Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16.01.2009

LSG NRW: existenzminimum, krankenkasse, krankenversicherung, brille, techniker, sozialhilfe, krankheit, versorgung, auflage, darlehen

Landessozialgericht NRW, L 20 B 116/08 SO
Datum:
16.01.2009
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 20 B 116/08 SO
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 29 SO 9/08
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts
Düsseldorf vom 07.08.2008 wird zurückgewiesen. Kosten des
Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig.
Gründe:
1
I.
2
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht gegen einen Bescheid
der Beklagten vom 13.09.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2008.
Sie bezieht von der Beklagten Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Sie begehrt von der Beklagten die Übernahme der
Kosten für eine neue Brille. Die Beklagte hat dies mit dem angefochtenen Bescheid
abgelehnt; sie hat der Klägerin eine darlehensweise Gewährung i.S.v. § 37 SGB XII
angeboten, was die Klägerin ablehnt.
3
Mit Beschluss vom 07.08.2008 lehnte das Sozialgericht die Gewährung von
Prozesskostenhilfe für die Klägerin ab. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss
Bezug genommen.
4
Gegen den am 08.08.2008 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 02.09.2008
Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, die Vorschriften über die Krankenversicherung
nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) könnten nicht eins zu eins auf
Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII übertragen werden. Denn die Vorschriften
über die Krankenversicherung gingen davon aus, dass der Versicherte einen
bestimmten Eigenanteil leiste. Das sei jedoch Personen, die Sozialhilfe in Anspruch
nehmen müssten, nicht möglich, weil die Sozialhilfe nur das absolute Existenzminimum
garantiere. Zu diesem Existenzminimum müsse aber auch eine ausreichende
Versorgung mit Sehhilfsmitteln gehören.
5
II.
6
Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.
7
Das Sozialgericht ist zu Recht von einer fehlenden Erfolgsaussicht der
Rechtsverfolgung durch die Klägerin ausgegangen. Es hat dabei zutreffend darauf
abgestellt, dass die Klägerin Leistungen der Techniker Krankenkasse (§ 264 SGB V)
erhält und deshalb Leistungen zur Krankenbehandlung nicht etwa nach § 48 SGB XII
von der Beklagen, sondern ausschließlich von der Techniker Krankenkasse erlangen
kann. Denn nach § 48 Satz 2 SGB XII gehen die Regelungen zur Krankenbehandlung
nach § 264 SGB V den Leistungen zur Hilfe bei Krankheit nach § 48 Satz 1 SGB XII vor.
Das Sozialgericht hat auch zutreffend darauf abgestellt, dass die von der Klägerin
beanspruchten Leistungen der Hilfe bei Krankheit deckungsgleich mit denjenigen sind,
die sie als Mitglied der Techniker Krankenkasse erhalten kann. Soweit die
Krankenkassen keine Leistungen für die Inanspruchnahme bestimmter medizinischer
Versorgung zu erbringen haben, so können diese Leistungen auch nach § 48 Satz 1
SGB XII nicht gewährt werden; vielmehr ist der entsprechende Bedarf dann aus dem
Regelsatz i.S.v. § 28 SGB XII - notfalls durch Ansparungen - aufzubringen.
8
Wenn die Klägerin mit der Beschwerde vorträgt, anders als Versicherte in der
gesetzlichen Krankenversicherung, die einen bestimmten Eigenanteil leisten könnten,
sei dies Personen, deren Lebensunterhalt nach dem SGB XII sichergestellt werde, nicht
möglich, weil diese Leistungen nur das absolute Existenzminimum garantierten, so trifft
dies nicht zu. Vielmehr wird nach der gesetzlichen Wertung in § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB
XII der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von
Einrichtungen mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und etwaiger
(hier nicht einschlägiger) Sonderbedarfe nach den §§ 30 - 34 SGB XII nach Regelsätzen
erbracht. Die Leistungen umfassen insgesamt nicht ein absolutes, sondern ein sog.
soziokulturelles Existenzminimum (vgl. Armborst, in: LPK- SGB XII, 8. Auflage 2008, § 1
Rn. 5 - 9).
9
Insofern enthält das derzeitige Sozialhilferecht keine Regelungen mehr, nach der es
dem Sozialhilfeträger möglich wäre, im Einzelfall weitere Leistungen, etwa für Sehhilfen,
zu gewähren. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 der aufgrund der Verordnungsermächtigung des §
40 SGB XII erlassenen Regelsatzverordnung (RSV) umfasst vielmehr der Regelsatz
auch Mittel für die Gesundheitspflege. Aus diesen Mitteln ist ein Bedarf wie derjenige
der Klägerin für eine (normale) Brille zu decken (vgl. Bieritz-Harder/Birk, in: LPK-SGB
XII, a.a.O., § 48 Rn. 27; siehe auch bereits Beschluss des Senats vom 23.01.2006 - L 20
B 69/05 SO ER).
10
Sollte die Klägerin insoweit aus den ihr monatlich zufließenden Leistungen der
Beklagten keine entsprechende Ansparung vorgenommen haben, erlaubt § 37 Abs. 1
SGB XII, dass die Beklagte die entsprechenden Kosten durch ein - rückzahlbares -
Darlehen vorstreckt. Die Klägerin hat diese von der Beklagten angebotene
Verfahrensweise jedoch abgelehnt.
11
Da eine Brille zu den üblichen Bedarfen des täglichen Lebens gehört, wie er in einer
Vielzahl von Leistungsfällen auftritt, besteht auch nicht die Möglichkeit einer
ausnahmsweisen abweichenden Bedarfsbemessung i.S.v. § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII.
Denn danach werden Bedarfe (nur) dann abweichend festgelegt, wenn im Einzelfall ein
Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf
abweicht.
12
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m. §
127 Abs. 4 ZPO).
13
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
14