Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 02.08.2004

LSG Nsb: versorgung, genehmigung, ermächtigung, hauptsache, beurteilungsspielraum, gewährleistung, sicherstellung, niedersachsen, vertragsarzt, haus

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 02.08.2004 (rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 16 KA 25/04 ER
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 3 KA 85/04 ER
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerde-verfahrens. Der Wert des
Streitgegenstandes wird für das Be-schwerdeverfahren auf 12.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
Der Antragsteller nimmt als Internist mit Praxissitz in C. an der hausärztlichen Versorgung teil. Im vorliegenden
Eilverfahren begehrt er die Verpflichtung des Antragsgegners, ihm die Genehmigung zur Erbringung von der
fachärztlichen Versorgung zugeordneten Leistungen nach den Ziffern 156, 163, 740, 741, 745, 760, 764, 765, 767, 768
und 775 EBM vorläufig für den Zeitraum bis zur Ent-scheidung in der Hauptsache zu erteilen.
D. gehört zum Planungsbereich E ... Dieser ist hinsichtlich der Fachgruppe der fachärztlich tätigen Internisten mit
327,7 % überversorgt. Leistungen der kurativen Koloskopie wurden im Jahre 2003 im Planungsbereich F. insgesamt
1446mal nach Ziffer 764 EBM und 320mal nach Ziffer 760 erbracht; präventive Kolosko-pien nach Ziffer 156 wurden
741mal abgerechnet.
Bis zum 30. September 2002 war der Antragsteller Chefarzt der Inneren Abteilung des Kreiskrankenhauses G ...
Befristet auf die Zeitdauer der Tätigkeit des An-tragstellers bei diesem Kreiskrankenhaus hat ihn der
Zulassungsausschuss H. zuletzt mit Beschluss vom 15. Mai 2002 zur Erbringung ambulanter Leistungen auf dem
Gebiet der Inneren Medizin ermächtigt. Im Rahmen dieser Ermächtigung hat der Antragsteller namentlich auch
ambulante kurative Koloskopien (nach den Ziffern 760, 764 ff. EBM sowie nach der – mit Wirkung zum 01. Januar
2003 in der neu gefassten Ziffer 764 enthaltenen – Ziffer 763 des EBM) erbracht.
Mit Wirkung zum 01. Oktober 2003 ließ sich der zur vertragsärztlichen Versor-gung zugelassene Antragsteller als
Internist ohne Schwerpunktbezeich-nung in D. nieder, wobei er die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung
wählte. D. liegt zwischen F. und I., es hat einen Haltepunkt für Regionalexpresszüge an der Bahnstrecke J ...
Den Antrag des Antragstellers auf Genehmigung zur Erbringung von Leistungen nach den Ziffern 156, 163, 740, 741,
745, 760, 764, 765, 767, 768 und 775 EBM lehnte der Zulassungsausschuss H. mit Beschluss vom 19. November
2003 ab.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller mit Schreiben vom 26. Januar 2004 Widerspruch eingelegt. Zur
Begründung hat er sich insbesondere darauf berufen, dass unter Berücksichtigung der örtlichen Verkehrsverbindungen
den betroffenen Patienten aus dem Einzugsbereich seiner Praxis nicht zugemutet werden könne, zur Durchführung
von Koloskopien einen Arzt in F. oder H. aufzu-suchen.
Ein von den übrigen Ärzten nicht abgedeckter Bedarf sei auch im Hinblick darauf anzunehmen, dass zusätzlich zu
den kurativen Koloskopien mit Wirkung zum 01. Oktober 2003 präventive Koloskopien im Rahmen von
Vorsorgeuntersuchun-gen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenom-men worden
seien.
Überdies habe der Zulassungsausschuss im Ergebnis selbst den nunmehr von ihm geltend gemachten Bedarf
anerkannt, indem er ihm während seiner früheren Tätigkeit als Krankenhausarzt – noch vor Einführung der präventiven
Koloskopien – eine Ermächtigung erteilt habe. Grundlage dieser früheren Ermächtigung sei die Einschätzung des
Zulassungsausschusses gewesen, dass für den nördlichen Teil des Kreises F. insbesondere mit den Gemeinden K.
und D. und für den angren-zenden südlichen Teil des Kreises H. insbesondere mit der Samtgemeinde L. so-wie für
den westlichen Teil des Landkreises M. ein besonderer Bedarf bestanden habe.
Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen ist dem Widerspruch entgegen-treten. Sie macht geltend, dass
gastroenterologische Leistungen in ausreichen-dem Maße in zumutbarer Entfernung vom Vertragsarztsitz des
Antragstellers von niedergelassenen Vertragsärzten in F. und H. erbracht würden. Dies sei um so mehr anzunehmen,
als mit der Niederlassung des Gastroenterologen Dr. von N. im Wege der Praxisnachfolge eine deutliche Ausweitung
des Angebots an gastroenterologischen Leistungen zu erwarten sei, die der (erst 2001 von der hausärztlichen zur
fachärztlichen Versorgung gewechselte) Praxisvor-gänger nur in geringem Umfang angeboten habe.
Bei einer Befragung hätten die Koloskopien erbringenden Vertragsärzte in F. bestätigt, dass dort Wartezeiten mit einer
– zumutbaren – Dauer von lediglich et-wa drei Wochen beständen; Dr. O. habe bezüglich kurativer Koloskopien sogar
nachvollziehbar dargelegt, dass er solche in seiner Praxis ohne Wartezeiten erbringe.
Die dem Antragsteller während seiner früheren Tätigkeit als Krankenhausarzt er-teilte Ermächtigung möge unrichtig
gewesen sei, sie begründe aber jedenfalls keinen Anspruch auf die begehrte Genehmigung.
Der Antragsgegner hat bislang über den Widerspruch noch nicht entschieden.
Mit dem vorliegenden am 28. Januar 2004 beim Sozialgericht eingegangenen Eilantrag hat der Antragsteller die
Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, ihm die Genehmigung zur
Abrechnung der Zif-fern 156, 163, 740, 741, 745, 760, 764, 765, 767, 768 und 775 EBM zu erteilen.
Der Antragsteller hat unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Widerspruchs-verfahren ergänzend insbesondere
geltend gemacht, dass er Patienten zur gastroenterologischen Versorgung weiterüberweisen müsse, obwohl damit
unzu-mutbare Wartezeiten von etwa sieben Wochen verbunden seien. Letztlich belege bereits die ihm früher erteilte
Ermächtigung einen durch die Fachärzte nicht ab-gedeckten Bedarf an gastroenterologischen Untersuchungen, zumal
sein Nach-folger im Kreiskrankenhaus K. nicht über die erforderliche Qualifikation für solche Untersuchungen verfüge.
Der Antragsgegner hat geltend gemacht, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund für die
begehrte Entscheidung ersichtlich sei. Bei der bis 2002 dem Antragsteller erteilten Ermächtigung sei auch
berücksichtigt wor-den, dass die links der P. wohnenden Einwohner bei Hochwasser eventuell die rechts der P.
praktizierenden Ärzte nicht erreichen könnten. Dieser Gesichtspunkt könne aber nur bezüglich des links der P.
gelegenen Ortes Q., dem Ort der frühe-ren Tätigkeit des Antragstellers, zum Tragen kommen, nicht hingegen für den
nunmehrigen – rechts der P. gelegenen – Praxisort C ...
Mit Beschluss vom 30. März 2004, dem Antragsteller zugestellt am 01. April 2004, hat das Sozialgericht Hannover
den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 73 Abs.
1a S. 3 SGB V bei summarischer Prüfung nicht gegeben seien. Der Planungsbereich F. sei hinsichtlich der
Fachgruppe der fachärztlich tätigen Internisten mit 327,7 % überversorgt. Insbesondere würden auch
gastroenterologische Leistungen in den mit zumutbarem Aufwand erreichbaren Städten F. und H. von dort
niedergelasse-nen Fachärzten in ausreichendem Maße erbracht. Der Antragsteller habe sich für die hausärztliche
Versorgung entschieden und müsse die damit verbundenen Nachteile in Kauf nehmen.
Mit seiner am 29. April 2004 eingelegten Beschwerde macht der Kläger geltend, dass der Versorgungsgrad im
Gesamtbereich fachärztlicher internistischer Tätig-keiten nicht aussagekräftig für den Bedarf speziell an
gastroenterologischen Leistungen sei. Hinsichtlich der Erreichbarkeit von Praxen in benachbarten Städ-ten müsse der
gesamte zeitliche und organisatorische Aufwand für die Patienten und nicht etwa nur die reine Fahrtzeit zwischen
diesen Städten und dem Bahnhof D. berücksichtigt werden, zumal die Patienten bei gastroenterologischen Untersu-
chungen in der Regel analgosediert würden und daher anschließend nicht selbst ein Fahrzeug steuern dürften.
Die im Widerspruchsverfahren eingeholten Stellungnahmen gastroenterologisch tätiger Fachärzte zu den in ihren
Praxen üblichen Wartezeiten ließen sich mit sei-nen eigenen Erfahrungen und denen seiner Patienten nicht in
Einklang bringen. Tatsächlich müssten die Patienten oft unzumutbar lange warten. Einzelheiten hat der Antragsteller
diesbezüglich in einer eidesstattlichen Versicherung vom 01. Juli 2004 dargelegt.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 30. März 2004 aufzuhe-ben und den Antragsgegner im Wege der
einstweiligen Anordnung zu ver-pflichten, ihm die Genehmigung zur Erbringung von den der fachärztlichen Versorgung
zugeordneten Leistungen nach den Ziffern 156, 163, 740, 741, 745, 760, 764, 765, 767, 768 und 775 EBM für den
Zeitraum bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Genehmigungsantrag in der Hauptsache vorläufig zu
erteilen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach– und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge-richtsakte und auf den Inhalt
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. In Abwägung der wechselseitig be-troffenen Interessen besteht kein
rechtfertigender Anlass, die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 SGG zu
erlassen.
Nach § 73 Abs. 1 S. 1 SGB V gliedert sich die vertragsärztliche Versorgung in die hausärztliche und in die
fachärztliche Versorgung. An der hausärztlichen Versor-gung nehmen u.a. Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung
teil, die – wie auch der Antragsteller – die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt ha-ben (§ 73 Abs. 1a
S. 1 Nr. 3 SGB V). Hieran anknüpfend bestimmt § 87 Abs. 2a S. 5 SGB V, dass die im EBM aufgeführten Leistungen
in Leistungen der haus-ärztlichen und Leistungen der fachärztlichen Versorgung zu gliedern sind, und zwar mit der
Maßgabe, dass (unbeschadet gemeinsam abrechenbarer Leistun-gen) Leistungen der hausärzt-lichen Versorgung nur
von den an der hausärztli-chen Versor-gung teilnehmenden Ärzten und Leistungen der fachärzt-lichen Ver-sorgung nur
von den an der fach-ärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten ab-gerechnet werden können.
In Ausführung dieses Regelungsauftrages hat der Bewertungsausschuss die im vorliegenden Verfahren streitigen
Leistungen nach den Ziffern 156, 163, 740, 741, 745, 760, 764, 765, 767, 768 und 775 EBM der fachärztlichen
Versorgung zuge-wiesen (vgl. Beschluss vom 20. Juni 2000 mit Wirkung zum 01. Oktober 2000, Deutsches Ärzteblatt
[DÄ] 2000, S. A 1920 und hinsichtlich der Leistungen nach Ziffern 156, 163 und 164 den in der 77. Sitzung mit
Wirkung zum 01. Oktober 2002 gefassten Beschluss, DÄ 2002, A 2510).
Abweichend von den vorstehend erläuterten Grundsätzen sieht § 73 Abs. 1a S. 3 SGB V vor, dass der
Zulassungsausschuss u.a. für Internisten ohne Schwer-punktbezeichnung eine abweichende befristete Regelung
treffen kann, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist. Allein im Rahmen einer sol-chen
Ausnahmegenehmigung könnte der Antragsteller die Befugnis erhalten – bei Erfüllung aller weiteren rechtlichen
Voraussetzungen – die streitigen gastroente-rologischen Leistungen in der vertrags-ärztlichen Versorgung abrechnen
zu dür-fen.
Der Gesetzgeber hat den vorstehend erläuterten Regelungszusammenhang als Verbot mit Erlaubnis-vorbehalt
ausgestaltet. Hausärzten ist grundsätzlich die Erbringung fachärztlicher Leistungen verboten, es sei denn der
Zulassungsaus-schuss (bzw. im Widerspruchs-verfahren der Antragsgegner als Widerspruchsbe-hörde) hat zuvor ihre
Erbringung nach § 73 Abs. 1a S. 3 SGB V gestattet. Dabei ist die Zuweisung der Entscheidungskompetenz an die
Zulassungsgremien da-hingehend zu interpretieren, soweit dies der Senat im Rahmen der im vorliegen-den
Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sach– und Rechts-lage beurteilen kann, dass diese wegen
des Sachzusammenhanges ihre bei der ihnen obliegenden Prüfung von Ermächtigungs– (§ 116 SGB V) und
Zulassungs-anträgen (§ 96 SGB V) – unter Einschluss von Anträgen auf Sonderbedarfszulas-sungen – gewonnenen
Erfahrungen nutzbar machen sollen.
Dementsprechend ist zugleich davon auszugehen, dass den Zulassungsgremien bei der Prüfung von Anträgen nach §
73 Abs. 1a S. 3 SGB V in gleicher Weise wie bei der Prüfung von (Sonder-bedarfs-)Zulassungs– und
Ermächtigungsan-trägen ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht. Die gerichtliche Kontrolle be-schränkt sich auf die
Prüfung, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermit-telter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die
Zulas-sungsgremien die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes ermittelten Grenzen ein-gehalten und ob
sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet haben, dass im Rahmen des Möglichen die
zutreffende Anwendung der Beurtei-lungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 101
Nr. 1 S 4 f. und SozR 3-2500 § 101 Nr. 5 (für Sonderbedarfs-zulas-sungen); SozR 3-2500 § 116 Nr. 1 S 4, SozR 3-
2500 § 116 Nr. 2 S 17, SozR 3-2500 § 116 Nr. 4 S 29 und BSG SozR 3-2500 § 97 Nr. 2 S 6 (für die Ermäch-tigung
von Krankenhausärzten); SozR 3-2500 § 75 Nr. 7 S 28 f (für Zweigpraxen)).
Diese eingeschränkte Überprüfungsbefugnis der Gerichte beruht im wesentlichen darauf, dass die ortsnahen
fachkundigen Zulassungsinstanzen nur ungefähr ent-scheiden können, ob und inwieweit die bereits niedergelassenen
Ärzte eine qua-litativ und quantitativ ausreichende Versorgung gewährleisten, da zur Beantwor-tung dieser Frage eine
Vielzahl von Faktoren in die Entscheidung einzubeziehen ist (BSG, SozR 3-2500 § 116 Nr. 23). Auch Gesichtspunkte
der räumlichen Ver-teilung der Nachfrage, also die Situation unterversorgter Gebiete und Verkehrs-verbindungen,
dürfen einbezogen werden (BSG, 10.5.2000, B 6 KA 9/99 R). Ent-scheidungen der Zulassungsgremien sind daher
hinzunehmen, wenn sie sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung halten (BSG, SozR 3-2500 § 116 Nr. 23).
Hat der Gesetzgeber wie im vorliegenden Zusammenhang ein Verbot mit Erlaub-nisvorbehalt normiert und zugleich
den Entscheidungsgremien einen weiten Be-urteilungsspielraum eingeräumt, ist regelmäßig kein Raum, von Seiten
der Ge-richte die begehrte Entscheidung im Wege einer einstweiligen Anordnung auch nur für den Zeitraum der Dauer
des Hauptsacheverfahrens vorwegzunehmen. Die Einräumung eines Beurteilungsspielraums an die zuständige
Behörde macht deutlich, dass die Ge-richte – in den erläuterten Grenzen – nicht ihre eigene Be-urteilung an die Stelle
der Beurteilung der zur Entscheidung berufenen Behörde setzen sollen, und zwar auch nicht vorläufig bis zum
Abschluss des Hauptsache-verfahrens.
Hiervon ausgehend kann für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Ertei-lung einer vorläufigen Genehmigung
nach § 73 Abs. 1a S. 3 SGB V nur aus-nahmsweise Raum sein, wenn dringende Gründe zum einen dafür sprechen,
dass der Beurteilungsspielraum der Zulassungsgremien im Hauptsacheverfahren im Sinne einer Erteilung der
begehrten Genehmigung begrenzt ist (Anordnungs-anspruch), und zum anderen gewichtige Gründe ein Abwarten des
Ergebnisses des Hauptsache-verfahrens als unzumutbar erscheinen lassen (Anord-nungsgrund).
Im vorliegenden Zusammenhang ist keine dieser beiden Voraussetzungen gege-ben.
1. Es ist bislang nicht ersichtlich, inwieweit der Antrag des Antragstellers im Hauptsacheverfahren Erfolg haben wird.
Zum gegenwärtigen Sach– und Streitstand vermag der Senat nicht zu überbli-cken, inwieweit eine bedarfsgerechte
Versorgung mit den streitigen gastroente-rologischen Leistungen im Raum D. im Sinne des § 73 Abs. 1a S. 3 SGB V
nicht gewährleistet ist.
Dabei hat die dem Antragsgegner obliegende Gesamtabwägung ihren Ausgangs-punkt an der gesetzgeberischen
Grundentscheidung zu entnehmen. Mit den er-läuterten Regelungen der §§ 73 Abs. 1 und 1a, 87 Abs. 2a S. 5 SGB V
hat der Gesetzgeber den Grundsatz einer klaren Trennung zwischen haus– und fachärzt-licher Tätigkeit im Interesse
der Sicherung und Steigerung der Qualität der ver-tragsärztlichen Versorgung vorgegeben. Korrektur-möglichkeiten
sieht § 73 Abs. 1a S. 3 SGB V nur für Ausnahmefälle vor. Eine Anwendung dieser Norm kommt damit nur in
atypischen Konstellationen in Betracht; insbesondere darf nicht durch eine unangebracht großzügige Interpretation der
tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmefall zum Regelfall umgestaltet werden.
Im vorliegenden Zusammenhang steht außer Streit, dass alle vom Genehmi-gungsantrag betroffenen Leistungen in F.
und damit im Planungsbereich des An-tragstellers und auch in der benachbarten Stadt H. von dort niedergelassenen
fachärztlichen Internisten erbracht werden.
Unterschiedlich beurteilt werden von den Beteiligten lediglich die Fragen, ob das vorhandene Angebot quantitativ
ausreicht und ob Patienten aus dem Raum D. zumutbarerweise darauf verwiesen werden können, sich zur
Inanspruchnahme der streitigen gastroenterologischen Leistungen zu einem Facharzt nach H. oder F. zu begeben.
Diese Fragen hat der Antragsgegner nach Maßgabe der aktuellen Verhältnisse zu prüfen; es besteht keine Rechts-
grundlage, ihn diesbezüglich an die früheren Ermächtigungen zugrunde liegende Beurteilung zu binden.
a) Hinsichtlich der hinreichenden Quantität des vorhandenen Angebots dürften die bisherigen Ermittlungen
unzureichend sein. Der allgemeine Versorgungsgrad bei fachärztlichen Internisten ist im vorliegenden
Zusammenhang, was im Ergebnis auch von Seiten des Antragsgegners nicht mehr in Abrede gestellt wird, ohne
Relevanz, da die streitigen gastroenterologischen Leistungen nur von einem klei-nen Teil der fachärztlichen Internisten
erbracht werden.
Maßgeblich ist vielmehr das fachärztliche Behandlungsangebot speziell bei den streitigen gastroenterologischen
Leistungen. Zu dieser entscheidenden Frage fehlen bislang tragfähige Feststellungen.
Die Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts darf sich typischer-weise nicht immer in Befragungen von
Berufskollegen erschöpfen. Denn die Ge-fahr, dass die Äußerungen der befragten niedergelassenen Ärzte in starkem
Ma-ße auf deren subjektiven Einschätzungen beruhen und von deren individueller Interessenlage mit beeinflusst sein
können, erfordert eine kritische Würdigung der Antworten durch die Zulassungsgremien. Die Angaben der potentiellen
künftigen Konkurrenten des Bewerbers um einen zusätzlichen Praxissitz sind nicht ohne weiteres als
Entscheidungsgrundlage geeignet, sondern müssen sorgfältig aus-gewertet, soweit möglich durch weitere
Ermittlungen ergänzt und so objektiviert werden (BSG, Urt. v. SozR 3-2500 § 101 Nr. 5).
Dabei können im Rahmen der gebotenen Objektivierung namentlich auch Ver-gleiche der Quartalsleistungsprofile der
betroffenen Fachärzte im Planungsbe-reich mit den durchschnittlichen Leistungsprofilen anderer vergleichbarer Fach-
ärzte (mit gastroenterologischem Schwerpunkt) herangezogen werden. Um die Gesamtauslastung der
gastroenterologischen Fachärzte und etwaige Kapazitäts-reserven besser beurteilen zu können, dürften neben den
streitigen gastroente-rologischen Leistungen auch der Gesamtumfang aller abgerechneten Leistungen mit in die
Betrachtung einzubeziehen sein.
In diesem Zusammenhang wird der Antragsgegner auch zu prüfen haben, ob das Vorbringen des Antragstellers
geeignet ist, die Angaben der betroffenen Fach-ärzte zum Ausmaß der Wartezeiten auf einen Behandlungstermin in
Frage zu stellen und ob ggfs. dem tatsächlichen Ausmaß solcher Wartezeiten ein Indiz für ein Versorgungsdefizit
entnommen werden kann. Dabei ist vorsorglich klarzustel-len, dass Wartezeiten nicht als solche für ein
Versorgungsdefizit sprechen müs-sen. Die gesetzlich geforderte "Sicherstellung der vertrags-ärztlichen Versorgung"
(§ 72 Abs. 1 SGB V) gebietet nicht, dass generell alle erforderlichen ärztlichen Leistungen noch am gleichen Tage
oder zumindest innerhalb weniger Tage zu erbringen sind; die sicherzustellende ärztliche Versorgung muss den
Patienten aber in zumutbarer Weise und namentlich auch ohne unzumutbare Wartezeiten zugänglich sein.
Eine entsprechende Indizwirkung kann (mehrtägigen oder mehrwöchigen) Warte-zeiten mithin nur dann zukommen,
wenn ihr Ausmaß unter Berücksichtigung aller Umstände, namentlich der Dringlichkeit des Bedarfs, der Schwere des
Krank-heitsbildes und den im Zuge einer Verzögerung eventuell drohenden Gefahren, als nicht mehr zumutbar
anzusehen ist.
Auch in diesem Zusammenhang ist der weite Beurteilungsspielraum der Zulas-sungsgremien zu beachten. Zudem
macht bereits der vorstehend erläuterte An-satz deutlich, dass die Beurteilung nicht zwangsläufig für alle streitigen
gastroen-terologischen Leistungen gleich ausfallen muss. So dürften beispielsweise bei im Rahmen der reinen
Vorsorge veranlassten präventiven Koloskopien Wartezeiten in deutlich größerem Ausmaß hinnehmbar sein als bei
kurativen Koloskopien.
Dabei ist im Hinblick auf das gesetzlich vorgegebene Ziel einer Sicherstellung der ärztlichen Versorgung vorsorglich
klarzustellen, dass auch Vertragsärzte, bei de-nen der Patientenandrang nur unter Inkaufnahme von mehrtägigen oder
auch mehrwöchigen Wartezeiten bewältigt werden kann, selbstverständlich solche Wartezeiten nicht schematisch
vorgeben dürfen, sondern einen Patienten nur im Rahmen des medizinisch Vertretbaren warten lassen dürfen. Ist aus
medizini-scher Sicht ein akuter Untersuchungs– und/oder Behandlungsbedarf gegeben, dann muss der betroffene
Patient auch mit der gebotenen Unverzüglichkeit ver-sorgt werden.
Insbesondere haben die Vertragsärzte – bei Überweisungen ggfs. im Zusammen-wirken mit dem überweisenden Arzt
– durch geeignete organisatorische Maß-nahmen auch der Gefahr entgegenzuwirken, dass Patienten mit einem
dringen-den Behandlungsbedarf versehentlich einen Termin nur mit einer aus medizini-scher Sicht nicht mehr
vertretbaren Wartezeit erhalten. Sieht sich ein Vertragsarzt ungeachtet der diesbezüglich von ihm zu erwartenden
Anstrengungen nicht ein-mal in der Lage, Patienten mit einem akuten Versorgungsbedarf in der medizi-nisch
gebotenen Weise zeitnah zu versorgen, hat er einen solchen Notstand un-verzüglich – regelmäßig bereits am Tage
seines Auftretens telefonisch vorab – der KV mitzuteilen, damit diese die erforderlichen Maßnahmen zur uneinge-
schränkten Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ergreifen lassen.
Selbst wenn ein Vertragsarzt im Einzelfall die vorstehend erläuterte Pflicht zur zeitnahen Versorgung von Patienten
mit einem akuten Behandlungsbedarf miss-achten sollte, muss dies als solches allerdings noch nicht die Annahme
der feh-lenden Gewährleistung einer bedarfsgerechten Versorgung begründen. Etwaigen Pflichtverletzungen der
erläuterten Art wäre – wie auch bei anderen Pflichtverstö-ßen – vielmehr im Regelfall zunächst je nach Schwere mit
einer entsprechenden Belehrung des betroffenen Arztes oder mit der Einleitung von Disziplinarmaß-nahmen zu
begegnen. Relevanz für die Frage der Gewährleistung einer bedarfs-gerechten Versorgung können solche
Pflichtverstöße nur erlangen, soweit sie nicht als Fehlverhalten im Einzelfall, sondern als Ausdruck einer allgemeinen
Ü-berlastung der betroffenen Fachärzte zu werten sind. Auch vor diesem Hinter-grund vermag den vom Antragsteller
geschilderten Beobachtungen in Einzelfällen als solchen kein ausschlaggebendes Gewicht zukommen. Sie können
nur im Rahmen der dem Antragsgegner obliegenden Gesamtwürdigung aller Umstände ggfs. Relevanz erlangen.
b) Auch die Frage, welche Fahrtzeiten Patienten zugemutet werden können und unter welchen Voraussetzungen eine
Inanspruchnahme eines Facharztes in einer – zumal in einer im gleichen Planungsbereich gelegenen – benachbarten
Stadt eventuell als unzumutbar zu beurteilen sein mag, unterliegt dem Beurteilungs-spielraum der Zulas-
sungsgremien. Auch in diesem Zusammenhang sind alle be-troffenen Umstände zu berücksichtigen.
Insbesondere lassen sich keine einheitlich geltenden Höchstzeitwerte vorgeben. Dafür ist schon deshalb kein Raum,
weil der Zeitaufwand für das Aufsuchen einer Arztpraxis von vielen individuellen Umständen abhängt, namentlich von
der kon-kreten Lage der Wohnung des Patienten, der Wahl des Verkehrsmittels, den Ver-kehrsverbindungen und den
Verkehrs-verhältnissen im Zeitpunkt der An– und Ab-reise.
Die Beurteilung der Zumutbarkeit des mit weiteren Wegen verbundenen zusätzli-chen Zeit– und Kostenaufwandes
kann vielmehr nur typisierend und generalisie-rend erfolgen. Die Verbindungen öffentlicher Verkehrsmittel können in
diesem Zusammenhang nur ein in die erforderliche Gesamtabwägung einzustellendes Kriterium darstellen. Dabei ist
nicht nur der Zeitaufwand etwa für die Zugfahrt zwi-schen zwei Bahnhöfen, sondern auch der Zeit– und
Kostenaufwand für den Zu– und Abgang unter Einschluss typischerweise zu erwartender Wartezeiten zu be-
rücksichtigen.
Darüber hinaus sind öffentliche Verkehrsver-bindungen für solche Patienten ohne Relevanz, die diese nicht in
Anspruch nehmen wollen oder sie aufgrund ihres Ge-sundheits-zustandes ohnehin nicht (mehr) nutzen können. In
diesem Zusammen-hang kann auch der Frage Bedeutung zukommen, inwieweit die fragliche Leistung typischerweise
von rüstigen oder von gebrechlichen Patienten beansprucht wird.
Andererseits werden in vielen ländlichen Regionen ohnehin öffentliche Verkehrs-mittel nur in sehr geringem Ausmaß in
Anspruch genommen. Unter Berücksichti-gung der örtlichen Verkehrsverhältnisse mag dies in solchen Regionen dafür
sprechen, das entscheidende Augenmerk auf die Erreichbarkeit der ärztlichen Versorgung mit PKWs zu legen.
Als allgemeine Kriterien dürften in die typisierende Abwägung einzustellen sein, dass eine ortsnahe ärztliche
Versorgung um so dringender geboten ist, um so häufiger die fraglichen ärztlichen Leistungen einerseits von dem
jeweils betroffe-nen Patienten und andererseits von der Gesamtheit der Versicherten benötigt werden, um so weniger
die betroffenen Patienten den Facharzt ohne fremde Hilfe aufsuchen können und um so angegriffener typischerweise
der Allgemeinzustand der betroffenen Patienten ist.
2. Mithin ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Frage offen, inwieweit die erläuter-ten tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 73 Abs. 1a SGB V gegeben sind und ob der Antragsgegner einen ihm ggfs. eröffneten
Beurteilungsspielraum im Sinne des Antragstellers ausüben muss oder zumindest darf. Anlass für den Erlass der
begehrten einstweiligen Anordnung besteht bei dieser Sachlage um so weniger, als keine unabweisbaren dringenden
privaten oder öffentlichen Interessen für die begehrte Anordnung ersichtlich sind.
Der Antragsteller hat sich aus eigenem Entschluss als hausärztlicher Internist niedergelassen. Er hat damit die
Einschätzung zum Ausdruck gebracht, dass die-se hausärztliche Tätigkeit mit auskömmlichen Einnahmen verbunden
ist. An die-ser Einschätzung muss er sich im vorliegenden Verfahren festhalten lassen.
Dies gilt um so mehr, als die Möglichkeit zur Erteilung von Ausnahmegenehmi-gungen nach § 73 Abs. 1a S. 3 nicht
im finanziellen Interesse der Hausärzte, sondern im öffentlichen Interesse der Versicherten an der Gewährleistung
einer bedarfsgerechten Versorgung eingeführt ist. Ohnehin wäre eine etwaige Geneh-migung nur befristet zu erteilen,
so dass sie schon deshalb nicht geeignet wäre, langfristig die finanzielle Situation des Antragstellers abzusichern.
Durchgreifende aktuelle Defizite in der bedarfsgerechten Versorgung der Versi-cherten mit gastroenterologischen
Leistungen sind nicht glaubhaft gemacht wor-den. Auch wenn das Ausmaß und die Zumutbarkeit der Wartezeiten der
näheren Prüfung durch den Antragsgegner bedürfen, so liegen doch keine greifbaren An-haltspunkte dafür vor, dass
ein akuter Notstand bestünde, zu dessen Behebung es geboten sein könnte, dass der Senat an Stelle des zur
Entscheidung berufe-nen fachkundigen Antragsgegners auch nur vorläufig die Verpflichtung zur Ertei-lung der
begehrten Genehmigung aussprechen müsste.
Unter Berücksichtigung der im vorliegenden Eilverfahren vom Senat nicht abzu-klärenden Divergenzen in den
Angaben zum Vorliegen und zum Ausmaß von Wartezeiten mag die KVN allerdings zu prüfen haben, ob es für sie in
Wahrneh-mung ihres Sicherstellungsauftrages angezeigt sein könnte, – rein vorsorglich – die betroffenen (Leistungen
der kurativen Koloskopie erbringenden) Facharztpra-xen in Nienburg und in Verden auf die vorstehend erläuterten
Grundsätze zur zeitnahen Behandlung von Patienten mit akutem Versorgungsbedarf hinzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Bei der auf §§ 13 Abs. 1, 14, 20 Abs. 3 GKG in der hier maßgeblichen bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung (§
72 Nr. 1 GKG i.d.F. des KostenRMoG vom 05. Mai 2004) beruhenden Streitwertbemessung hat der Senat
berücksichtigt, dass der Antragsteller die streitigen gastroenterologischen Leistungen offenbar in erheblichem Umfang
erbringen will. Der Antragsteller hat in seiner eidesstattlichen Versicherung selbst darauf hingewiesen, dass ihm allein
in den Monaten Novem-ber und Dezember 2003 rund 60 Patienten von anderen Hausärzten zur Kolosko-pie
überwiesen worden seien. Unter Berücksichtigung des Bewertungsniveaus für solche Leistungen (etwa jeweils 4.100
Punkte für Leistungen nach Nrn. 156 und 764 EBM) erscheint im Rahmen einer überschlägigen Schätzung die
Annahme sachgerecht, dass der Antragsteller mit der begehrten Genehmigung jährliche Zusatzeinnahmen in einer
Größenordnung von mindestens ca. 40.000 EUR anstrebt, wovon ihm nach Abzug eines Unkostenanteils von ca. 60
% etwa 16.000 EUR jähr-lich als zusätzlicher Gewinn verbleiben würde. Im Hauptsacheverfahren wäre da-her unter
Heranziehung des diesbezüglich maßgeblichen Dreijahreszeitraumes (vgl. etwa Senatsbeschlüsse v. 29. November
2002 - L 3 B 170/02 KA – und v. 25. Mai 2004 - L 3 KA 427/03 ER -) der Streitwert auf 48.000 EUR festzusetzen; in
Eilverfahren ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. etwa Senatsbe-schluss vom 06. Februar 2001 – L 3 B
11/01 KA –) ein Viertel des Hauptsache-streitwertes maßgebend.
Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass selbstverständlich (sowohl förmliche als auch informelle)
"Überweisungen" von Versicherten der gesetzlichen Kran-kenversicherung an den Antragsteller zur Durchführung von
Koloskopien schon deshalb unzulässig sein müssen, weil der Antragsteller als Teilnehmer an der hausärztlichen
Versorgung ohne die erst angestrebte Genehmigung solche fach-ärztlichen Leistungen gar nicht erbringen darf.
Dementsprechend darf der An-tragsteller entsprechende "Überweisungen" vor Erlangung der begehrten Geneh-migung
auch nicht dulden, sondern muss die – sich diesbezüglich offenbar im Irrtum befindenden – überweisenden Kollegen
unverzüglich über seine fehlende Befugnis aufklären, damit diese die Patienten an die zur Erbringung gastroente-
rologischer Leistungen befugten Fachärzte überweisen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).