Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 30.11.2005

LSG NRW: gemeinschaftspraxis, anspruch auf rechtliches gehör, berufliche eignung, aufschiebende wirkung, persönliche eignung, facharzt, recht auf akteneinsicht, örtliche zuständigkeit, behörde

Landessozialgericht NRW, L 10 KA 29/05
Datum:
30.11.2005
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 10 KA 29/05
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 9 (26) KA 126/03
Sachgebiet:
Vertragsarztangelegenheiten
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund
vom 03.05.2005 (S 9 (26) KA 126/03) wird zurückgewiesen. Der Kläger
trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten,
des Beigeladenen 9) sowie der Beigeladenen 8) und die Gerichtskosten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung bei der
Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes eines Facharztes für Radiologie in V.
2
In der Stadt V bestand bis zum 14.06.2003 die fachübergreifende Gemeinschaftspraxis
des Facharztes für Radiologie Dr. L (L.) und der Beigel. 10), einer Fachärztin für
Nuklearmedizin, mit dem Sitz in V, P-straße 0. Der Planungsbereich V ist infolge
Überversorgung (rund 150 %) für Radiologen gesperrt.
3
L. hatte im Januar 2003 die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes mit dem Ziel
beantragt, auf die Zulassung mit Ablauf des 30.09.2003 zu verzichten. Die Beigel. 8)
schrieb hierauf in der Ausgabe 03/03 des Westfälischen Ärzteblattes die Praxis wie folgt
aus: "Radiologische Praxis im Kreis V (neuer Partner für Gemeinschaftspraxis)."
4
Auf den ausgeschriebenen Vertragsarztsitz bewarben sich u.a. der Kläger und der
Beigel. 9). Der 1956 geborene Kläger ist seit dem 12.12.1985 approbiert und hat die
Anerkennung als Facharzt für Radiologie seit dem 12.12.1991. In das Arztregister
eingetragen wurde er am 27.09.1992. Seit Oktober 1992 ist er in I als Facharzt für
Radiologe niedergelassen.
5
Der 1956 geborene Beigel. 9) ist seit dem 02.11.1983 approbiert. Seit dem 05.12.1992
besitzt er die Anerkennung als Arzt für radiologische Diagnostik und seit dem
07.08.1999 die als Facharzt für diagnostische Radiologie. Er war seit März 1993
Oberarzt in der radiologischen Abteilung des St. L-Hospitals in V tätig. Seit Mai 2002
6
war er zunächst Vertreter des erkrankten L. und nach dessen Tod am 00.06.2003
Verweser in der Gemeinschaftspraxis.
Der Beigel. 9) hatte mit der Beigel. 10) und L. zu dessen Lebzeiten einen Vertrag über
die Übernahme von dessen Gesellschaftsanteil an der Gemeinschaftspraxis mit der
Beigel. 10) (Praxisübergabevertrag) für die Zeit ab 01.10.2003 geschlossen. Die Beigel.
8) hat den Verkehrswert der Vertragsarztpraxis des L. innerhalb der
Gemeinschaftspraxis auf 402.600 Euro geschätzt. Mit weiterem Vertrag vom 04.04.2003
haben der Beigel. 9) und die Beigel. 10) eine Gemeinschaftspraxis unter der
Praxisanschrift der Beigel. 10) vereinbart (Gemeinschaftspraxisvertrag). Die Beigel. 10)
und der Beigel. 9) haben den Antrag auf Führung einer fachübergreifenden
Gemeinschaftspraxis als Fachärztin für Nuklearmedizin bzw. als Facharzt für
diagnostische Radiologie gestellt. Dem hat der Zulassungsausschuss der Ärzte und
Krankenkassen für den Regierungsbezirk Arnsberg I (Zulassungsausschuss) durch
Beschluss vom 26.06.2003 - ZAA 360/2003 - mit der Maßgabe entsprochen, dass
grundsätzlich nur die Beigel. 10) die nuklearmedizinischen Leistungen (in der
Gemeinschaftspraxis) erbringt. Durch weiteren Beschluss vom 26.06.2003 - ZAA I
358/2003 - hat der Zulassungsausschuss entschieden, dass der Beigel. 9) mit Wirkung
vom 01.10.2003 als Facharzt für diagnostische Radiologie für den Arztsitz V, Pstraße 0,
zur Vertragsarztpraxis unter der Bedingung zugelassen wird, dass er die Kündigung
seines Beschäftigungsverhältnisses mit dem Krankenhaus nachweist. Außerdem wurde
der Zulassungsantrag des Klägers abgelehnt.
7
Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch hat der Kläger die Auswahlentscheidung
des Zulassungsausschusses angegriffen. Sie sei rechtswidrig, weil sich der
Zulassungsausschuss bei pflichtgemäßer Ermessensbetätigung für ihn hätte
entscheiden müssen. Sie sei auch deswegen rechtswidrig, weil ihm die Einsicht in die
seine Mitbewerber betreffenden Verwaltungsvorgänge sowie in den das
Ausschreibungsverfahren betreffenden Verwaltungsvorgang und in den zwischen L., der
Beigel. 10) und dem Beigel. 9) geschlossenen Praxisübergabevertrag verwehrt worden
sei. Auf seinen Antrag auf Akteneinsicht in die vollständige Akte des
Ausschreibungsverfahrens der Praxis des L. übersandte der Beklagte dem Kläger "1
Aktenauszug in Kopie (Dr. med. W Q)" unter Hinweis darauf, dass es sich dabei um die
Vorgänge handele, die auch ihm, dem Beklagten, vorlägen. Nachfolgend wiederholte
der Kläger sein Begehren auf Einsicht in die vollständigen dem
Ausschreibungsverfahren zu Grunde liegenden Verwaltungsvorgängen mehrfach
jeweils erfolglos. Einen entsprechenden Antrag stellte er erneut in der mündlichen
Verhandlung vor dem Beklagten.
8
Dieser wies mit Beschluss vom 16.09.2003 den Widerspruch zurück und führte hierzu
u.a. aus, unter mehreren Bewerbern auf einen ausgeschriebenen Vertragsarztsitz hätten
die Zulassungsgremien den Nachfolger gemäß § 103 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch
Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) nach pflichtgemäßem
Ermessen auszuwählen. Dabei seien die berufliche Eignung, das Approbationsalter und
die Dauer der ärztlichen Tätigkeit der Bewerber zu berücksichtigen. "Berücksichtigen"
bedeute mehr als nur das Beachten bestimmter Tatsachen bei der
Auswahlentscheidung. Dennoch sei das Auswahlermessen nicht so eingeengt, dass die
beruflichen Kriterien den vorrangigen Ausschlag für die Auswahl zu geben hätten. Es
seien vielmehr alle Gesichtspunkte in die Ermessensausübung einzubeziehen, die für
die Aufgabenstellung und die Zielsetzung der Vertragsarzttätigkeit im Allgemeinen, aber
auch bezogen auf das konkrete Besetzungsverfahren, wesentlich, also für die
9
Auswahlentscheidung unverzichtbar seien. Hierzu rechne, dass mit der Neubesetzung
des Vertragsarztsitzes eine fachlich qualitativ gute und dauerhaft stabile radiologische
Versorgung der Versicherten in V angestrebt werde. Unter dieser Voraussetzung seien
alle Bewerber grundsätzlich beruflich, d.h. bezogen auf den fachgebietlichen
Versorgungsauftrag des Vertragsarztsitzes, geeignet. Daher sei es nicht geboten, eine
fachgebietsbezogene Eignungsprüfung unter den Bewerbern durchzuführen.
Ausgeschrieben worden sei der Vertragsarztsitz eines fachgebietlich anerkannten
Radiologen. Deswegen gehe es auch bei der Nachbesetzungsauswahl nicht darum,
aus dem Kreis der Bewerber denjenigen herauszufiltern, der die besten fachlichen
Qualifikationen nachweise. Die Vorschrift diene nicht der Bestenauslese, sondern solle
es ermöglichen, dass ein Vertragsarztsitz mit einem Bewerber besetzt werde, der unter
den konkreten Bedingungen geeignet sei, die Versorgung der Versicherten
sachgerecht, d.h. ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich (§ 72 Abs. 2 SGB V)
sicherzustellen. Die Auswahlkriterien Approbationsalter und Dauer der bisherigen
ärztlichen Tätigkeit beinhalteten einen gleichsam sozialen Aspekt bei der
Bewerberauswahl: Es sollten auch die Bewerber eine Auswahlchance erhalten, die seit
langem im Arztberuf - wo auch immer - tätig gewesen seien und die Vertragsarzttätigkeit
anstrebten. Insofern sei bei dem Kläger angesichts der abgerechneten Fallzahlen nicht
klar erkennbar, ob dieser schon als beruflich etabliert anzusehen sei. Er habe aber auch
nichts dafür vorgetragen, welche Beweggründe er für eine Bewerbung um einen
Fachgebietsvertragsarztsitz im benachbarten Planungsbereich tatsächlich habe. Eine
eingehende und sachliche Bewerbungsbegründung jedenfalls im Verfahren vor dem
Berufungsausschuss hätte die Grundlage für die Prüfung sein können, ob es besondere
Gesichtspunkte dafür gebe, die Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten zu treffen. Ein
entsprechender Vortrag habe gefehlt. Stattdessen habe er die Forderung nach
Akteneinsicht in den Vordergrund der Bewerbungstätigkeit gestellt. Diese Forderung sei
so allgemein gehalten geblieben, dass zumindest hinsichtlich der zu prüfenden
Auswahlkriterien nicht erkennbar sei, weswegen Einsicht in die Wettbewerberakten
oder in Vorgänge, die den ausscheidenden Vertragsarzt oder seine Mitgesellschafterin
in der Gemeinschaftspraxis betroffen hätten, verlangt werde. Dem Vertagungsantrag sei
nicht zu entsprechen. Die begrenzte oder gar unbegrenzte Einsicht in
Verwaltungsakten, die die Mitbewerber des Nachbesetzungsverfahrens sowie die
Angelegenheiten der Erben des verstorbenen L. und das Verfahren auf Genehmigung
der Gemeinschaftspraxis, die die Beigel. 9) und 10) verfolgten, beträfen, verbiete sich
grundsätzlich. In der mündlichen Verhandlung seien den Mitbewerbern des
Nachbesetzungsverfahrens und ihren Bevollmächtigten alle Daten durch ausführlichen
Sachbericht des Vorsitzenden sowie durch konkrete Mitteilung von Einzeldaten, und
zwar auch und insbesondere auf Anfrage von Verhandlungsteilnehmern mitgeteilt
worden. Dem Kläger sei damit das rechtliche Gehör nicht abgeschnitten worden. Es sei
insbesondere für die Rechtsfindung in dieser Sache nicht erheblich, welche
Preisvereinbarungen L. und der Beigel. 9) getroffen hätten und welchen Inhalt die
Vereinbarung zwischen den Beigel. 9) und 10) zur Führung einer fachübergreifenden
Gemeinschaftspraxis habe. Der Beigel. 9) habe die Fachgebietsanerkennung als Arzt
für diagnostische Radiologie und damit seine Befähigung nachgewiesen, alle
radiologischen Geräte sowie die der Kernspin-/ Magnetfeldresonanz-Tomographie als
hochtechnisierte Untersuchungseinrichtung handhaben und deren Bildergebnisse
auswerten zu können. Zwar habe das Krankenhaus, an dem er als Oberarzt tätig
gewesen sei und die Vertragsarztpraxis, als deren Verweser er angestellt gewesen sei,
nicht über diese Geräte verfügt. Dies schwäche seine Befähigung nicht ab, denn es
gehe im vorliegenden Fall um die Nachbesetzung einer für radiologische Tätigkeiten
zugelassenen Vertragsarztpraxis. Hierfür seien eine mehrjährige Oberarzttätigkeit in der
konventionellen Radiologie eines Krankenhauses, eine stets auf den neuesten
gebietlichen Befähigungsstand gebrachte persönliche Qualifikation (Dezember 1992:
Anerkennung als Arzt für radiologische Diagnostik; August 1999: Anerkennung als
Facharzt für diagnostische Radiologie), die inzwischen als Krankheitsvertreter und
Praxisverweser erworbenen Erfahrungen in der Vertragsarztpraxis, um deren
Nachbesetzung es gehe, sowie auch das persönliche Interesse an einer selbständigen
Fachgebietstätigkeit in der Summe gesehen, gemessen an den Angeboten der
Mitbewerber, die besten Voraussetzungen für eine sachgerechte Patientenversorgung
und wirtschaftlich aussichtsreiche Praxisführung. Die Praxis solle ausweislich des
Zulassungsbeschlusses und nach dem erklärten Willen des Beigel. 9) als radiologische
Praxis weitergeführt werden. Dabei komme es nicht darauf an, dass der verstorbene L.
in verstärktem Maße neben der Beigel. 10) nuklearmedizinische Leistungen erbracht
und abgerechnet habe. Die Übernahme einer ausgeschriebenen Praxis setze nicht
voraus, dass persönlich entwickelte Tätigkeitsschwerpunkte des ausscheidenden
Vertragsarztes von dem übernehmenden Arzt beibehalten würden. Die Praxis sei
vielmehr ausdrücklich zur radiologischen Versorgung zugelassen worden. Dieses solle
auch der Mittelpunkt der Tätigkeit sein, wobei es dem neu zugelassenen Arzt obliege,
die apparative Ausstattung der Praxis zu qualifizieren, um entsprechende Diagnostik
betreiben zu können. Dass der Beigel. 9) dabei die Interessen der als
Nuklearmedizinerin niedergelassenen Beigel. 10) treffe, sei nicht nur legal sondern
zugleich ein weiteres Moment, das erwarten lasse, mit der Nachbesetzung durch den
Antragsteller werde die fachübergreifende Gemeinschaftspraxis im Interesse der
Patientenversorgung erfolgreich weitergeführt.
Ferner wies der Beklagte die Anträge des Beigel. 9) und der Erben des L. auf sofortige
Vollziehung der Zulassungsentscheidung wegen fehlenden öffentlichen Interesses
zurück.
10
Durch Beschluss vom 25.09.2003 - ZAA I 732/2003 - ermächtigte der
Zulassungsausschuss den Beigel. 9) als Facharzt für Diagnostische Radiologie in
eigener Praxis in V, Pstraße 0, für die Zeit vom 01.10.2003 längstens bis zum
rechtskräftigen Abschluss des Übergabeverfahrens zur Teilnahme an der
vertragsärztlichen Versorgung - soweit hier von Interesse - wie folgt: "Auf Überweisung
niedergelassener Vertragsärzte: Durchführung von röntgenologischen Leistungen
einschließlich der Durchführung von Computertomographien und MRT-Untersuchungen
Beratungsgrundleistungen nach den Gebührennummern 17 und ggf. 18 des Abschnitts
B II EBM sind im Rahmen dieser Ermächtigung nicht abrechnungsfähig."
11
Hiergegen legten die Fachärzte für Diagnostische Radiologie Dres. C und N, V,
Widerspruch ein. Auf ihren Eilantrag (§ 86 b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) stellte
das Sozialgericht (SG) Dortmund mit Beschluss vom 13.05.2004 (S 9 47/04 KA ER) die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs fest. Das sich anschließende
Beschwerdeverfahren (L 11 B 22/04 KA ER) haben die Beteiligten für erledigt erklärt,
nachdem der Beklagte den Widerspruch durch Beschluss vom 15.06.2004 als
unzulässig verworfen hat.
12
Gegen die am 05.11.2003 zugestellte Zulassungsentscheidung des Beklagten vom
16.09.2003 hat der Kläger am 03.12.2003 Klage erhoben mit dem Ziel, den Beklagten
zu verpflichten, ihn als Nachfolger zuzulassen. Er hat weiterhin die Verletzung
rechtlichen Gehörs gerügt und vorgetragen, erst in der Sitzung des
Zulassungsausschusses habe er erfahren, zu welcher Praxis der nachzubesetzende
13
Vertragsarztsitz gehöre. Ebenso habe der Beklagte das rechtliche Gehör verletzt, indem
er ihm bis zum Schluss des Verwaltungsverfahrens keine Akteneinsicht gewährt habe.
Es reiche nicht aus, dass der Ausschussvorsitzende des Beklagten in der Sitzung aus
den Verwaltungsakten die seiner Ansicht nach entscheidungserheblichen Daten zitiere.
Zum einem schließe der Grundsatz auf Gewährung des rechtlichen Gehörs die
Einräumung angemessener Äußerungsfristen ein, zum anderen sei der Umfang der zu
gewährenden Akteneinsicht danach zu bestimmen, ob die Einsichtnahme zum Zeitpunkt
des Antrages der Wahrung rechtlicher Interessen dienlich sei. Ein rechtliches Interesse
sei immer dann gegeben, wenn die Einsichtnahme bezwecke, eine tatsächliche
Unsicherheit über ein Rechtsverhältnis zu klären, ein rechtlich relevantes Verhalten
nach dem Ergebnis der Einsichtnahme zu regeln oder eine gesicherte Grundlage für die
Verfolgung eines Anspruchs zu erhalten. Darüber hinaus halte er an seiner Auffassung
fest, dass der angefochtene Beschluss rechtswidrig sei. So seien die Interessen der
Beigel. 10) zu Unrecht berücksichtigt worden, denn neben dem Beschluss des
Zulassungsausschusses vom 26.06.2003 zur Genehmigung einer fachübergreifenden
Gemeinschaftspraxis sei für die Annahme des Bestehens einer Gemeinschaftspraxis
zwingend erforderlich, dass die vertragsärztliche Tätigkeit auch tatsächlich gemeinsam
ausgeübt werde. Die Erklärungen der Beigel. 10) vor dem Zulassungsausschuss und
dem Beklagten, dass sie die Gemeinschaftspraxis mit dem Beigel. 9) fortführen wolle, da
dieser nicht nuklearmedizinisch tätig und damit gewährleistet sei, dass innerhalb der
Gemeinschaftspraxis keine Konkurrenzsituation entstehe, verdeutlichten, dass die
Fortführung einer Gemeinschaftspraxis zwischen den Beigel. 10) und 9) von Anfang an
nicht beabsichtigt gewesen sei. Die Beigel. 10) und 9) führten faktisch zwei
Einzelpraxen. Sowohl die Äußerungen der Beigel. 10) als auch die Außendarstellung
der Beigel. 10) und 9) seien die konsequente Folgerung und Umsetzung der Regelung
des § 4 Abs. 2 des Praxisübergabevertrages, der bestimme, dass der Beigel. 9) nach
erfolgter Zulassung "den übernommenen Praxisanteil ... als Einzelpraxis fortführt". Auch
im übrigen lasse der angefochtene Beschluss nicht erkennen, dass der Beklagte eine
ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung getroffen hätte. Unter Berücksichtigung der
Auswahlkriterien des § 103 Abs. 4 SGB V hätte der Beklagte ihm den Vorrang geben
müssen. Da es um die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in der fachärztlichen
Versorgung gehe, sei der Dauer der fachärztlichen Tätigkeit nach Erwerb der
Facharztanerkennung das entscheidende Gewicht beizumessen. Diese habe er früher
als der Beigel. 9) erworben. Dagegen könne es nicht auf die Eintragung in die Warteliste
ankommen, weil es sich hierbei nicht um ein gesetzlich festgelegtes Auswahlkriterium
handele und dadurch der niedergelassene Arzt, der sich für einen Vertragsarztsitz in
einem anderen Zulassungsbezirk bewerbe, per se benachteiligt würde.
Der Kläger hat beantragt,
14
unter Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 16.09.2003 den Beklagten zu
verurteilen, ihn zur vertragsärztlichen Tätigkeit als Facharzt für Radiologie anstelle des
Beigel. 9) mit Arztsitz in V, Pstraße 0, zuzulassen.
15
Der Beklagte hat beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17
Er hat daran festgehalten, dass die von ihm getroffene Auswahlentscheidung
rechtmäßig sei. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers sei zu verneinen.
Das folge auch daraus, dass der Kläger zur Sache umfänglich vortrage, ohne dass
18
erkennbar würde, dass seinem Wissen irgendein Sachverhaltsstück fehlen würde,
welches den Übernahme- und Praxisverträgen, von denen immer die Rede sei, zu
entnehmen sei. Zur Art der tatsächlichen Praxisausübung der Beigel. 10) und 9) halte er
weiteren Vortrag für entbehrlich.
Der Beigel. 9) hat beantragt,
19
die Klage anzuweisen.
20
Er sei nicht mit einer Einsichtnahme in den Praxisübergabe- und den
Gemeinschaftspraxisvertrag durch den Kläger einverstanden. Die Einsicht sei zur
Geltendmachung von dessen rechtlichen Interessen nicht erforderlich. Ferner hat er
ausgeführt, rechtlich könnten die Beigel. 10) und 9) wegen der noch nicht
bestandskräftig gewordenen Zulassung im Nachbesetzungsverfahren tatsächlich noch
keine Gemeinschaftspraxis nach der Berufsordnung ausüben. Im übrigen sei die
Entscheidung der Zulassungsgremien materiell rechtmäßig, wobei den
Bewerbungsunterlagen zu entnehmen sei, dass er insgesamt länger ärztlich tätig
gewesen sei als der Kläger.
21
Die Beigel. 8) hat beantragt,
22
die Klage abzuweisen.
23
Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Beigel. 9) am 25.05.20004 beim SG
Dortmund um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht (S 9 KA 100/04 ER). Das SG hat
mit Beschluss vom 22.07.2004 antragsgemäß die sofortige Vollziehung bis zum
rechtskräftigen Abschluss der Hauptsacheverfahren (S 9 (29) KA 126 und 127/03)
angeordnet. In diesem Zeitraum, in den Quartalen II und III/2004, hat der Beigel. 9)
Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen erbracht und
abgerechnet.
24
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 03.05.2005 abgewiesen. Der angefochtene
Beschluss des Beklagten sei rechtmäßig. Aus Sinn und Zweck der Regelung des § 103
Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Satz 3 SGB V, die an den Tatbestand der Überversorgung und der
angeordneten Zulassungsbeschränkungen anknüpfe, werde deutlich, dass hier nur der
Teil des Vertragsarztsitzes des als Vertragsarzt für Radiologie zugelassen gewesenen
L. zur Nachfolge hätte ausgeschrieben werden können, der den Fachbereich der
Radiologie betreffe, denn der Fachbereich der Nuklearmedizin sei keinen
Zulassungsbeschränkungen unterworfen gewesen. Mit dem Beigel. 9) sei ein
Nachfolger nach pflichtgemäßen Ermessen ausgewählt worden. Der Beklagte habe die
gesetzlichen Auswahlkriterien rechtlich zutreffend berücksichtigt. Er habe diese in
rechtlich zulässiger Weise nicht als Erfordernis einer gesetzlich vorgeschriebenen
"Bestenauslese" aufgefasst, sondern vielmehr alle Gesichtspunkte, die für die
Neubesetzung des Vertragsarztsitzes zur Sicherung einer fachlich qualitativ guten und
dauerhaften stabilen radiologischen Versorgung der Versicherten in die
Ermessensausübung einbezogen. Sowohl der Kläger als auch der Beigel. 9) verfügten
über die erforderlichen Facharztanerkennungen. Die verantwortliche Tätigkeit des
Beigel. 9), die dieser inzwischen auch als Krankheitsvertreter und Praxisverweser
fortgesetzt habe sowie das persönliche Interesse an einer selbständigen
Fachgebietstätigkeit seien in der Summe gesehen als beste Voraussetzung für eine
sachgerechte Patientenversorgung und wirtschaftlich aussichtsreiche Praxisführung
25
sachgerecht anerkannt worden. Der Beklagte habe auch zu Recht die Interessen der in
der Praxis verbleibenden Beigel. 10) angemessen berücksichtigt. Im Zeitpunkt der
Auswahlentscheidung hätten sämtliche Umstände zu Gunsten des Beigel. 9)
gesprochen. Dieser habe bereits in der Gemeinschaftspraxis mit der Beigel. 10)
zusammen gearbeitet. Beide hätten sich zu einer Kooperation bereit erklärt und dies
auch vertraglich geregelt. Schließlich sei damit zu rechnen, dass die Zusammenarbeit
Bestand haben werde. Unter mehreren annähernd gleich geeigneten Bewerbern dürften
die Zulassungsgremien den Bewerber bevorzugen, mit dem der in der
Gemeinschaftspraxis verbleibende Arzt die Gemeinschaftspraxis fortführen wolle und
der die Gewähr für eine längerfristige Kooperation biete. Der Rechtmäßigkeit der
Auswahlentscheidung könne auch nicht eine mangelnde persönliche Eignung des
Beigel. 9) entgegen gehalten werden. Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der
Zulassungsauswahlentscheidung als statusbezogener Verwaltungsakt sei auf die Sach-
und Rechtslage im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung, hier des Beschlusses vom
16.09.2003, abzustellen. Ob sich aus dem späteren Verhalten des Beigel. 9) ein Zweifel
an dessen fortbestehender Eignung ergebe, sei deshalb nicht zu entscheiden und zu
beurteilen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör sei nicht verletzt. Dieses Recht sei durch
die Zurückweisung des Vertagungsantrages und durch die Nichtgewährung von
Akteneinsicht nicht beeinträchtigt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör werde begrenzt
durch die materiell-rechtlichen Vorgaben, die die Auswahlentscheidung gemäß § 103
Abs. 4 Satz 3 und 4 SGB V determinierten. Hinsichtlich der Auswahlkriterien sei der
Kläger in seiner Rechtsverfolgungsmöglichkeit nicht beeinträchtigt worden; er habe sich
dazu äußern können und habe sich auch tatsächlich geäußert.
Gegen das am 18.07.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.08.2005 Berufung
eingelegt und auf seinen bisherigen Vortrag Bezug genommen. Er verweist erneut auf
die Verletzung rechtlichen Gehörs. Dieser Mangel könne weder nach § 41
Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) geheilt noch sei er
unbeachtlich. Nach § 42 Satz 1 SGB X könne die Aufhebung eines Verwaltungsaktes,
der unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen sei, nicht
beansprucht werden, wenn offensichtlich sei, dass die Verletzung die Entscheidung in
der Sache nicht beeinflusst habe. Die Entscheidung des Beklagten sei
ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte den seiner Entscheidung zugrunde liegenden
Sachverhalt nicht vollständig erfasst habe. Der Vorsitzende des Beklagten habe nach
seiner eigenen Erklärung in der mündlichen Verhandlung am 20.07.2005 im
Beschwerdeverfahren L10 B 17/04 KA ER weder den Praxisübergabevertrag noch den
Gemeinschaftspraxisvertrag gelesen. Insbesondere hätte der Beklagte im Hinblick auf
die Regelungen des Praxisübergabevertrages (§ 4 Abs. 2) die Interessen der Beigel. 10)
nicht berücksichtigen, jedenfalls aber hinterfragen müssen, ob tatsächlich eine
Nachbesetzung in eine Gemeinschaftspraxis erfolgen sollte. Insoweit hätte er, der
Kläger, wäre ihm Akteneinsicht gewährt worden, seine Einwände bereits im
Verwaltungsverfahren vorbringen können. Es sei deshalb nicht mit der gesetzlich
geforderten Offensichtlichkeit auszuschließen, dass bei Kenntnis der Regelungen im
Praxisübergabevertrag keine andere Entscheidung in der Sache getroffen worden wäre.
Erst recht ergebe sich die Beachtlichkeit der Verletzung rechtlichen Gehörs aus § 42
Satz 2 SGB X, wonach Satz 1 nicht gelte, wenn die erforderliche Anhörung unterblieben
und nicht wirksam nachgeholt worden sei. Eine Anhörung, die unter Verweigerung des
Rechts auf Akteneinsicht erfolge, genüge den rechtlichen Anforderungen nicht. Er habe
infolge der verweigerten Akteneinsicht zu keinem Zeitpunkt des Verwaltungsverfahrens
die Möglichkeit gehabt, auf das Verfahren sachgerecht einzuwirken. Die Entscheidung
des Beklagten sei auch ermessensfehlerhaft. Der Sachverhalt sei nicht vollständig
26
ermittelt worden. Die Würdigung der dem Beklagten im Zeitpunkt seiner Entscheidung
nicht bekannt gewesenen vertraglichen Vereinbarungen des Praxisübergabevertrages,
insbesondere des § 4 Abs. 2, hätte erkennen lassen, dass die Bildung der
Gemeinschaftspraxis zwischen den Beigel. 9) und 10) tatsächlich nicht gewollt gewesen
sei. Obwohl der Beigel. 9) in Gemeinschaftspraxis mit der Beigel. 10) zugelassen
worden sei, werde eine solche unter Missachtung sämtlicher einschlägiger
berufsrechtlicher Bestimmungen nicht geführt. Die Beigel. 10) und 9) beschäftigten
getrenntes Personal und hätten getrennte Anmeldungen; der Behandlungsvertrag
komme zwischen dem Patienten und dem jeweiligen behandelnden Arzt zustande. Die
Beigel. 10) und 9) würden bei der Beigel. 8) mit getrennten Arztnummern geführt. Zu den
Gründen für seine Bewerbung trägt der Kläger ergänzend vor, der mit dem
Gemeinschaftskrankenhaus I geschlossene Kooperations- und Mietvertrag, wonach er
berechtigt sei, die radiologische Abteilung des Krankenhauses und dessen
Kernspintomographen mit zu benutzen, sei vom Krankenhaus gekündigt worden.
Aufgrund einer gerichtlichen einstweiligen Verfügung sei es ihm möglich, weiterhin
kernspintomographische Leistungen zu erbringen; über die Räumungsklage sei noch
nicht entschieden worden.
Die Kläger beantragt,
27
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Dortmund vom 03.05.2005 - S 9 (26) KA
126/03 - und unter Abänderung des Beschlusses des Beklagten vom 16.09.2003 den
Beklagten zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu
zu bescheiden.
28
Der Beklagte beantragt,
29
die Berufung zurückzuweisen.
30
Der Beklagte verweist darauf, dass Gegenstand des Nachbesetzungsverfahren lediglich
die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit an einem bestimmten Ort und nicht "die
Praxis des abgebenden Arztes in ihrer konkreten materiellen und immateriellen
Ausstattung" sei. Im Übrigen genüge es, dass die Beigel. 9) und 10) zur Fortführung der
Vertragstätigkeit in Gemeinschaftspraxis bereit gewesen seien und dieselbe auch de
facto betrieben hätten.
31
Die Beigel. 8) beantragt,
32
die Berufung zurückzuweisen.
33
Die Beigel. 8) bestätigt, dass sie die in den Quartalen II/2004 und III/2004 von dem
Beigel. 9) erbrachten und abgerechneten Leistungen vergütet habe.
34
Der Beigel. 9) beantragt,
35
die Berufung zurückzuweisen.
36
Er trägt vor, L. habe durchaus radiologisches Patientengut gehabt, andernfalls hätte er -
der Beigel. 9) - ihn wohl kaum während dessen Krankheit vertreten können. Ein
Ermessensfehler bei der Abwägung der in § 103 Abs. 4 S. 4 SGB V aufgeführten
Auswahlkriterien sei nicht ersichtlich. Er sei seit 1998 in der Warteliste eingetragen; das
37
sei gem. § 103 Abs. 5 S. 3 SGB V zu berücksichtigen. Mit der Regelung des § 4 des
Praxisübergabevertrages sei gemeint, dass, sollte seine Zulassung nicht in
Gemeinschafts- sondern in Einzelpraxis erfolgen, dies keine Auswirkungen auf den
Praxisübergabevertrag haben sollte, dies insbesondere deshalb, weil wegen der
schweren Erkrankung des L. dessen Rückkehr in die Praxis ausgeschlossen sei. Die
Mutmaßung, er - der Beigel. 9) - habe damit die Verpflichtung übernommen, im Falle
seiner Zulassung eine Einzelpraxis zu führen, sei falsch. Die Beigel. 10) hat auf ihre
vertragsärztliche Zulassung als Fachärztin für Nuklearmedizin zum 02.08.2005
verzichtet. Der Zulassungsausschuss hat durch Beschluss vom 23.06.2005 die Ärztin
Dr. P zur Vertragsarztpraxis als Fachärztin für Nuklearmedizin mit dem Sitz in V, Pstraße
0, mit Wirkung vom 02.08.2005 zugelassen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die Akten der
Parallelverfahren L 10 KA 28/04 und L 10 B 17/04 KA ER Bezug. Diese waren
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
38
Entscheidungsgründe:
39
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
40
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtene Entscheidung des
Beklagten beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz
(SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung dieser Entscheidung und
Verurteilung des Beklagten zur Neubescheidung.
41
Der Beschluss des Beklagten vom 16.09.2003 ist zur Überzeugung des Senats im
Ergebnis rechtmäßig.
42
I.
43
Soweit der Kläger formelle Mängel des Verwaltungsverfahrens rügt, liegen diese zwar
vor. Hieraus folgt jedoch kein Anspruch auf Neubescheidung.
44
Der Bescheid des Beklagten vom 16.09.2003 ist formell fehlerhaft zustande gekommen.
Dies rechtfertigt es indessen nicht, ihn aufzuheben.
45
Der Beklagte hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehört verletzt, in dem er
ihm vollständige Akteneinsicht versagt hat.
46
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das
Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung
oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Der Kläger ist Beteiligter
des Verwaltungsverfahrens (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB X). Verfahrensakten i. S. des § 25
SGB X sind alle Unterlagen, die den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens betreffen,
und zwar unabhängig davon, ob die Behörde sie zu den Verwaltungsakten im engeren
Sinn nimmt. Was zu den das Verwaltungsverfahren betreffenden Akten rechnet, ist
überdies objektiv zu beurteilen und nicht vom Willen der Behörde abhängig (LSG NRW,
Urteil vom 21.01.2004 - L 11 KA 179/02 -). Die das Verfahren betreffenden Akten sind
die Gesamtheit der Schriftstücke, die die Behörde für das jeweilige konkrete Verfahren
angefertigt oder beigezogen hat (von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 5. Auflage, 2005,
47
§ 25 Rdn 2; Krasney in Kasseler Kommentar, SGB X, § 25 Rdn. 6). Danach steht für den
Senat außer Zweifel, dass der zwischen K., dem Beigel. 9) und dem Beigel. 10)
geschlossene Praxisübergabevertrag sowie der Gemeinschaftspraxisvertrag zwischen
der Beigel. 10) und dem Beigel. 9) unmittelbar das Verfahren betreffen, in dem es um die
Nachfolgebesetzung des verwaisten Vertragsarztsitzes des L. geht.
Der Rechtsanspruch auf Akteneinsicht (hierzu von Wulffen aaO § 25 Rdn. 3; Krasney
aaO Rdn. 2) steht unter dem Vorbehalt, dass die Akteneinsicht zur Geltendmachung
oder Verteidigung der rechtlichen Interessen notwendig ist. Dies entscheidet sich nicht
nur nach der Rechtsauffassung der Behörde; maßgebend ist vielmehr, ob aufgrund
einer anderen Rechtsauffassung oder Würdigung der tatsächlichen Vorgänge die
Akteneinsicht für die Wahrung der rechtlichen Interessen dienlich sein kann (Krasney
aaO Rdn. 8). Diese Voraussetzung bejaht der Senat. Nur in Kenntnis des Inhalts der die
Mitbewerber betreffenden Verwaltungsvorgänge sowie der dem Verfahren zu Grunde
liegenden Verträge ist der Kläger in der Lage zu beurteilen, ob die ihm nachteilige
Auswahlentscheidung des Zulassungsausschusses auf zutreffende tatsächliche und
rechtliche Grundlagen gestützt ist.
48
Einschränkend bestimmt § 25 Abs. 3 SGB X allerdings, dass die Behörde zur
Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet ist, soweit die Vorgänge wegen der
berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheimgehalten werden
müssen. Dazu rechnet jedes öffentlich-rechtliche bzw. privatrechtliche nach jeweiliger
Sachlage anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher und
ideeller Art (von Wulffen aaO § 25 Rdn. 9 mwN). Auf diesen Ausnahmetatbestand kann
sich der Beklagte indes nicht berufen. Das Recht auf Akteneinsicht ergänzt den
Anspruch auf rechtliches Gehör. Es ist grundlegende Voraussetzung, um den
Beteiligten rechtliches Gehör zu ermöglichen. Dabei muss es sich die Behörde gefallen
lassen, dass sich ein Beteiligter durch die aufgrund Akteneinsicht gewonnenen
Erkenntnisse erst Gegenargumente aufbaut (zutreffend von Wulffen aO § 25 Rdn. 3). Im
Zusammenhang mit dem Nachbesetzungsverfahren (§ 103 SGB V) bedeutet dies, dass
einem Konkurrenten grundsätzlich alle die Mitbewerber betreffenden Informationen
mittels Akteneinsicht zur Verfügung zu stellen sind. Bei selektiver
Informationsvermittelung wird ihm von vornherein die Möglichkeit genommen, seine
Interessen sachgerecht und vor allem mit gleichem Informationsstand (Recht auf
"Waffengleichheit", hierzu Krasney aaO Rdn. 2) zu wahren. Angesichts dieser Sachlage
kann es in Nachbesetzungsverfahren nur ausnahmsweise gerechtfertigt sein, dass die
Behörde Akteneinsicht unter Hinweis auf § 25 Abs. 3 SGB X ganz oder teilweise
verweigert. Derartige - schutzwürdige - Interessen sind nicht ersichtlich. Die Kenntnis
vom Inhalt des Praxisübergabevertrags und des Gemeinschaftspraxisvertrags ist
grundlegende Voraussetzungen für eine sachgerechte Rechtsverfolgung. Angesichts
der Auswahlkriterien des § 103 SGB V kann sich kein Bewerber darauf berufen, diese
Verträge seien "geheimhaltungsbedürftig". Dies gilt auch, soweit es um die Interessen
der Erben des verstorbenen Praxisinhabers (hier: L.). bzw. der verbliebenen
Praxisinhaberin (hier: Beigel. 10)) geht. Auch wenn diese nicht Verfahrensbeteiligte
sind, müssen die entsprechenden Verträge - sofern sie Verfahrensgegenstand
geworden sind - offengelegt werden. Ein gegenläufiges schutzwürdiges Interesse kann
nur dann angenommen werden, wenn die Mitbewerber das Verfahren nur betreiben, um
einen Konkurrenten aus Wettbewerbsgründen zu verhindern. Der Senat hat sich diese
Überzeugung hinsichtlich des Klägers letztlich nicht verschaffen können. Im Ergebnis
kommt es darauf nicht an, denn der Beklagte hätte sich mit diesem Gesichtspunkt
auseinandersetzen müssen, um seine Weigerung, vollständige Akteneinsicht zu
49
gewähren, zu rechtfertigen. Das ist nicht geschehen. Der Beklagte hat sich statt dessen
auf datenschutzrechtliche Gründe bezogen. Diese greifen nicht. Die Regelung des § 35
Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) ist schon deswegen nicht
einschlägig, weil Adressat des Schutzanspruchs "Leistungsträger" (Absatz 1 Satz 1)
und die in Absatz 1 Satz 4 genannten Stellen sind. Der Beklagte rechnet hierzu nicht.
Eine analoge Anwendung verbietet sich, weil die Regelungen ersichtlich auf
Datenschutz im Sozialleistungsverhältnis abstellen. Auch §§ 67 ff. SGB X rechtfertigen
keine Akteneinsichtsverweigerung. Von diesen Vorschriften werden nur Sozialdaten
erfasst. Mittels Legaldefintion in § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist klargestellt, dass hiernach
nur solche Daten geschützt werden, die von einer in § 35 SGB I genannten Stelle
erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Der Beklagte rechnet hierzu nicht. § 67 Abs. 1
Satz 2 SGB X ist gleichermaßen nicht relevant. Ein Unternehmensgeheimnis ist nur
dann schutzwürdig, wenn ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse des
Betriebsinhabers besteht (von Wulffen § 67 Rdn. 14 mwN). Das ist hier nicht der Fall.
Ein den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gerecht werdendes
Nachbesetzungsverfahren setzt voraus, dass die Mitbewerber in die Verfahrensakten
grundsätzlich umfassend einsehen können (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom
24.10.1990 - 1 BvR 1028/90 -, NJW 1991, 415 f. zum Anspruch auf Einsicht in die für die
Großgeräteplanung maßgebenden Unterlagen). Auch insoweit gilt, dass eine andere
Beurteilung dann angezeigt ist, wenn das Verfahren nur betrieben wird, um
Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Das kann zwar nicht ausgeschlossen werden, ist
jedoch vorliegend nicht nachweisbar.
Demnach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beklagte die beantragte
Aktenseinsicht zu Unrecht verweigert hat. Hieraus folgt ein Verfahrensfehler, der den
Beschluss zwar nicht nichtig (§ 40 SGB X), jedoch formell fehlerhaft macht. Dieser
Verfahrensfehler ist angesichts des abschließenden Charakters des § 41 SGB X nicht
heilbar. Da ein Verstoß gegen § 25 SGB X einem Verstoß gegen § 24 SGB X
(Anhörung Beteiligter) nicht gleichzusetzen ist, kann die fehlerhafte Handlung nicht bis
zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens
nachgeholt werden (hierzu § 41 Abs. 2 SGB X). Andererseits ist der Beschluss des
Beklagten allein wegen dieses Verfahrensfehlers nicht aufhebbar.
50
Zwar bestimmt § 42 Satz 2 SGB X, dass Verwaltungsakte aufzuheben sind, wenn die
erforderliche Anhörung unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt ist. Hierauf kann
sich der Kläger indessen nicht berufen, denn § 42 Satz 2 SGB X betrifft nur
Anhörungsdefizite und ist als Ausnahmetatbestand einer ausdehnenden Auslegung
nicht zugänglich (vgl. Wiesner in: von Wulffen, § 42 Rdn. 10). Mithin gilt § 42 Satz 1 SGB
X. Hiernach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X
nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von
Vorschriften über das Verfahren, die Form und die örtliche Zuständigkeit zustande
gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden
können (sog. "faktische Alternativlosigkeit"). Soweit die Auffassung vertreten wird, dass
diese Vorschrift für Ermessensentscheidungen nicht gilt (BSG vom 03.12.1997 - 6 Rka
21/97-; Wiesner in: von Wulffen, SGB X, a.a.O.), kann dies dahin stehen. Denn der
Fehler ist bei Ermessens- und Beurteilungsspielräumen jedenfalls dann unbeachtlich,
wenn bei Hinwegdenken des Fehlers offensichtlich dieselbe Sachentscheidung
getroffen worden wäre (Steinwedel in Kasseler Kommentar, SGB X § 42 Rdn. 8). So
liegt es hier. Der Beklagte hat den Interessen der verbleibenden Praxisinhaberin
(Beigel. 10) im Zusammenhang mit seiner Nachbesetzungsentscheidung beachtliches
Gewicht beigemessen. Dabei ist er - ersichtlich - davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt
51
seiner Entscheidung eine fortführungsfähige Gemeinschaftspraxis existiert und die
Beigel. 9) und 10) die vormalige Praxis L./Beigel. 10) in dieser Rechtsform zumindest
zunächst fortführen wollen. Diese Einschätzung trifft ausweislich der vorliegenden
Verträge zu, was noch darzustellen ist. Hieraus folgt: Selbst wenn die Kläger Einblick in
die fraglichen Verträge hätten nehmen können, wäre keine andere
Auswahlentscheidung in Betracht gekommen.
Zusammengefasst: Der Beschluss des Berufungsausschuss vom 16.09.2003 ist formell
fehlerhaft zustande gekommen. Der Fehler ist nicht heilbar. Der Beschluss ist dennoch
wegen § 42 Satz 1 SGB X nicht aufhebbar.
52
II.
53
Der Beschluss des Beklagten erweist sich in der Sache als rechtmäßig.
54
1) Bei der Beurteilung der materiellen Rechtslage ist auf den Zeitpunkt der
angefochtenen Entscheidung abzustellen. Der Kläger erstrebt mit seiner Klage die
eigene Zulassung (Verpflichtungsklage). Für sein Vornahmebegehren sind
grundsätzlich alle Änderungen der Sachlage bis zur mündlichen Verhandlung in der
letzten Tatsacheninstanz sowie alle Rechtsänderungen bis zum Abschluss der
Revisionsinstanz zu berücksichtigen (Jung in: Jansen, Berliner Kommentare, SGG, § 54
Rn. 33). Etwas anderes gilt dann, wenn - wie hier - dem Vornahmebegehren des
Klägers notwendigerweise eine Abwehrklage in Gestalt einer Drittanfechtung der
Begünstigung des Beigel. 9) vorangehen muss. Falls sich für die Berufszulassung des
begünstigten Dritten die Sach- oder Rechtslage im Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung vorteilhafter darstellt, ist dieser Zeitpunkt maßgeblich (BSG,
Urteil vom 23.05.2005 - B 6 KA 81/03 R - sowie vom 05.11.2003 - B 6 KA 52/02 R -,
SozR 4-2500 § 117 SGB V; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 14.
Aufl. , § 108 Rn. 23, 25; vgl. auch VG Augsburg, Urteil vom 05.02.2004 - AuK 03.1353 -;
BVerwG NVwZ 2001, 322 ff.). Die Verwaltung kann insoweit nur das beurteilen, was
zum Zeitpunkt der Beurteilung schon bekannt war. Zudem würde die Einbeziehung
späterer Entwicklungen die Gefahr heraufbeschwören, dass letztlich nie eine endgültige
Entscheidung getroffen werden könnte. Das würde zu unerwünschten und mit dem
Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbarenden Verzögerungen führen
(BAG, Urteil vom 07.09.2004 - 9b AZR 537/03 - ).
55
2) Das Ausschreibungsverfahren ist rechtmäßig durchgeführt worden. Das
Nachbesetzungsverfahren setzt voraus, dass der fragliche Vertragsarztsitz
ausgeschrieben wird. Das ist geschehen. Mit Schreiben vom 24.01.2003 hat der
Praxisinhaber L. die Beigel. 8) darum gebeten, seinen radiologischen Vertragsarztsitz
im Westfälischen Ärzteblatt zur Nachbesetzung gem. § 103 Abs. 4 SGB V
auszuschreiben. Geplanter Übergabezeitpunkt war der 01.10.2003. Die Ausschreibung
erfolgte in Ausgabe 03/03 des Westfälischen Ärzteblattes mit " Radiologische Praxis im
Kreis V (neuer Partner für Gemeinschaftspraxis)". Entsprechend dieser Ausschreibung
hat der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 26.06.2003 - ZAA I 358/2003 -
festgestellt, dass die Zulassung des L. mit dem Todestag (14. Juni 2003) endet und der
Beigel. 9) als Facharzt für Diagnostische Radiologie für den Vertragsarztsitz des L.
zugelassen wird. Mit weiterem Beschluss desselben Datums - ZAA I 360/2003 - hat der
Zulassungsausschuss die fachübergreifende Gemeinschaftspraxis der Beigel. 10) und
des Beigel. 9) auf der Grundlage des bei den Zulassungsakten befindlichen
Gesellschaftsvertrags in der Fassung vom 04.04.2003 genehmigt.
56
Voraussetzung für das Nachbesetzungsverfahren ist ferner, dass die bislang betriebene
Praxis von einem Nachfolger fortgeführt werden soll (§ 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Fehlt
es daran, weil keine fortführungsfähige Praxis (mehr) existiert, ist weder ein
Vertragsarztsitz auszuschreiben noch kann eine Zulassung im
Nachbesetzungsverfahren erteilt werden (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.1999 - B 6 KA 1/99
R -, BSGE 85, 1 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.05.2002 - L 5 KA 382/02 -).
Dem entspricht es, dass ein in eine Gemeinschaftspraxis eingebundener
Vertragsarztsitz nur dann Grundlage für eine entsprechende Ausschreibung sein kann,
wenn eine solche Gemeinschaftspraxis a) zum Zeitpunkt der Ausschreibung existierte
und b) zum Zeitpunkt der Entscheidungen der Zulassungsgremien nachweislich,
wenngleich ggf. auf anderer vertraglicher Grundlage, fortgesetzt werden sollte.
57
Das ist der Fall. Die Beigel. 8) konnte einen radiologischen Vertragsarztsitz als
Nachfolge in eine Gemeinschaftspraxis ausschreiben. Die Gemeinschaftspraxis
L./Beigel. 10) existierte zum Zeitpunkt der Ausschreibung (März 2003) auf der
Grundlage des Vertrags vom 30.11.1997. Ausweislich des Praxisübergabevertrags
sollte der Gesellschaftsanteil des L. an der fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis
L./Beigel. 10) auf den Beigel. 9) übertragen werden. Der Verkauf sollte mit Wirkung zum
01.10.2003 wirksam werden, frühestens jedoch mit dem Zeitpunkt, in dem der Beigel. 9)
im Praxisnachfolgeverfahren als Facharzt für Radiologie für den Vertragsarztsitz des L.
zugelassen wird (§ 1 Abs. 1 Praxisübergabevertrag). Diese avisierte Vorgehensweise
hat sich letztlich nicht realisiert, weil L. bereits am 14.06.2003 verstarb. Dies ändert aber
nichts daran, dass rechtlich und tatsächlich eine fortführungsfähige Gemeinschaftspraxis
bestand. Denn nach § 6 Abs. 3 des Praxisübergabevertrages wird die
Gemeinschaftspraxis zwischen den Erben des L. und der Beigel. 10) bis zum
30.09.2003 fortgeführt. Dies bedeutet, dass die Gemeinschaftspraxis nicht mit dem Tod
des L. aufgelöst war sondern darüber hinaus fortbestand. § 4 Abs. 2 des
Praxisübergabevertrags steht dem nicht entgegen. Aus dem Praxisübergabevertrag
ergibt sich, dass die Vertragspartner eine gemeinsame Berufsausübung des Beigel. 9)
mit der Beigel. 10) entweder ab dem Tod des L., jedenfalls aber ab dem 30.09.2003
sicherstellen wollten. Das folgt unmissverständlich aus Absatz 2 Satz 1 der Präambel
sowie § 4 Abs. 1 Satz 1 und deckt sich mit den übrigen Regelungen. Lediglich für den
Fall, dass die Genehmigung für eine Gemeinschaftspraxis Beigel. 9) / Beigel. 10)
versagt wird, ist vorgesehen, den Anteil des L. zur Grundlage einer Einzelpraxis zu
machen. Dem wiederum entspricht die Präambel ( ..., ggf. auch in Einzelpraxis
fortgeführt). Auch § 4 Abs. 2 steht damit in Einklang. Nach dessen Satz 1 sind sich die
Vertragpartner darüber einig, dass der zukünftige Bestand der Gemeinschaftspraxis
keine Voraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrags ist. Lediglich hilfsweise ("Sollten
...") ist in § 4 Abs. 2 Satz 2 geregelt, dass der Praxisübergabevertrag auch dann wirksam
bleibt, wenn der Beigel. 9) nicht in Gemeinschaftspraxis zugelassen wird, sondern eine
Einzelzulassung erhält. Das ist unbedenklich und entspricht der Interessenlage der
Beteiligten. Hieraus lässt sich jedenfalls nicht herleiten, dass die Vertragspartner von
vornherein davon ausgegangen sind, der Beigel. 9) werde nur in Einzelpraxis tätig. Das
Gegenteil ist - wie dargestellt - der Fall. Auch § 6 Abs. 2 des Praxisübergabevertrags
streitet nicht für den Kläger. Hierin wird zwar geregelt, dass die Gemeinschaftspraxis
L./Beigel. 10) mit Ablauf des 30.09.2003 aufgelöst ist. Dies ist zulassungsrechtlich indes
unschädlich, denn den nunmehrigen Vertragspartnern Beigel. 10)/Beigel. 9) bleibt es
unbenommen, die gemeinsame Berufsausübung auf eine neue vertragliche Grundlage
zu stellen. Das ist mit dem Gemeinschaftspraxisvertrag vom 04.04.2003 gewollt.
Ausweislich der Rubrik "Gegenstand des Vertrags" führt die Gemeinschaftspraxis die
58
Bezeichnung: "Fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis für Radiologie und
Nuklearmedizin Dr. med. M C Fachärztin für Nuklearmedizin Dr. med I X Facharzt für
radiologische Diagnostik". Nach § 2 Absatz 1 wird die Gemeinschaftspraxis von den
Partnern im gegenseitigen Einvernehmen geführt. Absatz 2 bestimmt, dass die
Geschäftsführung und die rechtsgeschäftliche Vertretung durch beide Partner
gemeinschaftlich erfolgt. Die Betriebskosten werden aus den gemeinsamen
Praxiseinnahmen beglichen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ). Zu den Betriebskosten gehören die
Personal- und Raumkosten, sowie alle Kosten, die zum Betrieb einer
Gemeinschaftspraxis üblicherweise erforderlich sind (§ 4 Abs. 1 Satz 2). Die
Personalangelegenheiten und der Mitarbeitereinsatz werden einvernehmlich geregelt (§
8 Abs. 1).
Allerdings haben die Vertragspartner die hierin bekundete Absicht nicht umgesetzt.
Durch diesen Vertrag ist keine Gemeinschaftspraxis errichtet worden. Es handelt sich
vielmehr um einen Vorvertrag. Dies folgt daraus, dass die Vertragspartner nicht
formuliert haben, eine Gemeinschaftspraxis zu errichten, sie vielmehr lediglich
vereinbart haben, sie beabsichtigten sich zur gemeinschaftlichen Ausübung vertrags-
und privatärztlicher Tätigkeit zusammenzuschließen. Diese Absichtserklärung hätte
durch eine weitere Willenserklärung umgesetzt werden müssen, um rechtlich den
Gründungsakt für die Gemeinschaftspraxis zu setzen. Das ist bislang nicht geschehen.
Vielmehr sind der Beigel. 9) und die Beigel. 10) in Einzelpraxis tätig. Der Senat sieht
dies jedenfalls vorliegend als unbedenklich an. Denn solange über die Zulassung nicht
bestandskräftig entschieden ist, besteht die Gefahr, dass der geschlossene Vertrag aus
zulassungsrechtlichen Gründen wieder aufgelöst werden muss. Die hiermit
verbundenen steuer- und ggf. haftungsrechtlichen Fragestellungen lassen es
sachgerecht erscheinen, den Vollzug des Vorvertrags vom 04.04.2003 bis zur
bestandskräftigen Zulassung auszusetzen (vgl. auch www.kzv-berlin.de: Es empfiehlt
sich, die Wirksamkeit der Verträge von der Bestandskraft der Nachfolgezulassung
abhängig zu machen). Da andererseits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten
keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich waren, dass der Beigel. 9) und die Beigel. 10)
nicht in Gemeinschaftspraxis tätig werden wollten, ist das Ausschreibungsverfahren
nicht zu beanstanden. Ausgeschrieben worden ist die Nachfolge in eine radiologische
Gemeinschaftspraxis. Eine solche sollte mit der bestandskräftigen Zulassung des
Beigel. 9) realisiert werden.
59
Dass dies nunmehr nicht mehr möglich ist, weil die Beigel. 10) zum 02.08.2005 auf ihre
Zulassung verzichtet hat, ist nicht entscheidungserheblich. Maßgebend ist - wie oben
dargelegt - die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten.
Ermittlungen zum Status der Nachfolgerin der Beigel. 10), Frau Dr. O.-L., und dazu, ob
der Beigel. 9) mit dieser eine Vereinbarung über die Gründung einer
Gemeinschaftspraxis geschlossen hat, sowie der Beiladung der Nachfolgerin bedurfte
es deshalb nicht.
60
3) Im Zeitpunkt ihres Erlasses erweist sich die Auswahlentscheidung des Beklagten als
rechtmäßig.
61
Kriterien für die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Auswahlentscheidung sind
die berufliche Eignung, das Approbationsalter und die Dauer der ärztlichen Tätigkeit (§
103 Abs. 4 Satz 4 SGB V). Diese Kriterien sind nicht abschließend (LSG Berlin vom
17.07.997 - L 7 KA-SE 27/97 - in MedR 1997, 518 ff.). Ergänzend sind die
wirtschaftlichen Interessen des Veräußerers bzw. seiner Erben nach Maßgabe des §
62
103 Abs. 4 Satz 6 SGB V zu berücksichtigen. In die Abwägung einzubeziehen ist ferner
die Interessenlage des in der Praxis verbleibenden Arztes (§ 103 Abs. 6 Satz 2 SGB V).
Dabei müssen die Zulassungsgremien sicherstellen, dass die Praxis des
ausscheidenden Partners fortgeführt wird bzw. fortgeführt werden kann. In Gewichtung
dieser Gesichtspunkte hat sich der Beklagter mit vertretbaren Erwägungen für den
Beigel. 9) entschieden.
Approbiert worden sind der Beigel. 9) am 01.11.1983 und der Kläger am 12.12.1985.
Der Arztregistereintrag erfolgte - wiederum in dieser Reihenfolge - am 08.12.1998 und
am 27.09.1992. Der Beigel. 9) hat seit dem 05.12.1992 die Anerkennung als Arzt für
radiologische Diagnostik und seit 07.08.1999 die Anerkennung als Facharzt für
Diagnostische Radiologie. Der Kläger hat seit 12.12.1991 die Anerkennung als
Facharzt für Radiologie. Zutreffend hat der Beklagte festgestellt, dass bezogen auf den
fachgebietlichen Versorgungsauftrag des Vertragsarztsitzes beide Bewerber geeignet
sind. Indessen hat im Verfahren vor den Zulassungsgremien ausdrücklich nur der
Beigel. 9) erklärt, die Praxis fortführen zu wollen. Der Beigel. 9) ist zudem in der Lage,
den Vertragsarztsitz des L. als radiologische Praxis zu führen. Als solche ist sie
ausgeschrieben worden. Dies deckt sich mit den im Zeitpunkt der Entscheidung des
Beklagten berücksichtigungsfähigen Interessen der Beigel. 10), die überwiegend
nuklearmedizinisch tätig ist. Entgegen der Auffassung der Kläger ist es für die
Nachfolgeentscheidung unerheblich, soweit L. ganz überwiegend nur
nuklearmedizinisch tätig gewesen sein sollte. Zwar ist die berufliche Eignung bezogen
auf den zu besetzenden Vertragsarztsitz zu prüfen. Das schließt es aber nicht aus, dass
der Beklagte nach sorgsamer Abwägung zum Ergebnis kommt, es sei geboten, den
Vertragsarztsitz mit einem "Nichtnuklearmediziner" zu besetzen. So liegt es hier. Darauf
ist Bezug zu nehmen. Schließlich ist wesentlich, dass die Beigel. 10) gegenüber dem
Zulassungsausschuss ausdrücklich erklärt hat, nur mit dem Beigel. 9) eine
Gemeinschaftspraxis gründen zu wollen und keinen Wert auf einen weiteren
nuklearmedizinisch orientierten Partner zu legen (hierzu auch BSG vom 05.11.2003 - B
6 KA 11/03 R -, SozR 4-2500 § 103 Nr. 1). Diese Interessenlage findet sich im
Praxisübergabevertrag wieder. Denn nach dessen § 6 Abs. 2 ist die Beigel. 10) nicht
verpflichtet, die Gemeinschaftspraxis mit einem anderen Arzt als dem Beigel. 9)
fortzuführen. Die dem u.a. zu Grunde liegenden wirtschaftliche Erwägungen sind durch
§ 103 Abs. 6 Satz 2 SGB V gedeckt und schutzwürdig (vgl. zum wirtschaftlichen
Interessen des verbleibenden Partners einer Gemeinschaftspraxis an deren Erhalt: BGH
vom 22.07.2002 - II ZR 90/01 -). Dem entspricht es, dass die Beigel. 10) als verbliebene
Praxisinhaberin ein durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Interesse darauf hat, den
Vertragsarztsitz des L. in der Gemeinschaftspraxis zu halten (hierzu BGH vom
22.07.2002 - II ZR 90/01 -) und ggf. ein eigenes Ausschreibungsrecht hat (hierzu BSG
NZS 1999, 470). Verweigert der verbleibende Partner - wie hier - aus nachvollziehbaren
Gründen die Kooperation mit einem Bewerber, ist dieser Bewerber nicht beschwert,
denn er hat keine Rechtsposition inne, kraft derer seine Interessen zugleich als Belange
des ausscheidenden Arztes und dessen Verwertungsinteressen gelten können (BSG
vom 05.11.2003 - B 6 KA 11/03 R -). Für den Beigel. 9) streitet weiter, dass er bereits als
Vertreter des erkrankten L. in der Gemeinschaftspraxis tätig war und diese nach dessen
Ableben als Praxisverweser geführt hat (zur bisherigen Zusammenarbeit als
Auswahlkriterium: BSG vom 05.11.2003 - B 6 KA 11/03 R -, a.a.O.). Zugunsten des
Beigel. 9) kann zudem - wie hier - die Dauer der Wartelisteneintragung als positives
Kriterium berücksichtigt werden (zutreffend Hencke in Peters, Handbuch der
Krankenversicherung, § 103 Rdn. 12 sowie Schnath in: Schnapp/Wigge, Handbuch der
Vertragsarztrechts 1. Auflage, 2002, § 5 c Rdn. 29; Hess in Kasseler Kommentar, SGB
63
V, § 103 Rdn. 26). Der Einwand, durch diese Regelung werde der niedergelassene Arzt,
der sich für einen Vertragsarztsitz in einem anderen Zulassungsbezirk bewerbe, per se
benachteiligt, bedurfte schon deswegen keiner Erörterung, weil der Kläger demselben
Zulassungsbezirk wie der Beigel. 9) angehört. Allein der Beigel. 9) ist in der bei der
Beigel. 8) geführten Warteliste unter Position 3 von 23 eingetragen. Hieraus ist
herzuleiten, dass er seinen Antrag ernsthaft mit dem Ziel verfolgt, als Radiologe
zugelassen zu werden.
Dagegen war im Zeitpunkt der zu überprüfenden Entscheidung des Beklagten ein
nachvollziehbares Interesse des Klägers an der Nachfolge des K. nicht zu erkennen.
Seine Motivationslage ist im Zeitpunkt der Entscheidung unklar geblieben. Er führt eine
etablierte Praxis (hierzu auch LSG Berlin vom 17.07.1997 - L 7 KA-SE 27/97 - in MedR
1997, 518 ff.). Er hat seine Beweggründe trotz entsprechender Hinweise der
Zulassungsgremien nicht dargelegt. Erst im Berufungsverfahren hat er auf
ausdrückliches Befragen die - noch nicht wirksame - Kündigung des mit dem
Gemeinschaftskrankenhaus I geschlossenen Kooperations- und Mietvertrags als
Beweggrund für seine Bewerbung angegeben. Hierzu ist er rechtlich zwar nicht
verpflichtet. Wenn die Zulassungsgremien allerdings aus dem Verhalten der Bewerber
Anhaltspunkte dafür entnehmen können, dass deren Bewerbung möglicherweise von
sachfremden Motiven getragen wird, können sie dies in die Gesamtabwägung - wie
geschehen - einbeziehen. Denn Bewerber, die nur an dem Vertragssitz des
ausscheidendenden Bewerbers interessiert sind und dessen Praxis im Sinn einer
Einbindung in die bisher bestehende Gemeinschaftspraxis nicht fortführen wollen,
können nicht im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens auf einen Vertragssitz in einer
Gemeinschaftspraxis zugelassen werden (vgl. BSG vom 29.09.1999 - B 6 KA 1/99 R - in
BSGE 85, 1, 6, 7). Voraussetzung für die Auswahl eines Bewerbers als
Praxisnachfolger für einen ausgeschriebenen Gemeinschaftspraxispartner ist daher die
erklärte Bereitschaft der Beteiligten, die Gemeinschaftspraxis als solche gemeinsam
fortzuführen (Hess a.a.O. § 103 Rdn. 27). Ein solche Bereitschaft hat der Kläger - wie
dargestellt - zunächst nicht erkennen lassen.
64
Die Entscheidung des Beklagten vom 16.09.2003 ist auch nicht deswegen fehlerhaft,
weil der Beigel. 9) in dem Zeitraum zwischen dem Beschluss des SG vom 13.05.2004 in
dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren, mit dem die aufschiebende Wirkung des
Widerspruchs gegen die Ermächtigung des Beigel. 9) festgestellt worden ist ( S 9 KA
47/04 ER), und der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zulassung des Beigel. 9)
mit Beschluss des SG vom 22.07.2004 (S 9 KA 100/04 ER) in den Quartalen II/20004
und III/2004 Leistungen erbracht und abgerechnet hat, obwohl ihm bekannt war, dass er
dies infolge der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe nicht durfte.
65
Ob darin eine mangelnde persönliche Eignung des Beigel. 9) zu sehen ist, brauchte der
Senat nicht zu entscheiden. Denn maßgebend ist - wie bereits ausgeführt - die Sach-
und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung (16.09.2003). Soweit der Beigel. 9) in
den Quartalen II und III/2004 unberechtigt vertragsärztliche Leistungen erbracht und
abgerechnet hat, liegt dies zeitlich nach der vom Senat zu überprüfenden Entscheidung
der Beklagten.
66
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1,
162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
67
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht
68
vorliegen.