Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 02.08.2007

LSG NRW: begriff, leistungsanspruch, erlass, auflage, anfang, zivilprozessordnung, glaubhaftmachung, fristablauf, eltern, rechtskraft

Landessozialgericht NRW, L 20 B 42/07 AY ER
Datum:
02.08.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 20 B 42/07 AY ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Münster, S 16 AY 7/07 ER
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Münster vom 02.04.2007 wird zurückgewiesen. Kosten
sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf
Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird
abgelehnt.
Gründe:
1
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers vom 02.04.2007, der das Sozialgericht
nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 14.05.2007), ist unbegründet.
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Das Sozialgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege
der einstweiligen (Regelungs-) Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von monatlich 199,40 EUR zuzüglich der auf den
Antragsteller entfallenden Unterkunftskosten zu gewähren.
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Einen Anordnungsgrund, d.h. schwere und unzumutbare Nachteile als Folge der
Versagung einstweiligen Rechtsschutzes, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.
Hierzu ist zunächst darauf zu verweisen, dass dem Antragsteller am 11.07.2007 nach
Geburt seines am 00.00.2007 geborenen Sohnes K, der unter anderem die deutsche
Staatsbürgerschaft besitzt, auf seinen Antrag hin eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28
Abs. 1 S. 1 Ziffer 3 Aufenthaltsgesetz erteilt worden ist und damit Ansprüche nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz ohnehin nicht mehr in Betracht kommen. Für den sodann
noch streitigen Zeitraum ab Antragstellung ist die Bereitschaft des Vaters, einstweilen
den Lebensunterhalt des Antragstellers zu sichern, zugestanden. Für einen kurzen
Zeitraum erscheint dies zur Überzeugung des Senats nicht zuletzt deshalb zumutbar,
weil der Antragsteller die Pflege seiner pflegebedürftigen und schwerkranken Eltern
sichert und es durchaus nahe liegt, dass dem Antragsteller zumindest Anteile des
Pflegegeldes ohnehin zufließen. Auch das prozessuale Verhalten des Antragstellers
(Erhebung der Beschwerde erst einen Tag vor Fristablauf am 02.05.2007, Begründung
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der Beschwerde auf Erinnerung erst am 08.06.2007) vermittelt im Übrigen nicht den
Eindruck, dass der Antragsteller selbst von einer besonderen Eilbedürftigkeit seiner
Angelegenheit ausgeht.
Bei dieser Sachlage, die für den Antragsteller zum Zeitpunkt des Antrages auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung bereits absehbar war, kann die Klärung der
materiellrechtlichen Frage, ob das vom Vater des Antragstellers auf der Grundlage des §
64 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 12. Buch (SGB XII) bezogene Pflegegeld und Vermögen
aus einer Pflegegeldnachzahlung wegen § 7 Abs. 1 S. 1 AsylbLG einem
Leistungsanspruch des Antragstellers entgegenstehen, dem Hauptsacheverfahren
vorbehalten bleiben. Hierbei wird insbesondere die vom Sozialgericht nicht
problematisierte, aber in Rechtsprechung und Kommentarliteratur umstrittene Frage zu
klären sein, was unter dem Begriff des Familienangehörigen im Sinne dieser Vorschrift
zu verstehen ist (vgl. zum Streitstand GK-AsylbLG, Stand August 2004, § 7 RdNr. 46 ff.
mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Ausgehend von einer weiten Auslegung, die
sämtliche Familienangehörige erfasst (vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 01.03.2004,
FEVS 56, 134-142; VGH Kassel, Beschluss vom 07.09.2004, 10 UE 600/04) wäre die
Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des Vaters des Antragstellers zwar
grundsätzlich in Betracht zu ziehen. Hingegen schiede sie von vornherein aus, erfasste
die Vorschrift im Sinne einer engen Auslegung lediglich den Ehegatten und Kinder
eines Leistungsberechtigten (vgl. GK-AsylbLG, a.a.O., RdNr. 59 m.w.N.).
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Darüber hinaus wird zu beachten sein, dass Pflegegeld grundsätzlich kein
sozialhilferechtliches Einkommen des Pflegebedürftigen ist (§ 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII).
Es ist wegen seines Motivationscharakters bei Weitergabe an eine Pflegeperson
grundsätzlich auch nicht als deren sozialhilferechtliches Einkommen zu werten (vgl.
Krahmer in LPK-SGB XII, § 64 RdNr. 15; Grube in Grube/Wärendorf, SGB XII, 1. Auflage
2005, § 64 RdNr. 3; vgl. zuletzt auch Landessozialgericht NRW, Beschluss vom
22.06.2006, L 1 B 7/07 AS ER). Es wird daher unter Beachtung der vom
Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 11.07.2006 (1 BvR 293/05=FamRZ 2006,
1824 bis 1826) gemachten Ausführungen (vgl. insbesondere RdNr. 38 ff.) zu überprüfen
sein, ob die Berücksichtigung von Pflegegeld (bejahend für Pflegegeld nach dem
Sozialgesetzbuch Neuntes Buch: VG Würzburg, Urteil vom 13.07.1999, W 3 K 98.69)
als Einkommen gemäß § 7 Abs. 1 AsylbLG zulässig ist.
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Prozesskostenhilfe war nicht zu bewilligen, da die Beschwerde von Anfang an mangels
Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes keine hinreichende Erfolgsaussicht im
Sinne der §§ 73a SGG, 114 Abs. 1 Zivilprozessordnung hatte.
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
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