Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 18.08.2004
LSG Nsb: im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen., ärztliche behandlung, eingriff, sterilisation, versorgung, ärztliche untersuchung, lege artis, bestandteil
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 18.08.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 16 KA 633/99
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 3 KA 183/03
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 09. April 2003 wird geändert. Auf die Berufung der Beklagten wird die
Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die notwendigen
außergerichtlichen Kosten der Beklagten aus beiden Rechtszügen; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die
Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin ist als Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Sie wendet sich dagegen, daß die Beklagte in den Quartalen II/1998 bis I/1999 einerseits Kontrollsonographien bei
Schwangerschaftsabbrüchen und andererseits Leistungen nach Gebührenziffer 1115 EBM bei Sterilisationen im Wege
der sachlich-rechnerischen Berichtigung von ihren Abrechnungen abgesetzt hat.
Die Klägerin nimmt Schwangerschaftsabbrüche und Sterilisationen ambulant vor. Ihre Praxis ist als Einrichtung im
Sinne des § 13 Abs. 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes anerkannt.
Die Schwangerschaftsabbrüche, in deren Rahmen die streitigen Kontrollsonographien gefertigt wurden, nahm die
Klägerin unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 StGB vor. Die Kosten des unmittelbaren Abbruchs sind daher
nicht über die Beklagte abgerechnet worden. Die im Zusammenhang mit dem Abbruch stehende weitere ärztliche
Behandlung, namentlich die Beratung der Schwangeren vor dem Eingriff im Sinne der Ziff. 190 EBM und eine vor dem
Eingriff nach Ziff. 191 vorgenommene sonographische Untersuchung zur Feststellung des Schwangerschaftsalters,
rechnete die Klägerin demgegenüber (bei Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen) über die Beklagte ab.
Ferner rechnete die Klägerin in den beanstandeten Fällen über die Beklagte jeweils die Gebührenziffer 381
(Sonographische Untersuchung eines oder mehrerer Uro-Genitalorgane mittels Real-Time-Verfahren [B-Mode], einschl.
Bilddokumentation, je Sitzung; regelmäßig in Verbindung mit der Gebührenziffer 388 [Zuschlag zu den Leistungen
nach den Nrn. 378, 381 und 384 bei transkavitärer Untersuchung]) für nach dem Eingriff durchgeführte
Kontrollsonographien ab. Eine erste Kontrollsonographie nahm die Klägerin unmittelbar nach dem Eingriff noch im
Operationsraum vor. Damit überprüfte sie zum einen, ob der Eingriff vollständig ausgeführt worden war. Zum anderen
klärte sie damit ab, ob eventuell bereits Blutungen eingetreten waren, die abzusaugen sind.
Soweit – wie im Regelfall – diese erste Kontrollsonographie einen normalen Befund zeigte, verließ die Patientin den
Operationsraum und verblieb noch für etwa zwei Stunden in der Praxis der Klägerin. Anschließend untersuchte die
Klägerin die Patientin noch einmal in ihrem Sprechzimmer, um prüfen zu können, ob die Patientin unbesorgt nach
Hause entlassen werden konnte. Im Rahmen dieser Abschlußuntersuchung nahm die Klägerin eine zweite
Kontrollsonographie vor. Diese diente dazu, etwaige zwischenzeitlich aufgetretene Nachblutungen rechtzeitig zu
erkennen, damit erforderlichenfalls umgehend (noch vor der Entlassung der Patientin) eine Absaugung vorgenommen
werden konnte.
Sterilisationen führte die Klägerin mit minimal-invasiven Eingriffen durch, indem sie im Wege der Laparoskopie durch
einen kleinen Schnitt in der Bauchdecke die erforderlichen optischen Geräte und Operationsinstrumente einführte. Mit
Hilfe einer auf diesem Wege eingeführten bipolaren Koagulationszange wurden die Eileiter gefaßt und koaguliert. Im
Zusammenhang mit diesem der Sterilisation dienenden operativen Eingriff untersuchte die Klägerin mit Hilfe der
ohnehin in den Bauchraum eingeführten Optik auch die Umgebung der Eileiter. Sie wollte insbesondere etwaige
Verwachsungen erkennen und diese erforderlichenfalls sogleich beseitigen, also eine sog. Adhäsiolyse vornehmen.
Um diese im Zusammenhang mit der Sterilisation erfolgende optische Untersuchung des Bauch– bzw. Beckenraumes
auf Verwachsungen zuverlässig durchführen zu können, erachtete die Klägerin bei Patientinnen mit einem – etwa auf
Voroperationen zurückzuführenden – erhöhten Risiko solcher Befunde es für angezeigt, die Gebärmutter zu bewegen.
Zu diesem Zwecke führte sie durch die Scheide der Patientinnen einen sog. Portioadapter ein, der in diesem
Zusammenhang allein dem Zweck diente, der Klägerin eine bessere Bewegung der Gebärmutter der Patientin zu
ermöglichen.
Den Eingriff rechnete die Klägerin nach Ziffer 187 EBM (Sterilisation der Frau mittels operativen Eingriffs an den
Eileitern, als selbständige Leistung: 1700 Punkte) i.V.m. Ziffer 188 (Zuschlag zur Leistung nach Nr. 187 für die
erforderliche Vor– und Nachsorge, einschl. der Bereitstellung von Operationseinrichtungen, bei ambulanter
Durchführung: 2400 Punkte) ab, und zwar unabhängig davon, ob die Untersuchung Verwachsungen zeigte und diese
erforderlichenfalls von ihr entfernt wurden. Aus der Sicht der Klägerin war eine derartige Untersuchung auf
Verwachsungen und ggfs. deren Entfernung als Nebenleistungen von der Gebührenziffer 187 (i.V.m. Ziffer 188)
mitumfaßt.
Soweit die Klägerin zur besseren Durchführung dieser optischen Untersuchung auf Verwachsungen einen
Portioadapter einführte, um mit diesem die Gebärmutter der Patientin besser bewegen zu können, rechnete sie
zusätzlich die (mit 120 Punkten bewertete) Gebührenziffer 1115 (Anlegen eines Portioadapters ) ab.
Die Beklagte setzte im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung im Rahmen der jeweiligen
Quartalshonorarbescheide sowohl die vorstehend erläuterten von der Klägerin nach Ziffern 381, 388 EBM
abgerechneten Kontrollsonographien nach Schwangerschaftsabbrüchen als auch die von ihr im Zusammenhang mit
Sterilisationen abgerechneten Leistungen nach Ziffer 1115 für das Anlegen eines Portioadapters ab.
Zur Begründung erläuterte die Beklagte, daß postoperative sonographische Kontrolluntersuchungen als Bestandteil
des Schwangerschaftsabbruchs anzusehen seien. Erst mit ihrer Durchführung werde der Leistungsinhalt des
Abbruchs vollständig erfüllt; die Kontrollsonographien seien daher nicht gesondert abrechnungsfähig. Für diesen
Beanstandungsgrund verwandte die Beklagte die Kennziffer "PÖ1.1". Zum anderen stellte die Beklagte darauf ab, daß
das Anlegen eines Portioadapters eine die Sterilisation begleitende Teilleistung darstelle, die nicht gesondert
berechnungsfähig sei (Kennziffer "BZ1115.1").
Die Beklagte, die darüber hinaus die Abrechnungen der Klägerin auch bezüglich weiterer – inzwischen nicht mehr
streitiger – Leistungen korrigierte, setzte aus den genannten Gründen im einzelnen folgende vom Gegenstand des
Berufungsverfahrens noch erfasste Leistungen ab:
Quartal Abgesetzte Leistungen nach Ziffern EBM 381 388 1115 II/98 10 III/98 10 IV/98 146 146 13 I/99 111 111 15
Die Widersprüche der Klägerin wies die Beklagte mit jeweils zwei Bescheiden vom 19. Juli 1999 (Quartale II und
III/98) und vom 13. September 2000 (Quartale IV/98 und I/99) zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 19. August 1999 (Quartale II und III/98) und am 16. Oktober 2000 (Quartale IV/98 und
I/99) jeweils Klagen erhoben, die das Sozialgericht (zusammen mit zwei weiteren nicht mehr den Gegenstand des
Berufungsverfahrens bildenden Klagen) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat.
Zur Begründung hat die Klägerin geltend gemacht, daß das Anlegen eines Portioadapters im EBM als eigenständige
Leistung ausgestaltet sei, die unabhängig von der weiteren diagnostischen und therapeutischen Behandlung jeweils
gesondert abrechnungsfähig sei.
Die nach Schwangerschaftsabbrüchen abgerechneten Kontrollsonographien seien medizinisch notwendig und könnten
nach den – streng anhand des Wortlauts der Leistungs-legende auszulegenden – Gebührentatbeständen gesondert
abgerechnet werden.
Mit Urteil vom 09. April 2003, der Klägerin am 24. und der Beklagten am 25. April 2003 zugestellt, hat das
Sozialgericht Hannover unter Abweisung der Klage im übrigen die Honorarbescheide für die Quartale IV/98 und I/99
geändert und die Beklagte verpflichtet, die mit der Anmerkung "PÖ1.1" abgesetzten Leistungen nach den EBM-Ziffern
381 und 388 nachzuvergüten.
Zur Begründung hat das Sozialgericht insbesondere ausgeführt: Die Klägerin könne (sofern sie nicht in demselben
Behandlungsfall Leistungen nach den Ziffern 100 ff. EBM abgerechnet habe) Kontrollsonographien nach Ziffer 381
EBM (i.V.m. Ziffer 388) auch neben dem nach Ziffer 195 abzurechnenden Schwangerschaftsabbruch in Ansatz
bringen. Die operative Durchführung des eigentlichen Abbruchs sei im Zeitpunkt der Kontrollsonographie bereits
abgeschlossen. Zudem habe der Bewertungsausschuß nicht ausdrücklich geregelt, daß Leistungen nach Ziffer 195
auch Kontrollsonographien umfassen würden, wohingegen er beispielsweise in Ziffer 7050 (Radiojodbehandlung von
Schilddrüsenkrankheiten, einschl. der erforderlichen Kontrollmessungen) Kontrollmessungen ausdrücklich zum
Gegenstand der Leistungslegende gemacht habe. Überdies seien bei ambulanten Operationen üblicherweise
Zuschläge für die ambulante Vor– und Nachsorge berechnungsfähig; dies gelte aber nicht für
Schwangerschaftsabbrüche im Sinne der Ziffer 195.
Demgegenüber habe die Beklagte zu Recht die neben Ziffer 187 abgerechneten Leistungen nach Ziffer 1115 EBM
abgesetzt. Die Klägerin habe mit der Sterilisation der Sache nach zugleich eine – wenngleich nicht gesondert
abgerechnete – Leistung nach Ziffer 2634 EBM (Laparoskopie/Pelviskopie, ggf. einschl. Probeexzision und/oder
Probepunktion und/oder Adhäsiolyse) erbracht. Teil des Inhalts einer solchen Leistung nach Ziffer 2634 sei das
Anlegen eines Portioadapters. Nach einer "Ergänzung zur Leistungslegende" sei Ziffer 2634 nicht neben Ziffer 187
abrechenbar. Dies müsse auch für die Teilleistung Anlegen eines Portioadapters gelten.
Gegen dieses Urteil haben die Klägerin am 22. und die Beklagte am 23. Mai 2003 jeweils Berufung eingelegt.
Die Klägerin hebt hervor, daß der Portioadapter bei den von der Beklagten beanstandeten Leistungen nach Ziffer 1115
über einen anderen anatomischen Zugangsweg in den Körper der Patientin eingeführt wird als die
Operationsinstrumente. Das Anlegen des Adapters sei nicht als Bestandteil der Sterilisation anzusehen. Er sei nicht
erforderlich, um diese lege artis durchzuführen.
Die Kontrollsonographien nach Schwangerschaftsabbrüchen müßten schon deshalb gesondert abzurechnen sein, weil
sie mit diesen den Krankenkassen Kosten erspare. Ohne solche postoperativen Sonographien bestehe die Gefahr,
daß die Patientinnen mit unerkannten Blutungen nach Hause entlassen würden, aufgrund derer Komplikationen
auftreten könnten, die eine alsbaldige stationäre Aufnahme nach sich ziehen dürften. Die Kosten einer solchen
stationären Behandlung hätten die Krankenkassen zu tragen.
Die Klägerin beantragt ,
1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen ,
2. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 09. April 2003 zu ändern und die Honorarbescheide der Beklagten für
die Quartale II/1998 und III/1998, beide in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 19. Juli 1999 und die
Honorarbescheide für die Quartale IV/1998 und I/1999, beide in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 13.
September 2000 aufzuheben, soweit die Beklagte abgerechnete Leistungen nach der Gebührenziffer 1115 mit der
Begründungskennziffer BZ 1115.1 abgesetzt hat und
3. die Beklagte zur Nachvergütung dieser abgesetzten Leistungen dem Grunde nach zu verpflichten.
Die Beklagte beantragt,
1. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,
2. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 9. April 2003 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Beklagte stimmt der Klägerin darin zu, daß nach Schwangerschaftsabbrüchen Kontrollsonographien medizinisch
indiziert seien. Sie seien aber als Bestandteil der Leistung nach Ziffer 195 EBM nicht gesondert abrechenbar. Dafür
spreche auch das Fehlen eines gesonderten Gebührentatbestandes für derartige Kontrollsonographien, zumal der
EBM gesonderte Gebührentatbestände für die sonographische Untersuchung vor (Ziffer 191: Sonographische
Untersuchung zur Feststellung des Schwangerschaftsalters vor einem geplanten Schwangerschaftsabbruch einschl.
Bilddokumentation ...) als auch – wenngleich erst mit Wirkung ab Quartal IV/2001 – nach einem solchen (Ziffer 200:
Kontrolluntersuchung[en] nach einem durchgeführten Schwangerschaftsabbruch, nach den Nrn. 195, 196 oder 197
zwischen dem 7. und 14. Tag nach Abbruch, einschl. Beratung und sonographischer Untersuchung[en]) vorsehe.
Soweit das Sozialgericht darauf abgestellt habe, daß Zuschläge für die ambulante Nachsorge nicht vorgesehen seien,
sei seine Auffassung schon in Anbetracht des in Ziffer 198 EBM ausdrücklich vorgesehenen Zuschlages zu den
Leistungen nach den Nrn. 195 oder 197 bei ambulanterDurchführung nicht nachvollziehbar. Dieser Zuschlag solle
gerade den mit der ambulanten Vor– und Nachsorge verbundenen Aufwand abgelten.
Die beigeladene Kassenärztliche Bundesvereinigung stellt keinen Antrag und schließt sich der Rechtsauffassung der
Beklagten an, wonach Kontrollsonographien nach Schwangerschaftsabbrüchen nicht gesondert abrechenbar sind.
Der Senat hat die Klägerin durch seinen Berichterstatter informatorisch gehört; insoweit wird auf das Terminsprotokoll
verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach– und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von beiden Hauptbeteiligten eingelegten Berufungen sind zulässig. Namentlich muss nicht weiter geprüft werden,
ob auch auf Seiten der Klägerin die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erreicht wird, da die von ihr
eingelegte Berufung auch unabhängig davon jedenfalls als unselbstständige Anschlussberufung (vgl. Meyer-Ladewig,
SGG, 7. Aufl., § 144 Rd.Nr. 4 a.E.) statthaft ist. In der Sache vermag jedoch nur die Beklagte mit ihrer Berufung
durchzudringen, da sich die angefochtenen sachlich-rechnerischen Berichtigungen in den im Berufungsverfahren noch
streitigen Punkten als rechtmäßig erweisen.
Rechtsgrundlage für die Befugnis der KÄVen zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen sind die Regelungen des
Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä) und des Bundesmantelvertrags-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) (siehe § 45 Abs. 1
und 2 BMV-Ä und § 34 Abs. 4 EKV-Ä). Nach diesen im Wesentlichen gleich lautenden Vorschriften berichtigt die KÄV
die Honorarforderung des Vertragsarztes bei sachlich-rechnerischer Unrichtigkeit. Einzige tatbestandliche
Voraussetzung für dieses Berichtigungsrecht der KÄV ist schon nach dem Wortlaut der Vorschriften die sachlich-
rechnerische Unrichtigkeit des Honorarbescheides (BSG, SozR 3-2500 § 85 Nr. 42).
Die Abrechnungen der Klägerin waren in den streitigen Quartalen in der Hinsicht unrichtig, daß diese entgegen den
gebührenrechtlichen Vorgaben zum einen neben Leistungen nach Ziffer 187 auch Leistungen nach Ziffer 1115 und
zum anderen bei Schwangerschaftsabbrüchen Kontrollsonographien nach Ziffer 381 einschließlich des Zuschlages
nach Gebührenziffer 388 gesondert abgerechnet hat. Die Beklagte hat daher in diesen Fällen, deren rechnerisch
richtige Erfassung auch von der Klägerin nicht angezweifelt wird, zu Recht die Leistungen nach den Ziffern 381, 388
und 1115 EBM abgesetzt.
1. Zutreffend hat die Beklagte die von der Klägerin bei Schwangerschaftsabbrüchen abgerechneten
Kontrollsonographien nicht honoriert. Auch wenn ihre medizinische Notwendigkeit von keinem Beteiligten in Zweifel
gezogen wird, sind sie im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht abrechenbar, da die Klägerin die
betroffenen Abbrüche unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 StGB vorgenommen hat.
Kontrollsonographien nach ambulant durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen, die am Tage des Eingriffs noch vor
der Entlassung der Patientin in den häuslichen Bereich vorgenommen werden, können nicht nach den Ziffern 381 und
388 EBM gesondert abgerechnet werden. Sie sind Bestandteil des Abbruchs und seiner Nachbehandlung (bei
komplikationslosem Verlauf). Damit zählen sie zu den Leistungen, die nach der Regelung des § 24b Abs. 3 SGB V –
bei unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 StGB vorgenommenen Abbrüchen der Schwangerschaft wie in den
vom vorliegenden Rechtsstreit erfaßt Fällen – nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen und
damit von der Abrechenbarkeit im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung umfaßt werden.
§ 24b SGB V (in der Fassung des Gesetzes vom 21. August 1995, BGBl. I 1050) hatte im streitigen Zeitraum
folgenden Inhalt:
(1) Versicherte haben Anspruch auf Leistungen bei ... einem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft durch
einen Arzt ...
(2) Es werden ärztliche Beratung über die Erhaltung und den Abbruch der Schwangerschaft, ärztliche Untersuchung
und Begutachtung zur Feststellung der Voraussetzungen für eine nicht rechtswidrige Sterilisation oder für einen nicht
rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch, ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Verbands- und Heilmitteln
sowie Krankenhauspflege gewährt ...
(3) Im Fall eines unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 des Strafgesetzbuches vorgenommenen Abbruchs
der Schwangerschaft haben Versicherte Anspruch auf die ärztliche Beratung über die Erhaltung und den Abbruch der
Schwangerschaft, die ärztliche Behandlung mit Ausnahme der Vornahme des Abbruchs und der Nachbehandlung bei
komplikationslosem Verlauf, die Versorgung mit Arznei-, Verband- und Heilmitteln sowie auf Krankenhausbehandlung,
falls und soweit die Maßnahmen dazu dienen,
1. die Gesundheit des Ungeborenen zu schützen, falls es nicht zum Abbruch kommt, 2. die Gesundheit der Kinder
aus weiteren Schwangerschaften zu schützen oder 3. die Gesundheit der Mutter zu schützen, insbesondere zu
erwartenden Komplikationen aus dem Abbruch der Schwangerschaft vorzubeugen oder eingetretene Komplikationen
zu beseitigen.
(4) Die nach Absatz 3 vom Anspruch auf Leistungen ausgenommene ärztliche Vornahme des Abbruchs umfaßt
1. die Anästhesie, 2. den operativen Eingriff, 3. die vaginale Behandlung einschließlich der Einbringung von
Arzneimitteln in die Gebärmutter, 4. die Injektion von Medikamenten, 5. die Gabe eines wehenauslösenden
Medikamentes, 6. die Assistenz durch einen anderen Arzt, 7. die körperlichen Untersuchungen im Rahmen der
unmittelbaren Operationsvorbereitung und der Überwachung im direkten Anschluß an die Operation.
Mit diesen ärztlichen Leistungen im Zusammenhang stehende Sachkosten, insbesondere für Narkosemittel,
Verbandmittel, Abdecktücher, Desinfektionsmittel fallen ebenfalls nicht in die Leistungspflicht der Krankenkassen ...
Die Reichweite der vom Anspruch auf Leistungen der Krankenkassen ausgenommenen ärztlichen Vornahme des
Abbruchs ist auf der Grundlage einer lebensnahen und funktionsgerechten Betrachtung zu bestimmen. Hiervon
ausgehend läßt sich die ärztliche Leistung eines Schwangerschaftsabbruchs nicht sachgerecht dahin aufspalten, daß
zwischen einem Abschnitt des Eingriffs als solchem und einem zeitlich mehr oder minder kurz daran anschließenden,
auf die unmittelbaren Folgen des Eingriffs bezogenen eigenständigen Untersuchungsvorgang unterschieden wird (vgl.
zu einer ähnlich gelagerten Problematik bei der Auslegung der E-GO: BSG, Urteil vom 24. August 1994, Az: 6 RKa
40/92; vgl. auch Landessozialgericht Baden-Württemberg 5. Senat, Urteil vom 4. September 1996, Az: L 5 Ka
1442/96: Zu den Operationsleistungen gehört alles, was erforderlich ist, um das Operationsziel zu erreichen.).
Gerade für ambulante Eingriffe ist es typisch, daß die Patientin verhältnismäßig bald, d.h. im Regelfall innerhalb
weniger Stunden nach dem Eingriff, in ihre häusliche Sphäre und damit in einen Bereich überwechselt, in dem sie
nicht mehr unter unmittelbarer Beobachtung des behandelnden Arztes steht. Die Entlassungsuntersuchung dient der
Feststellung, ob sich die Patientin von dem Eingriff bereits wieder so gut erholt hat, daß ihr Gesundheitszustand den
Übergang in den häuslichen Bereich als medizinisch vertretbar erscheinen läßt. In diesem Sinne gehört die
Entlassungsuntersuchung funktional noch zum Bereich des Eingriffs und kann davon nicht getrennt werden, ohne daß
ein wesentlicher Teil der medizinisch angezeigten Behandlungsmaßnahme des Arztes fehlte. Der damit
festzustellende notwendige Zusammenhang zwischen dem Eingriff und der Entlassungsuntersuchung bedeutet für die
Abrechenbarkeit, daß die Entlassungsuntersuchung von den Gebührentatbeständen mitumfaßt wird, nach denen
bereits der Eingriff als solcher abgerechnet wird (BSG, aaO).
Die vorstehend erläuterten in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze beinhalten sachgerechte
Kriterien für die Abgrenzung von Leistungskomplexen. Sie gelten damit auch dann, wenn der eigentliche Eingriff der
vertragsärztlichen Versorgung nicht zuzurechnen und damit auch nicht über die Beklagte abzurechnen ist, sondern
zulasten eines anderen Kostenträgers bzw. auf eigene Kosten der Patientin vorgenommen wird.
Dementsprechend ist die Entlassungsuntersuchung nach einem ambulant durchgeführten Schwangerschaftsabbruch
als Bestandteil dieses Abbruchs anzusehen. Wie letzterer wird damit auch die Entlassungsuntersuchung (bei unter
den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 StGB vorgenommenen Abbrüchen) von der Leistungspflicht der gesetzlichen
Krankenkassen und damit von einer Abrechenbarkeit im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht erfaßt.
Dieser Ausschluß gilt aus den erläuterten Gründen auch dann, wenn im Rahmen der Abschlußuntersuchung spezielle
Untersuchungsgeräte (wie im vorliegenden Zusammenhang ein Ultraschallgerät) eingesetzt werden. Die – ohnehin in
vielen Zusammenhängen gebotene – Hinzuziehung apparativer Diagnosehilfen nimmt einer solchen
Abschlußuntersuchung nicht den Charakter einer körperlichen Untersuchung im Rahmen der Überwachung im direkten
Anschluß an die Operation, die nach § 24b Abs. 4 Nr. 7 SGB V (in den Fällen des § 24b Abs. 3 SGB V) vom
Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist.
Erst recht sind nach den vorstehend erläuterten Grundsätzen solche Kontrollsonographien (in den Fällen des § 24b
Abs. 3 SGB V) nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung, die in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang
mit einem Eingriff noch im Operationssaal durchgeführt werden. Dies ergibt sich bereits daraus, daß diese ersten
postoperativen Kontrollsonographien nach der Darstellung der Klägerin zunächst der Beurteilung des Erfolges des
Eingriffs dienen. Der ärztliche Eingriff umfaßt auch die im Zusammenhang mit ihm – mit oder ohne technische
Hilfsmittel – vorzunehmende Prüfung, ob er überhaupt vollumfänglich durchgeführt worden ist.
Der Senat sieht sich in seiner Auffassung dadurch bestätigt, daß auch bei rechtmäßigen und damit der
Leistungspflicht der Krankenkassen unterfallenden (ambulanten) Abbrüchen Kontrollsonographien jedenfalls am Tage
des Eingriffs (noch vor der Entlassung der Patientin in den häuslichen Bereich) nicht gesondert abrechenbar sind.
Diesbezüglich ist die Regelung im Abschnitt A I. Allgemeine Bestimmungen Teil A Ziff. 1 S. 2 EBM zu
berücksichtigen, wonach eine Leistung dann nicht neben oder anstelle einer anderen Leistung berechnungsfähig ist,
wenn sie Teil des Leistungsinhalts einer anderen berechnungsfähigen Leistung oder eines Leistungskomplexes ist.
Diese Regelung soll gerade dann zum Zuge kommen, wenn (mindestens) zwei Gebührentatbestände verwirklicht sind.
Ihrer Heranziehung kann daher von vornherein nicht das Gebot der wortlautgetreuen Auslegung der Leistungslegenden
(vgl. dazu BSG, SozR 3-5533 Nr. 2449 Nr. 2) entgegengehalten werden. Für den vorliegenden Zusammenhang folgt
aus dieser Regelung, daß die Ziffern 195 bzw. 197 EBM die angesprochenen Kontrollsonographien, die aus den
dargelegten Gründen Teil der Leistung "Schwangerschaftsabbruch" sind, mit abgelten.
Sachliche Bedenken gegen dieses Ergebnis sind um so weniger ersichtlich, als bei den für den ambulanten Abbruch
nach Ziffern 195 und 198 insgesamt vorgesehenen 2500 Punkten eine gesonderte Honorierung für den – im Rahmen
der Gesamtmaßnahme nur eine untergeordnete Bedeutung aufweisenden – Einsatz eines Ultraschallgerätes bei der
Nachuntersuchung nicht geboten ist. Überdies dient das vertragliche Regelungswerk des EBM dem Ausgleich der
unterschiedlichen Interessen zwischen Ärzten und Krankenkassen; es ist daher in erster Linie Aufgabe des
Bewertungsausschusses selbst, Unklarheiten zu beseitigen oder etwaige unzureichende Honorierungsvorgaben zu
korrigieren (vgl. BSG, SozR 3-5533 Nr. 2449 Nr. 2).
Da ohnehin jeder Arzt verpflichtet ist, alle Eingriffe unabhängig vom jeweils zuständigen Kostenträger fachgerecht
unter Einschluß aller medizinisch gebotenen Vor– und Nachuntersuchungen vorzunehmen, ist es für die vorstehend
erörterte Abgrenzungsproblematik ohne Relevanz, wer die Kosten der Behandlung von Gesundheitsschäden zu tragen
hätte, die eine Patientin infolge des Unterbleibens einer gebotenen Nachsorge erleiden könnte.
2. Auch die Absetzung der bei Sterilisationen gesondert abgerechneten Leistungen nach Ziffer 1115 EBM ist
rechtmäßig erfolgt. Das Anlegen eines Portioadapters im Sinne dieses Gebührentatbestandes stellt sich als Teil des
Leistungsinhalts der daneben von der Klägerin nach Ziffer 187 (i.V.m. Ziffer 188) abgerechneten Sterilisation im Sinne
der vorstehend bereits erläuterten Regelung im Abschnitt A I. Allgemeine Bestimmungen Teil A Ziff. 1 S. 2 EBM dar.
Hierfür ist nicht erforderlich, daß das Zusammentreffen beider Leistungstatbestände medizinisch zwingend geboten
ist; ausreichend ist vielmehr aus den bereits dargelegten Gründen, daß auf der Grundlage einer lebensnahen und
funktionsgerechten Betrachtung ein funktionaler Zusammenhang zwischen beiden Leistungen besteht. Davon ist auch
im vorliegenden Zusammenhang auszugehen. Bei vielen operativen Eingriffen ist es medizinisch angezeigt, die
aufgrund ihrer eröffneten Möglichkeiten zum Einblick in das Innere des Körpers zugleich für eine Untersuchung auf
sonst nicht erkennbare Auffälligkeiten auszunutzen. Eine solche Untersuchung bei Gelegenheit eines anderweitig
veranlassten operativen Eingriffs weist bei lebensnaher Betrachtung regelmäßig keine eigenständige Bedeutung auf,
sondern ist dem eigentlichen Eingriff zuzurechnen. Daran ändert sich auch nichts, wenn ein Hilfsmittel wie hier in
Form eines Portioadapters für diese Untersuchung herangezogen wird. Die ohnehin im Rahmen des Eingriffs in den
Bauchraum einzuführende für beide Zwecke benötigte Optik vermittelt den erforderlichen funktionalen Zusammenhang
zwischen der Sterilisation und der Untersuchung auf Verwachsungen. Dies gilt unabhängig von der Frage, auf
welchem Zugangsweg der als Untersuchungshilfsmittel verwandte Portioadapter in den Körper eingeführt wird.
Für das vorstehend erläuterte Ergebnis spricht auch die bereits vom Sozialgericht herangezogene systematische
Betrachtung: Neben der – im Vergleich zu der von der Klägerin in den betroffenen Fällen abgerechneten (im EBM mit
1.700 Punkten bewerteten) Leistung nach Ziffer 187 geringer bewerteten – Leistung nach Ziffer 2634 (Laparoskopie;
1000 Punkte) kann die Anlegung eines Portioadapters nach Ziffer 1115 nicht gesondert abgerechnet werden (vgl.
Wezel/Liebold, Handkommentar BMÄ, E-GO und GOÄ, Stand: 1. April 2004, Erläuterungen zu Ziffer 2634). Soweit die
Klägerin bei einem Eingriff neben der nach Ziffer 187 abzurechnenden Sterilisation auch eine Laparoskopie vornimmt,
geht sie zutreffend davon aus, dass auf Grund der Teilidentität dieser beiden durch die Schaffung nur eines Zuganges
zur Bauchhöhle verbundenen Leistungstatbestände nicht daneben noch Ziffer 2634 in Ansatz gebracht werden kann.
Diese Verklammerung macht deutlich, dass auch neben der Leistung nach Ziffer 187 dem Einsatz eines
Portioadapters keine eigenständige Bedeutung zukommt.
Auch ein Vergleich der für die Sterilisation nach den Ziffern 187 und 188 EBM insgesamt vorgesehenen Punktzahl
von 4100 mit der lediglich mit 120 Punkten bewerteten Leistung nach Ziffer 1115 macht deren nur untergeordnete
Bedeutung deutlich. Der Kontakt zwischen Ärztin und Patientin am Tag der Leistungserbringung wird in diesen Fällen
durch den von seinem zeitlichen Rahmen und seinem Aufwand her deutlich dominierenden Eingriff zur Sterilisation
geprägt; der ohnehin nur vorübergehende Einsatz eines Portioadapters tritt wertungsmäßig hinter das umfassende
Operationsgeschehen zurück (vgl. zu diesen Kriterien BSG, SozR 3-5533 Nr. 505 Nr. 1).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG (in der im vorliegenden Rechtsstreit noch maßgeblichen bis zum 01.
Januar 2002 geltenden Fassung).
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).