Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 26.03.2003
LSG Nsb: arbeitsunfähigkeit, private krankenversicherung, arbeitsunfall, heilbehandlung, gerichtsakte, zustellung, verwaltungsakt, anerkennung, unfallversicherung, niedersachsen
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 26.03.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 22 U 320/96
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 3/9/6 U 272/00
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Weiterzahlung von Verletztengeld.
Der 1965 geborene Kläger war früher als Lizenzfußballspieler beschäftigt, seit November 1992 beim TSV Havelse. Am
24. Februar 1991 verletzte er sich im rechten Leistenbereich, als er im Rahmen eines Punktspiels bei einem Abwehr-
manöver mit dem rechten Bein im Boden hängenblieb und sich dadurch im Hüft-gelenk verdrehte. Der Durchgangsarzt
Dr F. , Oldenburg, diagnostizierte Muskel-faserrisse und eine begleitende Lymphdrüsenschwellung im rechten
Leistenbe-reich (Bericht vom 25. Februar 1991). Er leitete allgemeine berufsgenossen-schaftliche Heilbehandlung ein,
in deren Verlauf er den Kläger am 15. Mai 1991 operierte; später verordnete er Maßnahmen der
krankengymnastischen und phy-sikalischen Therapie. Außerdem stellte er ab 25. Februar 1991 die Arbeitsunfä-higkeit
des Klägers fest.
Bei weiterhin bescheinigter Arbeitsunfähigkeit spielte der Kläger wiederholt im Rahmen des Trainings bzw von
Freundschaftsspielen Fußball und klagte danach (am 20. April, am 28. Juni, am 22. und 30. Juli und am 29. Oktober
1991) erneut über Schmerzen im Bereich der rechten Leiste. Dr F. beendete die Heilbehand-lung am 15. Mai 1992,
hielt den Kläger aber weiterhin für arbeitsunfähig. Der Klä-ger nahm seine Tätigkeit als Berufsfußballspieler nicht
wieder auf.
Nach dem Ende der Entgeltfortzahlung zahlte die Beklagte ihm ab 12. April 1991 Verletztengeld in Höhe von 122,01
DM täglich. Hierüber erteilte sie ihm insge-samt 6 Bescheide, in denen sie jeweils einen Anspruch auf Verletztengeld
aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit bejahte und Zahlungen für bestimmte Zeiträume festsetzte. Zuletzt teilte sie dem
Kläger mit, Verletztengeld sei bis 22. November 1991 zu zahlen (Bescheid vom 05. Dezember 1991). Im Hinblick auf
ein bei dem Chirurgen Dr G. , Kreiskrankenhaus Großburgwedel, in Auftrag gegebenes Gutachten über die
weiterbestehenden Unfallfolgen zahlte die Beklagte im Anschluss hieran Verletztengeld nicht weiter aus. Dem Kläger
teilte sie telefonisch (am 18. Dezember 1991) mit, dass mit einer evtl Weiterzah-lung des Verletztengeldes bis zum
Gutachten abgewartet werden solle. Auf der Grundlage einer Untersuchung am 26. November 1991 kam Dr G. in
seinem Gutachten vom 17. Januar 1992 zum Ergebnis, eine unfallbedingte Arbeitsunfä-higkeit liege nicht mehr vor,
vielmehr seien degenerative Veränderungen im Be-reich des rechten Hüftgelenks Grund der weiterbestehenden
Beschwerden.
Der Kläger, der sich am 04. März 1992 arbeitslos gemeldet hatte und in der Fol-gezeit Arbeitslosengeld bzw –hilfe
bezog, berief sich demgegenüber auf ein fach-orthopädisches Gutachten von Prof Dr H. , Dreifaltigkeits-Krankenhaus
Köln, der unter dem 07. April 1992 mitgeteilt hatte, neben dem Unfall vom 24. Februar 1991 seien die festgestellten
Beschwerden auch Folge einer chronischen Inserti-onstendopathie im Bereich der Adduktorenmuskulatur; die
Beschwerden seien jedoch zu 50 % durch das Unfallereignis bedingt. Dem schloss sich der behan-delnde Chirurg Dr
F. in einer Stellungnahme vom 13. August 1992 an.
Mit Bescheid vom 13. August 1992 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie gewäh-re Verletztengeld für den Zeitraum
vom 12. April bis zum 26. November 1991; eine Zahlung über diesen Zeitraum hinaus werde abgelehnt. Mit weiterem
Be-scheid vom 26. August 1992 lehnte sie einen Anspruch auf Verletztenrente ab, weil der Arbeitsunfall des Klägers
eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in renten-berechtigendem Grade nicht hinterlassen habe. Beide Bescheide
wurden be-standskräftig.
Mit Schreiben vom 16. März 1995 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihre Entscheidung über die
Arbeitsfähigkeit ab 23. November 1991 gemäß § 44 Abs 1 SGB X zurückzunehmen, wobei er sich zur Begründung
auf die Stellungnahmen von Prof Dr H. und Dr F. berief.
Die Beklagte führte zur weiteren Sachaufklärung Ermittlungen zu Vorerkrankun-gen durch, die ergaben, dass der
Kläger bereits im März 1989 bzw im Mai und Juli 1990 Muskelfaserrisse im rechten Oberschenkel erlitten hatte. Der
Unfallchi-rurg I. , Garbsen, teilte der Beklagten mit (Bericht vom 24. Februar 1996), der Kläger sei seit dem 30.
November 1990 bei ihm wegen Beschwerden im Bereich der rechten Leiste in Behandlung gewesen, die während des
Fußballspielens beim Schießen aufgetreten seien. Bei ihm sei eine Ansatztendopathie der Ad-duktoren festgestellt
worden, weshalb er in ständiger krankengymnastischer Be-handlung gewesen sei; zuletzt sei am 22. Februar 1991 bei
ihm eine Infiltration der Adduktorenansätze mit lokalen Anästhetika durchgeführt worden. Auch für die linke Seite
wurden Vorbehandlungen wegen Adduktorenzerrungen bzw Muskelfaserrissen im Dezember 1986, Januar und Februar
1987 (Bericht der Barmer Ersatzkasse vom 15. Januar 1996) und im März 1988 (Durchgangsarzt-bericht von Dr F.
vom 29. März 1988) angegeben. Ua im Hinblick auf diese Vor-behandlungen kamen der Chirurg Dr J. und der
Orthopäde K. in einer gutachter-lichen Stellungnahme vom 22. März 1996 zum Ergebnis, ein Unfallzusammen-hang
der ab dem 24. Februar 1991 ärztlich behandelten Beschwerden im Bereich der rechten Leiste lasse sich nicht
wahrscheinlich machen. Mit Bescheid vom 04. Juni 1996 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung von
Verletztengeld über den 22. November 1991 hinaus ab, wobei sie sich auf die Gutachten von Dr G. und von Dr L.
berief. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 1996 führte
die Beklagte aus, nach den übereinstimmenden Aussagen der Gutachter hätten spätestens zum Zeitpunkt der ersten
Begutachtung am 26. November 1991 keine Schäden mehr vorgele-gen, die auf das Ereignis vom 24. Februar 1991
zurückzuführen seien.
Hiergegen hat der Kläger am 11. September 1996 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, mit der er
Verletztengeld über den 26. November 1991 hinaus bis längstens zum 31. Juli 1996 (Beginn einer Umschulung zum
Büro-kaufmann) geltend gemacht hat. Nach dem Gutachten von Prof Dr H. seien sei-ne Beschwerden zu gleichen
Teilen auf die Folgen der festgestellten Schadens-anlage und solche des Arbeitsunfalls zurückzuführen; seien zwei
Ereignisse in etwa gleichem Maße ursächlich für den Erfolg, müssten sie auch beide als we-sentliche Bedingungen
und damit Ursachen im Rechtssinne gewertet werden. Dafür, dass von einem Tag auf den anderen bei unveränderten
Symptomen und Befunden ein Wechsel der Ursache eingetreten sei, dürften der Beklagten die Beweisgrundlagen
fehlen. Außerdem hat er geltend gemacht, er habe nach den Hinweisen seines behandelnden Arztes Dr F. auf die
Weiterzahlung des Ver-letztengeldes vertraut und sich deshalb erst am 04. März 1992 beim Arbeitsamt arbeitslos
gemeldet. Die Beklagte habe grundsätzlich die auf Leitnummer 32 des Abkommens Ärzte/UV-Träger gründende
Entscheidung des Durchgangsarztes, besondere berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung einzuleiten, gegen sich
gelten zu lassen; sie könne sich nicht weigern, die finanziellen Folgerungen aus einer Maßnahme des
Durchgangsarztes – wozu auch die Zahlung des die Heil-behandlung ergänzenden Verletztengeldes gehöre – zu
ziehen.
Das SG hat – neben Befundberichten von Dr F. , des Internisten Dr M. , des U-rologen Dr N. sowie einen Bericht des
O. Gehrden - ein Zusammenhangsgut-achten des Chirurgen Dr P. , Klinikum Nordstadt in Hannover, vom 11. Septem-
ber 1998 eingeholt. Dieser ist zum Ergebnis gekommen, am 24. Februar 1991 sei es zu einer Muskelzerrung bzw zu
einem Muskelfaserriss gekommen, der für ma-ximal 6 Wochen zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Die über diesen
Zeitpunkt hinaus bestehende Arbeitsunfähigkeit sei nicht mehr auf dieses Ereignis zurück-zuführen, sondern habe ihre
Ursache in einer chronischen Erkrankung der Ober-schenkelmuskulatur rechts, die durch rezidivierende Zerrungen und
Sehnenan-satzreizungen entstanden sei.
Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG gehörte Arzt für Orthopädie Dr Q. , Hannover, kam demgegenüber in
seinem Gutachten vom 18. Oktober 1999 zum Ergebnis, das Unfallereignis habe richtungsgebend die schon
bestehenden Lei-den im rechten Leistenbereich des Klägers verschlimmert, so dass bis zum heuti-gen Tage
unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliege.
Mit Urteil vom 24. Februar 2000 hat das SG Hannover die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe bei jeder erneuten
Leistungsbewilligung die Voraussetzungen für die Gewährung von Verletztengeld zu prüfen, ohne an § 48 SGB X
gebunden zu sein. Ein weiterer Anspruch auf Verletztengeld scheitere daran, dass keine unfall-bedingte
Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen sei, wobei sich die Frage stelle, ob nicht bereits am 31. Juli 1991 (dem Ende seines
Vertrages mit dem TSV Havela) oder in der Folgezeit eine Lösung vom Beruf als Lizenzfußballspieler eingetreten sei.
Das Fehlen unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit ergebe sich aus dem über-zeugenden und widerspruchsfreien Gutachten
von Dr P ... Dagegen sei den Stel-lungnahmen von Dr F. sowie den Gutachten von Dr Q. und von Prof Dr H. , nicht zu
folgen, weil diese die vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht vollständig berücksichtigt hätten. Ein Nachweis der
Zustellung dieses (am 29. Mai 2000 von der Geschäftsstelle des SG abgesandten) Urteils ist in der Gerichtsakte nicht
enthalten.
Am 26. Juni 2000 hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein Ziel weiter-verfolgt, über den 26. November 1991
hinaus Verletztengeld zu erhalten. Ihm als medizinischen Laien sei es nicht möglich zu beurteilen, bis zu welchem
Zeitpunkt der Arbeitsunfall für die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit ursächlich gewesen sei; allerdings habe das LSG
Nordrhein-Westfalen in einer Entscheidung vom 16. De-zember 1998 bei einem Profifußballer mit identischem
Verletzungsmuster keine Zweifel am Unfalltatbestand gehabt. Der Kläger vertritt weiterhin seine Auffas-sung, die
Berufsgenossenschaft habe die Entscheidung des Durchgangsarztes über die fortlaufende Arbeitsunfähigkeit
grundsätzlich gegen sich gelten zu las-sen. Das Attest mit der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit habe
zwar lediglich die Bedeutung eines medizinischen Gutachtens als Grundlage für den über den Verletztengeldbezug zu
erteilenden Verwaltungsakt. Die in eigener Zu-ständigkeit getroffenen Feststellungen des Durchgangsarztes und
dessen Vor-stellungen über die einzuleitenden weiteren Maßnahmen seien nach Leitnummer 32 des Ärzteabkommens
jedoch solange maßgebend und verbindlich, wie der später einzuschaltende Arzt zu keiner abweichenden Beurteilung
komme. Es sei mit rechtstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, wenn der Versicherte das volle finanzielle Risiko
daraus tragen müsse, dass der Arzt die Zeit der Arbeitsunfähig-keit fehlerhaft feststelle. Weiterhin habe die Beklagte
die Verletztengeldzahlung nicht einstellen dürfen, ohne zuvor den zugrundeliegenden Verwaltungsakt ge-mäß § 48
Abs 1 SGB X aufgehoben zu haben. Außerdem würde die vom SG an-genommene Berechtigung der Beklagten, bei
jeder erneuten Leistungsbewilli-gung das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen, in der Praxis dazu
führen, den Versicherten solange ohne Geldleistungen seinem finanziellen Schicksal zu überlassen, bis eine
endgültige Entscheidung getroffen werden kön-ne. Schließlich sei der Verweis auf die Lösung von der Erwerbstätigkeit
ab 31. Juli 1991 rechtlich nicht haltbar, weil er nur wegen der Arbeitsunfallfolgen keinen Anschlussvertrag als
Lizenzfußballer erhalten habe.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 24. Februar 2000 sowie den Bescheid vom 04. Juni 1996 in Gestalt
des Wider-spruchsbescheides vom 14. August 1996 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom 13. August 1992 aufzuheben und ihm auch über den 26.
November 1991 hin-aus Verletztengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ein weitergehender Anspruch auf Verletztengeld bestehe nicht, weil eine unfall-bedingte Arbeitsunfähigkeit nicht mehr
vorgelegen habe. Eines besonderen Auf-hebungsbescheides habe es nicht bedurft, weil die Aufhebung gleichsam
schon im Verfügungssatz der befristeten Verwaltungsakte über die Gewährung von Verletztengeld enthalten gewesen
sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Be-zug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Insbesondere ist die Berufungsfrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils (§ 151 Abs 1 SGG) gewahrt worden.
Ein Zustellungsnachweis liegt nach der aus-drücklichen Mitteilung des SG Hannover zwar nicht vor. Aus der
Gerichtsakte er-gibt sich jedoch, dass die Zustellung des Urteils an den Kläger mit Übergabeein-schreiben erst am 26.
Mai 2000 durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle verfügt und das Urteil am 29. Mai abgesandt worden ist. Mit
der bereits am 26. Juni 2000 beim LSG eingegangene Berufungsschrift ist die Monatsfrist demnach eingehalten
worden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das SG einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von
Verletztengeld über den 26. November 1991 hinaus ver-neint.
Anknüpfungspunkt der rechtlichen Beurteilung ist zunächst der Bescheid der Be-klagten vom 13. August 1992, mit
dem diese ausdrücklich die Zahlung von Ver-letztengeld über den Zeitraum vom 12. April bis zum 26. November 1991
hinaus abgelehnt hat und der mangels eines hiergegen gerichteten Widerspruchs des Klägers bestandskräftig
geworden ist. Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist aller-dings auch ein unanfechtbarer Verwaltungsakt mit Wirkung
für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig
angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb
Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Einen auf diese Vorschrift gestützten Antrag hat der Kläger
mit Schreiben vom 16. März 1995 bei der Beklagten gestellt. Zutreffend hat die Beklagte diesen Antrag jedoch mit
Bescheid vom 04. Juni 1996 bzw Wi-derspruchsbescheid vom 14. August 1996 abgelehnt, weil ein weitergehender
Verletztengeldanspruch nicht bejaht werden kann.
Maßgeblich sind vorliegend noch die bis zum 31. Dezember 1996 geltenden un-fallversicherungsrechtlichen
Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO). Gemäß § 214 Abs 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB VII) gelten die dort enthaltenen Vorschriften über das Verletztengeld (§§ 45 ff) zwar auch für Versicherungsfälle,
die – wie hier – vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Geset-zes eingetreten sind. Dies gilt jedoch nicht, wenn nur
Zahlungen für Zeiten vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 01. Januar 1997 begehrt werden (Ricke in: Kasseler
Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 214 SGB VII Rdnr 4). Ein der-artiger Fall liegt hier vor, weil der Kläger
Verletztengeld bis längstens zur Be-kanntgabe des Verwaltungsaktes vom 13. August 1992 geltend macht, wie er im
Berufungsverfahren dargestellt hat (Schriftsatz vom 22. November 2000).
Gemäß § 560 Abs 1 Satz 1 RVO erhält der Verletzte Verletztengeld, solange er infolge des Arbeitsunfalls
arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung ist und keinen Anspruch auf Übergangsgeld (nach den §§ 568, 568 a
Abs 2 oder 3) hat. Aus dem in dieser Regelung enthaltenen Begriff "solange” ist zu schließen, dass das Ende des
Anspruchs auf Verletztengeld kraft Gesetzes automatisch eintritt, ohne dass es hierzu noch eines besonderen
Verwaltungsakts bedürfte, der die Entziehung der Leistung regelt (Ricke aaO – Stand: Juni 1996 -, § 560 RVO Rdnr
10). § 48 SGB X gilt deshalb grundsätzlich nicht, so dass die Entzie-hung von Verletztengeld nicht den Nachweis
einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse voraussetzt. Ähnlich wie bei dem insoweit vergleichbaren Anspruch auf
Krankengeld (§ 44 Abs 1 SGB V; vgl insoweit BSG SozR 2200 § 182 Nr 103) mag zwar etwas anderes gelten, wenn
die Behörde dem Verletzten im zugrunde-liegenden Bescheid ausdrücklich Verletztengeld ohne zeitliche Begrenzung
ge-währt hat. Ein derartiger Fall liegt hier jedoch gerade nicht vor. Vielmehr hatte die Beklagte in allen Bescheiden
über die Gewährung von Verletztengeld eine ein-deutige zeitliche Befristung vorgenommen; so war im zunächst
letzten Bescheid vom 05. Dezember 1991 der zuerkannte Verletztengeldanspruch auf die Zeit bis zum 22. November
1991 beschränkt worden, im Bescheid vom 13. August 1992 war lediglich ein Anspruch für weitere 4 Tage gewährt
worden. Der Kläger mag zwar subjektiv aus dem Umstand der wiederholten Bescheiderteilung die Erwar-tung
abgeleitet haben, dass ihm auch weiterhin Verletztengeld gezahlt werde. Eine objektive Regelung diesen Inhalts kann
den Bescheiden jedoch nicht ent-nommen werden.
Unzutreffend ist auch die Annahme des Klägers, allein aus dem Umstand, dass er zu Lasten der Gesetzlichen
Unfallversicherung ärztlich behandelt worden sei, folge ein Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld. Dem Kläger ist
zwar zuzu-stimmen, dass das Verletztengeld eine ergänzende unselbständige Leistung zur Rehabilitation ist (Bereiter-
Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 45 SGB VII Rdnr 3). Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei jeder
berufsgenossen-schaftlich getragenen ärztlichen Behandlung auch Verletztengeld zu gewähren ist. Ein
diesbezüglicher Anspruch kann vielmehr schon nach dem Wortlaut des § 560 Abs 1 Satz 1 RVO nur angenommen
werden, wenn die behandelten Unfall-folgen auch zur Arbeitsunfähigkeit geführt haben.
Schließlich sind weder das Gericht noch die Beklagte bei der Beurteilung, ob un-fallbedingte Arbeitsunfähigkeit
vorliegt, an die diesbezüglichen Feststellungen des behandelnden Durchgangsarztes gebunden (Bereiter-
Hahn/Mehrtens aaO, § 46 SGB VII Rdnr 3; Ricke aaO, § 46 SGB VII Rdnr 4). Schon zur Frage der Arbeits-unfähigkeit
ist allgemein anerkannt, dass die diesbezügliche ärztliche Bescheini-gung nur die Bedeutung einer ärztlichen
Stellungnahme hat, die von der Behörde bei der Prüfung des hierauf gestützten Anspruchs zu berücksichtigen ist
(BSG SozR 3-2200 § 182 Nr 12 mwN). Dies gilt erst recht, wenn es – wie im vorliegen-den Fall – darauf ankommt, ob
die Arbeitsunfähigkeit Folge der bei dem Arbeits-unfall erlittenen Verletzungen ist, weil die insoweit anzustellenden
Kausalitätsfra-gen häufig nur im Rahmen eines umfangreichen wissenschaftlichen Gutachtens geklärt werden können;
hierzu wird der behandelnde Arzt im Rahmen seiner re-gelmäßig nur kurzen Atteste zumeist nicht in der Lage sein.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem zwischen den Unfallversiche-rungsträgern und der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung abgeschlossenen Ab-kommen Ärzte/Unfallversicherungsträger (hier: vom 23. März 1984). Aus
diesem Vertrag lassen sich von vornherein nur Rechte und Pflichten der Unfallversiche-rungsträger (als
Leistungsträger) und der zur Durchführung berufsgenossen-schaftlicher Heilbehandlung herangezogenen Ärzte (als
Leistungserbringer) ab-leiten, nicht jedoch Ansprüche der Versicherten. Abgesehen davon enthält die vom Kläger zu
seinen Gunsten herangezogene Leitnummer 32 des Ärzteabkom-mens keinen Hinweis auf die Beurteilung
unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit, son-dern betrifft lediglich die Einleitung besonderer Heilbehandlung, für die sich der
Durchgangsarzt Dr Glüse hier aber von vornherein nicht entschieden hat (Durch-gangsarztbericht vom 25. Februar
1991).
Selbst wenn man der Auffassung folgen wollte, dass die vom Durchgangsarzt getroffenen Feststellungen solange
maßgebend und verbindlich seien, wie der sodann einzuschaltende nachbehandelnde Arzt zu keiner abweichenden
Beur-teilung kommt (so Bereiter-Hahn/Mehrtens aaO, § 45 SGB VII Rdnr 5.1), führt dies zu keinem für den Kläger
günstigen Ergebnis. Denn der von der Beklagten eingeschaltete Arzt Dr G. war vorliegend gerade zu einem
abweichenden Ergeb-nis gekommen, als er auf der Grundlage einer Untersuchung des Klägers vom 26. November
1991 – dem letzten Tag der Festsetzung von Verletztengeld – fest-stellte, dass die weiterbestehenden Beschwerden
des Klägers nicht mehr Folge des streitbefangenen Arbeitsunfalls seien.
Eine bindende Anerkennung von Unfallfolgen durch die Beklagte ist schließlich ebenfalls nicht erfolgt. Im
Rentenbescheid vom 26. August 1992 ist lediglich eine Anerkennung des Vorfalls vom 24. Februar 1991 als
Arbeitsunfall enthalten.
Die nach alledem vom Gericht in freier Würdigung aller im Verfahren gewonnnen Erkenntnisse anzustellende Prüfung
(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit ergibt, dass nicht mit dem notwendigen Grad
hinreichender Wahrscheinlichkeit (zu diesem Beweismaßstab vgl BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 67) angenommen werden
kann, dass die ab dem 27. November 1991 bestehende Arbeitsunfähigkeit Folge des Arbeitsunfalls vom 24. Februar
1991 war.
Dies folgt aus dem in erster Instanz eingeholten Gutachten von Dr P. vom 11. September 1998. Der Sachverständige
ist zum Ergebnis gekommen, dass der Kläger bei dem hier streitbefangenen Arbeitsunfall eine Zerrung bzw einen
Mus-kelfaserriss im Bereich der rechten Oberschenkelmuskulatur erlitten hat. Diese Verletzung hat jedoch nur zu
einer Arbeitsunfähigkeit von maximal 6 Wochen geführt. Die danach weiterbestehende Arbeitsunfähigkeit hat ihre
Ursache in ei-ner chronischen Erkrankung der Oberschenkelmuskulatur rechts, die durch im-mer wiederkehrende
Muskelzerrungen, Muskelfaserrisse und Ansatztendino-pathien gekennzeichnet ist.
Die Ausführungen des Sachverständigen sind nachvollziehbar und in sich schlüs-sig. Wenn er seine Einschätzung,
die Verletzung vom 24. Februar 1991 habe zu maximal 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit geführt, mit allgemeinen
Erfahrungswerten begründet, hat der Senat keine Bedenken dem zu folgen, weil Dr P. gerichtsbe-kannt zu den in der
Beurteilung von Zusammenhangsfragen erfahrensten Unfall-chirurgen gehört. Seine Beurteilung wird nachdrücklich
durch den vor und nach dem Unfall festgestellten Erkrankungsverlauf gestützt, wie er sich aus den durch die Beklagte
durchgeführten Vorermittlungen und den Behandlungsberichten von Dr F. ergibt. So hat die private
Krankenversicherung des Klägers der Beklagten gegenüber angegeben, bereits im Mai und im Juli 1990 seien
Behandlungen we-gen Muskelfaserrissen im rechten Oberschenkel durchgeführt worden. Aus einem
Durchgangsarztbericht von Dr F. vom 13. März 1989 ergibt sich, dass der Kläger am 10. März 1989 auf der Grundlage
eines relativ geringfügigen Ereignisses ("beim Anziehen des Sprints irgendwie fehlgetreten”) eine Zerrung bzw einen
kleinen Faserriss im rechten Oberschenkel erlitten hatte. Vor allem aber hat der Unfallchirurg I. mit Bericht vom 24.
Februar 1996 angegeben, dass sich der Klä-ger dort erstmals am 30. November 1990 wegen Beschwerden im Bereich
der rechten Leiste vorgestellt habe, die während eines Fußballspiels beim Schießen aufgetreten seien. Die
diagnostizierten Ansatztendopathien seien mit Kranken-gymnastik und medikamentösen Infiltrationen behandelt
worden; die letzte Be-handlung beim Arzt I. fand am 22. Februar 1991 und damit 2 Tage vor dem hier streitbefangenen
Arbeitsunfall statt. Hieraus wird ersichtlich, dass der Kläger be-reits vor diesem Unfall wiederholt unter Beschwerden
im Bereich der rechten Leiste gelitten hat, die schon aus Anlass geringfügiger, mit dem Fußballspielen verbundener
körperlicher Belastungen aufgetreten waren.
Die Folge von Verletzungen aus relativ geringfügigem Anlass fand auch nach dem Unfall ihre Fortsetzung. Nachdem
der Kläger wieder mit gelegentlichem Fußballspielen begonnen hatte – was für eine zwischenzeitliche Besserung
spricht -, führte am 28. Juni 1991 bereits eine trainingsbedingte Abspreizbewe-gung zu einer erneuten Muskelzerrung
(Bericht von Dr F. vom 01. Juli 1991). Am 30. Juli 1991 war es bei einer bloßen Richtungsänderung erneut zu
Schmerzen im rechten Bein gekommen (Nachschaubericht von Dr F. vom 31. Juli 1991). Schließlich verspürte der
Kläger am 29. Oktober 1991 beim Flanken zum Tor ei-nen stechenden Schmerz in der rechten Leiste, den Dr F. im
Durchgangsarztbe-richt vom 30. Oktober 1991 auf eine "Muskelzerrung oder Verhärtung” zurück-führte. Angesichts
dieser schon seit 1989 aufgetretenen Kette von Zerrungen und Muskelfaserrissen im Bereich des rechten
Oberschenkels wäre nicht nachvoll-ziehbar, aus welchen Gründen alle noch nach dem November 1991 bestehenden
diesbezüglichen Beschwerden wesentlich auf den Vorfall vom 24. Februar 1991 zurückzuführen sein sollten.
Den anders lautenden ärztlichen Stellungnahmen, die zugunsten des Klägers eine länger anhaltende unfallbedingte
Arbeitsunfähigkeit angenommen haben, ist nicht zu folgen. So hat Prof Dr H. seine diesbezüglichen Stellungnahmen
vom 07. April 1992, 21. Juli 1993 und 04. Januar 1996 wesentlich damit begründet, dass die geklagten Beschwerden
erstmals im Zusammenhang mit dem Unfaller-eignis vom 24. Februar 1991 angegeben worden seien. Damit stützt er
das Er-gebnis seiner Begutachtung auf unzutreffende Tatsachen. Dr F. folgt in seinen den Kläger unterstützenden
Stellungnahmen ohne weitergehende eigene Be-gründung der Auffassung von Prof Dr H ... Seinen Stellungnahmen
kann deshalb ebenso wenig gefolgt werden wie dem auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholten Gutachten
des Orthopäden Dr Q. vom 18. Oktober 1999. Auch die-ser folgt dem Gutachten von Prof Dr H. vom 07. April 1992,
das er im überwie-genden Umfang wortgleich wiederholt.
Soweit sich der Kläger im Übrigen auf die Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 1998
(auszugsweise abgedruckt in Breithaupt 1999, 778) beruft, verkennt er, dass dort Beschwerden nachgewiesen werden
konnten, die erstmals nach dem Unfallereignis aufgetreten waren.
Der Kläger kann schließlich auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes ei-nen Anspruch auf Weiterzahlung von
Verletztengeld ableiten. Wie bereits aus-geführt, kann allein aus der Erteilung mehrerer aneinandergereihter zeitlich
be-fristeter Verletztengeldbescheide nicht darauf geschlossen werden, dass auch weiterhin Verletztengeld gezahlt
werden wird. Der Vortrag des Klägers, er habe im Hinblick auf die wiederholten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
von Dr F. darauf vertraut, auch weiterhin Verletztengeld beziehen zu können, wird im Übri-gen durch den Inhalt der
Verwaltungsakte nicht gestützt. Aus den dortigen Akten-vermerken (Bl 137, Bl 143 ff VA) ergibt sich vielmehr, dass
sich der Kläger bereits im Dezember telefonisch bei der Beklagten nach der Weiterzahlung von Verletz-tengeld
erkundigt hatte, worauf ihm mitgeteilt worden war, eine Weiterzahlung sei im Moment nicht möglich, es müsse erst
das Gutachten von Dr G. abgewartet werden. Im Januar war es diesbezüglich sogar zum Streit zwischen den Beteilig-
ten gekommen und der Kläger hatte angedroht, einen Rechtsanwalt einzuschal-ten. Für ein schutzwürdiges Vertrauen
fehlt damit jeder Anhaltspunkt.
Schon aus diesem Grund musste der Senat dem Vorbringen des Klägers nicht näher nachgehen, er habe sich in
Erwartung weiterer Verletztengeldzahlungen zu spät – erst am 04. März 1992 – arbeitslos gemeldet. Auf den hier
streitbefange-nen Anspruch auf Verletztengeld kann dies ohnehin keinen Einfluss haben. Sollte die verspätete
Meldung beim Arbeitsamt (auch) Folge einer Fehlberatung durch den Durchgangsarzt gewesen sein, könnte zwar an
eine Nachzahlung von Leis-tungen der Bundesanstalt für Arbeit im Wege des sozialrechtlichen Herstellungs-
anspruchs zu denken sein. Ein derartiger Anspruch bei verspäteter Arbeitslos-meldung ist nach der Rechtsprechung
des BSG (SozR 4100 § 103 Nr 36) jedoch ausgeschlossen, weil zwar eine rechtzeitige Antragstellung durch den
sozialrecht-lichen Herstellungsanspruch ersetzt werden kann, nicht jedoch die vor der An-tragstellung fehlende
(subjektive) Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung nach § 103 Abs 1 AFG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.