Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10.01.2000

LSG NRW: juristische person, körperschaft, krankenversicherung, anwaltskosten, vertretung, verfahrenskosten, sozialeinrichtung, verwaltungsverfahren, öffentlich, informationsstand

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Landessozialgericht NRW, L 10 B 22/99 P
10.01.2000
Landessozialgericht NRW
10. Senat
Beschluss
L 10 B 22/99 P
Sozialgericht Aachen, S 13 P 140/98
Pflegeversicherung
rechtskräftig
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts
Aachen vom 17.11.1999 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die
außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Beschwerdeverfahren.
Gründe:
Streitig war die Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe I aus der
Pflegeversicherung.
Mit Bescheid vom 02.06.1997 hat die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB) -
Körperschaft des Öffentlichen Rechts - Pflegebedürftigkeit nach Stufe I seit 01.04.1997
festgestellt. Unter dem 17.08.1998 hat sie dem Kläger mitgeteilt, der medizinische Dienst
der privaten Pflegeversicherung habe bei seiner Wiederholungsuntersuchung vom
31.07.1998 festgestellt, daß der notwendige Hilfebedarf weder das Maß der Stufe II noch
das der Stufe I erreiche. Mit Ablauf des 31.07.1998 würden die Leistungen eingestellt. Den
Einspruch des Klägers hat die KVB - wiederum mit dem Zusatz Körperschaft des
öffentlichen Rechts - mit Bescheid vom 29.09.1998 zurückgewiesen.
Die Klage vom 06.11.1998 hat der Kläger gegen die Krankenversorgung der
Bundesbahnbeamten, Körperschaft des öffentlichen Rechts, vertreten durch den Vorstand,
gerichtet. Mit Schriftsatz vom 07.12.1998 hat die Beklagte beantragt, das Passivrubrum
dahin zu ändern, daß sich die Klage richten muß gegen "Die Gemeinschaft Privater
Versicherungsunternehmen, Bayenthalgürtel 26, 50968 Köln, vertreten durch die
Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten." Nach Einholung eines für ihn negativen
Gutachtens hat der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung vom 28.09.1999
zurückgenommen.
Die Beklagte hat Kostenantrag gestellt.
Sie hat die Auffassung vertreten, die KVB sei eine betriebliche Sozialeinrichtung des
Bundeseisenbahnvermögens; zur Erfüllung der Aufgaben der privaten Pflegeversicherung
sei sie der Gemeinschaft privater Versicherungsunternehmen (GPV) in der Rechtsform
einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vertreten durch den Verband der privaten
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Krankenversicherung e.V. Köln, angeschlossen und gemäß Vereinbarung mit der GPV
vom 10.11./05.12.1994 legitimiert als Bevollmächtigte in Streitfällen aufzutreten. Die
Verfahrenskosten seien dem Kläger unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und
Streitstandes nach billigem Ermessen aufzuerlegen. Die Kosten der Beklagten seien zur
zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen; daher müsse der Kläger
gem. § 193 Abs. 3 SGG die Kosten in Höhe der notwendigen Auslagen eines Anwalts
erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
dem Kläger die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
Der Kläger hat beantragt,
den Kostenantrag der Beklagten zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 17.11.1999 hat das Sozialgericht entschieden, daß die Beteiligten
außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten haben. Ein Kostenanspruch der GPV bestehe
nicht, da ihr keine außergerichtlichen Kosten, insbesondere auch keine Anwaltskosten,
entstanden seien. Zwar sei die KVB nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Vereinbarung vom
10.11./05.12.1994 bei der Durchführung einer Aufgabe aus dem
Pflegeversicherungsleistungswesen verpflichtet, als bevollmächtigte Vertreterin der GPV
aufzutreten, sie sei allerdings nicht verpflichtet, eine Anwaltskanzlei mit der
Prozeßvertretung zu beauftragen. Im Verhältnis zu den beauftragen Anwälten sei allein die
KVB Kostenschuldner. Sie könne diese Kosten nicht auf die GPV abwälzen, da die
Vereinbarung in § 3 Abs. 2 Nr. 2 nur die Erstattung solcher außergerichtlichen Kosten
vorsehe, die aus den gemäß Abs. 1 Ziffer 1 wahrzunehmenden Mahn- und Klageverfahren
resultieren. Diese würden aber nur Beitragseinzugsverfahren betreffen. Einem
eigenständigen Kostenerstattungsanspruch der KVB stehe zudem § 193 Abs. 4 Satz 1
SGG entgegen. Die Aufwendungen der KVB als Körperschaft des öffentlichen Rechts
seien nicht erstattungsfähig.
Diese Entscheidung greift die Beklagte mit der Beschwerde an. Sie trägt vor: Die KVB habe
nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern im Auftrag der GPV gehandelt. Die
Vorschrift des § 193 Abs. 4 SGG greife daher nicht ein. Das Bayer. LSG habe diese
Auffassung im Beschluss vom 14.10.1999 - L 7 B 213/99 P - bestätigt.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 29.11.1999).
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
1. Zutreffend führt das Sozialgericht aus, daß die KVB aus § 3 der Vereinbarung nicht
verpflichtet war, eine Anwaltskanzlei mit der Prozeßvertretung zu beauftragen.
Kostenschuldner im Verhältnis zu den beauftragten Anwälten ist allein die KVB. Ob die
KVB diese Kosten dennoch bei der GPV liquidieren kann, ist nicht erheblich. So weit
nämlich das Sozialgericht meint, daß der GPV außergerichtliche Kosten weder entstanden
sind noch entstehen können, weil die KVB diese Kosten nicht gegenüber der GPV geltend
machen könne, bezieht es sich, ohne diese Vorschriften ausdrücklich zu benennen, auf §
193 Abs. 2 SGG und § 193 Abs. 3 SGG. Sollte die KVB die ihr entstehenden
Anwaltskosten nicht bei der GPV ausgleichen können, entstehen der GPV schon keine
Aufwendungen im Sinn des § 193 Abs. 2 SGG. Sollte die KVB hingegen befugt sein, die
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Kosten gegenüber der GPV geltend zu machen, würde sich die Frage stellen, ob diese
Kosten den Anforderungen des § 193 Abs. 2 und Abs. 3 SGG genügen. Diese rechtliche
Prüfung obliegt allerdings dem Urkundsbeamten (vgl. Zeihe, SGG, § 193 Rdn. 12). Der
Spruchkörper ist insoweit funktionell unzuständig (LSG NRW vom 20.12.1996 - L 11 SKa
75/96 -). Das Sozialgericht hätte den Kostenantrag mithin nicht mit der Begründung
ablehnen dürfen, die KVB könne die ihr aus der Beauftragung der Anwaltskanzlei
entstehenden Kosten ohnehin nicht bei der GPV ausgleichen.
2. Der von der Beklagten geltend gemachte Anspruch scheitert an § 193 Abs. 4 Satz 1
SGG. Danach sind die Aufwendungen der Behörden, der Körperschaften und Anstalten
des öffentlichen Rechts nicht erstattungsfähig.
Zwar hat sich die Beklagte auf ihren Status als private Pflegeversicherung berufen und
gemeint, sie sei eine betriebliche Sozialeinrichtung des Bundeseisenbahnvermögens. Zur
Abwicklung der Aufgaben aus der Pflegeversicherung sei sie der Gemeinschaft privater
Versicherung (GPV), vertreten durch den Verband der privaten Krankenversicherung e.V.,
Köln, angeschlossen und hierbei legitimiert, als Bevollmächtigte in Streitfällen aufzutreten.
Das trifft zwar zu, läßt indessen unberücksichtigt, daß im Verwaltungsverfahren allein die
KVB tätig geworden ist. Die Bescheide vom 17.08.1998 und 29.09.1998 tragen oben rechts
den Briefkopf "KVB, Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten, Körperschaft des
öffentlichen Rechts". Soweit die KVB sich zur Ermittlung des medizinischen Sacherhalts
des medizinischen Dienstes der privaten Pflegeversicherung bedient hat, ändert sich
dadurch nichts. Entscheidungsträger war allein die öffentlich-rechtliche KVB. Auch die
Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 29.09.1998 enthält keinerlei Hinweis darauf,
gegen wen die Klage zu richten ist. Bei dieser Sachlage hat der Kläger nach den ihm von
der KVB vermittelten Informationsstand die Klage zutreffend gegen die KVB,
Krankenversicherung der Bundesbahnbeamten, Körperschaft des öffentlichen Rechts,
gerichtet. Erstmals mit der Klageerwiderung vom 07.12.1998 haben die Bevollmächtigten
der KVB darauf hingewiesen, daß die Klage gegen die GPV zu richten ist. Demnach
konnte der Kläger bis zum Zeitpunkt des Zugangs dieses Schriftsatzes nicht erkennen, daß
seine Klage gegen eine juristische Person des Privatrechts (hier GVP) zu richten ist und er
das Risiko eingeht, ggfls. die außergerichtlichen Kosten der Gegenseite zu tragen, weil §
193 Abs. 4 Satz 1 dann nicht zur Anwendung kommt (vgl. schon Senatsbeschlüsse vom
25.05.1999 - L 10 P 15/99 - und 09.12.1999 - L 10 B 20/99 P - sowie Beschluss des 16.
Senats vom 26.01.1998 - L 16 (5) SP 9/97 -; zum Ausschluß der Anwendung des § 193
Abs. 4 Satz 1 SGG auf Unternehmen der privaten Pflegeversicherung: Beschluss des
Senats vom 24.08.1999 - L 10 B 10/99 P -).
Die Beschwerde konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).