Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 11.07.2005

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 11.07.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 23 SO 38/05 ER
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 8 SO 27/05 ER
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 7. März 2005
aufgehoben. Der Antragsgegner wird im Wege vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Antragsteller ab 18.
Februar 2005 ambulante Betreuungsleistungen im Umfang von zwei Brutto-Wochenstunden durch den Verein F. e. V.
in G. bis Ende Oktober 2005 zu gewähren. Dem Antragsteller wird aufgegeben, vor Abschluss der ambulanten
Betreuung einen Bericht des Vereins F. e. V. über die durchgeführte Betreuung, die erzielten Fortschritte und die
etwaige Notwendigkeit einer weiteren Betreuung vorzulegen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der
Antragsgegner trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Gerichtskosten werden
nicht erhoben. H. /I.
Gründe:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Antragsteller weiterhin ambulante Betreuung durch den Verein F. in G.
erhalten kann.
Der im Oktober 1965 geborene Antragsteller erhielt seit längerer Zeit mit Unterbrechungen Leistungen der Sozialhilfe.
Der Antragsteller ist gelernter Altenpfleger, diesen Beruf übt er nicht mehr aus. Er unternahm im Jahr 1998 einen
Suizidversuch und nahm an einer Entziehungskur teil. Im Januar 2003 bestellte das Amtsgericht G. –
Vormundschaftsgericht – einen Betreuer für den Antragsteller. In den Jahren 2003 und 2004 erhielt der Antragsteller –
auch mit Hilfe gerichtlicher Unterstützung – Betreuungsleistungen durch den Verein F., welche vom Antragsgegner
finanziert wurden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die Sachverhaltsschilderung im angefochtenen
Beschluss verwiesen. Nachdem der Antragsteller im Oktober 2004 aus der Wohnung seiner Mutter ausgezogen und
eine eigene Wohnung bezogen hatte, erhielt er mit Bescheid vom 4. Januar 2005 bis 15. Februar 2005 noch zwei
Wochenstunden ambulante Betreuung. Der Antrag auf Verlängerung der Betreuung wurde mit Bescheid vom 8.
Februar 2005 abgelehnt. Der dagegen eingelegte Widerspruch ist – soweit ersichtlich – bislang nicht beschieden.
Der Antragsteller hat am 18. Februar 2005 beim Sozialgericht (SG) Lüneburg um vorläufigen Rechtsschutz
nachgesucht. Er hat vorgetragen, dass er weiterhin ambulante Betreuungsleistung durch den Verein F. benötige und
hat dazu auf Stellungnahmen des Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse Dr. J. vom 8. Juli
2004 und 14. Februar 2005 verwiesen. Die für den Antragsgegner handelnde Stadt G. ist dem unter Hinweis auf
Äußerungen des sozial-psychiatrischen Dienstes entgegengetreten. Das SG hat den Antrag auf vorläufigen
Rechtsschutz mit Beschluss vom 7. März 2005 abgelehnt. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass als
Anspruchsgrundlage die §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) in Betracht kämen. Der
Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, weil eine weitere ambulante Betreuung nicht
nötig sei. Der Antragsteller habe seit Oktober 2004 eine eigene Wohnung bezogen und arbeite seit November 2004 in
der Werkstatt für Behinderte (WfB) in K ... Das problematische Verhältnis zu seiner Mutter habe sich verändert, weil
diese seit Oktober 2004 in einem Altenheim in L. lebe und nur noch einmal wöchentlich von ihm besucht werde.
Angesichts dieser durchgreifenden Verbesserungen der Situation des Antragstellers sei es nachvollziehbar, wenn der
sozial-psychiatrische Dienst nunmehr auf die Leistungen des amtsgerichtlich bestellten Betreuers, der
Drogenberatung sowie der Betreuung durch die WfB verweise. Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 8. März
2005 zugestellt.
Der Antragsteller hat am 6. April 2005 Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, dass der gesetzliche Betreuer die hier
fraglichen Betreuungsleistungen nicht leisten könne und dies von Gesetzes wegen auch nicht vorgesehen sei.
Ebenso könnten die WfB und die Drogenberatung die nötige Betreuung nicht leisten. Weiterhin wurde vorgelegt ein
Äußerung des Betreuers vom 6. April 2005, eine Äußerung der Fachstelle für Sucht und Suchtprävention (M.) vom 1.
April 2005 und eine Stellungnahme der F. e. V. vom 26. März 2005; außerdem eine aktuelle Äußerung des Dr. J. vom
6. Juni 2005. Der Antragsteller hält sein erstinstanzliches Begehren aufrecht, ihm ambulante Betreuungsleistungen im
Umfang von wenigstens vier Brutto-Wochenstunden zu gewähren. Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er legt dazu
eine fachärztliche und sozial-psychiatrische Stellungnahme seines sozial-psychiatrischen Dienstes vom 25. Mai 2005
(Dr. N., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie) vor.