Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 08.05.2006

LSG NRW: aufschiebende wirkung, zusage, rücknahme, verwaltungsakt, genehmigung, werkvertrag, arbeitserlaubnis, kündigung, rechtssubjekt, meinung

Landessozialgericht NRW, L 19 B 14/06 AL ER
Datum:
08.05.2006
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 19 B 14/06 AL ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 15 AL 51/06 ER
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des
Sozialgerichts Köln vom 30.03.2006 geändert. Es wird festgestellt, dass
der Widerspruch der Antragstellerin gegen die Rücknahme vom
14.03.2006 der Zusage der Zustimmung zur Erteilung von
Aufenthaltstiteln für Arbeitnehmer der Antragstellerin vom 16.01.2006 -
Auftragsnummer 000 - aufschiebende Wirkung hat. Die Antragsgegnerin
trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der
Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Gründe:
1
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom
05.04.2006) ist begründet.
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Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung
ihres Widerspruches entsprechend § 86b Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 des
Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, da diese zwar kraft Gesetzes nach § 86a Abs. 1 SGG
eingetreten ist, von der Antragsgegnerin jedoch nicht beachtet wird.
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Nach § 86a Abs. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende
Wirkung (S. 1). Dies gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden
Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung (S. 2). Bei der Zusage
vom 16.01.2006 handelt es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt, die
Rücknahme vom 14.03.2006 nimmt als seine Rückgängigmachung an dieser
Rechtsnatur teil.
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Die Zusage vom 16.01.2006 ist ein feststellender Verwaltungsakt im Sinne von §§ 35
Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG -, 31 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch -
SGB X -, wobei im Hinblick auf die Wortgleichheit der Vorschriften offen bleiben kann,
welches Verfahrensrecht gilt.
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Denn es handelt sich um ein hoheitliches Tätigwerden im Einzelfall auf dem Gebiet des
öffentlichen Rechts, was bislang nicht in Abrede gestellt und vom Senat auch als nicht
begründungsbedürftig angesehen wird.
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Die Zusage vom 16.01.2006 weist zudem Regelungscharakter auf und ist auf
unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet.
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Der Regelungscharakter ergibt sich aus der in der Zusage enthaltenen und eine
Selbstbindung der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin hervorrufenden
Feststellung, dass bestimmte, von der Antragsgegnerin geprüfte Umstände der späteren
Zustimmung zu Aufenthaltstiteln der einzusetzenden Arbeitnehmer nicht
entgegenstehen. Die zu prüfenden Umstände und damit auch die darauf beruhende
Feststellung betreffen alleine die Sphäre der Antragstellerin, nicht die Sphäre der
Arbeitnehmer, wie es die Antragsgegnerin offensichtlich ihrer Meinung zugrundelegt, die
Zusage und ihre Rücknahme seien nur zusammen mit dem Aufenthaltstitel bzw. dessen
Versagung überprüfbar.
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Denn bei der Zusage von Zustimmungen im Rahmen der Durchführung der Deutsch-
türkischen Regierungsvereinbarung (Vereinbarung vom 18.11.1991, BGBl 1992 II S. 54)
trifft die Antragsgegnerin keine Feststellung dazu, ob Lage und Entwicklung des
Arbeitsmarktes der Erteilung einer Arbeitserlaubnis, inzident damit auch der Erteilung
eines Aufenthaltstitels entgegenstehen. Im Rahmen des Deutsch-türkischen
Regierungsabkommens werden Arbeitserlaubnisse unabhängig von der Lage und
Entwicklung des Arbeitsmarktes erteilt (Art. 1 Abs. 1 der Vereinbarung).
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Die Prüfung und Feststellung bei der Erteilung der Zusage durch die Antragsgegnerin
betrifft alleine Umstände, die sich aus dem zugrundeliegenden Werkvertrag, nämlich
den Verhältnissen der Vertragsparteien und den Eigenschaften des Werkes selbst
ergeben (vgl. Art. 5 Abs. 2 der Regierungsvereinbarung). Hierzu trifft die
Antragsgegnerin mit Erteilung der Zusage die Entscheidung in Gestalt einer
Feststellung, dass sie (vorbehaltlich des Eintrittes von durch die beigefügten
Nebenbestimmungen erfassten Umständen) keine in den beschriebenen Umständen
wurzelnden Hindernisse erkennt und bindet sich insoweit im Verhältnis zur
Antragstellerin, nicht im Verhältnis zu einzelnen Arbeitnehmern der Antragstellerin.
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Die in der Zusage liegende Feststellung ist auch auf unmittelbare Rechtswirkung nach
außen gerichtet, denn sie verschafft der Antragsgegnerin als einem außerhalb der
Verwaltung stehenden Rechtssubjekt eine für die Dauer der Genehmigung beständige
Rechtsposition, die es ihr ermöglicht, den übernommenen Auftrag ins Werk zu setzen
ohne - bei unveränderten Umständen - dem Risiko ausgesetzt zu sein, ihre
Arbeitnehmer aus anderen als in deren Personen liegenden Gründen nicht einsetzen zu
können. Die rechtliche Selbständigkeit der durch die Genehmigung des Werkvertrages
geschaffenen Rechtsposition verdeutlicht Art. 11 Abs. 3 der Regierungsvereinbarung:
Hiernach soll die Wirkung einer einmal erteilten Genehmigung des Werkvertrages selbst
die Kündigung der Vereinbarung durch die Vertragsstaaten überdauern.
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Die Zusage vom 16.01.2006 - und damit auch die Rücknahme vom 14.03.2006 als ihr
gegenläufiger Akt - weisen daher alle Merkmale eines Verwaltungsaktes im Sinne von
§§ 35 VwVfG, 31 SGB X bereits inhaltlich auf.
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Für die Verwaltungsaktsqualität insbesondere der Rücknahmeentscheidung sprechen
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darüber hinaus die für eine Rücknahme im Sinne von §§ 48 VwVfG, 45 SGB X typische
Formulierung des Verfügungssatzes "Hiermit nehme ich mit Wirkung vom 14.03.2006
die für den o.a. Werkvertrag erteilte Zusage zurück" und die Begründung unter
Bezugnahme auf die für Verwaltungsakte geltenden Vorschriften in §§ 38, 49 VwVfG.
Der Widerspruch der Antragstellerin gegen die Rücknahme vom 14.03.2006 war daher
ein Widerspruch gegen einen feststellenden Verwaltungsakt, der nach § 86a Abs. 1
SGG kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat.
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Diese ist auch nicht entfallen nach § 86a Abs. 2 SGG, da keiner der dort geregelten
Fälle vorliegt.
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Der Senat geht bei dieser Entscheidung davon aus, dass die Antragsgegnerin wegen
ihrer Bindung an Recht und Gesetz die Werkvertragsarbeitnehmerkarten wieder
aushändigt auch ohne dass eine erneute Anrufung von Gerichten (gegebenenfalls wohl
der Verwaltungsgerichte durch die Arbeitnehmer, um deren legale Tätigkeit es geht)
erforderlich wird.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwendung.
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Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG nicht anfechtbar.
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