Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20.11.2002

LSG NRW: innere medizin, versorgung, bemessungszeitraum, steigerung, rechtsgrundlage, zahl, behandlung, anpassung, ausnahmebewilligung, anfechtung

Landessozialgericht NRW, L 11 KA 58/01
Datum:
20.11.2002
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 11 KA 58/01
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 2 KA 272/00
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 6 KA 15/03 R
Sachgebiet:
Vertragsarztrecht
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Düsseldorf vom 21.02.2001 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die
außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch im Berufungsverfahren
zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Der Kläger begehrt die Änderung der Festsetzung des Bemessungszeitraumes zur
Berechnung des Individualbudgets und/oder eine Erhöhung des für ihre Praxis
festgesetzten maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens gemäß § 7 des
Honorarverteilungsmaßstabs der Beklagten (HVM).
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§ 7 HVM in der ab dem 01.07.1999 geltenden Fassung (Rhein. Ärzteblatt 6/99, S 57 ff.;
9/99, S. 59 ff.) ist mit "Leistungsmengensteuerung" überschrieben und soll dem
Eingangssatz nach die Mengenentwicklung bei den ambulanten ärztlichen Leistungen
steuern und die Vorschriften des § 85 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)
erfüllen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HVM erhält jede Praxis ein individuelles
Leistungsbudget (Punktzahlengrenzwert). Ausgenommen sind die in § 7 Abs. 1 Satz 3
HVM genannten Honoraranteile, im Wesentlichen Leistungen im ärztlichen
organisierten Notfalldienst, Präventions-, Impf- und Methadonleistungen,
psychotherapeutische Leistungen und hausärztliche Grundvergütung. Von dem
verbleibenden individuellen Umsatz werden 3 % für die Finanzierung neuer Praxen und
des erlaubten Zuwachses etablierter Praxen zurückgestellt (§ 7 Abs. 1 Satz 4 HVM).
Bemessungsgrundlage sind die individuellen Honorarumsätze des
Bemessungszeitraums, der die Quartale III/1997 bis II/1998 umfasst (§ 7 Abs. 6 HVM
i.V.m. § 7a Abs. 2 HVM). Bei Ärzten, deren Niederlassungsdauer am 30.06.1999
weniger als 21 Quartale beträgt, können auf Antrag die durchschnittlichen anerkannten
Werte bis zu vier aufeinanderfolgenden Quartalen vor Inkrafttreten des HVM, nicht
jedoch vor dem Quartal III/1997, zu Grunde gelegt werden (§ 7a Abs. 6 HVM). Der
hiernach verbleibende Honoraranteil, vervielfältigt mit dem Faktor 10, ergibt das
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zulässige Punktzahlvolumen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 HVM). Darüber hinausgehend
abgerechnete Punktzahlen "werden nicht vergütet" (§ 7 Abs. 2 Satz 2 HVM). Ein
Punktzahlzuwachs ist nur möglich bei Praxen, die unter dem gemäß § 7 Abs. 4 HVM
berechneten durchschnittlichen Punktzahlengrenzwert ihrer Arztgruppe liegen, und zwar
maximal im Umfang von 3 % bezogen auf das Vorjahresquartal (§ 7 Abs. 3 Sätze 1 und
2 HVM), ab 01.01.2000 bezogen auf den Bemessungszeitraum. Eine Ausnahme gilt u.a.
für neu niedergelassene Ärzte, die für die Dauer von 20 Quartalen bis zum Erreichen
des durchschnittlichen Punktzahlengrenzwertes unbegrenzt wachsen dürfen (§ 7 Abs. 8
HVM). Das hiernach zulässige Punktzahlvolumen wird mit der Fachgruppenquote
vervielfältigt, die sich aus dem im jeweiligen Honorartopf zur Verfügung stehenden
Honorarvolumen ergibt. So errechnet sich das individuelle Punktzahlvolumen, das nach
einem festen Punktwert von 10,0 Pf vergütet wird (§ 7 Abs. 2 Sätze 3 und 4 HVM). Auf
Antrag kann der Vorstand der Beklagten die Individualwerte nach Maßgabe des § 7a
Abs. 7 HVM anpassen und sich aus der Umsetzung des HVM ergebende
Ausnahmeregelungen beschließen (§ 7a Abs. 8 HVM). Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf die Vorschriften der §§ 7, 7a HVM verwiesen.
Der Kläger ist seit Januar 1992 als Arzt für innere Medizin - Gastroenterologie - in I zur
vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
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Unter dem 04.11.1999 teilte die Beklagte dem Kläger die "Ermittlung des maximal
zulässigen Punktzahlvolumens" seiner Praxis mit, die ein maximal zulässiges
Punktzahlvolumen von 661.147,3 Punkten ergab. Diesen Wert ermittelte die Beklagte
aus der Summe der Primär- und Ersatzkassenhonorare des Klägers in den Quartalen
III/1997 bis II/1998 nach Abzug der in § 7 Abs. 1 HVM genannten Honoraranteile. Im
Februar 2000 nahm sie eine Neuberechnung vor und stellte unter Berücksichtigung des
erlaubten Zuwachs der Praxis ein zulässiges Punktzahlvolumen von 695.095,6 Punkten
fest.
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Der Kläger beantragte am 05.11.1999, ihm ab dem Quartal III/1999 ein Individualbudget
in Höhe von etwa 91.500,00 DM pro Quartal zu gewähren. Er stütze seinen Antrag auf §
7 Abs. 11 HVM der Beklagten und trug vor, die gastroenterologische vertragsärztliche
Versorgung im Raum I und dem östlichen S-T-Kreis könne nur aufrecht erhalten werden,
wenn ihm ein Individualbudget im genannten Rahmen zugebilligt werde. Ansonsten sei
der Sicherstellungsauftrag in dieser Region nicht mehr zu gewährleisten, denn er sei der
einzige niedergelassene fachärztlich tätige Gastroenterologe. Die Stadt I habe in den
letzten 10 Jahren einen außergewöhnlichen Bevölkerungszuwachs erfahren; der
Bevölkerungsanstieg in den Jahren 1986 bis 1996 betrage 26,6 %, der
Bevölkerungsanstieg im Land Nordrhein-Westfalen betrage durchschnittlich 7,3 %.
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Die Beklagte lehnte diesen Antrag des Klägers mit Bescheid vom 28.02.2000 ab und
führte zur Begründung im Wesentlichen aus, beim Kläger liege unter keinem der im
HVM genannten Gesichtspunkte ein Ausnahmetatbestand vor, der eine Änderung des
geltenden Individualbudgets bzw. des maximalen Punktzahlenvolumens rechtfertigen
könnte.
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Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.11.2000).
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Mit der gegen diesen Widerspruchsbescheid erhobene Klage hat der Kläger
vorgetragen, die Beklagte habe sich mit seinem Vortrag zum außergewöhnlichen
Bevölkerungszuwachs in I und Umgebung nicht ausreichend auseinandergesetzt.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Februar 2000 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2000 über seinen Antrag
auf Änderung der Festsetzung des Bemessungszeitraumes zur Berechnung des
Individualbudgets gemäß § 7 HVM und/oder Erhöhung des maximalen
Punktzahlenvolumens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu
entscheiden.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat auf die Ausführungen in ihren Bescheiden verwiesen.
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Mit Urteil vom 21.02.2002 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen und
zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die streitige HVM-Regelung zum
Individualbudget sei unter Berücksichtigung insbesondere der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts in den Urteilen vom 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R und B 6 KA
71/97 R - rechtmäßig. Ausnahmetatbestände zugunsten des Klägers seien nicht
vorhanden. Soweit der Kläger auf die Erhöhung des Patientenstammes durch den
überproportionalen Bevölkerungszuwachs in I hinweise, sei der Tatbestand des § 7a
Abs. 7d HVM nicht erfüllt, da davon allein unvorhersehbare Änderungen der
Versorgungsstruktur erfasst seien; eine allmähliche Erhöhung des Patientenstammes
durch einen Bevölkerungszuwachs falle jedoch nicht darunter; die Ausnahmeregelung
des § 7a Abs. 7d HVM solle nur plötzlich auftretende Härten vermeiden.
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Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Er trägt zur Begründung vor, die
fachärztliche gastroentorologische Versorgung sei nicht mehr sichergestellt. Im
Referenzzeitraum habe er durchschnittliche 783 Patienten pro Quartal behandelt; im
Quartal I/2001 sei die Patientenzahl auf 1049 angestiegen. § 7a Abs. 7d HVM sehe
gerade Sicherstellungsgründe als Ausnahmetatbestände vor; die Beispielsfälle beträfen
die Verringerung der Arztzahl bei gleichbleibender Zahl der Versicherten; vorliegend
habe sich die Anzahl der Ärzte nicht verändert, jedoch sie die Zahl der Versicherten
deutlich und überproportional angestiegen. Dieser Umstand entspreche ebenfalls dem
Sinn und Zweck des Ausnahmetatbestandes in § 7a Abs. 7d HVM.
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Des weiteren trägt der erstmals im Berufungsverfahren vor, er begehre auch die
Anpassung seines Individualbudgets an den sogenannten Fachgruppendurchschnitt;
deshalb werde er auch durch die Regelung in § 7 Abs. 3 HVM (3%-Regelung)
beschwert; diese sei rechtswidrig, da langfristig kleine Praxen gegenüber größeren
Praxen benachteiligt würden.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.02.2002 abzuändern und nach dem
Klageantrag zu erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
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Der Senat hat die Abrechnungsunterlagen des Klägers aus den Quartalen III/1997 bis
II/2001 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Wegen der Auswertung dieser Unterlagen wird auf die nachfolgende Tabelle Bezug
genommen, die in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten erörtert worden ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist nicht
rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung des für seine Praxis
festgesetzten maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens.
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I. Der Senat hat in seiner Entscheidung im Verfahren L 11 KA 85/02 im Einzelnen
dargelegt, dass und warum das von der Beklagten praktizierte System einer Bindung
des Vertragsarztes an einen in der Vergangenheit erzielten eigenen Honorarumsatz
grundsätzlich zulässig ist. Auf die entsprechenden Ausführungen im Senatsurteil vom
heutigen Tage wird Bezug genommen.
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Nach Maßgabe der hierzu in § 7 HVM niedergelegten Bestimmungen hat die Beklagte
das zulässige Punktzahlvolumen des Klägers zutreffend berechnet. Der Kläger hat
gegen die Berechnung als solche ausdrücklich keine Einwände erhoben.
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II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung des Individualbudgets aus
Sicherstellungsgründen. Gemäß § 7a Abs. 7d HVM kann der Vorstand der Beklagten in
begründeten Ausnahmefällen auf Antrag aus Sicherstellungsgründen Zuschläge auf
den individuellen Punktzahlengrenzwert des Arztes der Praxis bewilligen, wenn
besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen. Hierzu zählen insbesondere
Veränderungen
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in der vertragsärztlichen Versorgung in unmittelbarem Umfeld der Arztpraxis (z.B. durch
Praxisaufgaben, Erlöschen von Ermächtigungen von Krankenhausärzten),
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in der Verteilung der Leistungserbringung innerhalb einer Arzt-/ Untergruppe
Konzentration von Leistungen auf eine gegenüber dem Bemessungszeitraum geringere
Erbringungszahl), die dazu führen, das der Puntkzahlengrenzwert aus dem
Bemessungszeitraum der nachweislich veränderten Leistungsmenge nicht angemessen
ist. Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob der Umstand des vom Kläger geschilderten
Bevölkerungszuwachses bei gleichbleibender Arztzahl grundsätzlich unter den
Ausnahmetatbestand des § 7a Abs. 7d HVM fällt, weil insoweit die beispielhaft
geschilderten Fälle in dieser Norm des HVM einen entsprechenden Sachverhalt
wiederspiegeln. Es ist ebenfalls nicht zu entscheiden, ob entsprechend der Ansicht der
Beklagten (und des Sozialgerichts) von der Ausnahmeregelung in § 7a Abs. 7d HVM
nur derartige Fallkonstellationen erfasst werden, in denen plötzlich auftretende Härten
eine veränderte Leistungssituation begründen. Denn aus den vom Senat beigezogenen
ausgewerteten Abrechnungsunterlagen des Klägers ergibt sich, dass nicht aus
Sicherstellungsgründen der Punktzahlengrenzwert aus dem Bemessungszeitraum
unangemessen ist. Vielmehr zeigt sich daraus deutlich, dass trotz des vom Kläger
geschilderten erheblichen Bevölkerungszuwachses im Raum I und einer deutlichen
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Steigerung der Fallzahl sich die Leistungsmenge des Klägers um 10,5 % reduziert hat.
Bei einer derartigen Entwicklung des Leistungsvolumens ist überhaupt nicht ersichtlich,
dass zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung dem Kläger ein höheres
Punktzahlvolumen zuzubilligen ist. Vielmehr zeigt sich, dass zumindest die Praxis des
Klägers hinsichtlich der für die Behandlung der Versicherten erforderlichen Leistungen
durch den Bevölkerungszuwachs nicht in einem stärkerem Maße als zuvor in Anspruch
genommen worden ist. Dabei unterstellt der Senat, dass sowohl vor Einführung des
Individualbudgets als auch danach der Kläger den gesetzlich Krankenversicherten nur,
aber auch alle die für die Behandlung der Erkrankungen erforderlichen Leistungen hat
zukommen lassen.
Wenn man weiter berücksichtigt, dass bei Reduzierung des Leistungsvolumens um rund
10 % eine gleichzeitige Erhöhung des Honorars um ca. 10 % zu verzeichnen ist, lässt
sich auch nicht nur ansatzweise feststellen, dass durch die Einführung des
Individualbudgets die Existenz der Praxis des Klägers gefährdet und damit die
gastroentologische Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten im Raum I
beeinträchtigt oder gar gefährdet sein könnte.
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III. Ein weitergehender Anspruch auf Erhöhung des für eine Praxis festgesetzten
maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens im Sinne einer vorab und außerhalb einer
konkreten Quartalsabrechnung gewährten abstrakt-individuellen Ausnahme von den
Beschränkungen des § 7a Abs. 3 HVM besteht nicht.
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Zwar hat der Senat diese Bestimmung in seinen Entscheidungen L 11 KA 85/02 und L
11 KA 256/01 vom heutigen Tage u.a. insoweit für rechtswidrig erachtet, als sie Ärzte mit
einem Individualbudget unter dem durchschnittlichen Punktzahlengrenzwert der
Fachgruppe, die ihr Leistungsvolumen im Verhältnis zum Vorjahresquartal bzw.
Bemessungszeitraum steigern, daran hindert, ihren Umsatz in angemessener Zeit bis
zum durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe zu steigern. Dementsprechend
erweisen sich Quartalskonto/Abrechnungsbescheide und unter Umständen (so im
Verfahren L 11 KA 256/01) auch außerhalb einer konkreten Quartalsabrechnung
erlassene Bescheide über Leistungsmengensteuerungen, in denen ein maximal
abrechenbares Punktzahlvolumen verbindlich festgestellt wird, als rechtswidrig, soweit
sie den genannten Personenkreis an dem in § 7 Abs. 3 Satz 2 HVM geregelten
beschränkten Zuwachs festhalten. Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall
jedoch grundsätzlich. Denn der Kläger wendet sich mit seinen erstmals im
Berufungsverfahren vorgetragenen Einwendungen zur begrenzten Steigerung von 3 %
weder gegen einen konkreten Quartalskonto/Abrechnungsbescheid noch gegen einen
abstrakt-individuellen Bescheid über die Bemessungsgrundlagen. Vielmehr erstrebt er
eine ihm begünstigende abstrakt-individuelle Ausnahmebewilligung von der
Anwendung einer einzelnen Berechnungsvorschrift, und zwar unabhängig von ihrem
jeweiligen quartalsweisen anerkannten Leistungsbedarf.
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Für eine solche Bewilligung enthält der HVM der Beklagten jedoch keine
Rechtsgrundlage. Vielmehr hat die Beklagte die möglichen Ausnahmegewährungen
abschließend geregelt und auf die abweichende Festlegung der Individualwerte bei
Neupraxen (§ 7a Abs. 6 HVM), die Anpassung der Individualwerten (§ 7a Abs. 7 HVM)
und die allgemeine Generalklausel (§ 7a Abs. 8 HVM) beschränkt. Ein darüber hinaus
gehender Anspruch des Vertragsarztes, die Anwendung einzelner
Berechnungsvorschriften des HVM auf seine Praxis von vornherein auszuschließen,
wäre überdies mit der Systematik des HVM nicht zu vereinbaren. Denn der HVM
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beinhaltet ein auf typische Praxisentwicklungen abgestelltes Rechenwerk mit der
Möglichkeit zu Ausnahmebewilligungen in atypischen Fällen, das seine Wirkung und
Berechenbarkeit durch gleichsam auf Vorrat angelegte Wachstumsbewilligungen
weitgehend verlieren würde.
Hierfür besteht auch kein Rechtsschutzbedürfnis. Klarheit über die Rechtmäßigkeit der
einzelnen Berechnungsvorschriften können die Vertragsärzte ebenso - im Wege der
Inzidenterkontrolle - durch die Anfechtung des jeweiligen
Quartalskonto/Abrechnungsbescheides erlangen. Da die Beklagte und ihr nachfolgend
die Gerichte etwa zeitgleich mit der Entscheidung über die Erhöhung des
Individualbudgets über die Rechtsbehelfe gegen die ersten
Quartalskonto/Abrechnungsbescheide entschieden haben (wie auch der vorliegende
Fall zeigt), führt eine Vorabklärung auch nicht zu der Möglichkeit, das eigene
Leistungsverhalten frühzeitiger zu steuern. Ebenso wenig dient sie zwangsläufig der
Prozessökonomie. Wie nämlich dieses Verfahren sowie mehrere andere beim Senat
anhängige Streitsachen belegen, sind die auf Voraberhöhung ihres Individualbudgets
klagenden Vertragsärzte häufig in den Quartalskonto/Abrechnungsbescheiden durch
die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 2 HVM gar nicht beschwert, weil sie ihr
Leistungsvolumen entweder überhaupt nicht oder jedenfalls unterhalb des von der
Beklagten gestatteten Zuwachses gesteigert haben. Der Kläger hat - wie bereits oben
ausgeführt - trotz denklicher Steigerung der Fallzahl (+ 11,5 %) sein Leistungsvolumen
im erheblichem Maße (- 10,5 %) reduziert.
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Die Anerkennung eines Anspruchs auf Ausnahme von einzelnen
Abrechnungsvorschriften ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage im HVM oder das
Vorliegen einer konkreten Beschwer käme daher im Ergebnis einer abstrakt-generellen
Normenkontrolle gleich. Eine solche ist dem sozialgerichtlichen Verfahren, anders als z.
B. im Verwaltungsgerichtsprozess (§ 47 Verwaltungsgerichtsordnung), jedoch fremd
und daher auch im vorliegenden Fall nicht anzuerkennen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen hat der Senat die Revision
zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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