Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 18.07.2003
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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 18.07.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Oldenburg S 7 U 277/99
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 9 U 175/01
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der 1950 geborene Berufungskläger war als Betonwerker bei der Firma C. tätig.
Durch eine Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 26. November 1998 erlangte die Berufungsbeklagte Kenntnis von
einem Unfall des Berufungsklägers am 12. Februar 1998. In dieser Unfallanzeige teilte der Arbeitgeber mit, der
Berufungskläger habe zum Unfallzeitpunkt keinerlei Meldung über diesen Unfall gemacht. In einem Schreiben vom 19.
November 1998 schilderte der Berufungskläger, am 12. Februar 1998 gegen 14.00 Uhr seien hinter seinem
Arbeitsplatz ca. 50 Träger umgefallen. Ein Träger habe ihn am linken Knie gestreift. Da er zunächst vermutet habe,
dass es sich nur um eine Prellung handele, sei er erst eine Woche später zum Arzt gegangen. Die Berufungsbeklagte
leitete Ermittlungen ein und zog Arztberichte und Arztbriefe der Chirurgen Dr. D. und Dr. E. bei. Hieraus ergibt sich im
Wesentlichen, dass sich der Berufungskläger mit Schmerzen im linken Knie bei Dr. D. vorgestellt hatte und von
diesem an das Ev. Krankenhaus F. (Dr.E.) überwiesen worden war. Dort war am 12. Oktober 1998 eine
arthroskopische Teil-Meniskektomomie des Innenmeniskus-Hinterhornes durchgeführt worden. In einem Bericht vom
22. Januar 1999 teilte Dr. E. mit, aufgrund der angewandten Operationstechnik, sei kein histologischer Befund erstellt
worden. In einem Befundbericht vom 10. Februar 1999 teilte Dr. E. mit, es ließe sich kein Zusammenhang mit einem
Unfallereignis herstellen. Diese Einschätzung teilte der beratende Arzt der Berufungsbeklagten, der Chirurg Dr. G.
nach Durchsicht der vorliegenden Unterlagen, insbesondere der verschiedenen beigezogenen Ergebnisse von
bildgebenden Verfahren (Röntgen-, Kernspinaufnahmen).
Darauf hin lehnte es die Berufungsbeklagte mit Bescheid vom 18. Juni 1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 1999 ab, dem Berufungskläger Leistungen der gesetzlichen
Unfallversicherung zu gewähren.
Am 17. November1999 ist Klage erhoben worden, die vom Sozialgericht (SG) Oldenburg nach vorheriger Anhörung der
Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 27. März 2001 abgewiesen worden ist. Zur Begründung hat das SG im
Wesentlichen darauf hingewiesen, es habe sich keine unfallbedingte Erkrankung des linken Knies feststellen lassen.
Dies habe auch der Berufungskläger zunächst nicht angenommen.
Gegen den am 29. März 2001 zugestellten Gerichtsbescheid ist am 27. April 2001 Berufung eingelegt worden. Der
Berufungskläger ist nach wie vor der Auffassung, seine noch vorhandenen Beschwerden am linken Knie, seien auf
das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen. Vor diesem Ereignis habe er nie über Knieschmerzen geklagt oder sei
wegen Knieschmerzen behandelt worden. Schon hieraus ergebe sich, dass die nunmehr vorliegenden
Funktionsbeeinträchtigungen am linken Knie auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen seien.
Der Berufungskläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Oldenburg vom 27. März 2001 sowie den Bescheid der Steinbruchs-
Berufsgenossenschaft vom 18. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 1999
aufzuheben,
2. die Berufungsbeklagte zu verurteilen, ihm wegen des Ereignisses vom 12. September 1998 Leistungen der
gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Berufungsbeklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf ihre angefochtenen Bescheide und die erstinstanzliche Entscheidung.
Im Berufungsverfahren hat das Gericht auf Antrag des Berufungsklägers zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts
ein Gutachten des Orthopäden Dr. H. vom 17. Mai 2003 eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird
auf das Gutachten Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt des
beigezogenen Verwaltungsvorganges der Berufungsbeklagten (1 Bd. zum Az. 98/4/29633/05) Bezug genommen.
Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten in Anwendung von §§ 155 Abs 3 und 4, 124 Abs 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat in dem Gerichtsbescheid vom 27. März 2001 zu Recht entschieden, dass der Berufungskläger weder
Anspruch auf Verletztengeld noch auf eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat. Der Bescheid
der Berufungsbeklagten vom 18. Juni 1999 ist der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 1999 ist
rechtmäßig und verletzt den Berufungskläger nicht in seinen Rechten.
Der Berufungskläger erfüllt nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Verletztengeld nach § 45
des 7. Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) bzw für die Bewilligung einer
Verletztenrente nach § 56 SGB VII. Voraussetzung für beide Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ist
nämlich, dass der Versicherte infolge eines Versicherungsfalls arbeitsunfähig bzw. - zumindest teilweise –
erwerbsunfähig ist. Dies ist hier nicht der Fall.
Das vom Berufungskläger angeschuldigte Ereignis vom 12. September 1998 ist nicht als Versicherungsfall, der zur
Arbeits- bzw Erwerbsunfähigkeit geführt hat, zu qualifizieren. Das Ereignis vom 12. September 1998 ist kein
Arbeitsunfall im Sinne von § 8 SGB VII. Nach dieser Norm sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer
den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper
einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden führen. Insoweit unterstellt das Gericht zugunsten des
Berufungsklägers, dass sich der Vorfall am 12. September 1998 genau so abgespielt hat, wie das vom
Berufungskläger immer wieder geschildert worden ist. Insoweit ergeben sich für das Gericht keinerlei Hinweise darauf,
dass die Schilderungen des Berufungsklägers nicht zutreffen sollten.
Dieses Ereignis ist indessen nicht ursächlich im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung für den
nunmehr am linken Knie des Berufungsklägers vorliegenden Gesundheitsschaden geworden. Insoweit geht der
Berufungskläger fehl, wenn er annimmt, allein aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der
Beschwerden und dem angeschuldigten Ereignis müsse auf die Ursächlichkeit geschlossen werden. Die Grundsätze
des Anscheinsbeweises finden nämlich auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung keine Anwendung (vgl.
LSG Niedersachsen, Urt. v. 20. Juli 2000, L 6 U 328/99 = Breithaupt 2000 S. 1031 ff). Auch in derartigen zeitlichen
Konstellationen muss mit Wahrscheinlichkeit festzustellen sein, dass der Gesundheitsschaden unter Beachtung der
wissenschaftlichen Lehrmeinung in der Medizin wesentlich auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen ist. Dies
läßt sich im Fall des Berufungsklägers gerade nicht feststellen.
Insoweit haben alle im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gehörten Mediziner übereinstimmend ausgeführt, der
Schaden am Innenmeniskus des linken Knies des Berufungsklägers sei nicht auf ein traumatisches Ereignis – wie es
in dem angeschuldigten Ereignis zu sehen ist – zurückzuführen, sondern auf einen Vorgang der Degeneration im Knie
des Berufungsklägers. Dies ergibt sich sowohl aus den verschiedenen Stellungnahmen des den Berufungskläger
behandelnden Chirurgen Dr. D. und des Unfallchirurgen Dr. E. als auch nochmals nachdrücklich aus dem auf Antrag
des Berufungsklägers eingeholten Gutachten des Chirurgen Dr. H ... Insbesondere dieser hat eingehend und
ausführlich nochmals auf die Verletzungsmechanismen, die zu einer Schädigung des im inneren des Knies gelegenen
Meniskus führen können, hingewiesen. Insoweit hat er – wie dies auch von den anderen genannten Chirurgen,
vorausgesetzt wurde – nochmals auf die anatomischen Strukturen hingewiesen und deutlich gemacht, dass ein
Anpralltrauma am Knie nur dann als Verursacher eines Meniskusschadens angenommen werden kann, wenn
gleichzeitig Verletzungen an umgebenden Strukturen des Kniegelenks festgestellt werden können. Eben dies ist aber
bei den zahlreichen Untersuchungen des Berufungsklägers mit bildgebenden Verfahren (Röntgen oder Kernspin) bzw
bei der zweifachen arthroskopischen Untersuchung bzw Operation des linken Kniegelenks nicht festgestellt worden.
Schon aus diesem Grunde kann sich das erkennende Gericht nicht die Überzeugung bilden, dass der Schaden am
Meniskus des linken Knies des Berufungsklägers mit Wahrscheinlichkeit auf das angeschuldigte Ereignis
zurückzuführen ist.
Schon aus diesem Grund war die Berufung zurückzuweisen.
Lediglich erläuternd ist weiter darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf eine vom Berufungskläger angestrebte
Verletztenrente auch nicht ersichtlich ist, dass dessen Erwerbsfähigkeit mindestens um wenigstens um 20 vH im
Sinne von § 56 SGB VII gemindert ist. Insoweit ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. H., dass am linken Knie des
Berufungsklägers ein normales Bewegungsmaß vorliegt. Da für die Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit
(MdE) wesentlich auf das noch mögliche Bewegungsmaß abzustellen ist, ließe sich – unterstellt die Beschwerden
seien auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen – keine MdE feststellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von §§ 183, 193 SGG.
Anlaß für die Zulassung der Revision besteht nicht, § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG.