Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2008

LSG NRW: sthg, besondere härte, eltern, sozialhilfe, kostenersatz, elterliche gewalt, restriktive auslegung, dauernde pflege, belastung, nachlass

Landessozialgericht NRW, L 20 SO 10/05
Datum:
07.04.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 20 SO 10/05
Vorinstanz:
Sozialgericht Detmold, S 6 SO 83/05
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 8 SO 2/09 R
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold
vom 10.11.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im
Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte die Klägerin zu Recht als Erbin
gemäß § 92c Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Anspruch nimmt.
2
Die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann (Kläger im Verfahren L 20 SO 06/05)
werden von dem Beklagten als Erben (gemeinschaftlicher Erbschein des Amtsgerichts
Detmold vom 03.03.2003) ihrer 1961 geborenen und am 00.02.2003 verstorbenen
Tochter H X in Anspruch genommen.
3
Die Erblasserin war aufgrund der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate ("Contergan")
der Firma Chemie Gruenenthal GmbH in Stolberg durch die Klägerin während der
Schwangerschaft von Geburt an schwerstbehindert mit einem Grad der Behinderung
von 100 bei Anerkennung der Merkzeichen G, H und RF.
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Mit Bescheid vom 20.12.1974 bewilligte die Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder"
(im Folgenden: Stiftung) eine einmalige Kapitalentschädigung von 25.000,00 DM sowie
eine Rente auf Lebenszeit, zuletzt in Höhe von 1.024,00 DM monatlich
(Rentenbescheinigung der Stiftung vom 31.08.2001).
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Die Erblasserin wohnte zunächst bei ihren Eltern, deren Ehe durch Urteil des
Landgerichts Detmold vom 28.07.1976 geschieden wurde. Seit Mai 1968 lebte sie in der
Heilerziehungs- und Pflegeanstalt F in M.
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Mit Beschluss des Amtsgerichts Detmold vom 09.02.1977 wurde die elterliche Gewalt
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über die Erblasserin dem Ehemann der Klägerin übertragen. Mit Schreiben vom
03.10.1978 beantragte der Beklagte beim Amtsgericht Lemgo, diesem die
Vermögenssorge für seine Tochter zu entziehen, da der dringende Verdacht bestehe,
dass er als Inhaber der elterlichen Gewalt das für H bestimmte Geld sachfremd
verwendet habe. Bei einer persönlichen Vorsprache am 30.10.1978 erklärte der
geschiedene Ehemann der Klägerin, den derzeitigen Kontostand des für die Tochter
eingerichteten Kontos bei der Kreissparkasse könne er nicht mitteilen.
Rentenzahlungen durch die Stiftung seien seit Mai 1978 eingestellt, da er den
Verwendungszweck nicht habe nachweisen können. Er gebe zu, vom Konto seiner
Tochter circa 10.000,00 DM für eine Autoreparatur sowie den Kauf von Möbeln nach der
Scheidung entnommen zu haben. Dies sei allerdings nur darlehensweise geschehen.
Den Restbetrag habe die Klägerin für sich verbraucht, was erst bei der Ehescheidung
bekannt geworden sei. Mit Schreiben vom 17.11.1978 erklärte die Klägerin, die ganze
Familie habe von den Zahlungen der Stiftung profitiert. Als besondere Ausgaben seien
ihr in Erinnerung geblieben ein Autokauf durch ihren geschiedenen Ehemann, der Kauf
eines Mopeds für ihren ältesten Sohn H, der Kauf einer Kücheneinrichtung, die
Ausrichtung der Konfirmation für zwei Kinder sowie die Rückzahlung eines Darlehens
an den Arbeitgeber ihres geschiedenen Ehemanns in Höhe von 2.000,00 DM.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Lemgo vom 09.01.1979 wurde der Klägerin und ihrem
geschiedenen Ehemann daraufhin die Vermögensverwaltung entzogen. Nachdem H X
mit Beschluss des Amtsgerichts Lemgo vom 18.07.1979 wegen Geistesschwäche
entmündigt worden war, fungierte in der Folge Herr X F als Vormund. Mit Beschluss vom
28.06.1982 lehnte das Amtsgericht Lemgo es ab, den Ehemann der Klägerin unter
Entlassung des bisherigen Vormundes als Vormund für seine Tochter zu bestellen. Zur
Begründung führte das Amtsgericht aus, den Eltern sei die Vermögenssorge entzogen
worden, da sie 59.000,00 DM aus den Stiftungsmitteln für sich verwendet hätten.
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Mit Bescheid vom 27.07.1979 lehnte die Stiftung eine Überleitung von Leistungen
gegenüber dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe ab, da gemäß § 22 des Gesetzes
über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" (StHG) Leistungen
der Stiftung nicht auf Leistungen nach anderen Gesetzen anzurechnen seien. In der
Folgezeit wurden vom Sozialhilfeträger lediglich Ansprüche auf Zinseinkünfte geltend
gemacht.
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In einem Schreiben vom 25.03.1988 teilte der Vormund dem Landschaftsverband
Westfalen-Lippe mit, er habe bereits vorgeschlagen, einen Teil des angesparten
Vermögens einem sozialen Zweck zuzuführen. Da dies offenbar nicht möglich sei,
scheine es so, dass "einmal die Eltern, die sich überhaupt nicht um H X kümmern und
sie auch jahrelang nicht besuchten, das angesammelte Vermögen erben".
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Ab Januar 1991 war die Klägerin zunächst als Vormund und sodann als gesetzliche
Betreuerin ihrer Tochter H X bestallt.
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Seit Juli 1996 erhielt die Erblasserin Leistungen aus der gesetzlichen
Pflegeversicherung. Der Beklagte erbrachte Hilfe zur Pflege in Heimen, Anstalten oder
gleichartigen Einrichtungen aus Mitteln der Sozialhilfe ab Januar 1997. Der Beklagte
stellte die laufenden Leistungen der Hilfe zur Pflege mit Bescheid vom 02.08.2001
wegen des Vorhandenseins von Vermögen zunächst ein. Auf den Widerspruch der
Hilfebedürftigen unter Verweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG)
vom 13.08.1992 - 5 C 2.88 wurden die Leistungen wieder aufgenommen.
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Die Klägerin bezifferte den Wert des Nachlasses auf Nachfrage des Beklagten am
05.01.2004 mit dem Betrag von 63.154,00 EUR. Die nachgewiesenen Kosten der
Bestattung betrugen 4.755,54 EUR.
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Der Beklagte forderte von der Klägerin und deren geschiedenem Ehemann mit
gleichlautenden Bescheiden vom 09.01.2004 gemäß § 92c BSHG als Kostenersatz
durch Erben einen Betrag von 28.370,42 EUR. Dabei berücksichtigte sie als zweifachen
Grundbetrag nach § 81 Abs. 1 BSHG einen Betrag von 1.688,00 EUR. Mit Widerspruch
vom 04.02.2004 berief sich die Klägerin auf die Vorschrift des § 21 StHG, wonach
Leistungen nach diesem Gesetz bei der Ermittlung von Einkommen und Vermögen nach
anderen Gesetzen, insbesondere nach dem BSHG, außer Betracht zu bleiben hätten.
Auch eine teilweise Anrechnung sei bei einem festgestellten Grad der Behinderung von
100 nicht möglich. Der gesamte angesparte Betrag unterfalle dem Anrechnungsverbot.
Dies gelte auch im Rahmen der Vorschrift des § 92c BSHG. Es sei nicht anders zu
entscheiden als im Jahre 2001, als versucht worden sei, auf die Rente während des
laufenden Leistungsbezuges zurückzugreifen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2005 wies der Landschaftsverband Westfalen-
Lippe den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, der
Beklagte habe seit dem 01.01.1997 Hilfe zur Pflege in Einrichtungen gemäß § 68 BSHG
geleistet. Die Vorschrift des § 92c BSHG begründe eine unmittelbare und eigenständige
Haftung des Erben gegenüber dem Träger der Sozialhilfe. Der Kostenersatz des Erben
beziehe sich auf die dem verstorbenen Hilfeempfänger rechtmäßig gewährte
Hilfeleistung. Die Hilfe zur Pflege sei rechtmäßig gewährt worden, da das bereits zu
Lebzeiten angesparte Vermögen nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts nicht auf die Sozialhilfe anzurechnen gewesen sei. Der
Wert des Nachlasses liege nicht unter dem Zweifachen des Grundbetrages nach § 81
Abs. 1 BSHG. Die Eltern hätten mit der Hilfeempfängerin auch nicht bis zu deren Tod in
häuslicher Gemeinschaft gelebt und sie gepflegt. Schließlich sei nichts dafür ersichtlich,
dass die Heranziehung zum Kostenersatz eine besondere Härte im Sinne von § 92c
Abs. 3 Nr. 3 BSHG bedeute. Die täglichen Pflegekosten in der Stiftung F hätten ab
01.01.2002 100,33 EUR betragen und für die Zeit davor circa 190,00 DM. Die
monatlichen Pflegekosten im Jahre 2002 hätten unter Berücksichtigung des
vereinnahmten Pflegegeldes von monatlich 256 EUR circa 2.800,00 EUR bis 2.900,00
EUR betragen. Die durch die Sozialhilfe gedeckten Heimpflegekosten hätten sich somit
allein im Jahre 2002 auf mehr als 30.000,00 EUR summiert. Somit stehe fest, dass die in
der Zeit vom 01.01.1997 bis zum 15.02.2003 getragenen Heimpflegekosten den
vorliegenden Nettonachlass in Höhe von 56.740,84 EUR (Nachlass von 63.184,38 EUR
abzüglich der Bestattungskosten von 4755,54 EUR abzüglich des zweifachen
Grundbetrages gemäß § 81 Abs. 1 BSHG in Höhe von (zweimal) 854 EUR Euro)
deutlich überstiegen hätten. Die Bestimmungen des Vierten Abschnitts des BSHG über
den Einsatz des Einkommens und des Vermögens fänden bei der Forderung eines
Kostenersatzes nach § 92c BSHG keine Anwendung. Zum Nachlass gehöre auch das
während der Hilfegewährung nach § 88 BSHG geschützt gewesene und zum Zeitpunkt
des Todes dem Erblasser noch gehörende Vermögen. Die Schutzbestimmung des § 21
StHG sei nicht anwendbar.
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Gegen den am 14.04.2005 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am
17.05.2005 (einem Dienstag nach Pfingstmontag) Klage beim Sozialgericht Detmold
erhoben.
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Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, der Kostenersatz gemäß § 92c BSHG
setzte die Berücksichtigung eines Schonvermögens gemäß § 88 Abs. 2 und 3 BSHG
voraus. Die Vorschrift beziehe sich direkt auf § 88 BSHG. Bereits begrifflich könne der
Kostenersatzanspruch daher nicht in Betracht kommen, da es sich bei dem Vermögen
der Verstorbenen nicht um Schonvermögen im Sinne des § 88 BSHG gehandelt habe.
Das Vermögen sei vielmehr durch die Spezialvorschrift des § 21 Abs. 2 StHG geschützt.
§ 92c BSHG finde jedoch nur auf nach dem BSHG geschütztes Vermögen Anwendung.
Sie könne nicht wie ein "normaler" Erbe angesehen werden, der nach der
Zweckrichtung des § 92c BSHG nicht davon profitieren solle, dass der Hilfeempfänger
sein Einkommen/Vermögen nicht zur Deckung seines Bedarfes habe einsetzen
müssen. Es dürfte auf der Hand liegen, dass die Geburt eines schwerstbehinderten
Kindes eine kaum nachzuvollziehende erhebliche Belastung für die Eltern dieses
Kindes darstelle. Die Eltern seien von Geburt an von der erheblichen Behinderung ihres
Kindes betroffen gewesen. Dies sei eine gänzlich andere Situation als die, dass ein
ansonsten unbeteiligter Erbe von dem Schonvermögen des Sozialhilfeempfängers
profitiere. In dieser lebenslänglichen Belastung der Elternteile sei ein schutzwürdiger
Grund zu sehen, der es rechtfertige, die Vorschrift des § 21 Abs. 2 StHG differenziert zur
Regelung des § 88 BSHG zu betrachten. Im Übrigen sei zu beachten, dass gemäß § 22
StHG Verpflichtungen anderer durch dieses Gesetz nicht berührt werden sollten.
Schließlich sehe § 14 Abs. 5 S. 2 des StHG die Vererblichkeit der Ansprüche vor, wenn
der Berechtigte von seinem Ehegatten, seinen Kindern oder seinen Eltern beerbt werde.
Auch dies spreche dafür, dass fällige Leistungen gerade nicht im Wege des Rückgriffes
von dem Träger der Sozialhilfe zurückgefordert werden könnten. Ansonsten würde der
Zweck, dass die Stiftungsleistungen den Erben zugute kommen sollten, konterkariert.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 09.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 11.04.2005 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat in Ergänzung seiner Ausführungen im Widerspruchsbescheid die Auffassung
vertreten, § 92c BSHG setze nicht voraus, dass es sich bei den Beträgen, die vererbt
würden, um Vermögen handele, welches nach § 88 BSHG geschützt gewesen sei.
Sicherlich handele es sich bei geschützten Vermögen gemäß § 88 BSHG um den
Regelfall. Für die Anwendung des § 92c BSHG sei es jedoch unerheblich, aus welchen
Gründen das Vermögen zu Lebzeiten des Sozialhilfebezuges geschützt gewesen sei.
Voraussetzung sei eine rechtmäßige Hilfegewährung und das Vorhandensein einer
Erbschaft. Das StHG enthalte keine weitergehende Regelung, das Vermögen, welches
aus Stiftungszahlungen angespart worden sei, beim Erben zu schützen. Bezüglich der
geltend gemachten lebenslänglichen Belastung sei darauf hinzuweisen, dass die
Hilfeempfängerin sich seit Mai 1968 in stationärer Betreuung befunden habe.
Finanzielle Lasten hätten die Eltern nicht tragen müssen. Die Heimunterbringung habe
die geltend gemachte besondere Belastung wesentlich gemindert, so dass das
Vorliegen einer Härte nicht zu erkennen sei. Mit dem Tode der Hilfeberechtigten seien
die Schutzvorschriften des StHG nicht (mehr) anzuwenden. Darüber hinaus sei Zweck
der Stiftung die Eingliederung des Behinderten in die Gesellschaft. Dieser Zweck könne
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mit dem Tode nicht mehr erfüllt werden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.11.2005 abgewiesen. Zur Begründung
hat das Sozialgericht ausgeführt, § 92c BSHG enthalte keinen Verweis auf § 88 BSHG
oder § 21 StHG entsprechende Schutzvorschriften. Zu Recht verweise die Beklagte auf
die mit dem StHG verfolgten Zwecke der Eingliederung des Behinderten in die
Gesellschaft. Auch nach dem StHG sei es nicht gewollt, dass das daraus angesparte
Vermögen ausschließlich den Erben zu Gute komme, und die Kosten für die Hilfe zur
Pflege in Einrichtungen ausschließlich von der Allgemeinheit getragen würden. Es
stehe außer Frage, dass die Klägerin als Mutter eines schwerstbehinderten Kindes
einer kaum nachzuvollziehenden erheblichen Belastung ausgesetzt gewesen sei, doch
differenziere weder die Anspruchnorm des § 92c BSHG danach, welchen Belastungen
oder Einschränkung der Erbe ausgesetzt gewesen sei, noch finde sich in dem StHG
eine Regelung hierzu.
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Gegen das am 07.11.2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung vom 15.11.2005.
Die Klägerin hält an ihrem Begehren fest. Es finde sich in der Vorschrift des § 92c
BSHG kein ausdrücklicher Verweis auf die Schutzvorschrift des § 88 BSHG.
Regelmäßig bezögen sich die Vorschriften eines Gesetzes nur auf die übrigen Inhalte
dieses Gesetzes, es sei denn, es wäre etwas anderes geregelt. Sofern das Gesetz dazu
schweige, inwieweit Rückgriff genommen werden können, könne nur im Wege der
Auslegung versucht werden zu erkunden, ob eine "allgemeine Rückgriffsmöglichkeit"
mit der Einführung des § 92c BSHG habe geschaffen werden sollen. Zwar bewirke die
Vorschrift des § 21 Abs. 2 StHG wie § 88 BSHG einen Schutz von Einkommen und
Vermögen. Darüber dürften entscheidende Unterschiede aber nicht verkannt werden.
So sei etwa die Vererblichkeit der Ansprüche nach dem StHG geregelt; dies gelte für die
Sozialhilfe nicht. Der Gesetzgeber habe damit eine ausdrückliche Wertung
dahingehend getroffen, dass der Berechtigte "ersetzt" werden könne, etwa durch seine
Eltern als originäre Leistungsempfänger. Wenn die Eltern jedoch Leistungsempfänger
sein könnten, dann sei der Wille des Gesetzgebers erkennbar, dass die Ansprüche auch
den Eltern zustehen sollten. Dies könne nicht dadurch unterlaufen werden, dass der
Sozialhilfeträger dann nach § 92c BSHG bei ihnen Rückgriff nehme. Auch bei
Ansprüchen nach § 14 Abs. 5 S. 2 des StHG handele es sich um einen Nachlass im
Sinne des § 92c BSHG. Würde der Rechtsauffassung des Sozialgerichts gefolgt, wäre
auch für diesen Fall ein Anspruch auf Kostenersatz gegeben. Dies widerspreche jedoch
offensichtlich dem Sinn und Zweck des Stiftungsgesetzes. Gemäß § 13 Nr. 2 StHG
stehe den Eltern des verstorbenen Behinderten auch eine Rente zu, soweit der
Behinderte bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens verstorben gewesen sei. Damit sei
der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers erkennbar, dass die dem Erblasser
zustehende Rente oder Kapitalentschädigung dem eng begrenzten Personenkreis des
§ 13 Nr. 2 bzw. § 14 Abs. 5 StHG zu gute kommen sollte. Die verstorbene Tochter der
Klägerin habe in der Weise über ihr Vermögen verfügt, dass sie es für ihre Eltern habe
aufheben wollen. Auch diese Art der Verfügung sei durch die Zwecke des StHG
geschützt. Die Konstellation sei daher so zu behandeln, als habe die Verstorbene in
anderer Weise über das Vermögen verfügt.
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Im Übrigen solle eine Inanspruchnahme nach § 92c BSHG nicht erfolgen, wenn dies
nach der Besonderheit des Einzelfalles eine besondere Härte bedeuten würde. Die
Klägerin sei durch die Geburt ihrer schwerstbehinderten Tochter und die anschließende
Pflege bis zum fast siebten Lebensjahr sowie zahlreiche Besuche erheblich belastet
gewesen. Die weitere Pflege und Versorgung des Kindes habe seinerzeit nicht mehr
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sichergestellt werden können, da die Hilfeempfängerin nicht in der Lage gewesen sei,
normale Nahrung zu sich zu nehmen. Die Ernährung sei mittels Flasche erfolgt. Die
Familie habe eine dauernde Pflege nicht mehr gewährleisten können, zumal noch vier
weitere Kinder zu versorgen gewesen seien. Die psychische Belastung sowohl durch
die Geburt eines schwerstbehinderten Kindes als durch die spätere Notwendigkeit,
dieses Kind "wegzugeben", dürfte nicht hoch genug zu bewerten sein. Zudem habe sich
die Klägerin Vorwürfe wegen der Einnahme von "Contergan" gemacht.
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10.11.2005 sowie den Bescheid des
Beklagten vom 09.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des
Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe vom 11.04.2005 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, § 92c BSHG sei auch auf Vermögen
anzuwenden, dass für den Leistungsberechtigten nach anderen Rechts- oder
Verwaltungsvorschriften als denen des BSHG geschützt gewesen sei. Bei den
Leistungen nach dem StHG handele sich um höchstpersönliche Leistungen an den
behinderten Menschen. Dies habe zur Folge, dass diese Leistungen nur für den
behinderten Menschen und nicht für seine Erben geschützt seien. Hinsichtlich der
Verwendung des aus Stiftungsmitteln angesparten Vermögens im Todesfall überwiege
das öffentliche Interesse an einer Erstattung der aus Steuermitteln finanzierten
Sozialhilfeleistungen gegenüber dem Interesse der Erben an einer freien Verfügung
über dieses Vermögen. Hätte der Gesetzgeber das Vermögen, das Leistungsberechtigte
aus den Leistungen der Stiftung angespart haben, auch für die Erben bzw. die nahen
Verwandten als Erben schützen wollen, hätte er die Möglichkeit gehabt, dies
ausdrücklich im StHG festzulegen. Eine solche Regelung finde sich auch nicht in dem
Nachfolgegesetz zur "Conterganstiftung für behinderte Menschen", obwohl
zwischenzeitlich nicht nur vereinzelt leistungsberechtigte Person verstorben sein
dürften. Die Auslegung der Klägerin zu § 13 Nr. 2 StHG sei nicht nachvollziehbar.
Renten würden über den Todestag des Berechtigten hinaus nicht gewährt. In jedem Fall
dürfte lediglich eine Kapitalentschädigung in Betracht gekommen sein. Die Regelung
des § 14 Abs. 5 S. 2 StHG sei beschränkt auf Fälle, in denen Ansprüche auf
Kapitalentschädigung und auf Rentenleistungen im Zeitpunkt des Todes des
Berechtigten bereits fällig geworden seien. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die
Klägerin und ihr damaliger Ehemann wegen der Verwendung der Mittel aus der Stiftung
schon immer ihre eigenen (abweichenden) Vorstellungen gehabt hätten. So sei
nachgewiesen, dass sie bis Ende 1978 einen Betrag von ungefähr 59.000,00 DM nicht
für ihre Tochter verwaltet, sondern selbst verbraucht hätten. Die Eltern hätten sich
jahrelang nicht um ihre Tochter gekümmert und sie auch jahrelang nicht besucht.
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Die Klägerin hat hierzu erwidert, sie könne den genannten Betrag von 59.000,00 DM
nicht bestätigen. Die Investitionen seien im Übrigen der Verstorbenen zu Gute
gekommen, da diese sich regelmäßig im Haushalt der Eltern befunden habe. Insoweit
solle zu bedenken gegeben werden, dass die persönlichen Bedürfnisse der
Verstorbenen auf ein Minimum reduziert gewesen seien. Die Klägerin habe sich um ihre
Tochter gekümmert, insbesondere zahlreiche Urlaube mit dieser verbracht, wobei aber
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ein "Urlaubskontingent" bestanden habe.
Der Senat hat eine Anfrage an die Conterganstiftung für behinderte Menschen in Bonn
gerichtet. Auf den Inhalt der Mitteilung vom 24.10.2006 wird Bezug genommen. Die
Unterlagen der Stiftung F über den Aufenthalt der verstorbenen Hilfebedürftigen hat der
Senat beigezogen. Ebenfalls beigezogen worden sind die Betreuungs- und
Vormundschaftsakten des Amtsgerichts Detmold.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt dieser
Akten, der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten
Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige
Berufung der Klägerin ist unbegründet.
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Das Sozialgericht hat die zulässige (reine) Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) der
Klägerin zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid
vom 09.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2005 nicht
beschwert im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG, da der Beklagte die Klägerin zu Recht
nach Maßgabe des § 92c Abs. 1 Satz 1 BSHG in seiner bis zum 31.12.2004 geltenden
Fassung (vgl. zur Rechtslage seit dem 01.01.2005 die Vorschrift des § 102
Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII), die im Wesentlichen
inhaltsgleich die Regelung des § 92c BSHG übernimmt; vgl. dazu die vergleichende
Betrachtung von Schoenfeld in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 102 Rn.
1) als Erbin ihrer verstorbenen Tochter H auf Kostenersatz in Anspruch nimmt.
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Gemäß § 92c Abs. 1 S. 1 BSHG ist der Erbe des Hilfeempfängers oder seines
Ehegatten, falls dieser vor dem Hilfeempfänger stirbt, zum Ersatz der Kosten der
Sozialhilfe verpflichtet. Die Ersatzpflicht besteht nach § 92c Abs. 1 Satz 2 BSHG nur für
die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren vor dem
Erbfall aufgewendet worden sind und die das Zweifache des Grundbetrages nach § 81
Abs. 1 BSHG übersteigen. Die Haftung ist gemäß § 92c Abs. 2 Satz 2 BSHG auf den
Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses begrenzt ist. Die
selbständige Erbenhaftung setzt zudem voraus, dass die Sozialhilfe dem
Leistungsberechtigten rechtmäßig erbracht worden ist (vgl. etwa Schoenfeldt, a.a.O., Rn.
5 m.w.N. zur verwaltungsgerichtlichen Entsprechung zu § 92c BSHG).
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Die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Klägerin gemäß § 92c BSHG
liegen auch zur Überzeugung des Senats vor.
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I. Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere sind
die Bescheide hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 10.
Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X), wobei es ausreicht,
dass die Bestimmtheit durch den Widerspruchsbescheid erreicht wird (vgl. Engelmann
in von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005, § 33 Rn. 4 m.w.N.) Aus dem Bescheid vom
09.01.2004 ergibt sich insbesondere die Höhe des vom Beklagten geltend gemachten
Kostenersatzes (28.370,42 EUR). Es ist dem Bescheid ebenso unzweifelhaft zu
entnehmen, dass die Klägerin als Erbin in Anspruch genommen wird. Der
Widerspruchsbescheid benennt den Grund der Inanspruchnahme, nämlich die
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Gewährung von Hilfe zur Pflege in Einrichtungen gemäß § 68 BSHG an die Tochter der
Klägerin seit dem 01.01.1997, und damit zugleich den Zeitraum, für den Kostenersatz
geltend gemacht wird. Auch die Ausführungen zur Höhe der an die Hilfebedürftige
geflossenen Sozialhilfeleistungen genügen dem Bestimmtheitsgebot, auch wenn ein
Gesamtbetrag nicht genannt wird. Es ist anhand der Ausführungen im
Widerspruchsbescheid ohne Weiteres nachvollziehbar, dass im maßgeblichen Zeitraum
Sozialhilfeleistungen in einem Umfang erbracht wurden, der weit über den Umfang des
geltend gemachten Kostenersatzes hinausgeht. Angesichts der im
Widerspruchsbescheid aufgeführten Tatsache, dass fortlaufend Hilfe zur Pflege durch
Übernahme der täglichen Pflegekosten erbracht wurde, war eine detailliertere Auflistung
danach, wann und in welcher Höhe die jeweiligen Sozialhilfeleistungen erbracht
wurden (vgl. Schoenfeld, a.a.O., Rn. 25), jedenfalls in diesem konkreten Fall nicht
erforderlich.
II. Die materiellrechtlichen Voraussetzungen des § 92c BSHG liegen vor, wie das
Sozialgericht zu Recht festgestellt hat. Die Klägerin ist "Erbe eines Hilfeempfängers"
i.S.d. § 92c Abs. 1 Satz 1 BSHG. Sie ist gemeinsam mit ihrem geschiedenen Ehemann
Rechtsnachfolgerin ihrer Tochter H, für die der Beklagte unstreitig innerhalb eines
Zeitraums von 10 Jahren vor dem Erbfall, nämlich seit Januar 1997, Kosten der
Sozialhilfe aufgewendet hat. Die Berechnung des Kostenersatzes durch den Beklagten
ist nicht zu beanstanden. Insbesondere wurde der Nachlass um das Zweifache des
Grundbetrages nach § 81 Abs. 1 BSHG, konkret um zweimal 844 EUR, bereinigt. Bei
mehreren Erben ist der Freibetrag auch nur einmal vom Nachlass abzusetzen (vgl.
BVerwG, Urteil vom 26.10.1978 - V C 52.77 = BVerwGE 57, 26-31). Der Nachlass
wurde zudem um bestehende Nachlassverbindlichkeiten in Gestalt der
Bestattungskosten von 4.755,54 EUR gemindert (vgl. Oberverwaltungsgericht ( OVG )
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.04.2001 - 12 A 10133/01 = FEVS 52, 573-576; vgl. auch
Schellhorn/Jirasek/Seipp, 15. Auflage 1997 § 92c Rn. 18; Conradis in LPK-BSHG, 6.
Auflage 2003, § 92c Rn. 15).
40
III. Der Inanspruchnahme nach § 92c Abs. 1 Satz 1 BSHG steht nicht entgegen, dass
das den Nachlass bildende Vermögen aus Leistungen an die Hilfebedürftige nach dem
StHG angespart wurde.
41
1.Zunächst vermag der Senat der Auffassung der Klägerin nicht zuzustimmen, die
Vorschrift des § 92c BSHG sei derart untrennbar mit der Vorschrift über einzusetzendes
Vermögen nach § 88 BSHG verbunden, dass ein Kostenersatz als Erbe nur dann in
Betracht komme, wenn beim Hilfebedürftigen danach ein Schonvermögen zu
berücksichtigen war, das dem Erben ausgehend von der Zielrichtung des § 92c BSHG
(vgl. etwa Conradis, a.a.O., § 92c Rnr. 1) nicht zugute kommen solle. Dabei verkennt der
Senat nicht, dass der Gesetzgeber ausweislich der amtlichen Gesetzesbegründung
(abgedruckt bei Mergler/Zink, BSHG, 4. Auflage, 31. Lfg., Stand Januar 2002, § 92c Rn.
4ff.), die ausdrücklich unter Verweis auf die Bestimmung des § 88 BSHG ausführt, es
erscheine nicht gerechtfertigt, dass den "Erben der Hilfeempfänger, besonders
denjenigen, die dem Hilfeempfänger nicht nahegestanden haben, nur deshalb zu
Lasten der Allgemeinheit Vermögen zuwachse, weil dem Hilfeempfänger und seinen
nächsten Angehörigen selbst die Verwertung dieser Vermögen nicht zugemutet worden
ist".
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Der Gesetzgeber hat aber auf eine konkrete, dem Gesetzeswortlaut zu entnehmende
Verknüpfung mit den Vorschriften über das Schonvermögen verzichtet. Der Wortlaut des
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§ 92c Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BSHG regelt vielmehr generell eine Ersatzpflicht des Erben
mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses, ohne danach zu
differenzieren, aus welchem (rechtmäßigem, s.o.) Grund der Sozialhilfeträger dem
Hilfeempfänger die Verwertung des Vermögens nicht auferlegen durfte.
Die Konstellation, dass wegen der Vorschrift des § 88 BSHG geschütztes Vermögen
nicht einzusetzen war, stellt sich daher lediglich als vom Gesetzgeber bei Schaffung des
§ 92c BSHG zu Grunde gelegter Regelfall dar. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass
der Gesetzgeber Konstellationen mit vergleichbarer Interessenlage nicht erfassen
wollte. Das gesetzgeberische Ziel einer umfassenden Refinanzierung der Sozialhilfe,
wenn kein Grund für eine Privilegierung der Erben nicht gegeben ist, rechtfertigt eine im
Wortlaut der Norm nicht angelegte restriktive Auslegung nicht.
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2.Sinn und Zweck der Vorschrift des § 92c BSHG stehen dessen Anwendung im
vorliegenden Fall auch nicht deshalb entgegen, weil der Vermögensschutz oder
Anrechnungsschutz gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 StHG neben dem Hilfeempfänger auch
dessen Erben erfasste (vgl. Conradis, a.a.O., § 92c Rn. 2: " wenn das Schonvermögen
des Hilfeempfängers in gleicher Weise und in gleichem Umfang auch Schonvermögen
des Erben ist"). Entgegen der Auffassung der Klägerin lassen sich dem StHG keine
Regelungen entnehmen, die auch nur ansatzweise eine gesetzgeberische Absicht
dahingehend erkennen ließe, Leistungen nach dem StHG auch nach dem Tode der
eigentlichen Berechtigten für dessen Erben zu schützen. Leistungen nach dem StHG
sollten den Leistungsberechtigten zwar über die in anderen Gesetzen vorgesehenen
Leistungen hinaus gewährt werden (BT-Drs. VI/926, S. 6), § 21 Abs. 1 Satz 2 StHG
somit sicherstellen, dass die Leistungen nach diesem Gesetz zusätzlich erbracht
werden und den Berechtigten ungeschmälert zugute kommen (BT-Drs. VI/926, S. 7). Mit
dem Tod des Leistungsberechtigten kann jedoch der in § 2 StHG enthaltene
Stiftungszweck, Benachteiligten und Behinderten Entwicklungschancen in Beruf und
Gesellschaft zu eröffnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.08.1992 - 5 C 2.88 = FEVS 43,
353-358) nicht mehr erreicht werden. Ausdrücklich ist im Rahmen der Bestimmung des
Stiftungszwecks im Übrigen von "Leistungen an Behinderte" (§ 2 Nr. 1 StHG) und der
Eingliederung von Behinderten in die Gesellschaft die Rede. Insbesondere die
Vorschriften des § 13 Nr. 2 StHG und des § 14 Abs. 5 StHG rechtfertigen entgegen der
Auffassung der Klägerin nicht den Schluss, der Gesetzgeber habe auch die Erben der
eigentlichen Leistungsberechtigten (Behinderten) privilegieren wollen. § 13 Nr. 2 StHG
regelt erkennbar den Ausnahmefall von Leistungen an Eltern von zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens des Gesetzes bereits verstorbenen Kindern. Leistungen nach dieser
Vorschrift sind nach Art und Umfang durch die Vorschrift des § 15 StHG von vornherein
auf Beihilfen beschränkt. Gemäß § 14 Abs. 5 Satz 2 StHG sind die Leistungen an die
Behinderten allenfalls insoweit vererblich, als sie im Zeitpunkt des Todes des
Berechtigten bereits fällig geworden sind. Gerade die genannten Vorschriften
verdeutlichen die untrennbare Verknüpfung der mit dem StHG verfolgten Ziele mit der
Person des Behinderten im Sinne des § 2 Nr. 1 StHG.
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Es ist erkennbar keine Sachlage gegeben, die derjenigen entspräche, in der
Schonvermögen des Hilfeempfängers zugleich solches der Erben wäre (vgl. hierzu
auch VGH München, Urteil vom 26.07.1993 -12 B 90.3525 = NJW 1994, 275f.).
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3. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, eine Heranziehung zum Kostenersatz
scheide aus, weil ihre Tochter in der Weise über ihr Vermögen verfügt habe, dass sie es
für ihre Eltern angespart habe, vermag der Senat die Argumentation bereits vom Ansatz
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her nicht nachzuvollziehen. Es liegt gerade keine Verfügung der Hilfeempfängerin zu
ihren Lebzeiten vor; eine solche wäre ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts
ohnehin kaum möglich gewesen.
4.Schließlich ist die Inanspruchnahme der Klägerin gemäß § 92c BSHG auch nicht
gemäß dessen Abs. 3 ausgeschlossen. Insbesondere bedeutet die Inanspruchnahme
nach der Besonderheit des Einzelfalles keine besondere Härte im Sinne von § 92c Abs.
3 Nr. 3 BSHG. Eine besondere Härte kann nur in atypischen Fällen mit
Ausnahmecharakter angenommen werden (Conradis, a.a.O., § 92c Rn. 13). Dabei sind
schon nach dem Wortlaut der Norm die Besonderheiten des Einzelfalls in den Blick zu
nehmen.
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Der Senat verkennt nicht, dass die Klägerin ihre schwerstbehinderte Tochter annähernd
bis zur Vollendung ihres siebten Lebensjahres zu Hause gepflegt hat. Danach war die
Hilfebedürftige jedoch stationär untergebracht. Unstreitig ist auch, dass die Klägerin
insbesondere seit Übernahme der Betreuung ihrer Tochter regelmäßig und wiederholt
Urlaube mit dieser verbracht hat. Andererseits kann nicht außer Betracht bleiben, dass
erhebliche Anteile aus den Leistungen der Stiftung von der Klägerin und ihrer Familie
für persönliche Bedürfnisse verwandt wurden, wobei vielfach keinerlei
Übereinstimmung mit Interessen der Hilfebedürftigen selbst ersichtlich war. Dabei kann
letztlich dahinstehen, in welchem Umfang ohne Kenntnis des Vormundschaftsgerichts
Verfügungen zu Lasten des Vermögens der Hilfebedürftigen von welchem
Familienmitglied erfolgten. Nach dem Inhalt der beigezogenen Betreuungs- und
Vormundschaftsakten des Amtsgerichts Detmold und den darin enthaltenen
Erklärungen der Klägerin und ihres geschiedenen Ehemanns steht zweifelsfrei fest,
dass entsprechende Verfügungen in nicht unerheblichem Umfang erfolgten. Die Eltern
haben tatsächlich bereits von den Leistungen der Stiftung profitiert, obwohl ihnen die
Freibetragsregelung des § 92c Abs. 3 Nr. 2 BSHG nicht zugute hätte kommen können.
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Im Übrigen ergeben sich aus den beigezogenen Verwaltungsakten der stationären
Einrichtung sowie den Akten des Amtsgerichts Detmold Anhaltspunkte dafür, dass
weder die Klägerin noch ihr geschiedener Ehemann in einem dauernden und engen
Kontakt zu ihrer Tochter standen. Wiederholt hielten es der zeitweise Vormund F und
auch Vertreter der Pflegeeinrichtung für erforderlich, darauf hinzuweisen, dass die Eltern
aus ihrer Sicht in nur unzureichendem Maße ihrer Verantwortung gegenüber ihrer
Tochter gerecht würden.
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Auch unter Berücksichtigung der mit der Geburt der schwerstbehinderten Tochter
verbundenen Belastungen für die Klägerin und ihre Familie und der nachvollziehbar
besonderen psychischen Belastung aufgrund des Umstandes der Einnahme des
Schlafmittels Contergan durch die Klägerin während der Schwangerschaft ist nach
alledem nicht von einer besonderen Härte durch die Inanspruchnahme zum
Kostenersatz auszugehen. Insbesondere liegt keine Konstellation vor, die der in § 92c
Abs. 3 Nr. 2 BSHG vergleichbar wäre (vgl. hierzu Schaefer in Fichtner/Wenzel, BSHG,
2. Auflage 2003, § 92c Rn. 14 unter Hinweis auf die Begründung des
Regierungsentwurfs des 2. ÄndG; vgl. auch Schoenfeld, a.a.O., Rn. 14).
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Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
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Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 160
Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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