Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 27.06.2002

LSG NRW: innere medizin, verschlechterung des gesundheitszustandes, entschädigung, berufskrankheit, anerkennung, diagnose, obstruktion, silikose, behandlung, befund

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Nachinstanz:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Landessozialgericht NRW, L 2 KN 96/00 U
27.06.2002
Landessozialgericht NRW
2. Senat
Urteil
L 2 KN 96/00 U
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 6 KN 5/99 U
Bundessozialgericht, B 8 KN 7/02 U B
Unfallversicherung
rechtskräftig
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Gelsenkirchen vom 28. März 2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind
auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung und Entschädigung einer "chronischen obstruktiven Bronchitis
oder eines Emphysems von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis
der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren [(mg/m³) x
Jahre]" als oder wie eine Berufskrankheit (BK).
Der im Februar 1938 geborene Kläger war während seines gesamten Berufslebens als
Bergmann unter Tage im Steinkohlenbergbau beschäftigt. 1990 kehrte er ab und bezieht
seither Altersrente.
Bei einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme im Sommer 1985 wurde u. a. die
Diagnose einer chronischen Bronchitis gestellt (Befund: Leises Vesikuläratmen mit Giemen
und Brummen bds. basal; Epikrise u. a.: chronische Bronchitis, wahrscheinlich im
Zusammenhang mit beruflicher Staubexposition in Kohlebergbau).
Im September 1985 veranlasste der damalige Hausarztes Dr. H eine
Lungenfunktionsprüfung durch Prof. S aus C. Dieser fand keinen Anhalt für eine obstruktive
Ventilationsstörung, jedoch eine gesteigerte bronchiomotorische Erregbarkeit als Zeichen
einer asthmatischen Bereitschaft (Bericht vom 27.09.1985). Anfang November 1985 wurde
der Kläger von Prof. L, Leitender Arzt der Klinik für Pneumologie der Ruhrlandklinik F,
untersucht. Die Lungenfunktionsprüfung ergab ganzkörperplethysmographisch eine leichte
Überblähung und eine leichte Obstruktion (Bericht vom 08.11.1985).
Im November 1985 zeigte Dr. H der Beklagten eine BK Nr. 4101 (=
Quarzstaublungenerkrankung-Silikose) im Sinne der damaligen Anlage 1 zur
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Berufskrankheitenverordnung (= Berufskrankheitenliste) an: Der Kläger berichte seit 1979
über Atemnot, Schwindelanfälle und Brustschmerz; dies sei auf die Arbeit unter Tage bei
Steinstaub zurückzuführen. Die Beklagte ließ eine Röntgenaufnahme des Thorax fertigen
und legte diese dem Staatlichen Gewerbearzt/ Institut für Arbeitsmedizin in C zur Prüfung
vor, der darauf eine leichtgradige silikotische Lungenstrukturierung des Typs qq 1/1 tbu
fand (Gutachterliche Stellungnahme des Dr. C vom 20.02.1986). Dr. H reichte noch eine
ärztliche Stellungnahme der Bundesknappschaft vom Februar 1986 zu den Akten, worin
der Arbeitgeber gebeten wurde, über eine Umsetzung des Klägers nachzudenken. Dieser
könne wegen Staubveränderungen an der Lunge und chronischer Bronchitis nur noch an
staubarmen Betriebspunkten beschäftigt werden. Die Beklagte lehnte die Anerkennung
und Entschädigung einer BK 4101 ab, da nur eben leichtgradige silikotische
Lungenveränderungen bestünden (Bescheid vom 17.03.1986).
Im März 1997 zeigte der Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. T aus
H eine Berufskrankheit "chronische obstruktive Bronchitis der Bergleute unter Tage im
Steinkohlenbergbau" an.
Der Internist Dr. N aus E fand auf einer von Dr. T gefertigten Thorax-Röntgenaufnahme
Quarzstaublungenveränderungen leichter Streuung entsprechend der ILO-Klassifikation qq
1/1 tbu od bei Aortensklerose, die er als "röntgenkonstante eben leichtgradige Silikose"
bezeichnete (Stellungnahme vom 27.06.1997). Auf dieser Grundlage erkannte die Beklagte
eine BK 4101 an, lehnte jedoch wegen fehlender funktioneller Auswirkungen die
Gewährung einer Verletztenrente ab (Bescheid vom 31.07.1998; Widerspruchsbescheid
vom 15.12.1998).
Sie ermittelte weiter, dass der Kläger bei Annahme ungünstigster Voraussetzungen
während seines Berufslebens einer Feinstaubdosis von 161 Feinstaubjahren ausgesetzt
war (Stellungnahme vom 12.08.1997). Dr. T berichtete, der Kläger sei dort unter der
Diagnose einer chronischen, obstruktiven Bronchitis sowie des Verdachts auf eine inaktive
Lungen-TBC seit Juni 1988 in Behandlung. Seit 1988 lägen eine Atemwegsobstruktion
sowie eine Überblähung der Lunge vor. Es bestehe eine Silikose p 1/1 sowie alte,
kleinknotige TBC-Residuen in beiden Lungenspitzen und kleine knotige Kalkherde in
beiden Unterfeldern (Bericht vom 30.09.1997). In seinem später für die Beklagte erstellten
Gutachten führte er aus, der Kläger klage seit Jahren über Atemnot und Husten. Die
Untersuchungen 1988 hätten keine wesentliche Überblähung oder Atemwegsobstruktion
ergeben. Jetzt bestehe eine chronische obstruktive Bronchitis mit jetzt erstmals eindeutig
gesicherten obstruktiven Ventilationsstörungen. Ein Lungenemphysem bestehe weder
nach den radiologischen Befunden noch nach der Lungenfunktionsanalyse.
Für die Krankheit sei die Feinstaubbelastung wesentliche Ursache. Als Folgen lägen jetzt
eine mittelschwere Atemwegsobstruktion und [eine] Überblähung vor, die erstmals am 23.
September 1996 festgestellt werden konnten. Zu diesem Zeitpunkt sei der
Versicherungsfall eingetreten (Gutachten vom 24.02.1998). Prof. Dr. T1, Leitender Arzt der
Berufsgenossenschaftlichen Kliniken C, Medizinische Klinik und Poliklinik C, stellte die
Diagnosen einer deutlichen Obstruktion sowie eines mittelschweren Emphysems und
meinte, der Erkrankungsbeginn liege eindeutig vor dem 01.01.1993, nämlich bereits im
Jahre 1985. (Stellungnahmen vom 28.04. und 19.10.1998).
Die Beklagte lehnte die Anerkennung und Entschädigung einer BK Nr. 4111 ab, weil die
Erkrankung beim Kläger bereits vor dem in der BKV vorgesehenen Stichtag eingetreten sei
(Bescheid vom 31.07.1998; Widerspruchsbescheid vom 15.12.1998).
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Mit seiner am 07. Januar 1999 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, dem
Gutachten des Dr. T sei zu folgen, und behauptet, eine chronische obstruktive Bronchitis
sei im Sinne eines Leistungsfalls erstmals durch die Untersuchung bei Dr. T am 24.
Februar 1998 nachgewiesen worden. Er hat sich durch das Ergebnis der Beweisaufnahme
bestätigt gesehen und zur weiteren Begründung einen Arztbericht des Dr. T vom Juni 1988
(gerichtet an Dr. H) vorgelegt, worin als Diagnosen "chronische Bronchitis mit
hyperreagiblem Bronchialsystem" und "Verdacht auf inaktive Lungentuberkulose" genannt
sind. Weiter heißt es dort, seit zwei Jahren bestehe Atemnot, vor allem im Liegen, und
Husten, jetzt eher weniger. Die Ganzkörperplethysmographie zeige keine Restriktion, totale
Lungenkapazität 6,9 l, keine Überblähung, Residualvolumen 2,6 l, und allenfalls eine
leichte Atemwegsobstruktion mit einer Erhöhung des Atemwegswiderstandes [ ...]. Es
empfehle sich ein Behandlung mit Salbutamol, 6 x 2, Beclometason, 3 x 2, sowie
Theophyllin, 200 mg zur Nacht (Bericht vom 22.06.1988).
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.07.1998 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15.12.1998 zu verurteilen, ihm wegen einer chronischen
obstruktiven Bronchitis bzw. wegen eines Lungenemphysems eine Verletztenrente auf der
Grundlage einer MdE in rentenberechtigendem Grade zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Entscheidung weiter für zutreffend gehalten. Dem Gutachten des
Sachverständigen Prof. T2 sei nicht zu folgen, durch das Gutachten des Sachverständigen
Dr. Wl sehe sie sich bestätigt. Sie hat dazu zwei Stellungnahmen von Prof. S vorgelegt,
wonach nicht der geringste Zweifel bestehe, dass die chronische obstruktive Bronchitis seit
1985 vorliege. Bereits bei der im September 1985 durchgeführten Untersuchung habe sich
der Beginn einer obstruktiven Atemwegserkrankung abgezeichnet (Stellungnahmen vom
23.03. und 26.08. 1999).
Der vom Sozialgericht (SG) zunächst befragte Prof. T2, Arzt für Innere Medizin,
Arbeitsmedizin und Pneumologie aus N, hat gemeint, die 1985 erhobenen Befunde seien
nicht eindeutig, Prof. L weise ausdrücklich auf eine schlechte Atemtechnik hin. Die 1985
und 1988 gemessenen Werte reichten nicht aus, um die Diagnose "chronische obstruktive
Bronchitis" ohne jeden vernünftigen Zweifel zu stellen. Erst ab September 1996 sei eine
leichtgradige Atemwegsobstruktion dokumentiert. Dies sei der früheste Zeitpunkt, für den
man den Eintritt eines Versicherungs- und Leistungsfalls annehmen könne. (Gutachten
vom 02.03.1999 mit ergänzender Stellungnahme vom 21.04.1999). Das SG hat außerdem
den Pneumologen Dr. W aus J als Sachverständigen gehört, der gemeint hat, unter
Würdigung der aktenkundigen Befunde sei erwiesen, dass der Kläger seit November 1985
an einer "chronisch obstruktiven Bronchitis" leide. Die Zweifel an der Validität der
Lungenfunktionsuntersuchung von November 1985 sowie der Untersuchungsbefunde vom
Juni 1988, die Prof. Dr. T2 empfinde, teile er nicht (Gutachten vom 29.11.1999).
Das SG hat die Klage abgewiesen. Es hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) gemeint, die in der BKV enthaltene Stichtagsregelung sei
rechtmäßig, und sich in der Sache den Ausführungen des Dr. W angeschlossen, wonach
der Versicherungsfall vor dem maßgeblichen Stichtag eingetreten ist (Urteil vom 28. März
2000, zugestellt am 27. April 2000).
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Hiergegen hat der Kläger am 05. Mai 2000 Berufung eingelegt: Die aktenkundigen Befunde
reichten für die sichere Feststellung des Versicherungsfalles vor dem Stichtag nicht aus.
Der 1985 durch Prof. L erhobene Befund stelle einen einmaligen Befund dar. Die 1985
gemessenen Werte könnten durchaus durch einen grippalen Infekt oder eine akute
Bronchitis verursacht gewesen sein. Erst ab 1996 (und nicht etwa schon 1985) sei ihm eine
antiobstruktive Medikation verordnet worden. Außerdem habe er bis 1990 vollwertig unter
Tage gearbeitet. Zuletzt hat er ärztliche Bescheinigungen über werksärztliche
Untersuchungen in den Jahren 1983 und (August) 1985 vorgelegt, wonach keine
gesundheitlichen Bedenken gegen Arbeiten unter Tage bestehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28. März 2000 zu ändern und die
Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 31. Juli 1998 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 1998 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen
einer Berufskrankheit nach Nr. 4111 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung eine
Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v. H. der Vollrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat das angefochtene Urteil für zutreffend gehalten. Durch das Ergebnis der
zweitinstanzlichen Beweisaufnahme hat sie sich bestätigt gesehen.
Der Senat hat Befundberichte von Dr. H, Dr. T und vom Internisten Dr. O aus H beigezogen.
Dr. H hat ausgeführt, die Vorstellungen bei den verschiedenen Lungenärzten 1985 seien
auf Wunsch des Klägers erfolgt. Von seiner Seite sei diagnostisch oder therapeutisch in
dieser Hinsicht nichts veranlasst worden (Befundbericht vom 18.05.2001 und vom Kläger
vorgelegter Bericht des Dr. H an den Sachverständigen Dr. W vom 28.10.1999).
Der vom Senat als Sachverständiger befragte Prof. L hat in Auswertung der Befunde
gemeint, beim Kläger liege bereits seit 1985 ohne jeden vernünftigen Zweifel eine
chronische obstruktive Bronchitis vor. Die später erhobenen Befunde wichen nicht
wesentlich von den bereits im Jahre 1985 erhobenen ab (Gutachten vom 06.11.2001 mit
ergänzender Stellungnahme vom 13.03.2002).
Wegen der Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den
Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten zu den
Berufskrankheiten (BKen) Nr. 4101 und "CBE" sowie der von der behandelnden Ärzten
Dres. T und O zu den Akten gereichten Krankenunterlagen Bezug genommen, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat des SG die ablehnende Entscheidung der Beklagten bestätigt. Der Kläger ist
durch den Bescheid vom 21. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.
Dezember 1998 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) nicht beschwert, weil dieser Bescheid
nicht rechtswidrig ist, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Denn der geltend gemachte Anspruch auf
Anerkennung einer chronischen obstruktiven Bronchitis als oder wie eine BK und
Entschädigung der gesundheitlichen Folgen durch eine Verletztenrente besteht nicht. Zwar
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leidet der Kläger nachweislich an einer BK Nr. 4111 der Anlage zur
Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31. Oktober 1997 (BGBl I 2623), indes kann diese
nicht als Berufskrankheit anerkannt werden, weil der Versicherungsfall vor dem 01. Januar
1993 (also nicht nach dem 31. Dezember 1992) eingetreten ist, § 6 Abs. 1 BKV. Dies steht
zur Überzeugung des Senats als Ergebnis der umfangreichen Beweisaufnahme fest.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich noch nach dem alten, vor Inkrafttreten des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01. Januar 1997 maßgeblichen Recht des
Reichsversicherungsordnung (RVO), weil der Kläger unter Bezugnahme auf Dr. T und Prof.
T2 einen Anspruch geltend macht, der bereits vor diesem Zeitpunkt (nämlich im September
1996) entstanden sein soll, §§ 212 SGB VII, Art. 36 des Gesetzes zur Einordnung des
Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (Unfallversicherungs-
Einordnungsgesetz - UVEG). Daneben ist die während des Verfahrens am 01. Dezember
1997 in Kraft getretene neue Fassung der BKV, in deren Anlage die streitige Krankheit als
BK 4111 neu aufgenommen worden ist, maßgeblich, da sie mit Inkrafttreten auf alle zu
diesem Zeitpunkt noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren anzuwenden ist
(BSGE 85, 24ff = SozR 3-2200 § 551 Nr. 13).
Beim Kläger besteht schon während des gesamten Zeitraums, auf den sich sein
Anspruchsbegehren bezieht, eine Berufskrankheit im Sinne der §§ 548 Abs. 1 Satz 1, 551
Abs. 1 RVO, 1 BKV, nämlich eine chronische obstruktive Bronchitis im Sinne der BK Nr.
4111 der Anlage zur BKV. Denn alle gehörten Ärzte haben bei ihm eine chronische
obstruktive Bronchitis festgestellt, die mit Wahrscheinlichkeit auf die ermittelte
Feinstaubexposition von 161 Feinstaubjahren während der Tätigkeit im
Steinkohlenbergbau unter Tage zurückzuführen ist. Das ist zwischen den Beteiligten
unstreitig und nach dem insoweit eindeutigem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht
anzuzweifeln. Gleichwohl besteht kein Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung
dieser BK, weil die Beklagte dem zu Recht entgegenhält, dass der Versicherungsfall vor
dem 01. Januar 1993 eingetreten ist (Ausschlussgrund des § 6 Abs. 1 BKV).
§ 6 Abs. 1 BKV ist vorliegend anwendbar. Insbesondere verstößt diese sogenannte
"Stichtagsregelung" ungeachtet der Beobachtungspflicht des Gesetzgebers (vgl. zu den
entsprechenden Pflichten des Gesetzgebers BVerfGE 87, S. 348 ff., 358; 88, S. 203 ff., 309-
311) nicht gegen Vorschriften des Grundgesetzes. Dies hat das SG in den
Entscheidungsgründen seines Urteils umfassend und überzeugend dargelegt, so dass der
Senat hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, § 153 Abs. 2 SGG. Das
SG befindet sich dabei in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 12.
Oktober 2000, L 2 KN 204/99 U und L 2 KN 1/00 U) und derjenigen des
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (Urteile vom 02. Mai 2000, L 5 KN-U 1/99 und vom
16. Mai 2000, L 5 KN-U 5/99). Der weitere Zeitablauf gibt keine Veranlassung zu einer
anderen Sichtweise.
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 BKV liegen vor, weil sich mit der erforderlichen, an
Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit (vgl. hierzu die o. g. Entscheidungen des Senats
vom 12. Oktober 2000) feststellen lässt, dass der Versicherungsfall bereits im November
1985 eingetreten ist. Diese Erkenntnis gründet sich auf die Beurteilung der
Sachverständigen Dr. W und Prof. Dr. L, die die aktenkundigen Befundunterlagen
ausgewertet und in nachvollziehbarer Weise in diesem Sinne beurteilt haben. Die
erforderliche Diagnosesicherheit ergibt sich bei retrospektiver Beurteilung des
Krankheitsverlaufes aus den in den Jahren 1985 und 1988 erhobenen Befunden. Diese
lassen - jedenfalls zusammen genommen - den sicheren Schluss auf die Diagnose einer
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chronischen obstruktiven Bronchitis seit November 1985 zu.
Bereits vor November 1985 lag beim Kläger eine chronische Bronchitis vor, die spätestens
seit November 1985 mit einer - leichten - obstruktiven Komponente einherging. Im Sommer
1985 wurde bei der Kur in C1 eine chronische Bronchitis mit Atemnot, Giemen und
Brummen festgestellt. Prof. S hat einige Wochen später eine gesteigerte
bronchiomotorische Erregbarkeit festgestellt, allerdings noch keinen Anhalt für eine
obstruktive Belüftungsstörung gefunden. Retrospektiv hat er allerdings später gemeint,
bereits im September 1985 habe sich der Beginn der obstruktiven Atemwegserkrankung
abgezeichnet. Spätestens am 08. November 1985 hat Prof. Dr. L dann Befunde erhoben,
die den Schluss auf eine - wenn auch nur leichte - Obstruktion zulassen. Genügte dies
allein noch nicht für die erforderliche Diagnosesicherheit, so wird diese spätestens mit den
von Dr. T im Juni 1988 erhobenen Befunden erreicht. Dieser Arzt hat in seinem
Befundbericht vom 30. September 1997, aber auch bereits in seinem an den Hausarzt Dr.
H gerichteten Bericht vom 22. Juni 1988 (der sich ebenfalls auf eine
ganzkörperplethysmographische Untersuchung gründete) ausgeführt, er habe bereits 1988
eine Atemwegsobstruktion festgestellt (vgl. insoweit auch seinen Bericht an das
Versorgungsamt H vom 05. Februar 1990). Folglich hat er bereits damals eine Behandlung
unter anderem mit Salbutamol und Theophyllin empfohlen, also mit Medikamenten, die
auch (Salbutamol) bzw. vorwiegend bis ausschließlich (Theophyllin) bei obstruktiven
Atemwegserkrankungen verordnet werden (vgl. Rote Liste 2001, Arzneimittelverzeichnis für
Deutschland einschließlich EU-Zulassungen und bestimmter medizinischer Produkte,
28026-29; 28173-77). Sein Gutachten vom 24. Februar 1998 steht dazu nicht in
Widerspruch. Darin führt er lediglich aus, dass die Untersuchung 1988 keine wesentliche [
...] Atemwegsobstruktion ergeben habe und eine mittelschwere Atemwegsobstruktion
erstmals am 23. September 1996 festgestellt werden konnte. Für die Annahme eines
Versicherungsfalles bedarf es aber keiner mittelschweren Obstruktion, vielmehr genügt
dazu eine - auch leichte - zentrale oder periphere obstruktive Komponente. Eine solche
hatte Dr. T aber bereits 1988 festgestellt, wie er dem Senat gegenüber nochmals bestätigt
hat ("leichte Atemwegsobstruktion", Befundbericht vom 12. Dezember 2000).
Mögen die 1985 und 1988 erhobenen Befunde auch jeweils für sich genommen nicht
beweisend für eine chronische obstruktive Bronchitis sein, so ist doch nachvollziehbar,
dass die Gesamtbewertung der 1985 und 1988 erhobenen Befunde einen solchen Schluss
rechtfertigt, wie die Sachverständigen Dr. W und Prof. L im Einzelnen darlegen. Denn sie
zeigen das Bild einer zunächst nur chronischen, später auch obstruktiven Bronchitis, die
von November 1985 bis heute durchgehend auf einem vergleichsweise stabilem Niveau
fortbesteht. Diese Kontinuität wird durch die anamnestischen Angaben des Klägers
bestätigt. So hatte er im Juni 1988 bei Dr. T angegeben, seit 2 Jahren unter Atemnot, vor
allem im Liegen, und Husten zu leiden. Bei dem Internisten Dr. G aus H (die Untersuchung
war von der Bundesknappschaft angeordnet worden) hatte er 1990 über eine seit ca. 10
Jahren bestehende Atemnot beim Treppensteigen ohne wesentliche Zunahme geklagt.
Den zuletzt vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen vom Mai 1983 und August 1985
kommt kein Beweiswert zu, weil sie aus der Zeit vor November 1985 stammen. Die Anfrage
der Bundesknappschaft von Februar 1986 dokumentiert vielmehr, dass es zwischenzeitlich
zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes gekommen ist. Wesentliche
Einwände gegen diese Argumentation lassen sich aus dem Gutachten des
Sachverständigen Prof. Dr. T2 nicht herleiten. Dieser hat lediglich ausgeführt, er könne sich
nicht davon überzeugen, dass die früher erhobenen Befunde ohne jeden vernünftigen
Zweifel die Diagnose einer chronischen obstruktiven Bronchitis zuließen. Eine Begründung
fehlt.
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Auch eine Entschädigung der chronischen obstruktiven Bronchitis wie eine Berufskrankheit
kommt nicht in Betracht, § 551 Abs. 2 RVO. Denn mit dem Inkrafttreten der BKV zum 01.
Dezember 1997 und der dabei erfolgten Aufnahme der chronischen obstruktiven Bronchitis
[ ...] als BK in die Berufskrankheitenliste (= Anlage zur BKV) kommt - auch für den
vorangehenden Zeitraum - in noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren eine
Anerkennung dieser Krankheit wie eine BK wegen des Vorrangs der Entscheidung des
Verordnungsgebers vor derjenigen der Verwaltung nicht mehr in Betracht (BSGE 85, 24,
31f = SozR3-2200 § 551 Nr. 13 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs. 2 SGG. Insbesondere hat die
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, da die maßgeblichen Rechtsfragen bereits
höchstrichterlich geklärt sind und die konkrete Entscheidung auf den besonderen
Gegebenheiten des Einzelfalles beruht, § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG.