Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.06.2009

LSG NRW: notlage, gefährdung, verfügung, form, ausnahme, zivilprozessordnung, hauptsache, ernährung, rechtskraft, belastung

Landessozialgericht NRW, L 19 B 114/09 AS ER
Datum:
22.06.2009
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 19 B 114/09 AS ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 40 AS 54/09 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.04.2009 wird zurückgewiesen. Kosten
des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Prozesskostenhilfe
für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
1
Die Antragsgegnerin gewährte dem Antragsteller, der nach einer Bescheinigung seines
behandelnden Arztes an Hyperlipidämie und Hyperuricämie leidet und daher auf
lipidsenkende und purinreduzierte Kost angewiesen ist, seit dem 01.01.2005
Grundsicherungsleistungen für Erwerbsfähige nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch - SGB II - zunächst ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen
kostenaufwendiger Ernährung und ohne Bewilligung von Heizkosten mangels
entsprechenden Nachweises der Belastung entsprechender Aufwendungen. Einen
Mehrbedarf wegen der Krankenkost erkannte die Antragsgegnerin rückwirkend zum
01.01.2005 zunächst in Höhe von 35,79 EUR monatlich und ab dem 01.06.2007 in
Höhe von 30,68 EUR an. Heizkosten übernahm sie nach entsprechendem Nachweis ab
dem 01.07.2007 in Höhe der monatlichen Vorauszahlungen. Der Antragsteller rügte die
Gewährung eines zu geringen Betrages wegen seiner krankheitsbedingten
Mehraufwendungen sowie die Nichtübernahme seiner Heizkosten im Zeitraum
01.01.2005 bis zum 30.06.2007, die er mit insgesamt 783,28 EUR bezifferte.
2
Am 23.12.2008 beantragte der Antragsteller im Hinblick hierauf die Überprüfung
sämtlicher Leistungsbescheide aus den Jahren 2005 bis 2007.
3
Am 23.03.2009 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf die
Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihm einen Barscheck in Höhe von 100,-
EUR auszustellen und seinen Überprüfungsantrag umgehend zu bescheiden.
4
Mit Beschluss vom 07.04.2009 hat das SG den Antrag abgelehnt, weil im Wesentlichen
eine Nachzahlung begehrt werde, so dass nicht erkennbar sei, inwieweit die
5
Nichterbringung der Leistungen gegenwärtig die Existenz des Antragstellers bedrohen
könne oder ihm die Vernichtung seiner Lebensgrundlage drohe.
Die dagegen gerichtete Beschwerde ist zulässig. Der Senat sieht in dem Begehren des
Antragstellers auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bescheidung seines
Überprüfungsantrags gleichzeitig das Verlangen auf vorläufige Zahlungsverpflichtung
der Antragsgegnerin bezüglich der aus seiner Sicht zu Unrecht nicht bewilligten
Leistungen für Heizung und krankheitsbedingten Ernährungsmehraufwand, so dass die
erforderliche Beschwer von mehr als 750,- EUR (§§ 172 Abs. 3 Nr. 1, 144 Abs. 1 S. 1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz - SGG)erreicht wird.
6
Die Beschwerde ist aber nicht begründet.
7
Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines
vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine
solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Anordnungsanspruch - ein in der Hauptsache durchsetzbarer Rechtsanspruch - und
Anordnungsgrund - Eilbedürftigkeit der Entscheidung - sind glaubhaft zu machen (§ 86 b
Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).
8
Letzterer fehlt grundsätzlich, wenn die Gewährung von Sozialleistungen für
zurückliegende Zeiträume beantragt wird (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl.
z.B. Beschl. v. 05.11.2008 - L 19 B 95/08 AS ER -; Düring in Jansen, Kommentar zum
SGG, 3. Aufl., § 86 b Rn 29 m.w.N.; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
SGG, 9. Aufl., § 86 b Rn 28; Berlit, info also 2005, 3,10f). Im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren sollen nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die
zur Behebung einer aktuellen, d.h. gegenwärtig noch bestehenden Notlage erforderlich
sind (allgemeine Auffassung, vgl. z.B. LSG Hamburg, Beschl. v. 04.03.2005 - L 3 B
43/05 ER SO und L 5 B 117/05 ER AS). Nur ausnahmsweise, wenn die
Nichtgewährung der begehrten Leistungen in der Vergangenheit noch in die Gegenwart
fortwirkt und infolgedessen eine aktuelle Notlage besteht, kann von diesem Grundsatz
eine Ausnahme gemacht werden (OVG Lüneburg, NJW 2002, 841; Düring a.a.O.). Zwar
behauptet der Antragsteller, sich in einer permanenten Notlage infolge unzureichender
Leistungsgewährung durch die Antragsgegnerin zu befinden, dies ist im Bezug auf die
streitigen Leistungen aber nicht glaubhaft.
9
Die Heizkosten hat der Antragsteller in der Vergangenheit getragen und sich erst nach 2
½ Jahren auf die unzureichende Leistungsbewilligung diesbezüglich gegenüber der
Antragsgegnerin berufen. Daher ist weder eine Gefährdung seines Mietverhältnisses
infolge der Nichtübernahme der Heizkosten für den Zeitraum Januar 2005 - Juni 2007
plausibel, noch sind infolgedessen sonstige wesentliche Nachteile, die eine vorläufige
Verpflichtung der Antragsgegnerin rechtfertigen könnten, ersichtlich.
10
Auch seinen Nahrungsbedarf hat der Antragsteller in der Vergangenheit gedeckt, ohne
dass er vorträgt, er habe mangels ausreichender Leistungen durch die Antragsgegnerin
Schuldverpflichtungen eingehen müssen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine
Gefährdung seines Lebensunterhalts mit sich bringen könnten.
11
Soweit der Antragsteller schließlich 100,- EUR in Form eines Barschecks begehrt, fehlt
jeglicher Vortrag, zu welchem Zweck diese Leistung begehrt wird, so dass auch
insoweit ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht ist.
12
Die Beschwerde ist daher mit der auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG
beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
13
Da die Beschwerde nach Vorstehendem keine Aussicht auf Erfolg bietet, sind auch die
Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 73 a Abs. 1 SGG i.V.m.
§ 114 ZPO) nicht erfüllt.
14
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
15