Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 09.11.2007

LSG NRW: wohnung, ernährung, glaubhaftmachung, umzug, vermieter, erlass, verein, deckung, kündigung, kaution

Landessozialgericht NRW, L 20 B 204/07 AS ER
Datum:
09.11.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 20 B 204/07 AS ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Duisburg, S 6 AS 33/07 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Duisburg vom 28.08.2007 wird zurückgewiesen. Kosten
sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
1
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers vom 27.09.2007, der das Sozialgericht
nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 12.10.2007), ist unbegründet.
2
Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
3
Kosten der Unterkunft für seine Wohnung in der B-straße 00 in F in Höhe von monatlich
342,50 EUR unmittelbar an den Vermieter zu zahlen, Kosten für Heizung von monatlich
55 EUR, die Mietkaution von 300 EUR sowie Renovierungskosten für die genannte
Wohnung zu übernehmen und ein Darlehen in Höhe von 1.200 EUR zur Anschaffung
von Einrichtungsgegenständen, höheren Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung
zu gewähren und Kosten für die Ausstellung des Antrages auf Gewährung des
Mehrbedarfs in Höhe von 5 EUR zu gewähren.
4
Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für den
Erlass der begehrten einstweiligen (Regelungs-) Anordnung liegen nicht vor. Der Senat
verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des
Sozialgerichts (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
5
Der Antragsteller hat mit der Beschwerdebegründung insbesondere nicht glaubhaft
gemacht, dass ein Umzug in die nach eigenen Angaben am 29.08.2007 bezogene
Wohnung in der B-straße erforderlich im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch
Zweites Buch (SGB II) war. Insbesondere hat er nicht begründet dargelegt, welche
Gesundheitsstörungen den Umzug erforderlich gemacht haben.
6
Der Frage, ob die nunmehr anfallenden Unterkunftskosten angemessen im Sinne des §
22 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind, braucht hier daher nicht weiter nachgegangen zu werden.
7
Hinsichtlich der geltend gemachten Heizkosten hat der Antragsteller zwischenzeitlich
unter Vorlage eines Schreibens der RWE Rhein-Ruhr vom 03.09.2007 gegenüber der
Antragsgegnerin seine Forderung dahingehend konkretisiert, dass monatlich für die
Nachtspeicherheizung ein Abschlag von 37 EUR zu zahlen ist. Bereits mit Bescheid
vom 11.09.2007 hat die Antragsgegnerin den entsprechenden Bedarf berücksichtigt, so
dass es insoweit einer einstweiligen Anordnung ersichtlich nicht bedarf. Dies gilt im
Übrigen auch für die Kosten der ärztlichen Bescheinigung zur Geltendmachung des
Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung, die laut Bescheid vom 24.08.2007
mit der Monatszahlung September 2007 ausgezahlt wurden.
8
Hinsichtlich des nicht bezifferten angeblichen (weiteren) Mehrbedarfs für
kostenaufwändige Ernährung fehlt es sowohl an der Glaubhaftmachung des
Anordnungsanspruches als auch des Anordnungsgrundes. Einstweilen fehlt jeder
Anhaltspunkt dafür, dass dem Antragsteller ein höherer Mehrbedarf zustehen könnte.
Insbesondere aber ist nicht ersichtlich, warum der monatlich in Übereinstimmung mit
den (noch) aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private
Fürsorge anerkannte Betrag von 25,56 EUR einstweilen zur Deckung des Mehrbedarfs
nicht ausreichen sollte bzw. zur Abwendung schwerer Nachteile den Erlass einer
einstweiligen Anordnung erforderlich machen könnte. Die Frage, ob insoweit eine
Fortschreibung der vom Deutschen Verein empfohlenen Werte entsprechend der
Regelsatzerhöhung jeweils zum 01.07. eines Jahres geboten ist (auf dann 27,35 EUR,
vgl. Münder in LPK-SGB II, § 21 RdNr. 31), bedarf ersichtlich keiner einstweiligen
Entscheidung. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass anhand der bisher
vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht abschließend beurteilbar ist, ob auch
nach dem Begutachtungsleitfaden (für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter
kostenaufwändiger Ernährung) des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten
Westfalen-Lippe eine "Krankenkostzulage" zu gewähren wäre; jedenfalls läge sodann
die Einordnung in die Bedarfsgruppe A (25,56 EUR) nahe.
9
Hinsichtlich der geltend gemachten Umzugskosten fehlt es - über die Ausführungen des
Sozialgerichts hinaus - an der Glaubhaftmachung konkreter Kosten; im Übrigen ist der
Umzug ersichtlich bereits durchgeführt worden.
10
Hinsichtlich der weiter geltend gemachten Ansprüche fehlt es jedenfalls auch an der
Glaubhaftmachung einer die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes rechtfertigenden
Eilbedürftigkeit. Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten sind, worauf das
Sozialgericht ebenfalls zutreffend hingewiesen hat, ebenso wenig zugesichert worden
wie die Übernahme der Mietkaution. Im Übrigen ist bisher die Notwendigkeit des
Umzuges (§ 22 Abs. 3 Satz 2 SGG) nicht ersichtlich geworden. Die Einzugsrenovierung
ist zudem offenbar ebenfalls bereits geschehen. Es ist auch nicht dargetan worden oder
ansonsten ersichtlich, dass dem Antragsteller (aktuell) der Verlust der Wohnung droht,
sprich der Vermieter eine Kündigung der Wohnung beabsichtigt. Dies erscheint
angesichts im Wesentlichen gesicherter (unmittelbarer) Mietzahlungen durch die
Antragsgegnerin angesichts der Kautionshöhe auch wenig wahrscheinlich. Der
Antragsteller wird darauf hingewiesen, dass die Kaution ggf. in (drei) Raten gezahlt
werden kann (§ 551 Bürgerliches Gesetzbuch).
11
Schließlich fehlt es hinsichtlich des geltend gemachten Darlehens für die Einrichtung
der Wohnung weiterhin an einer Darlegung der Gründe, die der Mitnahme bereits
vorhandener Einrichtungsgegenstände entgegenstanden. Nicht bekannt ist auch,
welche Einrichtungsgegenstände tatsächlich zur Verfügung standen. Auch fehlt jegliche
Begründung zur Höhe der geltend gemachten Kosten von 1.200 EUR; eine Küchen-
und Schlafzimmereinrichtung dürfte für diesen Betrag auch im Versandhaus (so der
Vortrag des Antragstellers) kaum zu erlangen sein.
12
Die Klärung einzelner Fragen müsste einem etwaigen Hauptsacheverfahren
vorbehalten bleiben. Die Ausführungen des Antragstellers in seiner
Beschwerdebegründung geben Veranlassung, den Antragsteller darauf hinzuweisen,
dass ein sozialgerichtliches Eilverfahren regelhaft nicht der abschließenden Klärung
von Ansprüchen zu dienen bestimmt ist. Das vom Antragsteller begehrte
Musterverfahren vor dem Bundessozialgericht kann der Antragsteller auf dem
eingeschlagenen Weg nicht erreichen.
13
Mangels hinreichender Erfolgsaussicht im Sinne der §§ 73a SGG, 114 Abs. 1
Zivilprozessordnung war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren abzulehnen.
14
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1
SGG.
15
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
16