuchungstag 07.07.1998) bei, wonach der Kläger noch leichte bis
mittelschwere vollschichtige Arbeiten ohne Wechselschicht und Zeitdruck verrichten
könne.
4
Mit Bescheid vom 30.10.1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Anspruch auf
Krankengeld werde am 11.12.1998 enden. Sie führte aus, der Anspruch auf
Krankengeld wegen derselben Krankheit bestehe für längstens 78 Wochen innerhalb
eines Drei-Jahres-Zeitraums. Dieser Zeitraum laufe am 09.01.1999 ab. Danach könne
ein Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit erst wieder entstehen, "
wenn Sie bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld
versichert sind und in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate nicht wegen dieser
Krankheit arbeitsunfähig waren und erwerbstätig waren oder der Arbeitsvermittlung zur
Verfügung standen. Sofern Sie diese Voraussetzungen erfüllen, bitten wir Sie, sich zur
Klärung eines möglichen Krankengeldanspruchs mit uns in Verbindung zu setzen." Auf
der Grundlage eines Sachverständigengutachten vom 31.08.1999 (Untersuchungstag
07.06.1999) des Orthopäden H (" aufgrund der doch sehr deutlichen Myeloneinengung
im Segment L4/5 könne derzeit nicht unterstellt werden, dass der Kläger noch
regelmäßig arbeiten könne") bewilligte die DRV Oberfranken-Mittelfranken dem Kläger
mit Bescheid vom 17.11.1999 rückwirkend Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit
vom 01. 08.1998 bis zum 31.03.2001 (außergerichtlicher Vergleich vom 21.10.1999 im
Verfahren S 38 RJ 268/98 SG Dortmund). Die Beklagte meldete daraufhin gegenüber
der DRV Oberfranken-Mittelfranken für den Zeitraum 01.08.1998 bis zum 11.12.1998
aufgrund ihrer Krankengeldzahlungen einen Erstattungsanspruch über 5.458,83 DM an
(Schreiben vom 01.12.1999), der am 16.12.1999 abgerechnet wurde.
5
Mit Schreiben vom 18.12.2000 informierte die DRV Oberfranken-Mittelfranken den
Kläger über den Wegfall der Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit zum 31.03.2001. Das
Schreiben enthielt den Hinweis: "Auch wenn Sie bereits einen Antrag auf
Weitergewährung der Rente gestellt haben, empfehlen wir Ihnen, noch vor einem
möglichen Wegfall der Rente evtl. bestehende Ansprüche bei anderen
Sozialleistungsträgern unverzüglich geltend zu machen. Dieser Hinweis ergeht, damit
Ihnen keine Nachteile durch eine unterlassene, rechtzeitige Antragstellung, wie z.B.
dem Arbeitsamt, entstehen."
6
Trotz dieses Hinweises meldete sich der Kläger erst Mitte Mai 2001 beim damaligen
Arbeitsamt I, heute Bundesagentur/Geschäftsstelle I, arbeitsuchend und bezog ab dem
14.05.2001 Arbeitslosengeld (Leistungsnachweis vom 12.06.2002); eine Nachfrage
oder Meldung bei der Beklagten erfolgte nicht. Sein Antrag auf Weiterzahlung seiner
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.03.1999 hinaus blieb erfolglos (Bescheid
vom 07.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2001 auf der
Grundlage eines internistischen Gutachtens von Dr. G vom 26.03.2001
(Untersuchungstag 20.03.2001) und eines orthopädischen Gutachtens von Dr. G1 vom
10.04.2001 (Untersuchungstag 05.03.2001). Rechtsmittel gegen die Ablehnung legte
der Kläger nicht ein.
7
Auf seinen weiteren Rentenantrag vom 15.01.2002 bewilligte ihm die DRV Oberfranken-
Mittelfranken mit Bescheid vom 03.06.2004 (Ablehnungsbescheid vom 17.05.2002 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2002, zusprechendes Urteil des
SG Dortmund vom 25.07.2003 (Az: S 34 RJ 252/02), Berufungsrücknahme der DRV
Oberfranken-Mittelfranken am 30.04.2004 (Az: L 14 RJ 143/03 LSG NRW) ausgehend
von einem Leistungsfall im Dezember 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf
Dauer ab dem 01.01.2002. Grundlage hierfür war ein Sachverständigengutachten des
Arztes für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. X vom 21.02.2003 (Untersuchungstag
10.02.2003).
8
Bereits am 08.01.2004 hatte der Kläger bei der Beklagten rückwirkend die Zahlung von
Krankengeld für weitere 78 Wochen ab dem 01.04.2001 (Wegfall der
Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit) beantragt. Als Ofenarbeiter sei er seit dem
15.08.1997 durchgehend bis heute arbeitsunfähig krank. Durch die rückwirkende
Zahlung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ab dem 01.08.1998 sei es in
rechtlicher Hinsicht nicht zu einer Ausschöpfung seines Krankengeldanspruchs
innerhalb der bis zum 09.01.1999 laufenden Blockfrist gekommen. Mit Beginn der neuen
Blockfrist ab dem 10.01.1999 habe ihm deshalb bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit
grundsätzlich wieder ein Anspruch auf Krankengeld zugestanden. Zwar sei seine
Arbeitsunfähigkeit in der fraglichen Zeit der Beklagten nicht gemeldet worden, jedoch
beruhe dies ausschließlich auf den unrichtigen Ausführungen im Bescheid der
Beklagten vom 30.10.1998. Hierdurch sei ihm der rechtlich unrichtige Eindruck vermittelt
worden, dass eine erneute Meldung der Arbeitsunfähigkeit für die Zeit nach Wegfall der
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ihn solange sinnlos sein müsse, als nicht die
dort genannten Voraussetzungen erfüllte seien. Dabei sah er seine Rechtsauffassung
durch eine Entscheidung des erkennenden Senats vom 05.02.1998 (Az.: L 16 Kr 82/97
LSG NRW) bestätigt, wonach die Beklagte sich nicht auf ein Ruhen des
Krankengeldanspruchs nach § 49 Abs 1 Nr 5 Sozialgesetzbuch V (SGB V) berufen
könne, wenn sie selbst durch ein unrichtiges Aussteuerungsschreiben bei einem
Versicherten den Eindruck erweckt habe, eine erneute Meldung von Arbeitsunfähigkeit
sei zur Erlangung von Krankengeld sinnlos.
9
Mit Bescheid vom 17.06.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte
sie aus, unabhängig von der Frage, ob der Kläger ab dem 01.04.2001 tatsächlich
arbeitsunfähig gewesen sei, könne eine Gewährung von Krankengeld schon deshalb
nicht erfolgen, weil eine solche Arbeitsunfähigkeit ihr jedenfalls nicht rechtzeitig
gemeldet worden sei. Auch die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs seien nicht erfüllt. Der hiergegen am 23.06.2004 eingelegte
Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 07.09.2004).
10
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 14.09.2004 vor dem Sozialgericht
Dortmund unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens Klage erhobenen. Er hat
erstinstanzlich beantragt,
11
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.06.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 07.09.2004 zu verurteilen, ihm Krankengeld für die Zeit
vom 01.04.2001 bis 31.12.2001 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu
gewähren.
12
Die Beklagte hat beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Mit Urteil vom 15.06.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung
hat es ausgeführt, die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs
seien nicht erfüllt. Die Beklagte habe keine ihr obliegenden Beratungspflicht verletzt, da
im Zeitpunkt des Aussteuerungsbescheides vom 30.10.1999 die spätere
Rentengewährung nicht absehbar gewesen sei. Darüber hinaus sei dieser Hinweis der
Beklagten auch nicht nur dahingehend zu verstehen gewesen, dass ausschließlich
unter den dort genannten Voraussetzungen ein erneuter Krankengeldanspruch
entstehen könne.
15
Gegen das ihm am 23.06.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.06.2005 Berufung
eingelegt. Ergänzend zu seinem bisherigen Vortrag hat er weiter vorgetragen, der ihm
am 30.10.1999 erteilte Hinweis sei in jedem Fall unvollständig gewesen und habe nur
den Anschein der Vollständigkeit erweckt. Dies allein mache ihn bereits unrichtig, selbst
wenn er teilweise zutreffend gewesen sei. Zudem habe sich spätestens mit der
Abrechnung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs auf Seiten der Beklagten
eine Spontanberatungspflicht unter Bezugnahme auf den Aussteuerungsbescheid
geradezu aufdrängen müssen.
16
Der Kläger hat beantragt,
17
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.06.2005 abzuändern und die Beklagte
unter Aufhebung des Bescheides vom 17.06.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 07.09.2004 zu verurteilen, ihm Krankengeld für die Zeit
vom 01.04.2001 bis zum 31.12.2001 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
19
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ihrer Meinung nach zutreffenden Ausführungen
im angefochtenen Urteil.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des weiteren
Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Senat
beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der ebenfalls beigezogenen
Rentenakte des Klägers der DRV Oberfranken-Mittelfranken, Versicherungs-Nr.: 000,
verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
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Entscheidungsgründe:
22
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
23
Wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, kann der Kläger Krankengeld für die
streitbefangene Zeit vom 01.04. bis zum 31.12.2001 nicht beanspruchen. Die
angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und müssen daher Bestand
haben.
24
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld vom
01.04.2001 bis zum 31.12.2001. Nach § 44 Abs 1 Satz 1, 1. Alt SGB V haben
Versicherte ua Anspruch auf Krankengeld, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig
macht. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, ist
ein Versicherter arbeitsunfähig, wenn er durch Krankheit gehindert ist, seine
arbeitsvertraglich geschuldete, zuletzt ausgeübte Arbeit zu verrichten (BSG Urt. V.
08.11.2005 - B 1 KR 18/04 R -: zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR 4; v.
07.12.2004 - B 1 KR 5/03 R -: SozR 4-2500 § 44 Nr 3). Der Anspruch auf Krankengeld
entsteht nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen
Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Dabei ruht nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V der
Anspruch, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies
gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit
erfolgt. Das Ruhen des Anspruchs führt nicht dazu, dass der Anspruch auf Krankengeld
entfällt. Das Stammrecht bleibt erhalten. Der Anspruch darf nur nicht erfüllt; die Leistung
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darf nicht ausgezahlt werden (BSG v. 29.06.1994 - Az: 1 RK 45/93 -: SozR 3-1300 § 48
Nr 33). Auch bei ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit bedarf es einer Meldung an die
Krankenkasse, wenn - wie hier - nach einer vorübergehender leistungsfreien Zeit wieder
Krankengeld gezahlt werden soll (BSG v. 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R -: SozR 4-2500 §
49 Nr 4).
Unabhängig, ob die Voraussetzungen des Stammrechts im benannten Zeitraum erfüllt
gewesen sind (zur Unbeachtlichkeit des zwischenzeitlich durch den Rentenbezug
veränderten Versicherungsstatus, vgl. BSG v. 29.09.1998 - B 1 KR 5/97 R -: SozR 3-
2500 § 50 Nr 5), steht dem vom Kläger geltend gemachte Anspruch jedenfalls der
Ruhenstatbestand des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V entgegen. Danach hätte er nach Wegfall
seiner Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit zum Wiederaufleben eines möglichen
Zahlungsanspruchs auf Krankengeld in der dann mittlerweile vierten Blockfrist (§ 48 Abs
1 SGB V) spätestens bis Montag, dem 08.04.2001, seine weiterhin bestehende
Arbeitsunfähigkeit der Beklagten anzeigen müssen (zur Fristberechnung: § 26 Abs 1
Sozialgesetzbuch X (SGB X); dazu: KassKomm.-Höfler § 49 SGB V RdNr 20).
Tatsächlich hat er der Beklagten seine behauptete durchgehende Arbeitsunfähigkeit
erst am 08.01.2004, also mithin nach Ablauf des hier allein streitbefangenen Zeitraums,
angezeigt. Zuvor war dies der Beklagten unbekannt.
26
Die Beklagte durfte die Ausschlusswirkung der Ruhensregelung dem Kläger auch
entgegenhalten; dessen gegenteilige Einwände greifen nicht durch.
27
Bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit handelt es sich um eine Obliegenheit des
Versicherten; das Risiko des Rechtsverlustes durch eine unterbliebene oder nicht
rechtzeitige Meldung ist deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Sinn und Zweck des §
49 Abs 1 Nr 5 SGB V ist es ua, die Krankenkassen davon freizustellen, die
Voraussetzungen eines verspätet geltend gemachten Krankengeldanspruchs im
Nachhinein aufklären zu müssen. Diese strikte Anwendung gilt selbst dann, wenn die
die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und dem
Versicherten keinerlei Verschulden an dem Meldeversäumnis trifft (BSG v. 08.11.2005
aaO; v. 24.06.1969 - 3 RK 69/66 -: SozR Nr 11 zu § 216 RVO). Als einzige Ausnahme
dieser strikten Anwendung der Ruhensregelung ist anerkannt, wenn das
Meldeversäumnis allein auf Umständen beruht, die dem Verantwortungsbereich der
Krankenkassen und nicht dem des Versicherten zuzurechnen ist (BSG v. 28.10.1981 - 3
RK 39/80 -: SozR 2200 § 216 Nr 5). In seiner Entscheidung vom 08.11.2005 (aaO) hat
das BSG im Falle einer unrichtigen ärztlichen Beurteilung diese Ausnahme zu Recht
dahingehend konkretisiert, dass es auf eine Meldung dann nicht entscheidend
ankomme, wenn der Versicherte (1.) alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare
getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, er (2.) aber daran durch eine von der
Krankenkasse zu vertretenen Fehlentscheidung gehindert wurde und er (3.) zusätzlich
seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen
des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend
macht hat. Diese Grundsätze gelten nach Überzeugung des Senats auch für eine
Fehlberatung durch die Krankenasse mit der Folge, dass ohne Rückgriff auf das von der
Rechtsprechung entwickelte Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (dazu:
BSG v. 26.04.2005 - B 5 RJ 6/04 R -: SozR 4-2600 § 4 Nr 2, mwN) bereits unter diesen
engen Voraussetzungen der Kläger ausnahmsweise bei einer verspäteten Meldung
rückwirkend die Zahlung von Krankengeld beanspruchen kann.
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Im Falle des Klägers sind bei Anwendung dieser vom BSG aufgezeigten Grundsätze die
29
Voraussetzungen dafür, trotz unterbleibender Meldung nachträglich die Zahlung von
Krankengeld beanspruchen zu können, nicht erfüllt. Im hier allein streitigen Zeitraum
vom 01.04. bis zum 31.12.2001 hat er bereits nicht alles in seiner Macht stehende getan,
um seine Ansprüche auf weitere Zahlung von Krankengeld zu wahren. Daran ist er
insbesondere nicht durch den im Aussteuerungsbescheid der Beklagten vom
30.10.1998 enthaltenen Hinweis gehindert worden.
Der im Aussteuerungsbescheid vom 30.10.1998 enthaltene Hinweis auf einen neuen
Krankengeldanspruch nach § 48 Abs 2 SGB V in der nächsten Blockfrist vom
10.01.1999 bis zum 09.01.2001 war nach der damaligen Sachlage inhaltlich korrekt und
vollständig. Die Beklagte musste den Kläger nicht auf die fiktive Möglichkeit eines
wiederauflebenden Krankengeldanspruch in der nächsten Blockfrist (§ 48 Abs 1 SGB V)
hinweisen, sondern hat zu Recht nur die Möglichkeit eines neuen
Krankengeldanspruchs nach § 48 Abs 2 SGB V in ihrem Hinweis angeführt. Nach Lage
der Akten hatte sie nur Kenntnis von der Rentenablehnung im Widerspruchsbescheid
vom 28.09.1998 (Eingang: 05.10.1998), nicht jedoch von der am 14.10.1998 erhobenen
Klage (S 38 RJ 268/98 SG Dortmund). Selbst wenn sie eine bestandskräftige
Rentenablehnung nicht positiv unterstellen konnte, verpflichtete sie dies nicht, auf alle
etwaigen und erdenklichen Entwicklungsmöglichkeiten und deren rechtliche
Auswirkungen hinzuweisen. Sie war zum damaligen Zeitpunkt an die Entscheidung der
DRV Oberfranken-Mittelfranken gebunden, die insbesondere aufgrund des übersandten
Rentengutachtens von Dr. G vom 13.07.1998 und einem aktenkundig gemachten
Vermerk vom 16.10.1998 (der Kläger sei bei privaten Tätigkeiten mit Rückenbelastung
gesehen worden) mehr als plausibel erschien.
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Der fehlende Hinweis auf einen Anspruch auf Krankengeld nach § 48 Abs 1 SGB V bei
einer fiktiven späteren Rentengewährung macht entgegen der Ansicht des Klägers den
Aussteuerungsbescheid nicht inhaltlich unvollständig, vielmehr war die schriftliche
Beratung (§ 14 Sozialgesetzbuch I (SGB I)) nur in dieser Form praktikabel und
durchführbar. Würde man von einem Versicherungsträger verlangen, im Vorfeld alle
erdenklichen - nahe liegenden wie unwahrscheinlichen - Entwicklungsmöglichkeiten
abzuschätzen und entsprechende Hinweise zu erteilen, würde dies nach Überzeugung
des Senats nicht zur Verständlichkeit und Qualität einer Beratung beitragen. Die
Beklagte hat sich zu Recht darauf beschränkt, den Gesetzeswortlaut nur insoweit
wiederzugeben, als dies nach den gegebenen Umständen zum damaligen Zeitpunkt
einzig in Betracht kam.
31
Soweit der Kläger sich auf das Urteil des erkennenden Senats vom 05.02.1998 (aaO)
beruft, folgt der Senat nicht der Auffassung des Klägers. Im dort entschiedenen Fall hatte
die beklagte Krankenkasse im Aussteuerungsschreiben fälschlich den Begriff "dieselbe
Krankheit" mit dem der "hinzugetretenen Erkrankung" verwechselt und so ihren
Versicherten objektiv falsch informiert. Eine solche schriftliche Fehlinformation lag im
Fall des Klägers, wie ausgeführt, gerade nicht vor.
32
Selbst wenn man zugunsten des Klägers eine Informationspflichtverletzung in Form
eines unvollständigen Hinweises unterstellt, würde dies zudem nicht zu einer
Verlagerung der Verantwortungskreise bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit ab April
2001 führen. Der Senat folgt auch insoweit der Rechtsprechung des BSG (Urt. v.
06.03.2003 - B 4 RA 38/02 R -: SozR 4-2600 § 115 Nr 1), wonach eine solche
Pflichtverletzung nur dann beachtlich wäre, wenn sie wesentliche, d.h. zumindest
gleichwertige, Bedingung für die Beeinträchtigung eines sozialen Rechts - hier:
33
Anspruch auf Krankengeld - war. Das war hier nicht der Fall. Der Kläger hat bestenfalls
fahrlässig gegen sich selbst die erforderliche Meldung gegenüber der Krankenkasse
nicht getätigt und auch keine weiteren Informationen eingeholt. Tatsächlich hat er nach
eigener Einlassung zunächst nichts unternommen und sich auch nicht arbeitslos
gemeldet. Zudem konnte er, worauf das Sozialgericht bereits zu Recht hingewiesen hat,
nach Bewilligung und späteren Wegfall seiner Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit nicht
davon ausgehen konnte, dass die im Aussteuerungsbescheid vom 30.10.1998
skizzierte Rechtslage nach Wegfall der Zeitrente unverändert Bestand haben werde. Er
war darüber informiert, dass die DRV Oberfranken-Mittelfranken der Beklagten
Leistungen erstattet hatte und wusste daher bzw. hätte es wissen müssen, dass sich
damit die rechtlichen Grundlagen im Bescheid vom 30.10.1998 geändert hatten. Zudem
ist er mit Wegfall seiner Zeitrente (Schreiben der DRV Oberfranken-Mittelfranken vom
18.12.2000) ausdrücklich darauf hingewiesen worden, "bestehende Ansprüche bei
anderen Sozialleistungsträgern unverzüglich geltend zu machen". Es oblag damit ihm
selbst, sich anlässlich veränderter Umstände erneut an die Beklagte oder einen anderen
Sozialleistungsträger zu wenden und ggf weitere Beratung (§ 14 SGB I) einzufordern.
Dass er diese ihm obliegende Pflicht unterlassen hat, lag jedenfalls zu diesem Zeitpunkt
außerhalb des Verantwortungsbereichs der Beklagten.
Ob neben dem Tatbestand des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V auch ein allgemeiner
sozialrechtlicher Herstellungsanspruch (dazu: BSG v. 26.04.2005 aaO) in Betracht
kommen kann, bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte war nicht verpflichtet, den
Kläger auf die Meldeobliegenheit hinzuweisen. Der Aussteuerungsbescheid vom
30.10.1998 war - wie bereits ausgeführt vor den damaligen Umständen des Falles -
inhaltlich korrekt und nach Aktenlage vollständig. Der Kläger hat sich auch nicht mit der
Bitte um Beratung (§ 14 SGB I) an die Beklagte gewandt. Das entspricht seinem
Vorbringen im Einklang mit dem Akteninhalt. Aus § 13 SGB I folgt kein
Individualanspruch auf Information über die Gesetzeslage (BSG v. 21.06.1990 - B 2 RK
27/88 -: SozR 3-1200 § 13 Nr 1; LSG NRW v. 09.12.2004 - L 2 KR 54/04 -). Die Beklagte
war auch nicht zu einer sog. Spontanberatung des Klägers verpflichtet. Unabhängig von
einem konkreten Beratungsbegehren ist ein Leistungsträger nur gehalten, bei Vorliegen
eines konkreten Anlasses auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten
hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem
verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt würden (BSG v. 27.04.2004 - B 7 SF
1/03 R; v. 10.12.2003 - B 9 VJ 2/02 R -: SozR 3-4100 § 110 Nr 2).
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An einem solchen konkreten Anlass fehlt es hier. Entgegen der Rechtsauffassung des
Klägers war die Beklagte insbesondere aufgrund der Abrechung des geltend
gemachten Erstattungsanspruchs (Schreiben der DRV Oberfranken-Mittelfranken vom
17.11.1999, Eingang bei der Beklagten am 29.11.1999) nicht zu einer Spontanberatung
gehalten. Bei der bloßen Abrechnung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs
handelte es sich um einen lediglich internen buchungstechnischen Vorgang, der die
Beklagte nicht dazu veranlassen musste, in eine neue Sachprüfung einzusteigen.
Zudem entspricht es - wie im Übrigen auch geschehen - der üblichen Praxis der
Rentenversicherungsträger, noch vor Wegfall der Zeitrente den Versicherten auf die
Möglichkeit der Geltendmachung anderer sozialer Rechte hinzuweisen. Aus Sicht der
Beklagten drängte auch nach vorausschauernder Betrachtungsweise sich deshalb kein
weiterer Beratungsbedarf des Klägers auf, vielmehr stand zu erwarten, dass dieser bei
Wegfall der Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit einen Antrag auf Weiterzahlung stellen
bzw. um weitere Beratung bei ihr oder einem anderen Sozialleistungsträger nachsuchen
werde. Entsprechende Überwachungspflichten hatte sie nicht.
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Der Senat hat schließlich keine Anhaltspunkte für eine Verletzung von
Informationspflichten der DRV Oberfranken-Mittelfranken oder der Bundesagentur für
Arbeit (zur Beachtlichkeit im Falle einer sog. Funktionseinheit, BSG v. 26.04.2005 aaO).
Entsprechendes hat weder der Kläger vorgetragen noch ist dies nach Lage der Akten
ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183 und 193 SGG.
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Für die Zulassung der Revision hat der Senat keine Veranlassung gesehen, weil die
gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind, § 160 Abs. 2 SGG.
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