Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.05.2009
LSG Nsb: innere medizin, job sharing, gemeinschaftspraxis, widerspruchsverfahren, verwaltungsakt, behörde, versorgung, ergänzung, niedersachsen, kausalität
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 27.05.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 24 KA 267/03
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 3 KA 85/06
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 13. März 2006 und der
Beschluss des Beklagten vom 03. September 2003 aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen in den Verfahren BA 92/2001 und BA 11/2001
zu erstatten und die Zuziehung eines Rechtsanwalts als notwendig zu bestimmen. Der Beklagte trägt die Kosten des
erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Die
Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 3.116,02 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung der Kosten des Vorverfahrens.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Innere Medizin mit Teilgebietsbezeichnung Nephrologie an der vertragsärztlichen
Versorgung teil. Seit Mai 2001 betrieb er mit dem Internisten Dr. F. eine Gemeinschaftspraxis in Gestalt einer
sogenannten Job-Sharing-Praxis. Erstmals am 20. Oktober 2000 beantragte er die Gewährung einer vollen Zulassung
im Wege des Sonderbedarfs.
Gleichzeitig beantragten der Kläger und sein Praxispartner Dr. G. die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen
Tätigkeit als Fachärzte für Innere Medizin - Nephrologie - in H ... Mit Beschlüssen vom 9. November 2000 lehnte der
Zulassungsausschuss Braunschweig die Anträge ab. Hiergegen legte der Kläger jeweils Widerspruch ein.
Unter dem 26. April 2001 stellte der Kläger einen (erneuten) Antrag auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit im
Wege des Sonderbedarfs als Facharzt für Innere Medizin - Nephrologie - in H., den der Zulassungsausschuss mit
Beschluss vom 17. Mai 2001 ablehnte. Die Voraussetzungen einer Zulassung im Wege des Sonderbedarfs nach Nr.
24 der Bedarfsplanungs-Richtlinie lägen nicht vor. Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch trug der Kläger vor,
dass gerade die Notwendigkeit nach der Qualitätsvereinbarung zu den Blutreinigungsverfahren, einen zweiten Arzt in
der Gemeinschaftspraxis beschäftigen zu müssen, einen Sonderbedarf indiziere, der überdies dauerhaft sei. Die der
Gemeinschaftspraxis erteilte Genehmigung für die Errichtung einer LC-Dialyse in I. könne den Sicherstellungsbedarf
nicht abdecken, da lediglich 10 bis 20 % der Patienten LC-dialysefähig seien. Auch sei nicht zu erwarten, dass sich in
absehbarer Zeit in I. -Stadt ein Nephrologe niederlasse, zumal nach der Ankündigung der Krankenkassen, das
Vergütungssystem im Bereich der Sachkosten der Dialyse weiter zu pauschalieren mit der Folge einer massiven
Honorareinbuße.
Mit Wirkung zum 1. Juli 2002 wurde § 24 der Bedarfsplanungs-Richtlinie um den Buchstaben e ergänzt, wonach die
Voraussetzungen für eine Ausnahme gegeben sind, wenn durch die Kassenärztliche Vereinigung zur Sicherstellung
der wohnortnahen Dialyseversorgung einem Vertragsarzt (Nr.1) oder aufgrund der Qualitätsvereinbarung zu den
Blutreinigungsverfahren gemäß § 135 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) einem weiteren Arzt in der
Dialysepraxis (vgl. § 7 Abs. 1 und 2 der Anlage 9.1 der Bundesmantelverträge) (Nr. 2) die Genehmigung zur
Durchführung eines Versorgungsauftrags für die nephrologische Versorgung der von einer chronischen
Niereninsuffizienz betroffenen Dialyseleistungen gemäß § 2 Abs. 7 der Bundesmantelverträge erteilt werden soll, der
Zulassung jedoch Zulassungsbeschränkungen für die Zulassung von Fachärzten für Innere Medizin zur Teilnahme an
der fachärztlich internistischen Versorgung entgegen stehen.
Mit Beschluss vom 7. August 2002 (BA 92/2001) hob der Beklagte den Beschluss des Zulassungsausschusses vom
17. Mai 2001 auf und ließ den Kläger mit Wirkung zum 1. Oktober 2002 wegen Sonderbedarfs nach Nr. 24 e der
Bedarfsplanungs-Richtlinie als Facharzt für Innere Medizin - Nephrologie - in H. zur vertragsärztlichen Versorgung zu.
Zur Begründung wurde auf den Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 26. Februar
2002 über die Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie verwiesen. Da Zulassungen nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) nur mit Wirkung für die Zukunft erteilt werden könnten, werde die Zulassung zum Beginn
des 3. Quartals 2002 erteilt. Mit Beschluss vom selben Tag (BA 11/2001) hob der Beklagte den Beschluss des
Zulassungsausschusses vom 9. November 2000 auf und genehmigte die aus dem Kläger und Dr. G. bestehende
internistisch/nephrologische Gemeinschaftspraxis. Zur Begründung wurde ausgeführt, nachdem der Kläger mit
Wirkung zum 1. Oktober 2002 zugelassen worden sei, stehe der Gründung einer Gemeinschaftspraxis nichts mehr im
Wege. Das Verfahren zum Zulassungsantrag vom 20. Oktober 2000 wurde für erledigt erklärt.
Mit Schriftsatz vom 22. Juli 2003 beantragte der Kläger, die Beiziehung eines Rechtsanwalts für notwendig zu
erklären und ihm die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen in beiden
Widerspruchsverfahren zu erstatten. Mit Beschluss vom 3. September 2003 - an die Klägerseite abgesandt am 26.
September 2003 - lehnte der Beklagte den Antrag auf Kostenerstattung ab, da in beiden Widerspruchsverfahren die
vom Kläger eingelegten Widersprüche für seine Entscheidung nicht kausal geworden seien. Der Widerspruch im
Widerspruchsverfahren BA 92/2001 sei nur aufgrund der zum 1. Juli 2002 in Kraft getretenen Ergänzung der
Bedarfsplanungs-Richtlinie um Nr. 24 Buchstabe e erfolgreich gewesen. Aufgrund der dadurch erst möglichen
Zulassung des Klägers im Wege des Sonderbedarfs habe auch das auf Genehmigung einer nephrologischen
Gemeinschaftspraxis gerichtete Widerspruchsverfahren Erfolg gehabt.
Mit seiner am 14. Oktober 2003 beim Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage hat der Kläger an einer
Kostenerstattungspflicht des Beklagten im Vorverfahren festgehalten. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 63
Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), der allein auf den Erfolg des Widerspruchs abstelle. Eine
Kausalität der Widerspruchsbegründung sei für die stattgebende Entscheidung nicht zu fordern. Diese Auffassung
werde auch von Niesel, (Hinweis auf: Der Sozialgerichtsprozess, 3. Aufl., 1996, Rdnr. 68) sowie von Krasney (Hinweis
auf: Kasseler Kommentar, § 63 SGB X, Rdnr. 5) vertreten. Überdies hätten die Widerspruchsbegründungen des
Klägers die gleiche Zielrichtung verfolgt, wie sie mit der neu eingeführten Nr. 24 e der Bedarfsplanungs-Richtlinie
eingeführt worden sei. Allerdings habe er nur auf der Basis der seinerzeit gültigen Regelungen nach den Nr. 24 a, b
und c argumentieren können. Da der Kläger keinen Einfluss auf Änderungen der Rechtsgrundlagen habe, entspreche
es dem Gedanken des § 63 SGB X, in einem solchen Fall bei erfolgreichem Widerspruch dem Widerspruchsführer die
Kosten des Vorverfahrens zu erstatten.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13. März 2006 - dem Kläger zugestellt am 27. März 2006 -
abgewiesen, da ein Erfolg der Widersprüche iSd § 63 SGB X hier nicht gegeben sei. Dies sei grundsätzlich dann nicht
der Fall, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein anderer Umstand als der Widerspruch dem Erfolg rechtlich
zurechenbar sei. Auch auf der Grundlage der zitierten Rechtsauffassung Niesels ergebe sich kein für den Kläger
günstiges Ergebnis, da der Beklagte hier keine andere Begründung eines bereits anfänglich erfolgversprechenden
Antrags zu Grunde gelegt habe, sondern der Erfolg der Widersprüche allein auf der geänderten Rechtslage fuße. Der
Kläger hätte sein Begehren auch mit einem neuen Antrag nach Änderung der Rechtslage durchsetzen können.
Der Kläger hat am 27. April 2006 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt, mit der
er an seiner Rechtsauffassung festhält. Ergänzend führt er aus, dass auch unabhängig von der Ergänzung der Nr. 24
der Bedarfsplanungs-Richtlinie durch den Buchstaben e gute Erfolgsaussichten bestanden hätten. Nach der
Vereinbarung zu den Blutreinigungsverfahren gemäß § 135 Abs. 2 SGB V sei die von der Gemeinschaftspraxis des
Klägers vorgehaltene Behandlerkapazität deutlich überschritten worden, so dass ein Bedarf für die Zulassung eines
weiteren Nephrologen nach der Qualitätssicherungsrichtlinie nachgewiesen worden sei. Die zwischenzeitliche
Ergänzung der Bedarfsplanungs-Richtlinie habe dem Widerspruch lediglich im Rahmen einer "überholenden
Kausalität" zum Erfolg verholfen.
Der Kläger beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 13. März 2006 und den Beschluss des Beklagten vom 03.
September 2003 aufzuheben und 2. den Beklagten zu verurteilen, ihm die notwenigen Aufwendungen in den Verfahren
BA 92/2001 und BA 11/2001 zu erstatten und die Zuziehung eines Rechtsanwalts als notwendig zu bestimmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält an seiner Rechtsauffassung fest.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den
Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
Die gegen den eine Kostenerstattung ablehnenden Beschluss des Beklagten vom 3. September 2003 gerichtete Klage
ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) statthaft und auch im
Übrigen zulässig.
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss ist rechtswidrig; der Kläger hat Anspruch auf
Kostenerstattung in den streitbefangenen Widerspruchsverfahren.
Rechtsgrundlage ist § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen
Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch
erfolgreich ist.
Der Tatbestand der Vorschrift ist vorliegend erfüllt. Die entscheidende Voraussetzung für eine Kostenerstattung ist,
dass der Widerspruch erfolgreich ist. Grundsätzlich ist ein Widerspruch erfolgreich, auf den hin der angegriffene
Verwaltungsakt ganz oder teilweise aufgehoben wird; es braucht keine Kausalität zwischen der
Widerspruchseinlegung und dem Erfolg des Widerspruchs zu bestehen. Auch wenn die Behörde den Verwaltungsakt
aus Gründen aufhebt, auf die sich der Widerspruchsführer nicht gestützt hat, ist der Widerspruch erfolgreich. Das gilt
auch dann, wenn der Erfolg durch eine Änderung der Sach- oder - wie vorliegend - der Rechtslage herbeigeführt
worden ist (Becker in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, Stand Dezember 2008, § 63 SGB X Rdnr. 27).
Die Vorschrift des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist dem § 80 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
wortgleich nachgebildet worden. Weder im Wortlaut des § 80 VwVfG noch in dem des § 63 SGB X findet sich ein
Hinweis darauf, dass die Gründe des Erfolgs des Widerspruchs von Belang sein sollen. Dessen Irrelevanz wird durch
die Entstehungsgeschichte des § 80 VwVfG bestätigt. Im Gesetzgebungsverfahren ist erörtert worden, ob eine
Kostenerstattungspflicht dann entfallen soll, wenn einem Widerspruch nicht wegen Rechtswidrigkeit, sondern nur
wegen Unzweckmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes stattgegeben wurde. Im Regierungsentwurf ist eine
Differenzierung abgelehnt worden, weil eine zu kasuistische Regelung vermieden werden sollte. Eine unterschiedliche
Beurteilung der Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit einerseits und der Aufhebung wegen Unzweckmäßigkeit
andererseits könnte das Kostenverfahren mit schwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen belasten. Das sollte
gerade vermieden werden (BT-Drs 7/910 S. 92). Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu §
80 VwVfG wiederholt ausgeführt, dass es grundsätzlich allein auf den äußeren Erfolg ankomme. Werde dem
Widerspruch stattgegeben - aus welchen Gründen auch immer -, so gelte dies als eine für den Widersprechenden
erfolgreiche Durchsetzung seines Begehrens (BVerwG NVwZ 1997, 272). Auch der Sinn des Gesetzes liefere keine
Argumente, die sich der dem Wortlaut entsprechenden Auslegung entgegensetzen lassen könnten (BVerwG Buchholz
316 § 80 VwVfG Nr. 12). Im Schrifttum zu § 80 VwVfG ist in Übereinstimmung hiermit anerkannt, dass ein Erfolg des
Widerspruchs auch anzunehmen sein soll, wenn die Stattgabe auf einer zwischenzeitlich erfolgten Änderung der
Rechtslage beruht (vgl. Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 80 RdNr. 32).
Dementsprechend ist das BSG zunächst auch der Rechtsprechung des BVerwG gefolgt und hat vertreten, dass es
ohne Belang sei, was der Widersprechende zur Begründung seines Rechtsbehelfs vorgebracht habe und welche
Gründe zum Stattgeben des Widerspruchs geführt hätten (BSG, Urteil vom 8. Oktober 1987 - 9a RVs 10/87 - juris).
Diese Rechtsprechung hat der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 21. Juli 1992 (SozR 3-1300 § 63 Nr.3) dann
dahin modifiziert, dass dies nicht den Blick dafür verstellen dürfe, dass dem Widerspruch nur dann "stattzugeben sei"
und er erfolgreich im Sinne des Gesetzes sei, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der
Behörde eine "ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne" bestehe. Damit hat sich der 4. Senat von der früheren BSG-
Rechtsprechung gelöst, allerdings ohne die Anforderungen an das Erfordernis einer "kausalen Verknüpfung" zu
präzisieren. Denn er hat dahinstehen lassen, ob ein solcher kausaler Zusammenhang zwischen Rechtsbehelf und
"abhelfender" Entscheidung des Verwaltungsträgers immer schon dann anzunehmen ist, wenn belastender
Verwaltungsakt, Widerspruch des Betroffenen hiergegen und "stattgebender" Verwaltungsakt - wie vorliegend - in
zeitlicher Abfolge stehen. Der 4. Senat hat seine Ausführungen darauf beschränkt, dass Sachverhalte denkbar sind,
bei denen - wie beispielsweise der Widerspruch, der mit keiner Begründung versehen ist - der "Erfolg" des
Widerspruchs zweifelhaft sein mag, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein anderer Umstand als der Widerspruch
dem "Erfolg" rechtlich zurechenbar wäre.
Unter Hinweis auf die Entscheidung des 4. Senats hat auch der 12. Senat in seinem zurückverweisenden Urteil vom
29. Januar 1998 (SozR 3-1500 § 144 Nr. 13) erwähnt, dass der Widerspruch iSd § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur dann
erfolgreich sei, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde eine "ursächliche
Verknüpfung im Rechtssinne" bestehe. Nachdem das Verfahren erneut an das BSG gelangt war, hat der 12. Senat in
seiner abschließenden Entscheidung vom 18. Dezember 2001 (B 12 KR 42/00 R, - juris) hierauf Bezug genommen. In
den genannten Urteilen des 4. und 12. Senats ist der ursächliche Zusammenhang trotz eines günstigen Ausgangs für
den Widerspruchsführer verneint worden. Denn dem Widerspruch war jeweils deswegen stattgegeben worden, weil der
Versicherte während des Widerspruchsverfahrens eine Handlung nachgeholt hatte - in der Entscheidung des 4.
Senats die nachträgliche Erfüllung von Mitwirkungspflichten, in der Entscheidung des 12. Senats eine nachträgliche
Beitragszahlung -, die er bis zur Erteilung des angefochtenen Bescheides pflichtwidrig unterlassen hatte. Die
vorliegend maßgebliche Frage, ob ein Erfolg des Widerspruchs vorliegt, wenn eine während des
Widerspruchsverfahrens in Kraft getretene Gesetzesänderung zu einem für den Widerspruchsführer günstigen
Verfahrensausgang führt, hat der 12. Senat in seinem Urteil vom 25. März 2004 (B 12 KR 1/03 R - juris) hingegen
ausdrücklich offen gelassen.
Die genannte Rechtsprechung des 4. und 12. Senats des BSG ist, soweit sie auf eine "ursächliche Verknüpfung"
abstellt, vor dem Hintergrund des Wortlauts und der angeführten Entstehungsgeschichte des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB
X nicht überzeugend. Dies gilt umso mehr, als sie im Ergebnis zu einer umfangreichen Kasuistik führt, mit der das
Kostenverfahren nach dem Regierungsentwurf des § 80 VwVfG gerade nicht belastet werden sollte. Auch die
Argumentation des 12. Senats (Urteil vom 18. Dezember 2001 a.a.O.), die Regelung des § 91 Abs. 1 Satz 1
Zivilprozessordnung (ZPO) - das Unterliegensprinzip - gelte für die Kostenentscheidung im sozialrechtlichen
Verwaltungsverfahren nicht, begegnet in dieser Allgemeinheit Bedenken, weil sie die Anknüpfung des § 63 SGB X an
§ 80 VwVfG - der auf dem Unterliegensprinzip fußt - außer Acht lässt. § 80 VwVfG und § 63 SGB X gehen im Übrigen
auch nicht von dem Grundgedanken des § 193 Abs. 1 SGG aus, der eine Kostenentscheidung nach Billigkeit eröffnet.
Für Rechtsstreitigkeiten aus dem Vertragsarztrecht, die ab 2002 anhängig werden, ist im Übrigen auf § 197 a Abs. 1
SGG zu verweisen, wonach § 154 Abs. 1 VwGO im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar ist. Auch
diese Vorschrift ist aber Ausdruck des Unterliegensprinzips im Kostenrecht.
Soweit die Entscheidungen des 4. und daran anschließend des 12. Senats des BSG von dem Gedanken getragen
worden sind, die mangelnde Mitwirkung des Widerspruchsführers durch eine Kostentragung zu sanktionieren, bedarf
es des Konstrukts einer "kausalen Verknüpfung" nicht. Denn nach § 63 Abs. 1 Satz 3 1. HS SGB X sind die
Aufwendungen, die durch das Verschulden eines (nach Satz 1) Erstattungsberechtigten entstanden sind, von diesem
selbst zu tragen (ebenso: Becker a.a.O. RdNr. 28).
Nach den vorstehenden Erwägungen sind dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen
Aufwendungen zu erstatten. Hierzu gehören gemäß § 63 Abs. 2 auch die Gebühren und Auslagen eines
Rechtsanwalts im Vorverfahren, wenn dessen Zuziehung notwendig war. Über die Notwendigkeit der Zuziehung ist im
Rahmen der vorliegenden Kostengrundentscheidung zu befinden (§ 63 Abs. 3 Satz 2 SGB X).
Die Notwendigkeit ist vorliegend zu bejahen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ist notwendig, wenn sie vom
Standpunkt eines verständigen, nicht rechtskundigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte, weil ein
vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erkenntnisstand sich bei der gegebenen Sach- und Rechtslage eines
Rechtsanwalts bedient hätte. Hierfür kann insbesondere eine besonders schwierig zu beurteilende Sach- und
Rechtslage ausschlaggebend sein (Becker aaO, Rdnr. 49). Eine solche Situation war im vorliegenden Fall schon
deshalb zu bejahen, weil die in Nr. 24 der Bedarfsplanungs-Richtlinie getroffenen Regelungen sehr komplex und von
einem juristischen Laien kaum zu bewältigen sind.
Über die konkrete Höhe der zu erstattenden Kosten wird der Beklagte in einem gesonderten Festsetzungsbescheid zu
befinden haben (§ 63 Abs. 3 Satz 1 SGB X), wobei es sich um ein von der Kostengrundentscheidung abgeschichtetes
Verfahren handelt (BSG SozR 4-1300 § 63 Nr. 4; SozR 4-1500 § 105 Nr. 1).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 1 sowie § 162 Abs. 3 iVm § 154 Abs. 3
VwGO.
Der Senat lässt die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 SGG zu.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1
Gerichtskostengesetz. Dabei wird berücksichtigt, dass der Beklagte dem vom Kläger errechneten Streitwert nicht
widersprochen hat.