Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 26.05.2003

LSG Nsb: berufungskläger, hyperopie, behinderung, gesellschaft, niedersachsen, blindheit, kopfschmerzen, zustand, zukunft, diagnose

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 26.05.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hildesheim S 19 SB 309/99
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 9 SB 155/01
1. Auf die Berufung des Berufungsklägers wird das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 14. August 2001
abgeändert und wie folgt neu gefasst: Der Neufeststellungsbescheid vom 19. April 1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1999 wird insoweit aufgehoben, als darin der beim Berufungsbeklagten
vorliegende Grad der Behinderung auf weniger als 50 herabgesetzt worden ist. 2. Im übrigen wird die Berufung
zurückgewiesen. 3. Der Berufungskläger hat dem Berufungsbeklagten dessen außergerichtliche Kosten beider
Instanzen zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den beim Berufungsbeklagten nach Wegfall einer Heilungsbewährung festzustellenden
schwerbehindertenrechtlichen Grad der Behinderung – GdB -.
Bei dem 1951 geborenen Berufungsbeklagten wurde im September 1993 nach Diagnose eines Aderhaut-Melanoms
das rechte Auge operativ entfernt. Mit Bescheid vom 4. Januar 1994 stellte daraufhin das Versorgungsamt (VA)
Hildesheim bei dem Berufungsbeklagten einen GdB von 80 wegen des Verlustes des rechten Auges fest. Ergänzend
wies es dabei darauf hin, dass die Heilungsbewährung abzuwarten und im Oktober 1998 eine Nachuntersuchung
durchzuführen sei.
Im Rahmen der Überprüfung teilte der Berufungsbeklagte dem VA im Oktober 1998 mit, dass es, insbesondere
aufgrund seines Berufs als Lehrer, immer wieder zu Überanstrengungs-Symptomen komme, weil er die Beschränkung
seines Sehvermögens auf ein Auge durch andere Kommunikations- und Wahrnehmungsmöglichkeiten kompensieren
müsse. Das VA holte den Befundbericht des Augenarztes Dr. C. vom 24. November 1998 ein, der einen linksseitigen
Visus von 1,0 mitteilte. Einer gutachtlichen Stellungnahme seines Ärztlichen Dienstes (Dr. D.) vom 16. Dezember
1998 folgend stellte es nach Anhörung des Berufungsbeklagten mit Bescheid vom 19. April 1999 den GdB ab 1. Mai
1999 mit insgesamt 30 neu fest.
Hiergegen erhob der Berufungsbeklagte am 11. Mai 1999 Widerspruch und bezog sich zu dessen Begründung auf
weitere augenärztliche Behandlungsmaßnahmen. Das VA holte daraufhin einen weiteren Befundbericht des
Augenarztes Dr. E. vom 1. Juni 1999 ein, der neben dem rechtsseitigen Zustand nach Bulbusenukleation eine
linksseitige Conjunctivitis sicca, Nahvisusprobleme und eine Visuskorrektur von + 1,75 sphärisch berichtete. Mit
Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 1999 wies das Landesversorgungsamt den Widerspruch des
Berufungsbeklagten zurück.
Am 25. November 1999 hat der Berufungsbeklagte das Sozialgericht (SG) Hildesheim angerufen. Das SG hat zur
weiteren Sachaufklärung einen Befundbericht des Dr. E. vom 1. Februar 2000 eingeholt, in dem dieser über
Behandlungen wegen Tränens und Brennens des linken Auges im April 1995 und Dezember 1998 berichtet, daneben
Nahvisusprobleme im Januar 1999 und Flimmersymptome bei Kopfschmerzen im Januar 2000 mitgeteilt, neben einer
Conjunctivitis sicca eine geringe Hyperopie und Presbyopie diagnostiziert und den Verdacht einer Migraine
ophtalmique geäußert hat. In einem weiteren Befundbericht vom 9. Februar 2000 hat daneben die behandelnde
Homöopathin und Psychotherapeutin Dr. F. u.a. über Schwindelerscheinungen und Farbensehen beim
Berufungsbeklagten berichtet. Schließlich hat der Allgemeinmediziner Dr. G. in seinem Befundbericht ohne Datum
(Eingang am 20. März 2000) anamnestisch über erhebliche vom Berufungsbeklagten geklagte Druckschmerzen und
Leistungseinschränkungen bei vermehrter Sehbelastung berichtet und deutliche Verspannungen im Nackenbereich als
Ausdruck vermehrter Aufmerksamkeitsleistung festgestellt. Schließlich hat der Augenarzt Dr. C. in seinem
Befundbericht vom 24. März 2000 seine frühere Diagnose eines Netzhauttumors bestätigt.
Das SG hat sodann zur weiteren Sachaufklärung das augenfachärztliche Gutachten des Dr. H. vom 2. November
2000 erstatten lassen. Dr. H. hat bei dem Berufungsbeklagten auf augenfachärztlichem Gebiet neben dem Verlust des
rechten Auges als weitere Gesundheitsstörungen ein eingeschränktes Dämmerungssehen, einen plötzlichen
Tränenfluss des linken Auges während der Arbeit, verbunden mit Schwindelgefühl und schlechter Raumorientierung,
Hautrötungen im Lid- und Wangenbereich nach längerem Lesen, Auftreten von Sehstörungen im Zentrum und in der
Peripherie, cerebrale Probleme aufgrund der Umstellung des Führungsauges sowie Auftreten von
Stoffwechselstörungen in Parallelität zur Augenerkrankung festgestellt, diesen Gesundheitsstörungen einen GdB von
20 zusätzlich zu den durch den Verlust des rechten Auges verursachten Einschränkungen des Visus beigemessen
und auf dieser Grundlage den Gesamt-GdB mit 50 eingeschätzt.
Mit seinem Urteil vom 14. August 2001 ist das SG Hildesheim dem Gutachten des Dr. H. gefolgt und hat den
Berufungskläger unter Abänderung seines Bescheides vom 19. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27. Oktober 1999 verurteilt, beim Berufungsbeklagten ab 1. Mai 1999 einen GdB von 50 festzustellen.
Hiergegen wendet sich der Berufungskläger mit seiner am 23. Oktober 2001 eingelegten Berufung. Er vertritt unter
Vorlage ärztlicher Stellungnahmen seines beratungsärztlichen Dienstes vom 16. Oktober 2001 und 8. März 2002 die
Auffassung, dass den Behinderungen des Berufungsbeklagten mit einem verbliebenen Gesamt-GdB von 30
ausreichend Rechnung getragen sei.
Der Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Hildesheim vom 14. August 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er vertieft sein bisheriges Vorbringen und weist erneut darauf hin, dass er seit dem Verlust des rechten Auges bei der
von ihm zu leistenden Lese- und Unterrichtsarbeit immer wieder an Kopfschmerzen, Augenschmerzen,
Schwindelerscheinungen, Übelkeit, Entzündungserscheinungen der Gesichtshaut und Unschärfe des Sehens bis hin
zu Flimmerskotomen leide.
Der Senat hat zur weiteren Sachaufklärung den Befundbericht des Dr. I. vom 8. Juli 2002 eingeholt, in dem zusätzlich
über die Entfernung eines Chalazions im März 2001 berichtet und daneben die Diagnosen einer Conjunctivitis sicca,
einer geringen Hyperopie und Presbyopie sowie eines Verdachts auf Migraine ophtalmique wiederholt werden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der Schwerbehindertenakten des Berufungsklägers Bezug genommen, die beigezogen worden
sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat mit seinem
angefochtenen Urteil sinngemäß zu Recht befunden, dass der vom Berufungsbeklagten angegriffene
Neufeststellungsbescheid vom 16. Dezember 1998 den Berufungsbeklagten insoweit in seinen Rechten verletzt und
gem. §§ 54 Abs. 1, 131 Abs. 1 SGG der Aufhebung unterliegt, als er den zuvor durch Feststellungsbescheid vom 4.
Januar 1994 mit 80 festgestellten GdB auf weniger als 50 vermindert hat.
Allerdings ist die Versorgungsverwaltung durch § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)
ermächtigt gewesen, die mit bestandskräftigem Bescheid vom 04. Januar 1994 getroffene Feststellung für die Zukunft
abzuändern. Nach der genannten Vorschrift ist die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung für die
Zukunft statthaft, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben,
eine wesentliche, d.h. rechtserhebliche Änderung eintritt. Vorliegend ist eine solche Änderung dadurch erfolgt, dass
beim Berufungsbeklagten die nach der Enukleation des rechten Auges und Entfernung eines Tumors der Aderhaut im
Oktober 1993 zu berücksichtigende Heilungsbewährung abgelaufen ist. Der damals entfernte Tumor befand sich
außerhalb des Augapfels, so dass der postoperative Zustand nach Ziff. 26.4 der Anhaltspunkte für die ärztliche
Begutachtung im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz – AHP - für einen
fünfjährigen Zeitraum der Heilungsbewährung ohne Rücksicht auf die von ihm tatsächlich ausgelösten
Funktionseinschränkungen mit einem Teil-GdB von wenigstens 80 zu bewerten war. Da in der Folgezeit ärztlicherseits
weder ein Rezidiv noch Tochtergeschwülste festzustellen gewesen sind, hat die Heilungsbewährung sodann ohne
weitere Unterbrechung im Oktober 1998 geendet.
Die hiermit eingetretene Änderung ist wesentlich gewesen. Der Begriff der Heilungsbewährung beschreibt insoweit
nicht nur, dass nach Ablauf der Bewährungszeit keine erhebliche Rezidivgefahr mehr besteht, sondern umfasst
daneben auch die vielfältigen Auswirkungen, die mit der Feststellung, Beseitigung und Nachbehandlung des Tumors
in allen Lebensbereichen verbunden sind. Dies rechtfertigt es nach den in den AHP zusammengefassten
sozialmedizinischen Erfahrungen, bei Krebserkrankungen für eine Übergangszeit nicht nur den Organverlust als
solchen zu bewerten, sondern allein wegen der Krebserkrankung (je nach Lage und Schweregrad des Tumors) einen
GdB von mindestens 50 bzw. 80 anzunehmen und Krebskranken damit unterschiedslos zunächst den
Schwerbehindertenstatus zuzubilligen. Diese umfassende Berücksichtigung körperlicher und seelischer Auswirkungen
der Erkrankung nötigt andererseits dazu, von veränderten gesundheitlichen Umständen auszugehen und den GdB ggf.
herabzusetzen, wenn die Krebskrankheit nach rückfallfreiem Ablauf von 5 Jahren aufgrund medizinischer Erfahrungen
mit hoher Wahrscheinlichkeit überwunden ist und außer der unmittelbaren Lebensbedrohung damit auch die
vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf die gesamte Lebensführung neu zu bewerten sind (vgl. BSG, Urt. v. 9.
August 1995 – 9 RVs 14/94 -; LSG Nds., Urt. v. 25. Februar 2000 – L 9 SB 185/96 -; Urt. v. 20. Oktober 2000 – L 9
SB 1/00 -).
Die danach eröffnete Neubewertung des beim Berufungsbeklagten festzustellenden GdB ist allerdings der Höhe nach
fehlerhaft erfolgt. Nach § 3 Abs. 1 und 2 SchwbG bzw. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX sind für den Grad der Behinderung
– GdB – die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Funktionsbeeinträchtigungen maßgebend, die auf regelwidrigen
körperlichen, geistigen oder seelischen Zuständen beruhen. Ihre Bewertung ist nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts anhand der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit und nach dem
Schwerbehindertengesetz (zuletzt von 1996) – AHP 96 – vorzunehmen, die insoweit aus Gründen der
Gleichbehandlung auch für die Rechtsprechung rechtlich verbindlich sind, obwohl ihnen keine Rechtsnormqualität
zukommt (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 23. Juni 1993, Az. 9/9a RVs 1/91; BSG, Urteil vom 11. Oktober 1994 – Az.: 9
RVs 1/93 -). Bei der Anwendung der AHP sind insoweit ausgehend von den einzelnen Gesundheitsstörungen
regelmäßig Teil–Behinderungsgrade für die in Randnr. 18 Abs. 4 der AHP (83 und 96) genannten Funktionssysteme
zu bilden. Für die Bildung des Gesamt–GdB ist von dem Funktionssystem mit dem höchsten Teil–GdB auszugehen
und dann für die weiteren beeinträchtigten Funktionssysteme jeweils zu prüfen, ob und inwieweit eine Zunahme des
Ausmaßes der Gesamtbehinderung eintritt und damit eine Erhöhung des GdB gerechtfertigt ist (Rdnr. 1 Abs. 3 AHP
96). Durch das Hinzutreten weiterer leichterer Behinderungen ist allerdings vielfach eine Erhöhung des GdB nicht
gerechtfertigt (Randnr. 19 Abs. 4 AHP 96).
Bei dem Berufungsbeklagten liegt als führende Funktionseinschränkung ein Verlust des rechten Auges vor, der nach
Nr. 26. 4 AHP 96 mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten ist. Entgegen der vom Berufungskläger vertretenen
Auffassung ist diese Bewertung allein wegen des rechtsseitig vollständig fehlenden Visus begründet; denn es besteht
kein Anlass, den vollständigen Verlust eines Auges insoweit anders zu behandeln als eine einseitige Blindheit. Für
diese ergibt indessen die zu Nr. 26. 4 AHP 96 (Seite 65) abgedruckte Tabelle der Deutschen Ophtalmologischen
Gesellschaft selbst bei vollständig erhaltener Sehkraft auf dem anderen Auge (Sehschärfe 1,0) einen Wert von
zunächst 25, der nach der in Fußnote in Bezug genommenen Verwaltungsvorschrift Nr. 5 zu § 30 BVG regelmäßig auf
30 zu erhöhen ist. Im Übrigen entspricht dieser Wert auch den Vorgaben der AHP 96 für andere, funktional
gleichwertige Einschränkungen des Sehorgans wie einen bei Strabismus erforderlichen Ausschluß eines Auges vom
Sehen (Seite 66 oben), einen einseitigen Linsenverlust mit Restsehschärfe 0 (Seite 64 unten ) oder einen durch
Lidlähmung verursachten vollständigen Verschluß eines Auges (Seite 67 oben).
Gesondert zu bewerten sind daneben die Einschränkungen in der Funktionsfähigkeit des verbliebenen linken Auges.
Im Gegensatz zu der vom ärztlichen Dienst des Berufungsklägers – aus Sicht des Senats nicht einmal ansatzweise
nachvollziehbar - vertretenen Auffassung sind diese, soweit es um ein gesteigertes Auftreten von Reiz- und
Ermüdungserscheinungen geht, schon nach der ausdrücklichen und eindeutigen Bestimmung in Nr. 26.4 Abs. 2 AHP
96 (Seite 63 unten) "neben den Funktionen des Sehvermögens ... zu beachten”. Soweit beim Berufungskläger
ärztlicherseits daneben auch linksseitig noch gewisse zusätzliche Einschränkungen der Sehfähigkeit festgestellt
worden sind, gelten diese schon deshalb nicht in dem für den Verlust des rechten Auges zu veranschlagenden Teil-
GdB von 30 mitbewertet, weil sie dessen - ohnehin vollständig aufgehobene - Funktion nicht weiter beeinträchtigen
können, sich vielmehr ausschließlich auf die Sehleistung des verbliebenen linken Auges auswirken. Eine integrierende
Bewertung in unmittelbarer Anwendung der Tabelle der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft scheidet dabei
methodisch aus, weil diese lediglich Kombinationen aus beidseitigen Einschränkungen der Sehschärfe erfasst.
Immerhin bestätigt allerdings der Umstand, dass bei einem einseitigen Visus von 0 (und einem hierdurch bei
vollständig erhaltener Sehkraft des anderen Auges bedingten GdB von 30) das Hinzutreten von Visus–
Einschränkungen auf dem anderen Auge zu einer weiteren, sogar überproportionalen Erhöhung des für beide Augen zu
veranschlagenden GdB (und zwar bis zu einem Wert von 100 bei beidseitiger Blindheit) führt, die Auffassung des
Senats, dass die Funktionsfähigkeit des verbliebenen Auges auch im Falle des Berufungsbeklagten einer
zusätzlichen Bewertung schon deshalb bedarf, weil nach dem Verlust des rechten Auges von ihr die gesamte visuelle
Sinnesleistung bestimmt wird.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen ist insoweit bewiesen, dass der Berufungsbeklagte linksseitig an Sehstörungen
(geringe Hyperopie und Presbyopie, Flimmerskotome im Sinne einer Migraine Ophtalmique, eingeschränktes
Dämmerungssehen) bei verstärktem Tränenfluß und Neigung zu Bindehautentzündungen leidet. Seine eigenen
Angaben werden insoweit durch die Befundberichte der behandelnden Augenärzte Dr. E. und Dr. I. hinreichend
objektiviert. Diese haben den Berufungsbeklagten ebenso wegen der geklagten Symptome behandelt wie die
Hömöopathin und Psychotherapeutin Dr. F. und der Allgemeinmediziner Dr. G., an den sich der Berufungsbeklagte
namentlich wegen Folgeerscheinungen, wie Nackenbeschwerden, gewandt hat. Der Senat sieht keinen Anlass, den
Feststellungen der behandelnden Ärzte nicht zu folgen. Dies gilt um so mehr, als auch der vom SG berufene
Gutachter Dr. H. die Beschwerdeangaben des Berufungsbeklagten nach eingehender Anamnese als vollständig
überzeugend bewertet und der behandelnde Augenarzt Dr. I. zuletzt darüber berichtet hat, dass bei dem
Berufungsbeklagten im März 2001 ein Chalazion zu entfernen war. Bei diesem auch als "Hagelkorn” bezeichneten
Granulom des Augenlides (nicht zu verwechseln mit dem sog. "Gerstenkorn”) handelt es sich nach den Erläuterungen
bei Pschyrembel (Klinisches Wörterbuch, Stichwort "Chalazion”) um die Folge eines Sekretstaus, der namentlich auch
als Folge von Entzündungen des Auges auftritt.
Bei der Bewertung der linksseitigen Sehstörungen und der Bildung des Gesamt-GdB folgt der Senat dem Gutachten
des Facharztes Dr. H ... Dieser hat eigens darauf hingewiesen, dass die AHP 96 unmittelbar anzuwendende GdB–
Grade für die linksseitig vorliegenden Sehstörungen und Reizerscheinungen nicht enthielten, indessen eine Bewertung
mit einem gesonderten Teil–GdB von 20 systemgerecht erscheine. Der Senat sieht keinen Anlaß, hieran zu zweifeln;
denn die beim Berufungsbeklagen festgestellten Sehstörungen (geringe Hyperopie und Presbyopie, Flimmerskotome
im Sinne einer Migraine Ophtalmique, verschlechtertes Dämmerungssehen) und Reizerscheinungen (Neigung zu
Bindehautentzündungen, plötzlicher Tränenfluß) gehen jedenfalls in ihrer Summierung über ein lediglich geringfügiges
Beschwerdebild, das mit einem Teil–GdB von 10 zu bewerten wäre, hinaus. Der danach von Dr. H. vorgeschlagene
Gesamt–GdB von 50 beruht auf einer additiven Zusammenfassung der für das linke und das rechte Auge
veranschlagten Teil-GdBs, begegnet jedoch auch insoweit wegen der besonderen funktionellen Nachteiligkeit von
Funktionseinschränkungen an paarigen Organen, wie sie auch Ausdruck in der bereits erwähnten Tabelle der
Deutschen Opthalmologischen Gesellschaft zur GdB–Bewertung bei beidseitigen Visus–Einschränkungen gefunden
hat, keinen Bedenken (vgl. Nr. 19 Abs. 3 AHP 96).
Der Senat sieht abschließend Veranlassung zu dem Hinweis, dass er mit Rücksicht auf die von der Berufungsklägerin
in offensichtlicher Abweichung von Nr. 26.4 Abs. 1 bis 3 AHP 96 vertretenen Rechtsposition, in dem wegen des
vollständigen rechtsseitigen Visus–Verlustes zu veranschlagenden GdB von 30 seien alle weiteren linksseitigen
Sehbehinderungen und Reizerscheinungen mitbewertet, erwogen hat, dem Berufungskläger Mutwillenskosten gem. §
192 Abs. 1 SGG aufzuerlegen. Er hat hiervon aufgrund der Erörterung im Termin zur mündlichen Verhandlung nur
deshalb abgesehen, weil er den Eindruck gewonnen hat, dass der Berufungsbeklagte diese Rechtsposition von sich
aus überdenken wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund, gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 die Revision zuzulassen, besteht nicht.