Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 11.11.2010

LSG NRW (kläger, abschluss des vertrages, vermieter, erklärung, wohnung, sgg, miete, verhältnis zwischen, zusicherung, zahlung)

Landessozialgericht NRW, L 9 AS 480/10
Datum:
11.11.2010
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 9 AS 480/10
Vorinstanz:
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 10 (20,33) AS 411/08
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 01.03.2010 wird zurückgewiesen. Der
Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die
Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 4.600 Euro
festgesetzt.
Tatbestand:
1
Der Kläger hatte eine Wohnung an einen Leistungsempfänger nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) vermietet. Er begehrt von dem beklagten
Grundsicherungsträger die Zahlung rückständiger Mieten sowie die Übernahme von
Renovierungskosten.
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Der Kläger ist Eigentümer einer laut Mietvertrag 44,8 qm großen Wohnung in der I-
Straße 00 in H. Mit Mietvertrag vom 10.05.2007 vermietete er diese Wohnung ab dem
01.05.2007 an den am 00.00.1982 geborenen Herrn F als Leistungsempfänger nach
dem SGB II zu einem monatlichen Mietzins von insgesamt 350 Euro (220 Euro
Kaltmiete, 75 Euro Nebenkostenvorauszahlung, 55 Euro Heizkostenvorauszahlung). Als
Mietkaution war ein Betrag von 600 Euro vereinbart worden.
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Herr F hatte bis einschließlich zum 31.05.2007 Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes nach dem SGB II vom Integrationscenter für Arbeit in H1 bezogen. Er
beantragte bei der Beklagten sodann am 09.05.2007 Leistungen nach dem SGB II. Auf
dem von ihm unterschriebenen Antragsformular ist unter "Tag der Antragstellung"
handschriftlich mit grünem Stift vermerkt "Zum 01.06.07". Herr F legte dabei einen
Vordruck "Mietbescheinigung zur Vorlage bei der Wohngeldstelle der Stadt H1" vor, auf
dem der Kläger handschriftlich die Wörter "Miet Angebot" gesetzt hatte. Daraus ergaben
sich Mietzins, Kaution sowie Kosten einer bereits durchgeführten Renovierung in Höhe
von 400,00 Euro (jeweils 200 Euro für Tapete und Farbe) für die Wohnung in der I-
Straße 00 in H. Auf diesem Mietangebot, das nach Angaben des Klägers aus April 2007
stammt, vermerkte ein Mitarbeiter der Beklagten handschriftlich:
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"Hiermit bestätigen wir Herrn F, dass die Miete sowie die Mietkaution auf das Konto
Ihres Vermieters, Herrn P, überwiesen wird! (Unterschrift) Bei Rückfragen sind wir
telefonisch unter der Nr. 000 zu erreichen!"
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Die Beklagte bestätigte am 09.05.2007 die Notwendigkeit des Umzuges und die
Angemessenheit der neu anzumietenden Wohnung in H. Ferner heißt es dort unter
"weitere Erläuterungen":
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"Renovierungskostenpauschale erforderlich".
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Am 08.05.2007 gab Herr F eine "Abtrittserklärung für die Mietzahlungen direkt an den
Vermieter" ab. Darin heißt es:
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"Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die ARGE Kreis S (Sozialamt, Agentur für
Arbeit) die Miete für die von mir angemietete Wohnung in der I-Straße 00 direkt an den
Vermieter T P überweist (siehe Anlage: Mietvertrag)."
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Die Beklagte bewilligte Herrn F die Übernahme der Mietkaution von 600 Euro mit
Bescheid von 11.05.2007 als Darlehen und erklärte insoweit die Aufrechnung mit dem
Anspruch des Klägers auf SGB-II-Leistungen in Höhe von 25 Euro monatlich ab dem
01.07.2007. Herr F trat seinen Anspruch auf Rückzahlung dieser Mietkaution zudem an
die Beklagte ab. Die Beklagte teilte dem Kläger die Übernahme der Mietkaution und die
Abtretung des Rückzahlungsanspruches mit Schreiben vom 11.05.2007 mit. Im Juni
2007 zahlte die Beklagte einen Betrag von insgesamt 950 Euro an den Kläger (600
Euro Mietkaution, 350 Euro Miete für den Monat Juni 2007).
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Mit Schreiben vom 21.05.2007 bat die Beklagte Herrn F um Mitteilung der einzelnen
Raumgrößen, um den "Antrag auf Beihilfe zur Renovierung bearbeiten zu können". Herr
F beantwortete dieses Schreiben nicht.
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Die Beklagte bewilligte Herrn F Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach
dem SGB II für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 30.11.2007 (Bescheide vom 23.05.2007
und 06.09.2007, vom 13.12.2007 bis zum 31.05.2008 (Bescheid vom 18.12.2007) und
vom 01.06.2008 bis zum 30.11.2008 (Bescheid vom 02.06.2006).
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Herr F meldete sich im Juni 2008 mit Wirkung zum 01.08.2008 aus dem Leistungsbezug
ab. Er gab an, eine Beschäftigung aufzunehmen, ohne dies näher zu konkretisieren. Auf
eine dies-bezügliche Mitwirkungsaufforderung nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB I) vom 26.09.2008 unter Fristsetzung zum 13.10.2008 meldete er sich bei der
Beklagten nicht. Die Beklagte entzog ihm daraufhin mit Bescheid vom 03.11.2008 ab
dem 01.08.2008 die Leistungen nach dem SGB II wegen mangelnder Mitwirkung; dieser
Bescheid ist mit Rechtsbehelfen nicht angegriffen worden.
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Im Juli und August 2007 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass die Miete für Mai
2007 sowie die Renovierungskosten in Höhe von 400 Euro noch nicht beglichen seien.
Die Beklagte berief sich darauf, dass der Kläger nicht Anspruchsinhaber sei. Im
November 2008 erläuterte sie ferner auf mehrfache weitere Nachfragen des Klägers,
dass die Übernahme des Mietzinses für den Monat Mai 2007 bereits deshalb nicht
möglich sei, weil Herr F Leistungen erst ab Juni 2007 beantragt habe. Zudem sei keine
verbindliche Zusicherung bezüglich der Übernahme der Reno-vierungskosten erteilt
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worden. Die Erstattung von Renovierungskosten sei von Herrn F nicht beantragt
worden.
Mit seiner am 31.12.2008 vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhobenen Klage hat der
Kläger Zahlungen in Höhe von 4.600,00 Euro von der Beklagten begehrt und dargelegt,
aus dem Mietverhältnis mit Herrn F bestehe eine offene Mietforderung von insgesamt
4.200,00 Euro, weil der Mietzins für die Monate Mai 2007, September 2008 bis Juli 2009
(insgesamt 12 Monate) weder durch Herrn F als Leistungsempfänger noch durch Dritte
an ihn entrichtet worden sei. Die Beklagte habe sich ihm gegenüber zur Mietzahlung
verpflichtet. Er sei berechtigt, diese Ansprüche geltend zu machen.
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Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klage sei bereits mangels eines vor
Klage-erhebung durchgeführten Vorverfahrens unzulässig. Der Kläger sei zudem nicht
Anspruchsinhaber und vertrete auch den Leistungsempfänger nicht ordnungsgemäß.
Ferner befinde sich Herr F seit August 2008 nicht mehr im Leistungsbezug.
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Das Sozialgericht hat den Kläger im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den
Beteiligten am 18.01.2010 angehört. Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden,
dass das Gericht den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG zu
entscheiden beabsichtige, und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
17
Mit Gerichtsbescheid vom 01.03.2010 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen die Klage
abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt:
18
Hinsichtlich der Mietzinsen begehre der Kläger im Wege der Leistungsklage die
Auszahlung der rückständigen Mietzinsen. Dabei behaupte er ein eigenes Recht
aufgrund einer "Zusicherung" der Beklagten aus dem Mietangebot sowie aufgrund der
Abtrittserklärung für die Mietzahlungen direkt an den Vermieter. Hinsichtlich der
Renovierungskosten begehre er die Bescheidung eines Antrags auf
Renovierungskostenübernahme vom 01.08.2007, der durch Herrn F gestellt worden sei.
Diesbezüglich liege eine zulässige Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 SGG vor.
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Die Klage sei unbegründet. Denn der Kläger habe weder aus eigenem noch aus
abgetretenem Recht einen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Auszahlung
gegebenenfalls bestehender rückständiger Mietzinsen seines Mieters Herrn F auf
Grundlage des SGB II.
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Aus eigenem Recht könne der Kläger, der nicht Berechtigter gemäß § 7 Abs. 1 SGB II
und daher auch nicht Leistungsbezieher sei, von der Beklagten keinerlei Zahlungen
verlangen. Zwischen ihm und der Beklagten bestehe kein Sozialrechtsverhältnis. Ein
solches bestehe allenfalls zwischen der Beklagten und Herrn F, der zumindest bis zum
31.07.2008 Leistungen nach dem SGB II von der Beklagten bezogen habe. Darüber
hinaus bestehe zwischen dem Kläger und Herrn F ein privatrechtliches Mietverhältnis
gemäß § 535 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Daraus stünden ihm gegebenenfalls
Ansprüche gegen Herrn F zu. Für die Geltendmachung dieser Ansprüche sei allerdings
die Zivilgerichtsbarkeit zuständig.
21
Insbesondere habe der Kläger keinen Anspruch aus der von der Beklagten
abgegebenen Zusicherung nach § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Zwar handele es sich um
eine Zusicherung gemäß §§ 31, 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch -
Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Jedoch ergebe sich
22
bereits aus dem Wortlaut der Zusicherung, dass der Kläger nicht Anspruchsberechtigter
sei. Denn die Beklagte habe ausdrücklich die Zusicherung gegenüber dem
Leistungsempfänger Herrn F erteilt. Darüber hinaus habe sie auch lediglich ihm
gegenüber bestätigt, dass die Miete sowie die Mietkaution auf das Konto des Vermieters
überwiesen werden. Ein eigenes Forderungsrecht des Vermieters und damit des
Klägers sei damit nicht begründet worden.
Auch aus abgetretenem Recht könne der Kläger keinen Zahlungsanspruch gegenüber
der Beklagten geltend machen. Zwar habe der Kläger eine "Abtrittserklärung für
Mietzahlung direkt an den Vermieter" zur Akte gereicht, die von dem
Leistungsempfänger unter dem 08.05.2007 unterzeichnet wurde, doch handele es sich
dabei nicht um eine Abtretung gemäß § 398 BGB. Danach könne eine Forderung von
dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden. Mit dem
Abschluss des Vertrages trete der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen
Gläubigers. Nach dem Wortlaut der Erklärung habe sich der Leistungsempfänger
allerdings lediglich damit einverstanden erklärt, dass die Beklagte die Miete für die von
ihm angemietete Wohnung in der I-Straße 00 an den Kläger überweist. Er habe damit
nicht seine Forderung gegenüber der Beklagten abgetreten, sondern sich lediglich
damit einverstanden erklärt, dass der weiterhin ihm zustehende Anspruch gegenüber
einem Dritten, nämlich dem Kläger, erfüllt werden könne und er diese Erfüllung gegen
sich gelten lasse.
23
Im Übrigen sei die Beklagte auch gegenüber dem Leistungsempfänger zur Mietzahlung
für den Monat März (gemeint: Mai) 2007 wohl nicht verpflichtet ist. Der
Leistungsempfänger habe zwar unter dem 09.05.2007 einen Antrag bei der Beklagten
auf Leistungen nach dem SGB II gestellt. Doch habe er seinen Antrag aber auf
Zahlungen ab dem 01.06.2007 beschränkt.
24
Auch für die Monate September 2008 bis Juli 2009 kämen Mietzahlungen nicht in
Betracht. Die Beklagte habe dem Leistungsempfänger nämlich mit bestandskräftigen
Entziehungsbescheid vom 03.11.2008 die Leistungen nach dem SGB II ab dem
01.08.2008 insgesamt entzogen.
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Der Kläger könne auch keine Bescheidung des Antrags auf
Renovierungskostenübernahme im Wege der Untätigkeitsklage verlangen. Bei
Renovierungskosten handele es sich um eine einmalige Aufwendung im Rahmen der
Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II, die in tatsächlicher Höhe zu
übernehmen sei, soweit sie angemessen sei. Da der Kläger nicht Berechtigter im Sinne
des § 7 Abs. 1 SGB II und damit kein Leistungsbezieher sei, könne er eine Bescheidung
des durch den Leistungsbezieher Herrn F gestellten Antrages nicht verlangen. Weder
aus der Zusicherung der Beklagten noch aus der Abtrittserklärung für die Mietzahlungen
ergebe sich ein entsprechender Anspruch des Klägers. Im Übrigen habe die Beklagte
den Leistungsempfänger unter dem 21.05.2007 aufgefordert, die einzelnen
Raumgrößen mitzuteilen. Dies sei nicht geschehen. Insofern sei der Antrag auch noch
nicht bescheidungsreif.
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Gegen diesen ihm am 03.03.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am
25.03.2010 Berufung erhoben. Er ist nach wie vor der Auffassung, die Beklagte sei
seine Schuldnerin, weil sie sein Wohnungsangebot mit ihrer Unterschrift angenommen
habe. Herr F habe einen Antrag auf Übernahme der Renovierungskosten gestellt.
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Der Kläger beantragt,
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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 01.03.2010 zu ändern und
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.600,00 Euro zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält die Ausführungen des Sozialgerichts Gelsenkirchen für zutreffend.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug
genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Denn das Sozialgericht hat
seine Klage mit Gerichtsbescheid vom 01.03.2010 zu Recht als unbegründet
abgewiesen.
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1. Die Klage des Klägers ist zulässig.
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a) Der Senat hatte als Berufungsgericht gemäß § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz
(GVG) nicht zu prüfen, ob der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gemäß § 51 SGG
eröffnet ist. Denn das Sozialgericht hat die Verfahrensgrundsätze des § 17a Abs. 5 GVG
eingehalten und insbesondere nicht über die Zulässigkeit des Rechtsweges durch Urteil
trotz Rüge entschieden (vgl. hierzu Lückemann in: Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 17a
GVG Rn. 18 m.w.N.). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob es sich hier überhaupt um
eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Grundsicherung für
Arbeitsuchende im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG handelt (vgl. hierzu auch
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 19.05.1994, 5 C 33/91, BVerwGE 96,
71 m.w.N. zur Rechtslage nach dem bis zum 31.12.2004 geltenden
Bundessozialhilfegesetz (BSHG)).
37
b) Dem Begehren des Klägers entspricht eine allgemeine Leistungsklage gemäß § 54
Abs. 5 SGG als statthafte Rechtsschutzform. Denn er begehrt als Realakt eine
Geldzahlung der Beklagten, die auch nicht den Erlass eines (vorgeschalteten)
Verwaltungsaktes erfordert, weil zwischen dem Kläger als Vermieter und der Beklagten
zu keiner Zeit ein Sozialrechtsverhältnis bestand. Zu einem Erlass eines
Verwaltungsaktes gegenüber dem
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Kläger wäre die Beklagte damit mangels Verwaltungsaktsbefugnis auch gar nicht
berechtigt.
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Auch hinsichtlich der ebenfalls streitigen Renovierungskosten ist die allgemeine
Leistungsklage statthaft. Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts ist eine
Untätigkeitsklage gemäß § 88 Abs. 1 SGG nicht die statthafte Rechtsschutzform. Denn
der Kläger begehrt auch insoweit eine (schlichte) Geldzahlung der Beklagten, nicht aber
(auch) eine Bescheidung eines Antrages seines früheren Vermieters Herrn F auf
Übernahme von Renovierungskosten.
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2. Die allgemeine Leistungsklage des Klägers ist jedoch in der Sache nicht begründet.
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Der Kläger kann von der Beklagten weder die Zahlung von 4.200 Euro für rückständige
Mieten des Herrn F noch die Zahlung von 400 Euro für eine Renovierung seiner
(früheren) Wohnung mit Erfolg verlangen. Denn eine Anspruchsgrundlage ergibt sich
zugunsten des Klägers weder aus Gesetz noch aus Vertrag.
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a) Auf gesetzliche Anspruchsgrundlagen aus dem SGB II kann sich der Kläger nicht
berufen, weil er als Vermieter eines Leistungsberechtigten mangels Hilfebedürftigkeit (§
7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1 SGB II) selbst von vornherein nicht anspruchsberechtigt
nach dem SGB II ist. Andere gesetzliche Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
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b) Eine vertragliche Anspruchsgrundlage besteht ebenfalls nicht. Denn die Beklagte hat
sich gegenüber dem Kläger weder zur Zahlung des Mietzinses noch zur Übernahme
von Renovierungskosten rechtsverbindlich verpflichtet. Ob ein entsprechender
Rechtsbin-dungswille besteht, ist durch Auslegung der (Willens-)Erklärung
entsprechend §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont zu bestimmen.
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Ein Mitarbeiter der Beklagten hatte auf einem vom Kläger so bezeichneten Mietangebot
erklärt:
45
"Hiermit bestätigen wir Herrn F, dass die Miete sowie die Mietkaution auf das Konto
Ihres Vermieters, Herrn P, überwiesen wird! (Unterschrift) Bei Rückfragen sind wir
telefonisch unter der Nr. 000 zu erreichen!"
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Die Beklagte bestätigte ferner am 09.05.2007 die Notwendigkeit des Umzuges und die
Angemessenheit der neu anzumietenden Wohnung in H, und führte unter "weitere
Erklärungen" aus:
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"Renovierungskostenpauschale erforderlich".
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Die "Bestätigung" der Beklagten, Miete und Mietkaution auf das Konto des Klägers zu
überweisen, erfolgte ausdrücklich gegenüber "Herrn F", nicht also (auch) gegenüber
dem Kläger. Bereits der Wortlaut der Willenserklärung verdeutlicht damit, dass der
Kläger nicht ihr Adressat war und folglich ihm gegenüber erkennbar auch keine
Verpflichtung der Beklagten begründet werden sollte. Selbst wenn also die Vorlage des
Mietangebotes des Klägers an die Beklagte als Angebot (§ 145 BGB) auf Abschluss
eines Mietvertrages direkt mit der Beklagten zu verstehen sein sollte, wie es der Kläger
meint, hat die Beklagte dieses jedenfalls nicht angenommen (§ 147 BGB), weil ihre
Erklärung sich zum einen nur eine bloße Bestätigung der direkten Mietzahlung darstellte
und zum anderen ausschließ-lich und ausdrücklich an Herrn F adressiert war.
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Für eine rechtverbindliche Erklärung der Beklagten gegenüber dem Kläger bestand
auch weder Anlass noch Notwendigkeit. Denn die Mietübernahmeerklärung der
Beklagten ist im Zusammenhang mit der Regelung des § 22 Abs. 4 SGB II zu sehen.
Nach dieser Norm sollen die Kosten für Unterkunft und Heizung von dem
Grundsicherungsträger an den Vermieter (oder andere Empfangsberechtigte) gezahlt
werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch den Hilfebedürftigen nicht
sichergestellt ist. Ob letzteres der Fall war, ist nicht bekannt, aber auch nicht
entscheidungserheblich. Denn ein Arbeitsuchender ist nicht gehindert, auch
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unabhängig von dieser Voraussetzung den Grundsicherungsträger zu ersuchen, die
Kosten für Unterkunft und Heizung direkt an seinen Vermieter zu zahlen. In beiden
Fällen wird erreicht, dass der Grundsicherungsträger den Anspruch des Hilfebedürftigen
(§ 194 BGB i.V.m. § 22 Abs. 1 SGB II) auf Absicherung des existenziellen Bedarfes
Wohnen erfüllt, obwohl er nicht dem Hilfebedürftigen (§ 362 Abs. 1 BGB), sondern
einem Dritten - dem Vermieter des Hilfebedürftigen - die entsprechende Leistung für
Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 SGB II) im Einverständnis mit dem Hilfebedürftigen
(§ 185 BGB), das im Falle des § 22 Abs. 4 SGB II kraft Gesetzes substituiert wird, als
Geldleistung erbringt (§ 362 Abs. 2 BGB). Durch diese Zahlung wird zugleich - nun im
Verhältnis zwischen Hilfebedürftigem und Vermieter - die mietvertragliche Verpflichtung
des Hilfebedürftigen gegenüber seinem Vermieter zur Mietzahlung erfüllt (§ 362 Abs. 1
BGB).
Vor diesem Hintergrund reichen weder das wirtschaftliche Interesse des Vermieters an
einem potenten und zuverlässigen Zahler in Gestalt des Grundsicherungsträgers noch
das vom Grundsicherungsträger verfolgte öffentliche Interesse daran, einem
Hilfebedürftigen Unterkunft und Heizung zu sichern, für die Annahme aus, der
Grundsicherungsträger wolle mit seiner Erklärung, er "übernehme" die Kosten der
Unter-kunft für den Hilfebedürftigen und werde sie unmittelbar an den Vermieter zahlen
(über-weisen), eine eigene materiellrechtliche Leistungspflicht gegenüber dem
Vermieter begründen. Denn dieser Interessenlage wird im Regelfall war eine Auslegung
gerecht, die den Inhalt der Übernahmeerklärung darin erblickt, dass der
Grundsicherungsträger den Vermieter über das gegenwärtige Bestehen eines die
Unterkunftskosten einschließenden Hilfeanspruchs des Mieters unterrichtet und (unter
der Voraussetzung fortbestehender Hilfebedürftigkeit) zugleich eine bestimmte
verwaltungstechnische Abwicklung des Zahlungsverkehrs, nämlich die Überweisung
der mietvertraglich zu zahlenden Beträge direkt an den Vermieter, bekannt gibt. Diese
Verfahrensweise schließt die Gefahr aus, dass ein grundsicherungsberechtigter Mieter
die an ihn gezahlten Leistungen für die Unterkunft nicht oder nicht rechtzeitig an den
Vermieter weiterleitet. Sie trägt damit - wie zuvor ausgeführt - dem Vermieterinteresse
ebenso Rechnung wie dem vom Grundsicherungsträger verfolgten öffentlichen
Interesse an einer wirksamen Leistungsgewährung (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG,
Urteil vom 19.05.1994, 5 C 33/91, BVerwGE 96, 71).
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Es müssen daher besondere Umstände hinzutreten, um die Annahme zu rechtfertigen,
eine dem Vermieter gegenüber abgegebene Übernahmeerklärung des
Grundsicherungsträgers beschränke sich nicht auf die Mitteilung des
Grundsicherungsanspruchs und der direkten Zahlungsweise, sondern bezwecke mehr,
nämlich die Begründung einer materiellrechtlichen Zahlungsverpflichtung gegenüber
dem Vermieter. Notwendig ist vor allem, dass der Grundsicherungsträger seinen
Rechtsbindungswillen unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat. Allein die dargestellte
Interessenlage zwischen Vermieter und Grundsicherungsträger rechtfertigt im Zweifel
noch nicht die Annahme eines Vermieteranspruchs (vgl. erneut BVerwG, Urteil vom
19.05.1994, 5 C 33/91, BVerwGE 96, 71; ebenso Urteil des erkennenden Senates vom
19.03.2009, L 9 SO 9/07, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de; im Ergebnis auch
Gerenkamp in: Mergler/Zink, SGB II, § 22 Rn. 38 (Stand: August 2007); Berlit in: LPK-
SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rn. 116: "nur reflexartig begünstigte[r] Vermieter").
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Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger jedoch wie ausgeführt keinen
Rechtsbindungswillen zum Ausdruck gebracht. Das selbe gilt für die Erklärung der
Beklagten, eine "Renovierungskostenpauschale [sei] erforderlich". Denn diese
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Erklärung ist Teil der dem leistungsberechtigten Herrn F - nicht dem Kläger - erteilten
Bescheinigung der Notwendigkeit eines Umzuges (§ 22 Abs. 2 SGB II).
c) Auch aus abgetretenem Recht kann der Kläger keinen Zahlungsanspruch gegenüber
der Beklagten geltend machen.
54
Zwar hat der Kläger eine "Abtrittserklärung für Mietzahlung direkt an den Vermieter" zur
Akte gereicht, die von dem Leistungsempfänger Herrn F unter dem 08.05.2007
unterzeichnet wurde, doch handelt es sich dabei nicht um eine Abtretung gemäß § 398
BGB, wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat. Danach kann eine Forderung von
dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden. Mit dem
Abschluss des Vertrages tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen
Gläubigers. Nach dem Wortlaut der genannten Erklärung hat sich der
Leistungsempfänger Herr F allerdings lediglich damit einverstanden erklärt, dass die
Beklagte die Miete für die von ihm angemietete Wohnung in der I-Straße 00 an den
Kläger überweist. Er hat damit nicht seine Forderung gegenüber der Beklagten
abgetreten, sondern sich lediglich damit einverstanden erklärt, dass der weiterhin ihm
zustehende Anspruch gegenüber einem Dritten, nämlich dem Kläger, erfüllt werden
kann und er diese Erfüllung gegen sich gelten lässt (§ 362 Abs. 2 i.V.m. § 185 BGB,
hierzu oben).
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Die Verwendung des Wortes "Abtrittserklärung" in der Überschrift dieser Erklärung
ändert angesichts des dargestellten Inhaltes dieser Erklärung an dem Ergebnis nichts,
zumal sich die "Abtrittserklärung" auch nur auf die "Mietzahlungen direkt an den
Vermieter" bezieht und damit allein die tatsächliche Zahlung und nicht (auch) den
rechtlichen Anspruch zu ihrem Gegenstand hat.
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3. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). Bei der
Feststellung des "gewollten" Inhalts einer Kostenübernahmeerklärung der hier in Rede
stehenden Art handelt es sich um eine Tatsachenfeststellung (vgl. BVerwG, Urteil vom
19.05.1994, 5 C 33/91, BVerwGE 96, 71).
57
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), weil der Kläger als Vermieter eines
Leistungsberechtigten nicht zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis gehört.
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5. Die Feststellung des Streitwertes beruht entsprechend des Berufungsantrages des
Klägers, der auf Verurteilung der Beklagten zu einer Geldleistung von 4.600 Euro
gerichtet ist, auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3, 40, und 47 Gerichtskostengesetz (GKG).
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