Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.07.2003

LSG Nsb: wiedereinsetzung in den vorigen stand, eigenes verschulden, untätigkeitsklage, niedersachsen, kur, prozesskostenvorschuss, miete, freibetrag, auflage, verwaltungsbehörde

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 16.07.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 11 VI 4/01 PKH
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 5 B 185/01 VI
1. Der Beschwerdeführerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung
der Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Lüneburg vom 8. Juni 2001 gewährt. 2. Die
Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin (Bf) wendet sich mit der Beschwerde gegen den Beschluss des SG Lüneburg vom 8. Juni
2001. Mit diesem Beschluss hat das SG es abgelehnt, der Bf Prozesskostenhilfe (PKH) für eine – später durch
Erledigungserklärung abgeschlossene – Untätigkeitsklage zu bewilligen.
Das Versorgungsamt (VA) E. stellte mit Bescheid vom 11. Mai 2000 als Schädigungsfolge eine chronische Hepatitis
C mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. fest. Hiergegen erhob die Bf am 7. Juni 2000
Widerspruch und wies darauf hin, eine abschließende Begründung erfolge nach Erhalt der der Entscheidung zu
Grunde liegenden Gutachten. Am 26. Juni 2000 stellte die Bf darüber hinaus einen Antrag auf Bewilligung einer Kur.
Mit am 27. Juni 2000 abgesandter Verfügung gleichen Datums erhielt sie einen Zwischenbescheid; die erbetenen,
dem Bescheid vom 11. Mai 2000 zu Grunde liegenden Gutachtenkopien wurden übersandt und eine ergänzende
Begründung des Widerspruchs angefordert. Die endgültige Begründung durch den Prozessbevollmächtigten ging nach
am 23. August 2000 gewährter Akteneinsicht am 21. September 2000 ein und enthielt den Antrag auf Feststellung
einer MdE um 70 bis 100 v.H ... Am 30. September 2000 wurden die Akten dem Ärztlichen Dienst übersandt. Am 30.
Oktober 2000 ging ein Antrag auf vorläufigen Bescheid nach dem AntiDH-Gesetz "vorbehaltlich der Entscheidung im
laufenden BV-Verfahren” ein. Am 1. November 2000 wies das VA in einer Zwischenverfügung darauf hin, ein Bescheid
ergehe zu gegebener Zeit, da die formellen kassentechnischen Voraussetzungen noch nicht vorlägen. Am 17.
November 2000 beschwerte sich die Bf bei dem Amtsleiter über die "Arbeitsmethode dieses Amtes” und begründete
sie mit dem Widerspruchsverfahren bezüglich der Bewilligung der Kur und des Widerspruchs gegen den Bescheid
vom 11. Mai 2000. Am 21. November 2000 gab der versorgungsärztliche Dienst seine Stellungnahme ab. Die
zuständige Senatorin des Landes E. forderte am 24. November 2000 einen Bericht an, ohne sich allerdings die Akten
mit vorlegen zu lassen. Mit dem Bericht vom 30. November 2000 wies das VA darauf hin, ein Bescheid werde
umgehend verschickt. Die Klägerin sei am 28. November 2000 telefonisch unterrichtet worden. Der
Widerspruchsbescheid wurde am 11. Dezember 2000 vorbereitet und am 26. Januar 2001 erlassen. Die am 11. Januar
2001 bei dem SG Lüneburg erhobene Untätigkeitsklage hat die Bf am 28. Februar 2001 daraufhin für erledigt erklärt.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. Juni 2001 hat das SG die am 11. Januar 2001 beantragte PKH mangels
hinreichender Erfolgsaussicht versagt. Über den Widerspruch der Bf sei mit zureichendem Grund nicht innerhalb von
drei Monaten entschieden worden.
Die Bf hat gegen den am 14. Juni 2001 zugestellten Beschluss mit am 17. Juli 2001 (Dienstag) bei dem SG
eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfeentscheidung vom 17.
Juli 2001).
Auf die prozessleitende Verfügung des Senats vom 24. Juli 2001 ist am 16. August 2001 der Antrag auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingegangen sowie Beschwerde erhoben worden. Die Bf hat unter
eidesstattlicher Versicherung der Kanzleiangestellten Frau F. darauf hingewiesen, am 16. Juli 2001 sei telefonisch
vom SG Lüneburg die Information erteilt worden, die Beschwerde sei dort eingegangen.
II.
Gemäß § 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) war der Bf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Denn sie hat durch die Angaben der vom Senat vernommenen Zeugin G. die Tatsachen zur Begründung des Antrags
glaubhaft gemacht, aus denen sich ergibt, dass sie ohne eigenes Verschulden gehindert war, die Beschwerdefrist von
einem Monat gemäß § 173 SGG einzuhalten.
III.
Die damit zulässige Beschwerde ist indes nicht begründet. Zwar spricht nach dem Inhalt der Verwaltungsakten viel
dafür, dass die Untätigkeitsklage zulässig und begründet war. Jedoch sind die Voraussetzungen nicht glaubhaft
gemacht, dass die Bf gemäß § 73 SGG in Verbindung mit §§ 114 ff Zivilprozessordnung (ZPO) nach ihren
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten
hätte aufbringen können.
Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bf vom 4. Januar 2001 belegt die
Bedürftigkeit nicht. Zwar war die Bf nach ihren durch den Vorbehaltsbescheid vom 23. November 2000 belegten
Angaben mit dem Bezug einer monatlichen Versorgungsrente von 503,00 (damals) DM nicht in der Lage, auf die
Prozesskosten auch nur Raten zu zahlen. Indes stand ihr ein Anspruch auf Zahlung eines
Prozesskostenvorschusses gegen ihren Ehemann zu. Dem Grunde nach ergibt sich dieser aus § 1360a Abs. 4
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dieser Anspruch hat unterhaltsrechtlichen Charakter und setzt darüber hinaus eine
besondere Verantwortung des verpflichteten Ehegatten für den Berechtigten voraus, die das Gesetz für die
Unterhaltsverhältnisse ausdrücklich bejaht (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und
Beratungshilfe, 2. Auflage Rdnr. 357 m.N.). Da die Bf mit dem vorliegenden Verfahren eine Entscheidung der
Verwaltungsbehörde herbeiführen wollte, die ihren eigenen Lebensunterhalt – gegebenenfalls durch Zahlung einer
erhöhten monatlichen Rente – sicherte, ist die erforderliche besondere Verantwortung des Ehemannes für die Bf zu
bejahen, die mit der Verpflichtung verbundenen ist, Prozesskostenvorschuss zu zahlen.
Hierzu war der Ehemann auch nach den Angaben der Bf in der Lage. Bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von
3.800,00 DM sowie monatlich anfallenden Steuern von 180,00 DM verblieben bei weiter anzusetzenden Zahlungen
von 950,00 DM an monatlicher Miete sowie 200,00 DM an Heizungskosten dem Ehemann 2.460,00 DM. Selbst wenn
man den gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 2 ZPO auch für den Ehemann zu Grunde zu legenden Freibetrag von – damals -
689,00 DM berücksichtigt, verblieben 1.771,00 DM, wovon der Ehemann in der Lage gewesen wäre,
Prozesskostenvorschuss – gegebenenfalls in monatlichen Raten – der Bf zu zahlen. Die – allein – für den
Prozessbevollmächtigten entstehenden Kosten in Höhe einer Mittelgebühr gemäß § 116
Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) in Höhe von höchstens 700,00 DM für eine Untätigkeitsklage nebst
einer Pauschale von 40,00 DM und 16 % Mehrwertsteuer (118,40 DM) hätten höchstens 858,40 DM betragen, die der
Ehemann ohne wesentliche Beeinträchtigung eigener Belange hätte vorschießen können. Die von der Bf in der
Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angeführten Werbungskosten, Betriebsausgaben in
Höhe von monatlich 1.200,00 DM sind nicht belegt und können deshalb keinesfalls mit diesem Betrag als monatlich
regelmäßig anfallend berücksichtigt werden. Gleiches gilt für "sonstige Versicherungen” des Ehe-mannes in Höhe von
monatlich 155,00 DM.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.