Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 08.03.2007

LSG NRW: klinik, ohne aussicht auf erfolg, stationäre behandlung, krankengeschichte, entlassung, wohnung, ambulante behandlung, dokumentation, persönlichkeitsstörung, unterbringung

Landessozialgericht NRW, L 16 KR 88/05
Datum:
08.03.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 16 KR 88/05
Vorinstanz:
Sozialgericht Münster, S 9 KR 136/01
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 3 KR 8/07 B
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG)
Münster vom 6. April 2005 wird zurückgewiesen. Kosten haben die
Beteiligten einander im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Dem
Kläger werden Kosten nach § 192 Abs 1 S. 1 Nr 2 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Höhe von 1000 EUR auferlegt. Die
Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte die Kosten des weiteren stationären Aufenthalts
des Beigeladenen vom 9. bis zum 28. April 1999 in der Westfälischen Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie N (WK N) zu tragen verpflichtet ist. Der klagende
Landschaftsverband ist Träger der Klinik und überörtlicher Sozialhilfeträger.
2
Der am 00.00.1960 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte
Beigeladene war und ist alkoholabhängig. Nach der Wende aus Mitteldeutschland
zugezogen, war er im Zeitraum von 1996 bis 1999 jedenfalls 14 Mal stationär behandelt
worden, bevor er nach seiner letzten Entlassung am 29.1. am 10.2.1999 erneut in der
WK N aufgenommen wurde - "mit einer BAK (Blutalkoholkonzentration) von 2,18
Promille von Polizei und Feuerwehr zur Aufnahme gebracht, nachdem es in der Stadt zu
auffälligen Verhaltensweisen gekommen war" (nichtdatierter Bericht der Ärztin im
Praktikum W). Wie zuvor wurde neben der Alkoholabhängigkeit u.a. eine
Persönlichkeitsstörung mit emotionaler Instabilität diagnostiziert. Nach dem Inhalt bei
der Krankengeschichte der WK N befindlicher, mit Handzeichen abgezeichneter
"Verlaufsberichte" wurde der Beigeladene am 13.3.1999 um 24 Uhr entlassen, nachdem
er seit dem Mittag des Vortages nicht mehr in die Klinik zurückgekehrt war. Am Abend
des 19.3.1999 suchte der Beigeladene, stark intoxikiert und in Begleitung seines
Betreuers um Wiederaufnahme nach (Verlaufsbericht vom selben Tage). Zuvor hatte der
Beigeladene mit Ärzten der Klinik über die von ihm erstrebte Wiederaufnahme in der
Klinik verhandelt (Schreiben des Oberarztes N1 an den Leitenden Arzt der WKP vom
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16.3.1999) und seit einiger Zeit telefonisch mit einem Bombenanschlag gedroht, wenn
man sich nicht richtig verhalte (Bericht des Oberarztes N1 über einen Vorfall vom
15.3.1999). Die Wiederaufnahme am 19.3.1999 erfolgte mit der bekannten Diagnose.
Zum Zweck der Aufnahme heißt es im "Stammblatt" der Klinik "strukturierte Maßnahmen
erforderlich Zwischenlösung betreute Einzelmaßnahmen als Vorbereitung für WG". Die
Beklagte gab gegenüber der WK N eine Kostenübernahmeerklärung, befristet bis zum
28. März 1999, ab.
Am 8. April 1999 wurde der Beigeladene auf die Station 23/3 der WK N verlegt. In einer
bei der Krankengeschichte befindlichen "Pflegeanamnese" wird mitgeteilt, der
Beigeladene habe seine Wohnung zum 29.4.1999 gekündigt; Aufnahmeanlaß seien die
Vorbereitung auf betreutes Wohnen, Motivation zur Abstinenz und Förderung
lebenspraktischer Fähigkeiten und der Tagesstruktur. Der Eintrag im Verlaufsbericht
vom 9. April 1999 lautet: "Die Entlassung des Patienten ist für die nächste Woche
vorgesehen, für den Fall, daß ihm keine eigene Wohnung zur Verfügung steht, soll sich
der Patient mit dem Gedanken an das HdW anfreunden."
4
Mit Datum des 15. April 1999 stellte die Klinik bei der Beklagten nach Vordruck einen
Kostenübernahme-Verlängerungsantrag für die Zeit ab dem 29. März 1999 und gab an,
am 23.3.1999 sei eine Verlegung des Beigeladenen innerhalb des Hauses erfolgt; er sei
noch aggressiv verstimmt und habe dabei Gedanken der Selbstaufgabe; er sei eigen-
und fremdgefährdend und drohe mit Suizid und Anschlägen; es seien
verhaltentherapeutische und medikamentöse Maßnahmen geplant (Antidepressiva und
sedierend); ein Entlassungstag sei nicht absehbar. Die Entlassung des Beigeladenen
erfolgte am 28. April 1999 (die Wiederaufnahmen jedenfalls am 27.5. und 27.7.1999
sowie am 9.6.2000).
5
Die Beklagte bat die WK mit Schreiben vom 3.5.1999 um einen ärztlichen Bericht und
die Beantwortung konkreter Fragen. Sie erhielt am 19.5.1999 einen weiteren,
vorgedruckten, mit dem Datum des 12.5.1999 erstellten Kostenübernahme-
Verlängerungsantrag, mit dem mitgeteilt wurde, der Beigeladene sei nach der Entgiftung
gespannt, erregt und drohe mit Fremdschädigung; es sei Psycho-/Soziotherapie
geplant. Nachdem die Klinik auf einen erneut an den Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung (MDK) abgesandten Bericht verwiesen hatte, befand Dr. X vom
MDK in seinem auf Veranlassung der Beklagten erstellten Gutachten vom 16.11.1999,
nach der Entgiftung habe noch eine Affektlabilität bestanden mit der Folge aggressiver
Ausbrüche aus nichtigem Anlaß; die Fortsetzung der psychotherapeutischen
Behandlung habe dann zur Besserung geführt; der Beigeladene sei dann in eine
therapeutische Wohngemeinschaft (WG) nach M verlegt worden; stationäre Therapie sei
bis zum 28.4.1999 erforderlich gewesen; über den 28.3.1999 hinaus hätten ausgeprägte
psychische Symptome bestanden; ambulante Therapie sei wegen der hohen
Behandlungsintensität erforderlich gewesen; eine Rückfallprophylaxe sei nicht
durchgeführt worden. Auf die Bitte der Beklagten, konkrete Fragen zu beantworten,
erwiderte Dr. X mit Schreiben vom 1.3.2000, zur Beantwortung der Fragen sei die
medizinische Akte der Klinik erforderlich. Die WK N verweigerte der Beklagten mit
Hinweis "auf die bekannten Erwägungen" (will heißen die Rechtsprechung des 3.
Senats des Bundessozialgerichts (BSG)) die Einsicht in die Krankengeschichte und
behauptete, sie habe dem MDK eine ärztliche Verlaufsdokumentation geschickt.
6
Bei der Krankengeschichte befinden sich ein Schreiben des Ärztlichen Leiters der
Abteilung Suchtkrankheiten Priv-Doz. Dr. S und des Oberarztes F vom 6.5.1999 an "die
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Institutsambulanz im Hause" und - nachgeheftet: ein nicht datiertes Schreiben der Ärztin
im Praktikum W über die stationäre Aufnahme am 19.3.1999, ein weiteres, nicht
datiertes Schreiben derselben mit Angaben zum "Verlauf" und zu Daten vom 19.3. bis
zum 8.4.1999 sowie entsprechende, nicht datierte und maschinenschriftlich mit "Herr
F/Sche" abschließende Vermerke zum "Verlauf" am 9., 16., 23. und 28.4.1999. Zum
"Verlauf" und zum 22.3.1999 wird aaO u.a. ausgeführt, der Beigeladene zeige keine
Entzugserscheinungen; es werde besprochen, daß eine betreute Wohneinrichtung
gefunden werden solle, wenn sich das psychische Befinden des Beigeladenen
ausreichend gebessert habe; derzeit sei er konzentrationsgemindert, weiche Fragen
aus, sei depressiv, wechsele gelegentlich in eine gereizte Stimmungslage und lehne
insbesondere jegliche Verantwortung für die unter Alkoholeinfluß geschehenen
Handlungen ab.
Dr. X stellte in seinem weiteren Gutachten vom 24.5.2000 fest: Neuroleptika (Atosil 50
mg) seien eingesetzt worden am 20. und vom 24. bis zum 27.3. sowie vom 20. bis zum
21.4.1999; neben der Alkoholabhängigkeit habe nach Angaben der Klinik eine
Persönlichkeitsstörung mit depressiven und selbstunsicheren Zügen vorgelegen; nach
Angaben der Klinik habe man Psychotherapie (direktiv), kognitives Training,
Ergotherapie und Soziotherapie durchgeführt; der Unterschied zu einer
Entwöhnungsbehandlung liege im wesentlichen darin, daß bei dieser eine längerfristig
angelegte systematische Behandlung im Rahmen eines Gesamtplans durchgeführt
werde; dazu hätten im fraglichen Zeitraum beim Kläger die persönlichen
Voraussetzungen gefehlt; möglich und notwendig gewesen sei ein kurzfristig
angelegtes, pragmatisch orientiertes direktives Vorgehen; Bestandteil der
Krankenhausbehandlung sei auch die Eingliederung in eine betreute Wohneinrichtung
gewesen; welcher Sozialhilfeträger insoweit eine Kostenzusage erteilt habe, werde von
der Klinik nicht mitgeteilt; ob und wo eine Über- Unter- oder Fehlversorgung von
Suchtpatienten erfolge, könne schon wegen der uneinheitlichen Diagnosestellungen
wohl nur im Rahmen von methodisch hinreichend qualitätsgesicherten Untersuchungen
geklärt werden.
8
Nachdem die Klinik die Übersendung der Krankengeschichte verweigerte, obwohl der
Betreuer des Beigeladenen die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbunden
hatte, lehnte die Beklagte eine weitere Kostenübernahme ab (Schreiben vom
15.8.2001). Der Kläger beanspruchte am 5.12.2001 unter Vorlage einer Rechnung vom
25.10.2001 die Zahlung von 11.224,80 DM für die Behandlung des Beigeladenen im
Zeitraum vom 29.3. bis zum 28.4.1999.
9
Der Landschaftsverband hat am 18.12.2001 Klage erhoben und in erster Instanz
vorgetragen: Ziel der Behandlung sei zunächst die Entgiftung gewesen nebst
Verbesserung der Abstinenzmotivation sowie Entaktualisierung der fremd- und
autoaggressiven Tendenzen; ca. Mitte April 1999 habe sich herausgestellt, daß eine
Rückkehr des Versicherten in die eigene Wohnung mit großer Wahrscheinlichkeit die
Gefahr eines kurzfristigen Rückfalls beinhalten würde; deshalb sei mit dem Versicherten
die Aufnahme in eine betreute Wohnform angestrebt und vorbereitet worden; zu diesem
Zweck habe seine Krankheitseinsicht und - Motivation verbessert und stabilisiert werden
müssen; Ende März/Anfang April 1999 sei die depressive Symptomatik mit
Affektschwankungen unverändert gewesen; erst am 8.4.1999 habe man den
Versicherten auf eine andere Station verlegen können; dort habe er noch regelmäßig
aggressive Verhaltensweisen gezeigt; erst Mitte April 1999 habe er eine zunehmend
aktivere Mitarbeit gezeigt; auch der MDK habe eine ambulante Therapie als nicht
10
ausreichend bezeichnet und im übrigen sei auf das multimodale Therapieprogramm zu
verweisen, an dem der Versicherte unstreitig teilgenommen habe.
Das SG hat den Betreuer des Beigeladenen beigeladen. Dieser hat seine
Bestallungsurkunde vom 30.10.1998 vorgelegt. Ihm ist die Sorge für die Gesundheit des
Beigeladenen, die Aufenthaltsbestimmung und die Vermögenssorge übertragen.
11
Die Beklagte hat Einsicht in die vom SG beigezogene Krankengeschichte der WK N
genommen und erklärt: sie komme zu dem Ergebnis, daß weitere
Krankenhausbehandlung nicht erforderlich gewesen sei; die streitige Behandlung
könne nicht isoliert gesehen werden, sondern nur in Zusammenhang mit insbesondere
der vorhergehenden, vom Beigeladenen abgebrochenen Behandlung in der WK vom
10.2. bis zum 13.3.1999, bei der man bei ihrem Abbruch am 12.3.1999 zunächst keine
Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung oder eine sonstige
Behandlungsnotwendigkeit gesehen habe, obwohl der Beigeladene mit fremd- und
eigenaggressiven Handlungen gedroht habe; schon am 5.3.1999 sei in der
Pflegedokumentation festgehalten, daß der Versicherte nicht in seine Wohnung zurück,
sondern lieber betreut wohnen möchte; schon am 22.3.1999 sei die Wohnung des
Versicherten nach dem Verlaufsbericht aufgelöst worden und aus zahlreichen weiteren
Eintragungen (wird ausgeführt) werde deutlich, daß die Wohnungsproblematik im
Vordergrund gestanden habe; im streitigen Zeitraum habe sich der Beigeladene achtmal
mit seinem Betreuer außerhalb auf Wohnungssuche oder zu anderen Zwecken
begeben; aus einem Eintrag in der Verlaufsdokumentation vom 9.4.1999 ergebe sich,
daß die Entlassung bereits viel früher habe erfolgen sollen; die Medikation mit Atosil
gegen Unruhe/Schlaflosigkeit sei vom Pflegepersonal eigenständig ohne Hinzuziehung
eines Arztes unverändert bis zur Entlassung bei Bedarf eingesetzt worden; in der
spärlichen Dokumentation mit sieben, überwiegend pflegerischen Eintragungen für die
streitige Zeit finde sich keine Begründung, warum Krankenhausbehandlung noch
notwendig gewesen sein solle.
12
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Nervenarzt Dr.
N aus Bad H bei Q. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, stationäre
Krankenhausbehandlung des Beigeladenen sei bis zu seiner Verlegung am 8.4.1999
auf die Station 23/3 erforderlich gewesen; für die folgende Zeit seien keine spezifisch
ärztlichen oder psychologischen Maßnahmen dokumentiert, die unter Fokussierung auf
bestimmte Problembereiche des Beigeladenen eine stationäre
Krankenhausbehandlung mit psychotherapeutischer Gewichtung gerechtfertigt hätten.
Auf den Inhalt des Gutachtens von Dr. N vom 12.6.2004 im Einzelnen wird Bezug
genommen.
13
Die Bevollmächtigten des Klägers haben Einsicht in die Krankengeschichte der WK
genommen und eingewandt, die Einschätzung des Sachverständigen sei falsch,
insbesondere im Lichte der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom
13.5.2004, B 3 KR 18/03 R.
14
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,
15
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5739,15 EUR nebst 2 % Zinsen über dem
Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) seit dem 16.12.2001 zu zahlen.
16
Die Beklagte und Berufungsbeklagte hat beantragt,
17
die Klage abzuweisen.
18
Sie hat ihre Rechtsauffassung durch das Gutachten des Sachverständigen bestätigt
gesehen.
19
Der Beigeladene ist nicht vertreten gewesen.
20
Das SG Münster hat die Beklagte mit Urteil vom 6. April 2005 verurteilt, dem Kläger die
Kosten der stationären Behandlung des Beigeladenen in der Zeit vom 29.2.1999 bis
einschließlich 8.4.1999 zu erstatten und den zu erstattenden Betrag mit 2 % Zinsen über
dem Basissatz der EZB seit dem 16.12.2001 zu verzinsen. Zur Begründung hat das SG
ausgeführt, es folge den Ausführungen des Sachverständigen in vollem Umfang.
21
Der Kläger hat gegen das Urteil - den Hauptbeteiligten zugestellt am 14.4.2005 - am
12.5.2005 Berufung eingelegt. Auf den Hinweis des erkennenden Gerichts, daß das SG
die Klage in Anbetracht des Zeitraums vom 9. bis zum 28.4.1999 - offenbar unrichtig -
nur in den Gründen, nicht aber im Tenor seiner Entscheidung abgewiesen habe, hat das
SG den Tenor des Urteils mit Beschluss vom 4.11.2005 dahin berichtigt, daß die Klage
im übrigen abgewiesen werde.
22
Der Kläger trägt vor: das SG stütze sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. N,
nach dem insoweit keine ausreichende Dokumentation vorliege, was, wie schon in
erster Instanz vorgetragen, nicht richtig sei; das SG habe sich nicht damit
auseinandergesetzt, daß auch nach Feststellung von Dr. N eine sofortige
Verschlechterung bei Entlassung aus der vollstationärer Behandlung gedroht habe; was
der Sachverständige für die Zeit bis zum 8.4.1999 ausgeführt habe, gelte auch für die
Zeit danach; soweit der Sachverständige ausführe, daß die Zeit nach dem 8.4.1999
auch dem Therapieziel der Abstinenzsicherung zuzuordnen sei, führe das nicht zur
Ablehnung der Notwendigkeit der vollstationären Behandlung; es sei eine kurzfristige
Verlegung in eine betreute WG geplant gewesen, um einen Rückfall zu verhindern; das
habe vorausgesetzt, daß die Abstinenz bis zum Verlegungszeitpunkt aufrechterhalten
geblieben sei (Verweis auf die konkrete Betrachtungsweise des 3. Senats des BSG im
Urteil vom 13.5.04, B 3 KR 18/03 R); zwar existierten zweiseitige Verträge zum
nahtlosen Übergang von der Krankenhausbehandlung zur Rehabilitation; diesen
Verträgen habe die Klinik aber entsprochen, sich um Rehabilitations-Maßnahmen
bemüht und die Kasse davon unterrichtet.
23
Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
24
das Urteil des SG Münster vom 8.4.2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an
ihn weitere 3634,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem
Basissatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16.12.2001 zu zahlen.
25
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
26
die Berufung zurückzuweisen.
27
Sie macht geltend: die Behauptung, daß die Kasse vertragsgemäß über die Suche nach
einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit unterrichtet worden sei, sei falsch; bereits
bei der Vorbehandlung in der WK N vom 10.2. bis zum 3.3.1999 sei die Notwendigkeit
28
der Unterbringung in der Form betreuten Wohnens gesehen worden; gegen die
Notwendigkeit von Krankenhausbehandlung spreche vor allem, daß der Beigeladene
an therapeutischen Maßnahmen des Hauses häufig gar nicht teilgenommen habe, weil
er lieber Playstation gespielt habe; außerdem ergebe sich aus der Dokumentation, daß
er sich zwar vereinzelt betreute Einrichtungen angesehen habe, letztlich aber auf
Wohnungssuche gewesen sei, um eine WG mit zwei Mitpatienten zu bilden; es habe
sich also letztlich um nichtbetreute Maßnahmen gehandelt.
Der Beigeladene hat vor dem Senat keinen Antrag gestellt.
29
Sein Betreuer hat mitgeteilt, er sei immer noch Betreuer des Beigeladenen; seines
Wissens sei dieser über das Sozialamt bei der Beklagten freiwillig gegen Krankheit
versichert; die Beklagte sei es auch die die früheren wie die der streitigen Behandlung
nachfolgenden Krankenhausaufenthalte bezahlt habe; im Zustand des Beigeladenen
sei seit der streitigen Zeit keine wesentliche Besserung eingetreten.
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Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze
in beiden Rechtszügen verwiesen. Außer den Streitakten haben vorgelegen und sind
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen: ein Band Verwaltungsakten der
Beklagten sowie die von der WK N zusammengestellte Krankengeschichte (2 Bd.).
31
Entscheidungsgründe:
32
Da die Beklagte Berufung gegen das Urteil des SG Münster vom 6.4.2005 nicht
eingelegt hat, war nur noch darüber zu befinden, ob dem Kläger als Träger der Klinik
eine Vergütung für die Behandlung des Beigeladenen im Zeitraum vom 9. bis zum
28.4.1999 in der WK N zusteht.
33
Die Berufung des Klägers ist unbegründet, denn in der Zeit vom 9. bis zum 28.4.1999
war eine stationäre Behandlung des Beigeladenen in einem psychiatrischen
Fachkrankenhaus nicht erforderlich.
34
Ungeachtet der Frage, auf welchen Rechtsgrundlagen der vom Kläger erhobene
Anspruch im übrigen letztlich herzuleiten sein mag (vgl. dazu BSG, Urt.v. 13.5.04, B 3
KR 18/03 R = BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2, v. 16.2.05, B 1 KR 18/03 R =
SozR 4-2500 § 39 Nr 4, v. 7. 7. 05, B 3 KR 40/04 R = USK 2005-66 und LSG NW Urt.v.
15.12.05, L 5 KR 162/04 LSG NW), konnte der Vergütungsanspruch des
Krankenhauses gegen die Kasse nur dann entstehen, wenn die Behandlung des
Beigeladenen im noch streitigen Zeitraum vom 8. bis zum 28.4.1999 erforderlich in dem
Sinne war, daß das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre
oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden
konnte (§ 39 Abs 1 S. 2 iVm § 12 Abs 1 SGB V). Darauf und auf das
Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V wiesen aber ohnehin auch der seinerzeit
noch ungekündigte Vertrag der Kranken-hausgesellschaft Nordrhein-Westfalen mit u.a.
der Beklagten nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V (in seiner am 1.1.1997 in Kraft getretenen
Fassung) in seinen § 1, 2 Abs 1 und 3 hin, wie auch der Vertrag gemäß § 112 Abs 2 Nr
2 SGB V über die Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der
Krankenhausbehandlung vom 6.3.1991.
35
Daß die Behandlung des Beigeladenen im noch streitigen Zeitraum vom 9. bis zum
28.4.1999 in diesem Sinne nicht erforderlich war, steht zur Überzeugung des Senats
36
zunächst aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. N fest, das der Senat wie
schon das SG für in allen Belangen überzeugend hält.
Der Sachverständige Dr. N hat in seinem Gutachten vom 12.6.2004 weiterhin u.a.
festgestellt: neben der Alkoholabhängigkeit hätten das fremdaggressive Verhalten des
Beigeladen und seine soziale Isolation durchaus einer Persönlichkeitsfehlentwicklung
oder Persönlichkeitsstörung zugeordnet werden dürfen; trotz verbaler Androhungen
eines Suizids im Vorfeld der stationären Aufnahme am 19.3.1999 sei eine suizidale
Gefährdung von den Ärzten der Klinik als nicht so alarmierend aufgefasst worden, daß
sie Unterbringungsmaßahmen für erforderlich gehalten hätten; nicht erkennbar sei,
warum die Verlegung erst am 8.4.1999 möglich gewesen sein solle; bereits bei der
vorangegangenen Behandlung habe man gesehen, daß betreutes Wohnen erforderlich
gewesen sei; eine Persönlichkeitsstörung könne man in diesem Rahmen gar nicht mit
Erfolg behandeln; die Gabe von Atosil zur Beruhigung sei nicht gleichbedeutend wie bei
einer Einstellung auf Neuroleptica; Behandlungsziel sei nach dem Kurvenblatt vom 9.
bis 22.4.1999 die Planung einer strukturierten Wohnform gewesen; als Behandlung
seien Soziotraining und medikamentöse Unterstützung bei Unruhe vorgesehen
gewesen; für die Zeit nach der Verlegung des Beigeladenen auf Station 23/3 finde sich
nur noch ein Eintrag pro Tag; eine inhaltliche Dokumentation der
psychotherapeutischen Behandlung wäre wünschenswert gewesen; die von den
Bevollmächtigten des Klägers behauptete Behandlung sei durch die Dokumentation
nicht zu belegen; in der Zeit 8.4. bis zum 28.4.99 habe die dokumentierte Behandlung
nicht den Kriterien einer stationäre Krankenhausbehandlung genügt; bis zum 8.4.1999
scheine die Behandlung auf der geschützten Station einer psychiatrischen Klinik mit
einem ständig rufbereiten Arzt aufgrund möglicher Entzugssymptome und aggressiver
Ausbrüche des Beigeladenen durchaus erforderlich gewesen zu sein; welche
Maßnahmen mit welchem Behandlungsziel nach dem 8.4.1999 eine weitere
Stabilisierung oder grundlegende Behandlung der Persönlichkeitsstörung hätten
bewirken sollen, werde aus der Krankengeschichte nicht deutlich; es habe nicht damit
gerechnet werden können, daß sich durch die dokumentierten
Behandlungsmaßnahmen im Zeitraum nach dem 8.4.1999 eine grundlegende
Änderung der Störung in der Persönlichkeitsstruktur des Beigeladenen hätten bewirken
lassen.
37
Die Bewertung des Dr. X vom MDK vom 16.11.1999 konnte demgegenüber nicht
maßgebend sein. Sie beruhte, wie er selbst mit Schreiben vom 1.3.2000 eingeräumt hat,
auf einer unvollständigen Einsicht in den zugrundeliegenden Sachverhalt. Maßgeblich
konnte auch das nicht sein, was Dr. X dann in seinem Gutachten vom 24.5.2000 auf
breiterer Basis festgestellt hat, denn seine Äußerungen gleiten dort ins Ungefähre ab,
soweit es gilt, die konkrete Frage zu klären, ob im Zeitraum vom 8. - 28.4.1999 die
besonderen Mittel eines psychiatrischen Fachkrankenhauses erforderlich waren, um
Gesundheitsstörungen des Beigeladenen zu begegnen.
38
Die Richtigkeit Ausführungen des Sachverständigen, die auf einer beeindruckenden
Auswertung der vom WK zur Verfügung gestellten Unterlagen fußen, finden in der
Krankengeschichte der Klinik ihre vollständige Bestätigung. Es ist auch das
Berufungsvorbringen des Klägers nicht annähernd geeignet, die Richtigkeit der
Ausführungen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen, und die Anhörung des Dr. X1
von der WK vor dem Senat unterstreicht noch die Berechtigung der Beklagten, die
Bezahlung der Vergütung für die Zeit vom 9.4. bis zum 28.4.1999 zu verweigern, weil
jedenfalls in diesem Zeitraum Krankenhausbehandlung nicht erforderlich war.
39
Die streitige Behandlung sollte nämlich vor allem der Überbrückung des Zeitraums
dienen, in dem die Möglichkeit der Unterbringung des Beigeladenen in einer Wohnung
gefunden und verwirklicht war, in der er nicht sich selbst überlassen und deshalb
erhöhter Gefahr ausgesetzt war, in seinem Suchtverhalten rückfällig zu werden;
medizinisch therapeutische Ziele waren insoweit von unter - oder nebengeordneter
Bedeutung; keinesfalls lagen aber im Zeitraum nach dem 8. April 1999 noch
Gesundheitsstörungen des Beigeladenen vor, denen nur mit den Mitteln eines
fachpsychiatrischen Krankenhauses zum Zwecke ihrer Erkennung, Heilung oder auch
Linderung hätte begegnet werden können. Das gilt insbesondere gleichermaßen, soweit
die Suchterkrankung des Klägers in Betracht steht, wie für seine psychische Erkrankung
im übrigen. Dies wird nicht nur durch die Ausführungen des Sachverständigen evident,
das lag vielmehr nach dem Inhalt der Krankengeschichte und auch nach den
Darlegungen des Dr. X1 vor dem Senat auch seinerzeit schon so klar auf der Hand, daß
eine Entscheidung der Krankenhausärzte, den Beigeladenen aus Gründen seiner
Gesundheitsstörungen und nicht aus Gründen des Fehlens einer geeigneten
Unterbringungsmöglichkeit weiterhin in der Klinik zu behalten, unvertretbar gewesen
wäre. Diese Offensichtlichkeit tritt sogar im Vortrag der Bevollmächtigten des Klägers
deutlich zu Tage, soweit diese auf die Abstinenzsicherung als Grund der Behandlung
verweisen. Die zwischen dem 1. und dem 3. Senat des BSG streitige Frage, ob nur der
Nachweis der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung im o.a. Sinn der
Vergütungsanspruch des Krankenhauses auslöst oder ob es ausreicht, wenn die
Entscheidung der Krankenhausärzte "vertretbar" erscheint, war hier deshalb ohne jede
Bedeutung (vgl. BSG Urt.v. 13.5.04, B 3 KR 18/03 R = BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 §
39 Nr 2 und den Vorlagebeschluß des 1. Senats des BSG vom 7.11.2006, B 1 KR 32/04
R).
40
Sicherlich hat der Beigeladene an dem multimodale Therapieprogramm der Klinik
teilgenommen; sicherlich haben auch, wie der Kläger dies betont, regelmäßig ärztliche
Visiten stattgefunden. Darüber, insbesondere über Inhalt und Ergebnis solcher
Teilnahme und auch der dort erwähnten Therapiekonferenz vom 15.4.1999 findet sich in
der Krankengeschichte der Klinik - jedenfalls den noch streitigen Zeitrum betreffend -
außer tabellarischen Vermerken (etwa in den mit Namenskürzeln abgezeichneten
Vermerken in den grünen Planungs- und Nachweisblättern für April 1999) wenig.
Welches Therapieangebot bestand, wird eigentlich eher deutlich an den zahlreichen
Vermerken in den Verlaufsberichten darüber, daß der Beigeladene - im streitigen
Zeitraum beginnend ab dem 12.4.1999 - wieder einmal eine Teilnahme verweigert hatte.
Bis dahin war nach dem Inhalt der Planungs- und Nachweisblätter seit Beginn des
Monats praktisch nichts geschehen als "Fortwährende Betreuung und ständige
Beobachtung" sowie "Entlastender und orientierungsgebender Gesprächskontakt",
während man nach den Verlaufsberichten für die Zeit vom 1. bis zum 11.4.1999 eher
den Eindruck gewinnt, daß der freundliche und ruhige Patient, lange und gut schläft,
Spaß beim Kegeln und dem Spielen an der Playstation hat, Ausgang nimmt, seine
Mutter besucht usw. bis er sich am 12.4.1999 in der Morgenrunde weigerte, den
Küchendienst zu übernehmen. In der Folgezeit bis zum 20.4.1999 fallen vermehrte
Vermerke darüber auf, daß der Patient sich der Teilnahme an Therapieren zu entziehen
suche, aber auch deutlich vermehrte Vermerke darüber, daß er sich deutlich intensiver
außerhalb um eine Wohnung "für sich" bemühte und zwar nicht einmal notwendig um
eine solche im Rahmen betreuten Wohnens. Nur für die Zeit vom 21.4. bis zum
23.4.1999 finden sich aaO in der Folge von "Problemen mit seiner Wohnung" wieder
Vermerke über Unruhe und Aggressionen, denen man mit "Bed. Medikation" begegnet
41
sei, ein Zeitraum zu dessen Ende dann freilich anscheinend vom Oberarzt F im o.a.
Eintrag zum Datum des 23.4.1999 vermerkt ist: "Zunehmend adäquater und gelassener
in seinen Reaktionen".
Zur Entlassung am 28.4.1999 ist es nach dem Verlaufsbericht vom 27.4.1999
gekommen, nachdem der Patient an diesem Tage den dringenden Wunsch geäußert
hatte, entlassen zu werden. In den Planungs- und Nachweisblättern finden sich für den
gesamten streitigen Zeitraum 4 Eintragungen über "Visiten" (für den 13., 16., 19. und
23.4.1999) 3 Eintragungen über "Einzelgespräche" (für den 13., 19. und 23. 4.1999) und
2 Eintragungen einer "Therapiekonferenz" (für den 15. und 23.4.1999) neben
zahlreichen Eintragungen zu Belangen wie u.a. "Wecken/selbständiges Aufstehen",
"Hilfe beim Umgang mit persönlichem Eigentum", Bettenmachen und Anleitung zum
Beziehen von Betten", "Teilnahme an Stationsversammlung, Morgenrundem,
Abendrunde, Forum" pp.
42
Ohnehin besagt die Teilnahme an der Therapie, "am vollen Programm der Klinik",
letztlich weder, daß sie auch notwendig war, noch, daß sie anderenfalls nur im Rahmen
der stationären Behandlung in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus hätte
durchgeführt werden können. Hier steht es zur Überzeugung des Senats fest, daß
jedenfalls die besonderen Mittel eines fachpsychiatrischen Krankenhauses (vgl. dazu
wenngleich zum freilich gravierenderen Bild einer Erkrankung aus dem schizophrenen
Formenkreis: BSG Urt.v. 16.2.05, B 1 KR 18/03 R = SozR 4-2500 § 39 Nr 4). jedenfalls
im jetzt noch streitigen Zeitraum nicht eingesetzt werden mußten;
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- nicht zur Entgiftung, die nach dem o.a. Verlaufsbericht für diesen Tag jedenfalls bereits
am 22.3.1999 abgeschlossen gewesen zu sein scheint
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- nicht zur Entwöhnung, die nach den eigenen Bekundungen der WK eigentlich nicht
stattgefunden hat
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- nicht zur Behandlung der Persönlichkeitsstörung, die nach Bekunden des
Sachverständigen in einem solchen Rahmen gar nicht stattfinden kann
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- nicht wegen der Medikation, die im streitigen Zeitraum nur als Bedarfsmedikation
erfolgt ist
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- nicht wegen Suiziddrohungen des Beigeladenen, die man, wie der Sachverständige
bemerkt, auch von Seiten der Klinik nicht als so alarmierende betrachtet hat
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- nicht, um eine sonst notwendig werdende Unterbringung des Klägers in einem Heim
mit psychiatrischem Fachpersonal zu ersetzen, wie sie hier aktenkundig nie diskutiert
worden ist
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- und schließlich auch nicht, weil, wie die Bevollmächtigten des Klägers dies behaupten,
bei einer früheren Entlassung eine sofortige Verschlechterung der
Gesundheitsstörungen des Beigeladenen auch nach dem Inhalt des Gutachtens des
Sachverständigen Dr. N gedroht hätte.
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Eine solche hätte nur dann gedroht, wenn der Beigeladene in seinem Suchtverhalten
rückfällig geworden wäre, was allerdings zu besorgen war, wenn er sich selbst
überlassen worden wäre. Deshalb heißt es schon im o.a. Vermerk wohl des Oberarztes
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F vom 9.4.1999! sinnvoll wäre sicherlich eine betreute Einrichtung: in Zusammenhang
mit dem Kollegen in M sei eine Unterbringung in einer Wohngemeinschaft angedacht,
jedoch noch ohne konkrete Ergebnisse der Planung. Dementsprechend ist der
Beigeladene dann auch (o.a. Vermerk zum 28.4.1999) in eine Dreierwohngemeinschaft
gezogen, und man sah dabei von Seiten der WK eine angemessene Betreuung des
Beigeladenen durch die Einbeziehung des therapeutischen Teams aus M sichergestellt
(bevor der Beigeladene am 27.5.1999 wegen eines Erregungszustandes unter
Intoxikation nach dem Psych-KG erneut in die WK eingewiesen wurde).
Die Maßnahmen des WK zielten damit jedenfalls seit dem 9.4.1999 eindeutig nicht auf
die Beeinflussung vom Gesundheitsstörungen mit den Mitteln eines fachpsychiatrischen
Krankenhauses, sondern darauf, die Lebensbedingungen des suchtkranken
Beigeladenen so zu gestalten, daß die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Rückfalls
(und natürlich der damit verbundenen Gefährdungen der Gesundheit) geringer wurden.
Das zu bewerkstelligen mag Aufgabe des Klägers in seiner Eigenschaft als
überörtlicher Träger der Sozialhilfe sein. Einer solche Aufgabe kann er sich aber nicht
dadurch entledigen, daß seine Klinik den Suchtkranken zu Lasten der Krankenkasse so
lange in der Klinik beläßt, bis eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit für den
Betreffenden gefunden ist. Dafür stehen die Kassen nach dem Recht des SGB V nicht
ein.
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Der Sachverständige hat in der Dokumentation der WK keine weiteren spezifisch
ärztlichen oder psychologischen Maßnahmen ausmachen können, die unter
Fokussierung auf bestimmte Problembereiche eine stationäre Krankenhausbehandlung
mit psychotherapeutischer Gewichtung hätte rechtfertigen können. Der Kläger und/oder
die WK haben solche weiteren Maßnahmen auch im Verlaufe des Gerichtsverfahrens
nicht anführen können. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß hier nicht ein
weiterer Fall einer unzureichenden Dokumentation durch die WK zu beklagen ist (vgl.
dazu LSG NW Urt.v. 15.12.05 L 5 KR 162/04 LSG NW), sondern daß jedenfalls im noch
streitigen Zeitraum neben den Eingliederungsbemühungen der WK auch von Seiten der
Klinik keine weiteren spezifisch ärztlichen oder psychologischen Maßnahmen für
erforderlich gehalten worden sind, die nur stationär mit psychotherapeutischer
Gewichtung hätten durchgeführt werden können und durchgeführt worden wären,
wiewohl auch hier auffällt, daß in der hier vorgelegten, nicht paginierten und zeitlich
und/oder sachlich unzureichend geordneten Krankengeschichte zu Beginn des
jeweiligen Aufenthalts ein großer Bogen geschlagen wird - in Form von
Aufnahmebogen, Stammblatt, ärztlichem Befund vom Aufnahmetag, psychiatrischer
Basisbogen, Laborwerten pp -, der sich dann alsbald verläuft in den o.a. Formularen,
wie den Planungs- und Nachweisblättern, Verlaufsberichten, die nach Bekunden der
Klägerin ausschließlich von nichtärztlichen Kräften erstellt werden, sowie vielleicht
ärztlichen Äußerungen, von denen nicht ohne weiteres zu erkennen ist, wer sie wann
gefertigt hat.
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Daß der Beigeladene sich jedenfalls nach dem 8.4.1999 nicht wegen des
Erfordernisses stationärer Behandlung, sondern im wesentlichen nur noch deshalb in
der WK aufgehalten hat, weil es galt, ihn bis zu seiner Unterbringung möglichst in einer
Wohngemeinschaft rückfallfrei zu halten, hat denn auch Herr Dr. X1 von der WK vor dem
Senat freimütig eingeräumt, indem er bestätigt hat, daß der Beigeladene auch zuvor
schon entlassen worden wäre, wäre eine entsprechende, geschützte Unterbringung
schon zuvor möglich gewesen. Ebenso hat Herr Dr. X1 bestätigt, daß der Beigeladene
sich hier und mitunter die Aufnahme in die WK durch Provokationen ertrotzt hat, um den
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Aufenthalt in der WK dann gewissermaßen ebenso eigenmächtig wieder von sich aus
abzubrechen. Die Klinik nahm den Beigeladenen auf und entließ ihn nicht, weil man
befürchtete, ihn bei Nichtaufnahme oder Entlassung alsbald im intoxierten Zustand als
Akutfall wieder aufnehmen zu müssen.
Dieses Risiko rechtfertigt es freilich nicht, einen Suchtkranken auch dann noch zu
Lasten der Kassen in stationärer Krankenhausbehandlung zu belassen, und das
Problem, das die Bevollmächtigten der Klägerin hier in den Vordergrund zu rücken
suchen, stellt sich hier nicht. Soweit zwischen dem 1. und dem 3. Senat des BSG Streit
darüber besteht, ob es zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geht,
wenn eine Kasse nur abstrakt auf denkbare Behandlungsalternativen hinweist, die im
Einzelfall nicht zu verwirklichen sind (vgl. das o.a ... Urt. des BSG vom 13.5.04, B 3 KR
18/03 R = BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2 und den o.a. Vorlagebeschluß des 1.
Senats vom 7.11.2006, B 1 KR 32/04 R), so betraf diese Rechtsprechung, wie bereits
erwähnt, zunächst nur Fälle, in denen der Kasse angelastet wurde, Versicherten mit
psychiatrischen Schwersterkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis nicht
einen konkreten, unbesetzten Platz in einem Heim mit psychiatrisch geschultem
Personal nachgewiesen zu haben, um weitere stationäre Behandlung im
psychiatrischen Fachkrankenhaus entbehrlich zu machen. Es ist schon zweifelhaft, ob
solche Überlegungen übertragen werden könnten auf Fälle der hier vorliegenden Art, in
denen einem Versicherten im Gefolge seiner Suchterkrankung eine
Persönlichkeitsstörung attestiert wird, auf deren Behandlung der stationäre Aufenthalt
bestenfalls nachgeordnet zielt, zumal wenn nicht zur Debatte steht, ob der Versicherte
nicht in einem der wenigen Heime mit psychiatrisch geschultem Personal untergebracht
werden könnte, sondern wenn allenfalls erörtert wird, ob er in eine eigene Wohnung
oder besser in ein Gemeinschaft des betreuten Wohnens entlassen werden soll.
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Die von den Bevollmächtigten des Klägers in Bezug genommene Rechtsprechung kann
hier aber schon deshalb nicht einschlägig sein, weil die WK die Kasse vertragswidrig (§
6 Abs 3 S. 2 des o.a. Vertrages nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V) nicht spätestens an dem
zuvor von der Kasse bestimmten Überprüfungstag folgenden Arbeitstag mit einer
Verlängerungsanzeige von der Weiterbehandlung über den 28.3.1999 hinaus
benachrichtigt hat, sondern rückwirkend erst Wochen später mit der
Verlängerungsanzeige vom 15.4.1999, um die Kasse mit der Anzeige der Entlassung
am 28.4.1999 zu konfrontieren, bevor die Beklagte überhaupt die Möglichkeit hatte, sich
zur Frage einer möglichen Weiterbehandlung zu äußern.
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Weil es hier nach allem offensichtlich war und ist, daß man mit Fortführung der
stationären Behandlung in der WK im wesentlichen nur einen Weg gesucht hat, den
Zeitraum möglichst rückfallfrei zu überbrücken, bis zu dem der Beigeladene eine eigene
Wohnung oder Zugang zu einer Einrichtung des betreuten Wohnens gefunden habe
würde, hat der Senat Anlaß gesehen, dem Kläger die Kosten der Gerichtshaltung
aufzuerlegen, die dadurch entstanden sind, daß der Kläger den Rechtsstreit trotz
mehrfachen Hinweises auch durch den Vorsitzenden des Senats auf die
Rechtsmißbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung fortgesetzt hat. Dabei kam es nicht
entscheidend darauf an, daß selbst eine den früheren Zeitraum betreffende
Anschlußberufung der Beklagten nicht ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wäre. Was die
Höhe der Kosten anbetrifft, so schien der Betrag aus § 192 Abs 1 S. 2 SGG bei weitem
auch dann nicht ausreichend, wenn man außer Acht läßt, daß die Art der
Dokumentation der WK für jeden, der damit befaßt ist, - auch bei erneuter Umsetzung im
Urteil - einen außerordentlichen Zeitaufwand erfordert (der Sachverständige hat auf den
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Versuch einer lesbaren Darstellung die Seiten 25 bis 64 des Gutachtens verwandt).
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs 1 und 4 SGG.
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Es bestand kein Anlaß, die Revision zuzulassen. Die Rechtssache hat keine
grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG); insbesondere kam es auf die vom
Kläger angeführte o.a. Rechtsprechung des 3. Senats nicht an; auch weicht das Urteil
nicht von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten
Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) ab und beruht
auf dieser Abweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
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