Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 23.01.2003
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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 23.01.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 36 U 261/02
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 6 B 339/02 U
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 2. Oktober 2002 wird
zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des durch
Erledigungserklärung in der Hauptsache beendeten erstinstanzlichen Verfahrens zu erstatten.
Der Kläger bezieht wegen einer Berufskrankheit - BK - (obstruktive Atemwegserkrankung) Verletztenrente aus der
gesetzlichen Unfallversicherung. Ein vor dem Landessozialgericht - LSG - Niedersachsen um eine Erhöhung der
Verletztenrente geführter Rechtsstreit (Az: L 9/3 U 243/00) endete im Dezember 2001 durch einen außergerichtlichen
Vergleich. Darin verpflichtete sich die Beklagte, dem Kläger ab Juni 1999 Verletztenrente in Höhe von 70 v.H. der
Vollrente zu zahlen.
Im Anschluss an diesen Vergleich bat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 8. Januar 2002 die
Beklagte um Erteilung eines Ausführungs- und Verzinsungsbescheides. Diese teilte ihm daraufhin am 10. Januar
2002 mit, der Kläger werde in den nächsten Tagen einen Ausführungsbescheid erhalten, der Zinsbescheid werde
folgen. Die Beklagte erteilte dann den Ausführungsbescheid vom 16. Januar 2002 und den Verzinsungsbescheid vom
8. April 2002. Gegen den Verzinsungsbescheid legte der Kläger am 19. April 2002 Widerspruch ein, den er mit
Schreiben vom 2. und 7. Mai 2002 begründete. Nach weiterem Schriftwechsel (Schreiben der Beklagten vom 25.
April, 14. und 24. Mai 2002, Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 2., 7. und 29. Mai 2002) teilte
die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 27. Juni 2002 mit, dass sie den Widerspruch dem
Widerspruchsausschuss zur Entscheidung vorlege. Am 23. Juli 2002 hat der Kläger vor dem Sozialgericht - SG -
Hannover Untätigkeitsklage mit dem Antrag erhoben, die Beklagte zu verurteilen, einen Widerspruchsbescheid zu
erteilen. Im Verlauf des Klageverfahrens hat die Beklagte ihm mit Schriftsatz vom 9. August 2002 mitgeteilt, dass der
Widerspruch wegen der stark gestiegenen Anzahl der Widerspruchsfälle zunächst zurückgestellt werden müsse.
Nachdem die Beklagte den Widerspruchsbescheid am 23. August 2002 erlassen hatte, hat der Kläger den
Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens
aufzuerlegen. Das SG hat diesen Antrag mit Beschluss vom 2. Oktober 2002 zurückgewiesen und entschieden, dass
die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben. Denn nach dem Hinweis der Beklagten, dass eine
Entscheidung durch ihren Widerspruchsausschuss erfolgen werde, sei es nicht verständlich, dass der
Prozessbevollmächtigte des Klägers gleichwohl schon am 23. Juli 2002 Untätigkeitsklage erhoben habe.
Gegen diesen ihm am 9. Oktober 2002 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 19. Oktober 2002 Beschwerde
eingelegt. Nach seiner Auffassung überzeugt die Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht, weil der Kläger
immerhin fast einen Monat gewartet habe, bis er die Klage eingereicht habe.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die statthafte Beschwerde des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie ist jedoch nicht
begründet.
Endet ein Rechtsstreit, wie im vorliegenden Fall durch Erledigungserklärung, so hat das Gericht gemäß § 193 Abs. 1
Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Antrag nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden, ob und in welchem
Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Bei dieser Entscheidung sind das voraussichtliche
Ergebnis und der Grund der Klageerhebung zu berücksichtigen. Nach diesen Grundsätzen hat der beklagte
Sozialleistungsträger bei einer zulässigen Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) - die Untätigkeitsklage ist im vorliegenden
Fall nach Ablauf der Sperrfrist von 3 Monaten (§ 88 Abs. 2 SGG) am 23. Juli 2002 erhoben worden - zwar
grundsätzlich dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten, weil dieser nach Ablauf der Frist mit einer Bescheidung
rechnen kann. Das gilt aber dann nicht, wenn der beklagte Sozialleistungsträger zum Zeitpunkt der Klageerhebung
einen zureichenden Grund für die Untätigkeit hatte und der Kläger dies erkennen konnte; bei einer solchen
Konstellation hat er seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen (vgl. z.B. Beschluss des erkennenden Senats
vom 23. Oktober 2000 - Az: L 6 B 248/00 U - ; Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 7. Auflage 2002, § 193 Rz 13c mit
weiteren Nachweisen).
Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor. Denn die Beklagte hatte dafür, dass sie zum Zeitpunkt der Klageerhebung -
etwa 3 Monate und 2 Wochen nach Einlegung des Widerspruchs - noch keinen Bescheid erteilte hatte, einen für den
Prozessbevollmächtigten des Klägers erkennbaren sachlichen Grund. Nachdem die Beklagte die Zwischennachricht
vom 27. Juni 2002 erteilt hatte, konnte der Prozessbevollmächtigte des Klägers - als mit dem Ablauf des
Verwaltungsverfahrens und dem sozialgerichtlichen Verfahren vertrauter Rechtsanwalt - ohne weiteres erkennen, dass
aus nachvollziehbaren organisatorischen Gründen - der Widerspruchsausschuss tritt nicht ständig, sondern nur in
einem bestimmten zeitlichen Turnus zusammen - nicht schon 4 Wochen später ein Widerspruchsbescheid zugestellt
sein würde. Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass zwischen der Einlegung des Widerspruchs (19. April
2002) und der Zwischennachricht immerhin mehr als 2 Monate lagen. Denn es ist zu berücksichtigen, dass die
Beklagte die Zinsberechnung zuvor mit Schreiben vom 25. April und 14. Mai 2000 erläutert hatte, der
Prozessbevollmächtigte gleichwohl mit Schreiben vom 29. Mai 2002 substantiiert geltend gemacht hatte, die
Zinsberechnung sei nach wie vor unzutreffend. Auch dieses Vorbringen hatte die Beklagte und anschließend der mit
ihr personell nicht identische Widerspruchsausschuss zu prüfen, so dass es ohne weiteres einleuchtet, dass und
weshalb zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch kein Widerspruchsbescheid vorlag.
Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).