Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.01.2007

LSG NRW: aufschiebende wirkung, verwaltungsakt, werkstatt, vorschlag, rechtswidrigkeit, öffentlich, zivilprozessordnung, rechtskraft, arbeitsförderung, vertragsschluss

Landessozialgericht NRW, L 1 B 54/06 AS ER
Datum:
23.01.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 1 B 54/06 AS ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 11 AS 224/06 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Die Beschwerde der
Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen
vom 28.11.2006 bezogen auf den Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 15.11.2006 wird
zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu
erstatten.
Gründe:
1
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat
(Nichtabhilfebeschluss vom 15.12.2006), ist nicht begründet. Denn das Sozialgericht hat
die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 15.11.2006 zu
Recht abgelehnt. Der Senat nimmt insoweit nach der in Verfahren auf Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes erforderlichen summarischen Prüfung gemäß § 142 Abs. 2
Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden Ausführungen in dem
angefochtenen Beschluss Bezug. Ergänzend ist folgendes zu berücksichtigen:
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Die von der Antragstellerin zitierte Rechtsprechung der Sozialgerichte Hamburg und
Berlin nimmt im Wesentlichen auf die zu § 19 Bundessozialhilfegesetz (BSHG)
ergangene Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) Bezug, die bei einer
Heranziehung zu gemeinnützigen Arbeiten von einem Verwaltungsakt im Sinne des §
31 Satz 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB X) ausging (vgl. BVerwG,
Urteil vom 13.10.1983 - Az.: 5 C 66/82, BVerwGE 69, 97-101). Diese Rechtsprechung
basierte auf der gängigen Praxis der Sozialämter, Arbeitsgelegeheiten bei der selben
Behörde zu schaffen. Wird eine Arbeitsgelegenheit (§ 16 Abs. 3 Satz 2 des Zweiten
Buchs des Sozialgesetzbuches - SGB II -) hingegen bei einem Dritten vorgehalten,
dürfte ein Verwaltungsakt nur dann vorliegen, wenn der Träger der Grundsicherung für
Arbeitsuchende eine unmittelbare Zuweisung vornimmt, wobei zu berücksichtigen ist,
dass ein solcher Bescheid kein Rechtsverhältnis zwischen dem Hilfeempfänger und
dem Dritten begründet (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 16, Rn. 233 f.). Eine
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Heranziehung zu gemeinnütziger Arbeit kann in dem Schreiben der Antragsgegnerin
vom 30.10.2006 allerdings nicht gesehen werden. Denn sie hat der Antragstellerin
ausdrücklich eine zusätzliche und im öffentlichen Interesse liegende Arbeit
vorgeschlagen, jedoch keine Einzelfallregelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
getroffen. Damit beinhaltet der Vorschlag lediglich den Nachweis der Gelegenheit zum
Vertragsschluss mit der Werkstatt Ct (vgl. auch LSG NRW, Beschluss vom 25.05.2005 -
Az.: L 9 B 14/05 AS ER). Derartige, vom Träger der Grundsicherung unterbreitete
Vorschläge sind mit den Vermittlungsvorschlägen im Recht der Arbeitsförderung nach §
144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB III)
vergleichbar, bei denen es sich nicht um Verwaltungsakte handelt (Bundessozialgericht
- BSG -, Urteil vom 22.06.1977 - Az.: 7 RAr 131/75, BSGE 44, 71 ff; Beschluss vom
21.10.2003 - Az.: B 7 AL 82/03 AL).
Selbst wenn man entgegen der Ansicht des Sozialgerichts davon ausginge, dass der
Vorschlag vom 30.10.2006 einen Heranziehungsbescheid darstellt, wäre ein Antrag auf
Anordnung der aufschiebenden Wirkung des hiergegen erhobenen Widerspruchs (§
86a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) nicht statthaft. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen
der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Bei
der Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit handelt es sich indes nicht um die
Entscheidung über eine Leistung, sondern vielmehr um die Forderung eines bestimmten
Verhaltens durch den Träger der Grundsicherung, das Voraussetzung für die
Gewährung einer Leistung ist (LSG NRW, Beschluss vom 11.11.2005 - Az.: L 19 B
89/05 ER; Eicher, a.a.O., § 39, Rn. 16). Angesichts dessen hätte der Widerspruch auch
bei Qualifizierung des Vorschlages als Verwaltungsakt kraft Gesetzes aufschiebende
Wirkung. Damit bestünde jedoch kein Bedarf für die von der Antragstellerin begehrte
vorläufige Regelung.
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Der von der Antragstellerin mit der Beschwerde hilfweise gestellte Antrag auf
vorbeugende Feststellung der Rechtswidrigkeit der "Zuweisung" vom 30.10.2006 und
der Vereinbarung mit der Werkstatt C vom 15.11.2006 ist nicht zulässig. Der
Feststellungsantrag hinsichtlich des Angebotes vom 30.10.2006 ist bereits in dem
Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes enthalten, den das Sozialgericht
umfassend ausgelegt und herausgestellt hat, dass ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft
dargetan wurde.
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Was die mit der Werkstatt C am 15.11.2006 geschlossene Vereinbarung betrifft, ist zu
berücksichtigen, dass bereits ein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Feststellung
nicht erkennbar ist, nachdem die Antragstellerin selber auf die Vereinbarung
eingegangen ist. Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei dem Rechtsverhältnis
zwischen "Maßnahme"-Träger und Leistungsempfänger um ein öffentlich-rechtliches
Beschäftigungsverhältnis oder um ein privatrechtliches Beschäftigungsverhältnis
eigener Art handelt. Abgesehen davon ist aus den bereits skizzierten Gründen ein
Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
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Die Gewährung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, nachdem die
Rechtsverfolgung der Antragstellerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne
des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) hatte.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
8
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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