Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 18.12.2001
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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 18.12.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Oldenburg S 5 RA 127/00
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 1 RA 229/01
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der geschiedene Kläger begehrt nach durchgeführtem Versorgungsausgleich und dem Tod seiner früheren Ehefrau die
bereits jetzt zu treffende Feststellung einer un-gekürzten Rentenzahlung in einem späteren Leistungsfall sowie die
Übertragung der bislang seiner früheren Ehefrau zugeordneten Versicherungszeiten wegen Kinderer-ziehung auf sein
Versicherungskonto.
Der im Jahre 1940 geborene Kläger war von 1962 bis 1983 mit Frau D. (geb. E.) ver-heiratet. Aus der Ehe sind 5
Kinder hervorgegangen (F., G., H., I. und J., geboren 1962, 65, 66, 67 und 1970). Die Ehe wurde durch rechtskräftiges
Urteil des Amtsge-richts (AG) K. (Familiengericht) vom 20. Juli 1983 geschieden. Nach dem Urteil wur-den im
Rahmen des Versorgungsausgleichs Rentenanwartschaften in Höhe von 359,90 DM von dem bei der Beklagten
geführten Versicherungskonto des Klägers auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der
Landesversicherungsanstalt (LVA) Oldenburg-Bremen übertragen. Außerdem war der Kläger (von Beruf Malermeister)
der geschiedenen Ehefrau und Kindern zum Unterhalt verpflichtet. In der Folgezeit wurden unter den geschiedenen
Ehegatten verschiedene Scheidungsfolge-Streitigkeiten ausgetragen, u.a. über einen Kinderzuschuss und über das
Kindergeld. Die geschiedene Ehefrau des Klägers heiratete wieder, Herrn L., mit dem sie bis zu ihrem Tod am 15.
Februar 1991 verehelicht blieb.
Dem Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau bei der LVA (zuständig war zu-letzt die LVA Braunschweig)
waren neben den aufgrund des Versorgungsausgleichs übertragenen Anwartschaften auch die Zeiten für die Erziehung
der 5 Kinder zuge-ordnet. Aus diesem Versicherungskonto hatte die geschiedene Ehefrau bis zu ihrem Tod keinerlei
Leistungen in Anspruch genommen, seit ihrem Tod bezieht Herr M. von der LVA Braunschweig eine Witwerrente nach
der Verstorbenen.
Im März 1998 meldete sich der Kläger bei der Beklagten und stellte einen "Antrag auf Rückübertragung" der
anlässlich des Versorgungsausgleichs auf das Versicherungs-konto der geschiedenen Ehefrau übertragenen
Versorgungsanwartschaften. Außer-dem machte er mit einem späteren Kontenklärungsantrag vom Februar 1999
geltend, dass die Kindererziehungszeiten (KEZ) und Kinderberücksichtigungszeiten (KBüZ) nicht zugunsten seiner
geschiedenen Ehefrau, sondern zu seinen Gunsten berück-sichtig werden müssten.
Auf beide Begehren (sowie zwischenzeitlich erhobene, weitere, aber vorliegend nicht mehr streitige Begehren) des
Klägers reagierte die Beklagte mit zahlreichen und umfangreichen Aufklärungsschreiben, gegen die der Kläger jeweils
"Widerspruch" erhob. Schließlich erließ die Beklagte einen Vormerkungsbescheid vom 7. April 1999 sowie einen
Änderungsbescheid vom 29. Februar 2000 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 6. April 2000, mit dem sie
beide Begehren des Klägers ab-lehnte und zur Begründung im Einzelnen ausführte: mit der Durchführung des Ver-
sorgungsausgleichs seien die Anwartschaften nach der Gesetzeslage unwieder-bringlich von dem Verpflichteten auf
die Berechtigte übergegangen, und zwar zum Ausgleich der in der Ehezeit im Regelfall in gleichem Umfang erbrachten
gemeinsa-men Lebensleistung. Aus den einmal übergegangenen Anwartschaften der geschie-denen Ehefrau stünden
dem Ausgleichsverpflichteten daher keine Leistungen mehr zu, und die von ihm aus seinem eigenen
Versicherungskonto etwaig zu beanspru-chenden Leistungen dürften im Grundsatz auch allein aus den um den
Ausgleich verminderten (gekürzten) Anwartschaften bemessen werden. Nur ausnahmsweise dürfe eine solche
Kürzung um den Versorgungsausgleich nach § 4 des Gesetzes über die Regelung von Härten im
Versorgungsausgleich (VAHRG) unterbleiben, und zwar dann, wenn im Fall eines Leistungsanspruchs des
Ausgleichsverpflichteten die Ausgleichsberechtigte oder deren Hinterbliebene noch keine bzw. nur Leistungen aus der
übertragenen Anwartschaft in bestimmter Höhe (bis zum Grenzbetrag) in Anspruch genommen hätten. Ob der Kläger
Anspruch auf eine solche ungekürzte Leistungsbewilligung habe, könne aber noch nicht gegenwärtig, sondern erst im
Rentenfall entschieden werden, weil der Kläger noch keinen Anspruch auf Leistun-gen geltend machen könne,
insbesondere auch noch keinen Rentenanspruch habe; eine zukünftige Rente könne und dürfe heute noch nicht
festgestellt werden. Im Übri-gen sei auch noch nicht bekannt, ob die an den Witwer der geschiedenen Ehefrau
gezahlte Hinterbliebenenrente den maßgeblichen Grenzbetrag über- oder unter-schreite. Die Beklagte könne und dürfe
daher allenfalls eine Proberechnung erstellen (die sie mit Schreiben vom 27. Januar 1999 auch durchführte). Daneben
könne der Kläger auch nicht die Zuschreibung der KEZ und KBüZ beanspruchen, da diese Zeiten nach dem
gesetzlichen Regelfall der (inzwischen verstorbenen) Mutter zuge-ordnet wurden, eine davon abweichende
übereinstimmende Erklärung der Ehegatten nicht vorliege und eine solche Erklärung nach Ablauf der hierfür gesetzlich
vorgese-henen Fristen auch nicht mehr abgegeben werden könne.
Mit der am 28. April 2000 vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhobenen Klage hat der Kläger zum einen begehrt,
bereits jetzt und nicht erst in einem späteren Rentenfall festzustellen, dass die Voraussetzungen der Zahlung einer
ungekürzten Rente erfüllt seien. Und zum zweiten hat er die Verurteilung der Beklagten begehrt, die
Versicherungszeiten wegen Kindererziehung nicht in dem Versicherungskonto der verstorbenen Ehefrau, sondern in
seinem Konto zu berücksichtigen. Zur Begrün-dung hat er vortragen lassen, es sei für den Kläger nicht
nachvollziehbar, warum der zweite Ehemann der verstorbenen Ehefrau eine Hinterbliebenrente aus Anwart-schaften
erhalte, die in der ersten Ehe und damit während der vom Kläger geführten Ehe entstanden seien. Es sei eine unbillige
Härte, dass diese Anwartschaften nun einem unbeteiligten Dritten zugute kämen. Dies gelte auch für die Zeiten der
Kinder-erziehung. Denn die 5 Kinder seien nicht von dem 2. Ehemann, sondern allein von ihm und seiner früheren
Ehefrau gemeinsam erzogen worden. Eine vom Gesetz ge-forderte Erklärung habe bis zum 31. Dezember 1996 nur
deshalb nicht abgegeben werden können, weil die Ehefrau bereits im Jahre 1991 verstorben sei. Und bis zum 31.
März 1997 habe er die Erklärung nicht allein abgeben können, weil er erst im Jahre 1998 die Sterbeurkunde erhalten
habe. Im Übrigen müsse berücksichtigt wer-den, dass er einige der Kinder nach der Scheidung zeitweise in seinem
Haushalt aufgenommen und der 2. Ehemann der Verstorbenen nach den Aussagen der Kinder in keiner Weise an
deren Erziehung mitgewirkt habe.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. August 2001 zum Teil als unzulässig und zum anderen Teil als unbegründet
abgewiesen und zur Begründung im Einzelnen ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, soweit der Kläger bereits zum
jetzigen Zeit-punkt eine Feststellung dahingehend begehre, dass ihm in einem zukünftigen Ren-tenfall die ungekürzte
Leistung zustehe. Denn die insoweit erhobene Feststellungs-klage sei subsidiär zur Leistungsklage, und gerade die
Leistungsklage könne der Kläger später erheben, wenn er die ihm zukünftig etwaig zu bewilligende Rente für
unzutreffend bemessen halte. Ein besonderes Feststellungsinteresse zum gegen-wärtigen Zeitpunkt sei nicht
erkennbar. Lediglich ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Klage selbst im Falle ihrer Zulässigkeit auch
unbegründet wäre, weil eine Rückübertragung von anlässlich eines Versorgungsausgleichs übertragenen Ren-
tenanwartschaften nach dem Gesetz nicht vorgesehen und dies von der Rechtspre-chung des Bundessozialgerichts
(BSG) auch bestätigt worden sei. Zulässig sei die Klage hingegen, soweit der Kläger die Berücksichtigung der
Versicherungszeiten wegen Kindererziehung in seinem Versicherungskonto begehre. Dieses Begehren sei allerdings
materiell unbegründet, weil die Fristen zur Abgabe einer Erklärung zur anderweitigen Berücksichtigung der KEZ und
KBüZ bereits abgelaufen und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gesetzlich ausgeschlossen sei.
Gegen dieses seiner Prozessbevollmächtigten am 31. August 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 27.
September 2001 im Auftrag des Klägers erhobene Berufung, mit der er seine Begehren weiter verfolgen und
ergänzend vortragen lässt: er hätte die Anträge auf Rückübertragung aller Anwartschaftszeiten schon früher stellen
kön-nen, wenn er nicht erst im Jahre 1998 vom Tod seiner Ehefrau erfahren hätte, son-dern etwa schon 1991.
Daneben sei er bezüglich der Zeiten wegen Kindererziehung vom Gesetzgeber ungleich behandelt worden gegenüber
denjenigen Vätern, deren Ehefrauen schon vor dem 1. Januar 1986 verstorben seien. Denn diese Väter hätten bis
zum 31. Dezember 1996 Zeit gehabt, eine Erklärung beizubringen. Und schließ-lich stehe ihm auch ein
Feststellungsinteresse zur Seite, da der Kläger aufgrund der begehrten Feststellung schon heute eine Proberechnung
seiner zukünftigen Rente von der Beklagten verlangen und daher schon heute sinnvoll entscheiden können müsse, ob
er seinen Rentenanspruch erst mit 65 Jahren oder früher geltend mache.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
1. das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 21. August 2001 aufzuhe-ben und Bescheid der Beklagten vom 7.
April 1999 und den Ände-rungsbescheid vom 29. Februar 2000 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 6. April
2000 abzuändern, 2. festzustellen, dass die dem Kläger von der Beklagten zu zahlende Rente im Leistungsfall ohne
Kürzung um die anlässlich des Versor-gungsausgleichs an seine verstorbene frühere Ehefrau übertragenen
Anwartschaften zu zahlen ist, 3. die Beklagte zu verurteilen, die Kindererziehungs- und Kinderberück-
sichtigungszeiten für die Kinder F. (geb. 2. Juli 1962), G. (geb. 7. April 1965), H. (geb. 25. November 1966), I. (geb.
15. Dezember 1967) und J. (geb. 2. Mai 1970) im Versicherungsverlauf des Klägers zu berück-sichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide als zutreffend und bezieht sich zur Be-gründung ergänzend auf das Urteil
des SG.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters als Einzel-richter durch Urteil ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts-akte sowie auf die
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung
gewesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gem. §§ 155 Abs. 4, 3, 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch seinen Berichterstatter
als Einzelrichter mittels Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten zuvor hiermit
einverstanden erklärt haben.
Die gem. §§ 143f. SGG statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet.
Weder das Urteil des SG noch die Bescheide der Beklagten sind zu beanstanden. Der Kläger hat weder einen
Anspruch auf Berücksichtigung der Zeiten der Kinderer-ziehung in seinem Versicherungskonto noch hat er bereits
jetzt das Recht, eine zu-lässige Klage auf Feststellung der ungekürzten Rentenzahlung in einem späteren, etwaigen
Rentenfall zu erheben; im Übrigen wäre eine solche Klage selbst im Falle ihrer Zulässigkeit unbegründet.
Sowohl die Beklagte als auch das SG haben übereinstimmend und zutreffend die maßgeblichen Rechtsgrundlagen
herangezogen und richtig angewendet. Ebenso übereinstimmend und ebenso zutreffend sind sie zu dem ebenso
richtigen Ergebnis gelangt, dass der Kläger eine Berücksichtigung der Zeiten wegen Kindererziehung in seinem
Versicherungskonto nicht und ebenso nicht verlangen kann, dass bereits jetzt festgestellt werde, die von ihm etwaig
zu beanspruchende Rente werde unge-kürzt ausgezahlt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der zutreffenden
Ausfüh-rungen (der Beklagten und) des SG nimmt das erkennende Gericht, um Wiederho-lungen zu vermeiden, gem.
§ 153 Abs. 2 SGG vollumfänglich auf die Entscheidungs-gründe des vom Kläger angefochtenen Urteils des SG
Bezug.
Nur ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen: Die gesetzliche Regelung der nur zeitlich befristet möglichen
Erklärung des bzw. der Ehegatten zur Zuordnung der KEZ/KBüZ in § 249 SGB VI a.F., die im Übrigen mehrmals vom
Gesetzgeber verlän-gert worden ist und zuletzt am 31. Dezember 1996 bzw. 31. März 1997 endete, ist nach ständiger
höchstrichterlicher Rechtsprechung verfassungsmäßig (vgl. statt vie-ler weiterer Entscheidungen nur: BSG; Urteil vom
3. April 2001, B 4 RA 89/00R; e-benso: LSG Niedersachsen, Urteil vom 31. August 2001, L 1 RA 233/99). Hierauf war
der Kläger bereits mit Verfügung des Berichterstatters vom 22. Oktober 2001 hinge-wiesen worden, dem maßgebliche
Urteile des BSG bzw. LSG zur Kenntnisnahme durch den Kläger beigefügt waren. Darauf wird nochmals hingewiesen.
Und die Kla-ge auf Feststellung der ungekürzten Rentenzahlung bereits zum jetzigen Zeitpunkt in Bezug auf einen
späteren Rentenfall ist schon deshalb unzulässig, weil bis zum Ein-tritt dieses etwaigen Rentenfalles noch weitere
Gesetzesänderungen erfolgen kön-nen, was eine heutige, rechtlich bindende Feststellung der Beklagten bereits recht-
lich ausschließt.
Im Übrigen wäre die vom Kläger seinem Vorbringen nach begehrte "Rückübertra-gung" der Anwartschaften auch im
Fall einer zulässigen Klagerhebung rechtlich aus-geschlossen. Nach dem zutreffenden Rechts- und
Verfassungsverständnis des Ge-setzgebers hat die verstorbene Ehefrau während der Ehe grundsätzlich die gleiche
Lebensleistung erbracht und deshalb die gleichen rentenrechtlichen Anwartschaften erworben wie der Kläger als ihr
Ehemann. Durch die Scheidung trennen sich die rentenrechtlichen Anwartschaften beider Eheleute in zwei
voneinander selbständige Rechtskreise auf, wobei die Anwartschaften der Ehefrau den gleichen und eigen-ständigen
eigentumsrechtlichen Schutz genießen wie diejenigen des Klägers (stän-dige Rechtsprechung, vgl. nur BVerfG, Urteil
vom 5. Juli 1989, 1 BvL 11/87, NJW 1983, S. 1983, 1984; LSG Niedersachsen, Urteil vom 14. März 1990, L 1 An
133/89, Breithaupt 1990, S. 816-820; LSG Niedersachsen, Urteile vom 22. Juli 1999, L 1 RA 97/98 und vom 28. Juni
2001, L 1 RA 9/01).
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Es hat kein gesetzlicher Grund gem. § 160 Abs. 2 SGG vorgelegen, die Revision zu-zulassen.