Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.11.2007

LSG NRW: asthma bronchiale, versorgung, abgrenzung, heilmittel, behinderung, krankenversicherung, beschäftigungstherapie, anschluss, leistungsanspruch, begriff

Landessozialgericht NRW, L 11 KR 21/07
Datum:
28.11.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 11 KR 21/07
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 44 (13) KR 357/05
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund
vom 23.01.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind
auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für allergendichte bzw. antiallergene
Matratzen-, Kissen- und Oberbettzwischenbezüge.
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Der Kläger ist im Jahre 2002 geboren und bei der Beklagten im Rahmen der
Familienversicherung leistungsberechtigt. Unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung
des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin M vom 19.08.2005 beantragte er bei der
Beklagten die Anschaffung von allergendichten Zwischenbezügen. Er leide vor dem
Hintergrund einer nachgewiesenen Sensibilisierung gegen Hausstaubmilben an einem
Asthma bronchiale. Diese Bezüge reduzierten nachweislich die Allergenexposition.
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Mit Bescheid vom 30.08.2005 und Widerspruchsbescheid vom 22.11.2005 lehnte die
Beklagte den Antrag ab, weil antiallergene Bettwäsche und Bezüge als
Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens nicht zur Leistungspflicht der
gesetzlichen Krankenkasse gehörten.
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Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben und vorgetragen, dass es sich bei den
begehrten Bezügen um Zwischenbezüge handele, die über die Matratze, das
Kopfkissen und die Bettdecke gezogen würden. Darüber hinaus würde aber noch ganz
normale Bettwäsche gezogen, was deutlich mache, dass zwar die normale Bettwäsche,
nicht aber die allergendichten bzw. antiallergenen Zwischenbezüge allgemeine
Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens seien.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.08.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005 zu verurteilen, die Kosten für die Anschaffung
eines allergendichten bzw. antiallergenen Matratzen-, Kissen- und
Oberbettzwischenbezuges von insgesamt 251,85 Euro zu übernehmen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat auf die Begründung der angefochtenen Bescheide verwiesen.
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Mit Urteil vom 23.01.2007 ohne mündliche Verhandlung hat das Sozialgericht die Klage
abgewiesen, weil die Beklagte es zu Recht abgelehnt habe, die Kosten für die
Anschaffung eines allergendichten bzw. antiallergenen Matratzen-, Kissen- und
Oberbettzwischenbezuges zu übernehmen.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Versorgung mit Hilfsmitteln der
streitbefangenen Art. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf
Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen
Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu
sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung
auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des
täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die
Voraussetzungen dieser als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommenden
gesetzlichen Vorschrift sind nicht erfüllt. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei
den streitbefangenen Zwischenbezügen um allgemeine Gebrauchsgegenstände des
täglichen Lebens handelt. Jedenfalls sind solcherlei Zwischenbezüge nicht erforderlich
im Sinne der soeben wiedergegebenen gesetzlichen Vorschrift. Vielmehr ist es als
allgemeinkundig anzusehen, dass angesichts der allergologischen Befundlage im Falle
des Klägers einer entsprechenden Allergenbelastung durch waschbares Bettzeug (=
Kopfkissen und Oberbett) sowie eine Matratze mit ent- sprechend waschbarem Überzug
hinreichend zu begegnen ist. Solcherlei Produkte sind bei 60°C (teilweise sogar bis
95°C) waschbar. Diese Produkte sind ebenso wie entsprechendes Waschmittel
durchaus von universeller Funktion, weit verbreitet und handelsüblich, wobei sie
mittlerweile nicht nur in Waren- und Versandhäusern, sondern sogar bei diversen
Discountern zu äußerst günstigen Preisen käuflich erworben werden können. Vor
diesem tatsächlichen Hintergrund handelt es sich immerhin bei diesen Produkten
unzweifelhaft um allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, die
ihrerseits deswegen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V ausdrücklich von der Leistung im
Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind.
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Schließlich kommen allergendichte bzw. antiallergene Matratzen-, Kissen- und
Oberbettzwischenbezüge wegen ihrer Sacheigenschaft bereits begrifflich nicht als
Heilmittel im Sinne von § 32 SGB V in Betracht, so dass eine Leistungspflicht der
Beklagten unter diesem rechtlichen Gesichtpunkt per se ausscheidet. Heilmittel in
diesem Sinne sind ausschließlich alle ärztlich verordneten Dienstleistungen - in exakter
Abgrenzung von allen ärztlich verordneten Sachen -, die einem Heilzweck dienen oder
einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht
werden dürfen, wozu insbesondere Maßnahmen der physikalischen Therapie sowie der
Sprach- und Beschäftigungstherapie gehören (vgl. zu dieser in der neueren
höchstrichterlichen Rechtsprechung erfolgten Klarstellung der Begrifflichkeit
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Anfragebeschluß des 3. Senats des BSG vom 16.09.1999, Az. B 3 KR 2/99 B, sowie
Antwortbeschluss des 1. Senats des BSG vom 08.02.2000, Az. B 1 KR 3/99 S, sowie im
Anschluss an dieses abgeschlossene Anfrageverfahren ergangene Urteile des BSG
etwa vom 30.01.2001, Az. B 3 KR 6/00 R, und 05.07.2005, Az. B 1 KR 12/03 R, jeweils
in Abgrenzung bzw. unter Aufgabe der noch etwa in den Urteilen des BSG vom
10.05.1995, Az. 1 RK 18/94, und 18.01.1996, Az. 1 RK 8/95, verwandten älteren
unzutreffenden Begrifflichkeit, die nicht mit der bereits im Schrifttum und in der
Verwaltungspraxis verwandten zutreffenden zu vereinbaren war; zur Historie dieses
gesamten Problembereichs vgl. etwa Höfler, in: Kasseler Kommentar § 32 SGB V
Rdnrn. 6 f.).
Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Kläger eingelegte Berufung. Diese begründet er
damit, die antiallergenen Zwischenbezüge seien angesichts seiner Erkrankung ein
notwendiges Hilfsmittel.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.01.2007 abzuändern und nach dem
Klageantrag zu erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Weitere Einzelheiten, auch des
Vorbringens der Beteiligten, ergeben sich aus den Prozessakten und den
Verwaltungsakten der Beklagten, auf die Bezug genommen wird.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom
23.01.2007 ist kraft ihrer Zulassung im angefochtenen Urteil zulässig, aber unbegründet.
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Das Sozialgericht hat darin zu Recht die Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom
23.08.2005 und 22.11.2005 abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
Versorgung mit allergendichten bzw. antiallergenen Matratzen-, Kissen- und
Oberbettzwischenbezügen. Das hat das Sozialgericht zu Recht entschieden. Wegen der
weiteren Einzelheiten nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden
Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug, weil er die Berufung aus diesen
Gründen zurückweist.
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Der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage der
medizinischen Notwendigkeit der Versorgung des Klägers mit den Zwischenbezügen
bedarf es nicht. Auf diese Frage kommt es nicht an, weil sich unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt ein Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten ergeben kann. Solche
Zwischenbezüge fallen nicht unter den Begriff des Heilmittels im Sinne des § 32 SGB V,
weil davon nur ärztlich verordnete Dienstleistungen erfasst sind. Als Hilfsmittel sind
diese Zwischenbezüge von der Leistungspflicht gemäß § 33 SGB V ausgeschlossen,
weil sie allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind. Dies trifft
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sowohl auf Matratzen, Bettdecken und Kissen selbst als auch auf Matratzenbezüge,
Bettbezüge und Kissenbezüge zu und erfasst auch weitere Bezüge, die dazwischen
gezogen werden.
Diese Abgrenzung hat das Sozialgericht zutreffend im angefochtenen Urteil
vorgenommen. Es hat auch die Entwicklung der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts gründlich und zutreffend dargestellt. Dem schließt sich der Senat
an. Die vom Sozialgericht für die Zulassung der Berufung bezogene Entscheidung des
LSG NRW vom 24.03.2006 gibt keinen Anlass, nach Klärung der Rechtsfragen durch
das Bundessozialgericht weitere Erörterungen hinzuzufügen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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