Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.06.2007

LSG NRW: notlage, geldleistung, sachleistung, darlehen, hauptsache, deckung, berechtigung, sperrung, rechtskraft, zivilprozessordnung

Landessozialgericht NRW, L 19 B 82/07 AS ER
Datum:
29.06.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 19 B 82/07 AS ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 27 AS 95/07 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Dortmund vom 23.04.2007 werden zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
1
Die Antragsgegnerin gewährt dem Antragsteller Grundsicherungsleistungen nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seinen Antrag, aufgelaufene Schulden
gegenüber seinem Energielieferanten in Höhe von 350,50 EUR zu übernehmen, lehnte
die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21.02.2007 ab.
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Den Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin vorläufig im Wege des
einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, die Forderung der Stadtwerke J GmbH in
Höhe von 350,50 EUR zu übernehmen, hat das Sozialgericht Dortmund unter
gleichzeitiger Versagung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 23.04.2007
abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Antragsteller fehle ein
Anordnungsanspruch, weil die Stromkosten durch die Regelleistungen abgegolten
würden, so dass der Antragsteller keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf
Gewährung von Stromkosten geltend machen könne.
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Die dagegen eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
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Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur
Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b
Abs. 2 S. 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO). Daran fehlt es hier.
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Stromkosten sind grundsätzlich mit der Regelleistung nach § 20 SGB II abgegolten (vgl.
Lang in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, § 20 Rn 29, 66). Daneben bestimmt
§ 22 Abs. 5 S. 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGB II und
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anderer Gesetze vom 24.03.2006 (BGBl. I S. 558), dass, sofern Leistungen für
Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden können,
soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren
Notlage gerechtfertigt ist. Dies umfasst auch die Übernahme von
Energiekostenrückständen, wenn die faktische Unbenutzbarkeit der Wohnung wegen
der Sperrung der Energiezufuhr droht (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 22 Rn 116
m.w.N.). Letzteres hat der Antragsteller jedoch nicht glaubhaft gemacht, da er bisher
ergänzende Zahlungsvereinbarungen mit seiner Energielieferantin getroffen hat. Das
von dem Antragsteller vorgelegte Schreiben der Stadtwerke J GmbH vom 26.02.2007
enthält auch lediglich den allgemeinen Hinweis, das die Berechtigung zur
Lieferungseinstellung bei Nichteinhaltung des Zahlungsziels bestehe. Dass seitdem
Umstände eingetreten sind, die die Annahme einer Notlage im Sinne des § 22 Abs. 5 S.
1 SGB II rechtfertigen könnten, hat der Antragsteller nicht dargelegt.
Aus § 23 Abs. 1 SGB II, wonach, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen
umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des
Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 noch auf andere
Weise gedeckt werden kann, die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis dem
Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung bringt und dem Hilfebedürftigen ein
entsprechendes Darlehen gewährt, kann der Antragsteller die begehrte Verpflichtung
nicht herleiten. Die Übernahme von Schulden, die infolge mangelnder
Abschlagzahlungen entstanden sind, dienen nicht der Deckung eines unabweisbaren
Bedarfs im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II (vgl. Münder in LPK - SGB II, 2. Aufl., § 23
Rn 8 m.w.N.). Daher hat der Antragsteller schon keinen Anordnungsanspruch, d.h. ein
durchsetzbares Recht gegenüber der Antragsgegnerin, glaubhaft gemacht. Ebenso
wenig ist erkennbar, dass ohne die begehrte gerichtliche Entscheidung dem Kläger
Nachteile drohen, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr revidiert
werden könnten. Daher fehlt es auch an dem erforderlichen Anordnungsgrund.
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Da das Begehren des Antragstellers daher keine Aussicht auf Erfolg bietet, hat das
Sozialgericht auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt (§ 73a
SGG i.V.m. § 114 ZPO).
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Die Beschwerden waren daher mit der auf einer entsprechenden Anwendung des § 193
SGG und § 127 Abs. 4 ZPO beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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