Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 11.08.2003

LSG NRW: wiedereinsetzung in den vorigen stand, innere medizin, ärztliche untersuchung, hautleiden, sozialmedizin, asbest, beweislast, bewegungsstörung, industrie, blutuntersuchung

Landessozialgericht NRW, L 10 SB 24/03
Datum:
11.08.2003
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 10 SB 24/03
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 3 SB 238/01
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 9 SB 36/03 B
Sachgebiet:
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dort
mund vom 6. Januar 2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im
zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Gründe:
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I.
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Der 1937 geborene Kläger begehrt einen höheren Grad der Behinderung (GdB).
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Im August 1999 beantragte er erstmals die Feststellung des GdB. Der Beklagte
veranlasste daraufhin eine Untersuchung des Klägers durch die
Oberregierungsmedizinalrätin (ORMR) E. Diese gab in ihrem Gutachten vom
13.07.2000 die Bewertung ab:
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1. Seelisches Leiden mit vielfältigen Körperbeschwerden = GdB von 30
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2. Hautleiden = GdB 10
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3. Schwellneigung, Bewegungsstörung und Schmerzen rechtes Hand- und
Ellenbogengelenk = GdB 10.
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Ihrem Vorschlag folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 28.07.2000 einen GdB
von 30 fest. Mit seinem Widerspruch wies der Kläger auf innerliche Entzündungen hin,
die auf seine Arbeit mit Asbest zurückzuführen seien. Mit Widerspruchsbescheid vom
16.11.2000 wies der Beklagte den Widerspruch als verfristet zurück.
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Im anschließenden Klageverfahren (Sozialgericht (SG) Dortmund, Az. S 3 SB 278/00)
gewährte der Beklagte dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und hob den
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Widerspruchsbescheid 16.11.2000 auf.
Der Beklagte holte sodann eine versorgungsärztliche Stellungnahme von dem Arzt für
Psychiatrie und Sozialmedizin Dr. N ein, der von einer weiterhin bestehenden
Minderung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit aufgrund der Somatisierungsstörung
ausging, aber keine schwerwiegendere Beeinträchtigung festzustellen vermochte. Mit
Widerspruchsbescheid vom 16.11.2001 wies der Beklagte den Widerspruch des
Klägers zurück.
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Mit seiner Klage vom 20.11.2001 hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, bei ihm
bestehe weder ein Hautleiden noch ein seelisches Leiden. Er leide vielmehr an einer
auf seinen Umgang mit Asbest zurückzuführenden Erkrankung. Dazu hat er Unterlagen
aus seinem Verfahren bei der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie
eingereicht, darunter die Gutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin
und Umweltmedizin Prof. Dr. C vom 29.10.2001 und des Facharztes für Innere Medizin
Dr. T vom 05.11.2001, die seitens des bronchopulmonalen Systems keine
Funktionseinschränkung feststellen konnten.
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Der Kläger hat beantragt,
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das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 28.07.2000 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2001 zu verurteilen, einen Behinderungsgrad
von mehr als 30 festzustellen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das SG hat ein Gutachten von der Ärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. G
vom Sozialmedizinischen Dienst der Bundesknappschaft in D eingeholt. Das Gutachten
vom 11.06.2002 wurde nach Lage der Akten erstellt, da der Kläger eine gutachtliche
Untersuchung mit den damit notwendigen technischen Untersuchungen abgelehnt hat.
Dr. G hat die Bewertung der ORMR E bestätigt und ergänzend angegeben, dass einem
Lendenwirbelsyndrom und Kniegelenksbeschwerden kein GdB zuzumessen sei, da
weder eine Mobilitätsbeeinträchtigung noch eine anderweitige Beeinträchtigung
erkennbar sei; der Gesamt-GdB sei mit 30 ausreichend gewürdigt.
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Das SG hat die Klage mit Urteil vom 06.01.2003 abgewiesen und zur Begründung
ausgeführt, die von dem Kläger behauptete Asbestose sei gutachterlicherseits nicht
bestätigt worden. Ausweislich des Gutachtens der Prof. Dr. C vom 29.10.2001, dem eine
Blutuntersuchung, eine Ergometrie und eine computertomographische Untersuchung
des Brustkorbes zugrunde lagen, hätten sich keinerlei Hinweise auf eine Asbestose
gefunden. Weder im Bereich des Blutbildes noch der Herzkreislaufleistungsfähigkeit
bestünden Auffälligkeiten; ebenso seien pleurale Veränderungen nicht festzustellen.
Die bereits von dem Beklagten erfassten Gesundheitsstörungen (Seelisches Leiden mit
vielfältigen Körperbeschwerden, Hautleiden, Schwellneigung, geringfügige
Bewegungsstörung und Schmerzen rechtes Ellbogen- und Handgelenk) sowie die von
Dr. G beschriebenen Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule und der Kniegelenke
seien mit einem Gesamt-GdB von 30 zutreffend bewertet. Weitergehende Erkenntnisse
seien mangels Mitwirkung des Klägers nicht zu erzielen.
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Mit seiner gegen das am 24.01.2003 zugestellte Urteil gerichteten Berufung vom
21.02.2003 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter; er hält die bisher eingeholten
Gutachten für falsch.
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Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
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das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.01.2003 abzuändern und nach seinem
erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt sinngemäß,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Senat hat den Kläger darauf hingewiesen, dass zu einer weitergehenden
Aufklärung des medizinischen Sachverhalts eine eingehende ärztliche Untersuchung
erforderlich sei. Der Kläger hat eine solche Untersuchung abgelehnt. Der Senat hat die
Beteiligten sodann auf seine Absicht hingewiesen, die Berufung des Klägers ohne
mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) zurückzuweisen.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die
Akten des SG Dortmund - Az. S 3 SB 278/00 und S 23 U 42/02 -, die
Verwaltungsvorgänge der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie - Az. 000 -
sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
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II.
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Der Senat kann über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss
entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche
Verhandlung entbehrlich ist. Der Senat hat die Beteiligten hierzu mit Schreiben vom
29.04. und 30.06.2003 angehört.
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
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Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen; denn der Kläger ist durch die angefochten
Bescheide des Beklagten vom 28.07.2000 und 16.11.2001 nicht beschwert. Er hat
keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30.
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Zur Begründung - und Vermeidung von Wiederholungen - nimmt der Senat auf die
zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG) Bezug und führt
ergänzend aus:
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Das SG hat den von dem Beklagten mit 30 festgestellten GdB aufgrund seiner
Ermittlungen zu Recht bestätigt. Ein anderes Ergebnis wäre allenfalls in Betracht
gekommen, wenn aufgrund eingehender körperlicher Untersuchung des Klägers neue
bzw. abweichende Befunde hätten erhoben werden können. Der Senat hat den Kläger
deshalb darauf hingewiesen, dass zur weiteren Aufklärung des medizinischen
Sachverhalts eine Untersuchung durch einen ärztlich Sachverständigen unerlässlich ist.
Diese Untersuchung hat der Kläger trotz ausdrücklichen Hinweises auf die Folgen eines
mangelnden Mitwirkens abgelehnt. Der daraus resultierende Mangel der Feststellbarkeit
geht nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers. Ihm obliegt
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die Beweislast, da er aus einem bestimmten Tatbestand des Neunten Buches
Sozialgesetzbuch, nämlich dem Vorliegen von Behinderungen und deren
Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, den Anspruch auf
Feststellung eines höheren GdB herleiten will.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 1 und 2 SGG).
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