Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26.06.2007

LSG NRW: kunst und kultur, anrechenbares vermögen, einkünfte, portugal, miteigentumsanteil, immobilie, verfügung, ferienhaus, vermietung, konzert

Landessozialgericht NRW, L 20 B 100/07 AS ER
Datum:
26.06.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 20 B 100/07 AS ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Detmold, S 21 AS 83/07 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Detmold vom 30.04.2007 wird zurückgewiesen. Kosten
sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
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Die zulässige Beschwerde der Antragsteller vom 22.05.2007, der das Sozialgericht
nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 22.05.2007), ist unbegründet.
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Das Sozialgericht hat es mit dem angefochtenen Beschluss zu Recht abgelehnt, die
Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, den Antragstellern Leistungen nach dem
Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu gewähren. Der Senat macht sich zunächst
die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses nach eigener Überprüfung zu eigen
(§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG). Die Beschwerdebegründung rechtfertigt eine abweichende
Entscheidung nicht.
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Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Sozialgericht die der Antragstellerin
zu 2) zur Verfügung stehende Violine von Hieronymus und Antonius Amati, die bis zur
endgültigen Tilgung des von der Stiftung Kunst und Kultur des Landes NRW gewährten
Darlehens im (Sicherungs-) Eigentum des Darlehensgebers verbleibt, nicht als
anrechenbares Vermögen berücksichtigt hat. Hierauf kommt es angesichts der übrigen
Vermögenswerte auch nicht an. Hierbei ist zunächst der Miteigentumsanteil des
Antragstellers zu 1) an einer Immobilie in Portugal als Vermögen zu berücksichtigen.
Der Antragsteller zu 1) hat den Wert dieser Immobilie wiederholt mit etwa 200.000 EUR
angegeben. Insbesondere ist ein entsprechender Wert auch im Rahmen eines
Scheidungsverfahrens vom Antragsteller zu 1) und seiner geschiedenen Ehefrau
einvernehmlich zu Grunde gelegt worden. Die Antragsteller haben auch mit der
Beschwerdebegründung keine nachvollziehbaren Ausführungen dazu gemacht, warum
eine Verwertung oder Belastung des Miteigentumsanteils ausscheiden sollte. Die
Behauptung, es sei ihm vertraglich verwehrt, seinen Miteigentumsanteil zu veräußern,
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hat der Antragsteller zu 1) nicht belegt. Die aktuellen Eigentumsverhältnisse sind nicht
einmal hinreichend nachgewiesen worden. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass
lediglich abstrakt von weiteren "Besitzern" die Rede ist, wohingegen bisher lediglich ein
Miteigentumsanteil der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers 1) bekannt war. Der
vom Sozialgericht zu Grunde gelegte Wert von 73.659,52 EUR allein steht der Annahme
von Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II entgegen. Die vom Antragstellers
zu 1) aufgeworfene Frage, ob eine notarielle Schenkungsurkunde über seinen
Miteigentumsanteil an seinen Sohn weiterhelfen könne, lässt der Senat der offenbaren
rhetorischen Qualität wegen schon deshalb unbeantwortet, weil auch eine Übertragung
an den zur Bedarfsgemeinschaft zu zählenden Sohn an der rechtlichen Qualifikation als
zu berücksichtigendes Vermögen nichts änderte.
Daher konnte dahinstehen, inwieweit der von einem Konto der Antragstellerin zu 2) bei
der G-bank über das Girokonto der Antragstellerin zu 2) an ihre Mutter abzüglich eines
Betrages von 2000 EUR überwiesene Betrag von 26.821,58 EUR als Vermögen der
Antragsteller zu berücksichtigen ist (zur verdeckten Treuhand, s. BSG, Urteil vom
24.05.2006, B 11a AL 7/05 R).
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Auch insoweit bestehen derzeit aber erhebliche Zweifel an einem fremdnützigen
Treuhandverhältnis.
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Die Antragsteller haben von der vom Senat eingeräumten Möglichkeit der weiteren
Glaubhaftmachung nicht Gebrauch gemacht. Insbesondere ist nicht wie erbeten, eine
aktuelle Vermögensaufstellung verbunden mit der eidesstattlichen Versicherung (auch
der Antragstellerin zu 2) des Nichtvorhandenseins weiterer Vermögenswerte zu den
Gerichtsakten gereicht worden. Auch sind nicht, wie nachgefragt, Kontoauszüge der
letzten vier Monate übersandt worden, sondern lediglich ein Kontoauszug hinsichtlich
der Kontobewegungen eines Kontos der Antragstellerin zu 2) bei der Stadtsparkasse Q
für den Zeitraum 29.5. bis 01.06.2007. Hieraus ist im Übrigen ersichtlich, dass die
Antragstellerin zu 2) über Einkünfte aus Geigenunterricht verfügt (im genannten
Zeitraum zumindest 180,70 EUR). Darüber hinaus ist ein Honorar für ein Konzert am
06.03.2007 überwiesen worden. Eine nachvollziehbare Aufstellung über die Einkünfte
der Antragsteller zu 2) ist bisher nicht vorgelegt worden.
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Der überreichte Kontoauszug wirft daher mehr Fragen auf, als er beantwortet.
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In einem Hauptsacheverfahren wird darüber hinaus der Frage nachzugehen sein,
welche Einkünfte aus der Vermietung der Immobilie in Portugal als Ferienhaus zu
verzeichnen sind. Für den Senat nicht nachvollziehbar ist angesichts umfangreicher
Bewerbung des Hauses auf einschlägigen Internetportalen die Aussage des
Antragstellers zu 1), es handele sich nicht um ein Ferienhaus.
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Ist nach alledem ein Anordnungsanspruch, das heißt das Bestehen eines
materiellrechtlichen Anspruchs auf die begehrte Leistung, nicht glaubhaft gemacht,
bleibt festzustellen, dass auch ein Anordnungsgrund (das heißt eine besondere, den
Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung rechtfertigende Eilbedürftigkeit) durch
die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht worden ist. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass
den Antragstellern der Verlust ihrer Wohnung in Q, Vermieterin ist die im selben Hause
wohnende Mutter der Antragstellerin zu 2), droht.
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Inwieweit der vorgelegte Mietvertrag etwa hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung
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eines Mietzins es überhaupt umgesetzt wird, kann dahinstehen. Dies gilt auch für den
Umstand, dass sich die Antragsteller nach eigenen Angaben bis zum 05.08.2007 in
Portugal befinden. Auch das prozessuale Verhalten der Antragsteller lässt zur
Überzeugung des Senats nicht erkennen, dass die Antragsteller, die nach eigener
Einlassung nicht beabsichtigten, " einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II zu
stellen", selbst von einer Eilbedürftigkeit der Angelegenheit ausgehen. So haben sie auf
den vom Sozialgericht erteilten Hinweis zu den Erfolgsaussichten des Eilantrages mit
gerichtlicher Verfügung vom 22.03.2007 trotz zweimaliger Erinnerung bis zur
Beschlussfassung am 30.04.2007 nicht reagiert.
Die Antragsteller selbst hätten es zur Überzeugung des Senats zukünftig in der Hand,
ggf. nach Rückkehr aus Portugal Hilfebedürftigkeit durch vollständige Offenlegung ihrer
Einkünfte und Vermögen glaubhaft zu machen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
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