Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.08.2003

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 21.08.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 13 AL 205/99
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 15 AL 14/02
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 8. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind die Aufhebung der Bewilligung und die Erstattung von Arbeitslosenhilfe wegen zwischenzeitlicher
versicherungspflichtiger Beschäftigung.
Der 1962 geborene Kläger bezog ab 1. März 1996 Arbeitslosengeld und ab 28. Februar 1997 Arbeitslosenhilfe in Höhe
von DM 327,60 wöchentlich bis zu einer Arbeitsaufnahme am 20. November 1997.
Im September 1997 reichte er eine Nebenverdienstbescheinigung der Firma I. (Firma T.) für August 1997 über DM
606,25 (48,5 Arbeitsstunden) ein. Mit Bescheid vom 22. September 1997 rechnete die Beklagte DM 139,92 auf die
Arbeitslosenhilfe an und verrechnete den Betrag gegen die laufenden Leistungen. In einer weiteren
Nebenverdienstbescheinigung vom 15. Oktober 1997 für September 1997 wurde ein Bruttoarbeitsentgelt von DM
168,75 (13,5 Arbeitsstunden) – ebenfalls bei der Firma T. – angegeben, das zu keiner Anrechnung führte.
Durch eine kriminalpolizeiliche Mitteilung vom 23. Januar 1998 erfuhr die Beklagte von einem Verfahren wegen
Beitragsvorenthaltung und Steuerhinterziehung gegen die Firma T. Die in einer beiliegenden Liste aufgeführten Löhne
von Arbeitnehmern seien von dem Verantwortlichen der Firma, dem Zeugen J., als zutreffend anerkannt worden,
detaillierte Stunden- und Lohnaufzeichnungen lägen vor.
Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 20. April 1998 die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe
für den Monat August 1997 wegen eines erzielten Einkommens von DM 1.634,38 nach Absetzung von
Werbungskosten in Höhe eines Anrechnungsbetrages von DM 973,99 auf und verlangte die Erstattung dieses
Betrages. Auf den Widerspruch des Klägers hin, mit dem die Glaubwürdigkeit der Angaben der Firma T. angezweifelt
worden war, hob die Beklagte mit Bescheid vom 6. August 1998 jedoch den Bescheid vom 20. April 1998 wieder auf.
Gleichzeitig wurde ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten eingestellt.
Im Folgenden gelangte – nach einer Betriebsprüfung – eine Berechnung der Beigeladenen zu 2. für die Firma T. zur
Leistungsakte, aus der sich für den Kläger im Monat August 1997 ein beitragspflichtiges Entgelt (Entgeltdifferenz) von
DM 2.210,17 ergab.
Mit Bescheid vom 16. Februar 1999 hob die Beklagte nach Anhörung des Klägers die Entscheidung über die
Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 1. August 1997 bis zum 22. September 1997 ganz auf, weil der Kläger im
August 1997 in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden und sich erst am 23. September 1997
wieder persönlich im Arbeitsamt gemeldet habe. Die Entscheidung beruhe auf § 48 des Zehnten Buches
Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X), weil eine wesentliche Änderung der maßgeblichen Verhältnisse
eingetreten sei und der Kläger seiner Anzeigepflicht nicht richtig nachgekommen sei. Er habe die in der betroffenen
Zeit erhaltenen Leistungen von DM 2.457,00 zu Unrecht erhalten und gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zuzüglich der
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von DM 766,08, insgesamt DM 3.223,08, zu erstatten.
Im Widerspruchsverfahren verwies der Kläger auf das vorherige Widerspruchsverfahren, das mit einer Aufhebung des
Bescheides geendet hatte. Die Beklagte gehe zu Unrecht von einer Tätigkeit im Umfang eines beitragspflichtigen
Beschäftigungsverhältnisses im August 1997 bei der Firma T. aus. Aus den Unterlagen der Betriebsprüfung ergebe
sich keinesfalls, dass er tatsächlich auch in entsprechendem Umfang dort tätig gewesen und entsprechendes Entgelt
erzielt habe. Das belegten auch die in der Akte befindlichen Leistungsscheine nicht, zumal diese Nachweise lediglich
erstellt worden seien, damit die Firma T. entsprechend mit der Auftraggeberin habe abrechnen können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 1999 reduzierte die Beklagte den Erstattungs-betrag der Arbeitslosenhilfe
durch Abzug der für August 1997 bereits angerechneten DM 139,92 auf DM 2.317,08 und die zu ersetzenden Beiträge
zur Kranken- und Pflegeversicherung auf DM 323,46, insgesamt DM 2.640,54, wies aber im Übrigen den Widerspruch
als unbegründet zurück. Sie verwies auf das Ergebnis der Betriebsprüfung der Beigeladenen zu 2); diese habe für das
Arbeitsamt Tatbestandswirkung, so dass hierzu keine eigenen Feststellungen mehr getroffen werden müssten. Der
Kläger hätte die Arbeitsaufnahme anzeigen und dies aufgrund der umfassenden Hinweise im Merkblatt für Arbeitslose
auch wissen müssen.
Am 3. Juni 1999 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Bremen Klage erhoben. Das SG hat die Krankenversicherung
des Klägers (Beigeladene zu 1.) und den Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2.) beigeladen.
Zur Begründung hat der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Er sei nur im Rahmen
eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen und dementsprechend von der Firma T. auch bei der
Beigeladenen zu 1. gemeldet worden. Für den Monat August 1997 habe er einen Scheck über DM 606,25 erhalten, der
seinem Konto gutgeschrieben worden sei (Vorlage von Kopien). Erst mehr als 2 ½ Jahre später, am 17. März 2000,
habe er – offenbar als Folge des Bescheides der Beigeladenen zu 2. – einen Ersatz-Versicherungsnachweis der Firma
T. zugesandt erhalten, aus dem sich plötzlich eine versicherungspflichtige Anmeldung und Abmeldung für August
1997 ergeben habe. Diese entspreche nicht den Tatsachen. Er wisse nicht, aus welchen Gründen und zu welchem
Zweck ein Leistungsschein mit angeblich von ihm verrichteten Arbeitsstunden von den Verantwortlichen der Firma T.
erstellt worden sei. Im Übrigen habe er schon in seiner Begründung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 20.
April 1998 darauf hingewiesen, dass es sich bei seiner Unterschrift unter der Bescheinigung über Nebenverdienst im
Monat September vom 15. Oktober 1997 (Bl. 20 der Leistungsakte) um eine plumpe Fälschung handele. Daraufhin sei
der angefochtene Bescheid mit Schreiben vom 6. August 1998 aufgehoben worden. Der angefochtene Bescheid sei
auch bereits deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides vom 7. März
1997 mit dem Abhilfebescheid vom 6. August 1998 bestätigt habe. Dieser Abhilfebescheid sei bestandskräftig
geworden und entfalte Bindungswirkung, so dass die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 7. März 1997 durch den
angefochtenen Bescheid nicht mehr habe aufheben können, jedenfalls nicht ohne den Abhilfebescheid vom 6. August
1998 zuvor aufzuheben. Nach dem bestätigenden Bescheid hätte eine Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom
7. März 1997 gemäß § 45 SGB X erfolgen müssen. Eine Umdeutung des auf § 48 SGB X gestützten hier
angefochtenen Bescheides sei aber nicht möglich. Es sei auch nicht zutreffend, dass der Beklagten die Aufnahme
des mehr als kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnisses erst im Januar 1999 durch die Betriebsprüfung der
Beigeladenen zu 2. bekannt geworden sei. Vielmehr habe ihr bereits am 6. November 1997 die Mitteilung einer
Überschneidung des Leistungsbezugs mit einer Beschäftigungszeit vorgelegen und am 23. Januar 1998 die Mitteilung
der Ortspolizeibehörde, mit der die Prüfung eines Leistungsmissbrauchs angeregt worden sei. Alle maßgeblichen
Informationen für den angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16. Februar 1999 hätten der
Beklagten somit Ende 1997/Anfang 1998 bereits vorgelegen. Sie habe lediglich die rechtliche Würdigung
unterschiedlich vorgenommen. Auch der Vorwurf, der Kläger hätte jedenfalls wissen müssen, dass der Anspruch auf
Arbeitslosenhilfe wegen der Aufnahme der Tätigkeit weggefallen sei, sei absurd, wenn die Beklagte in Kenntnis der
Umstände die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides vom 7. März 1997 mit dem Abhilfebescheid vom 6.
August 1998 bestätigt und darüber hinaus mit der Einstellung des Ordnungswidrigkeiten-Verfahrens einen
schutzwürdigen Vertrauenstatbestand gesetzt habe.
Die Beklagte hat auf die kriminalpolizeilichen Feststellungen und Unterlagen und auf die Feststellungen der
Beigeladenen zu 2. verwiesen sowie auf das Zeugnis des Geschäftsführers der Firma T., Jürgen J ...
Die Beigeladene zu 1. hat mitgeteilt, nach dem Prüfbericht der Beigeladenen zu 2. vom 19. August 1998 sei
nachträglich auf Sozialversicherungspflicht für den Monat August 1997 mit einem Entgelt von DM 2.210,00
entschieden worden.
Die Beigeladene zu 2. hat ihren nach der Betriebsprüfung bei der Firma T. ergangenen Bescheid vom 19. August 1998
einschließlich einer "Anlage Berechnung der Beiträge” für den Kläger für den Monat August 1997 vorgelegt, außerdem
Leistungsscheine der Firma K. (Firma M.) von August und September 1997 und Listen über Lohnzahlungen an
verschiedene Arbeitnehmer der Firma T. im Zeitraum 10/1996 – 11/1997. Das hiernach festgestellte Arbeitsentgelt
von DM 1.638,38 für den Monat August 1997 sei um den vom Finanzamt Bremerhaven ermittelten Steuersatz von
34,9 % auf DM 2.210,17 erhöht worden. Sie hat darauf verwiesen, dass Stundenaufzeichnungen auch bei
Auftraggebern der Firma T. sichergestellt worden seien. In diesen Firmen sei es üblich, die Arbeitszeiten ebenfalls zu
dokumentieren, um diese entsprechend mit der beauftragten Firma abzurechnen. So enthielten die Stundenlisten der
Firma M. den Namen des betroffenen Mitarbeiters, die täglich geleisteten Arbeitsstunden einschließlich Pausenzeiten
sowie die Art der Tätigkeit. Die Listen seien am Monatsende von einem Mitarbeiter der Firma M. abgezeichnet und
von der Firma T. bzw. deren Vorarbeiter gegengezeichnet worden. Der Arbeitgeber habe den Beitragsbescheid vom
19. August 1998 rechtsbeständig werden lassen und die nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträge auch gezahlt.
Das SG hat die Akten der Staatsanwaltschaft Bremen – Zweigstelle Bremerhaven – zum Aktenzeichen 921 Js
51945/97 beigezogen und den Geschäftsführer J. als Zeugen vernommen. Dieser hat u. a. angegeben, der Kläger sei
auf Stundenbasis unterhalb der damaligen Geringfügigkeitsgrenze beschäftigt gewesen. Es sei jedoch vorgekommen,
dass Einzelne mehr gearbeitet hätten. Die Löhne seien bar, per Scheck und per Überweisung gezahlt worden. Dabei
seien "Grundlöhne” (bis DM 610,00) per Scheck oder Überweisung gezahlt worden und das, was darüber
hinausgegangen sei, in bar. Die Stundenzettel hätten einerseits zur internen Abrechnung, andererseits gegenüber den
Auftraggebern als Beleg gedient. Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Niederschrift vom 8.
Februar 2002.
Mit Urteil vom 8. Februar 2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei im August 1997
versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, so dass ihm keine Arbeits-losenhilfe zugestanden habe. Der Zeuge J.
habe glaubwürdig dargelegt, dass neben Scheckzahlungen und Überweisungen auch Barauszahlungen erfolgt seien.
Auch aus den kriminalpolizeilichen Protokollen ergebe sich, dass bei der Firma T. Barauszahlungen erfolgt seien.
Nach den vorgelegten Leistungsscheinen des Vorarbeiters L., die gegenüber der Firma M. ausgestellt worden seien,
habe der Kläger z. B. in der Woche vom 5. – 8. August zwischen 5,75 und 8,75 Stunden täglich gearbeitet;
Manipulationen erschienen insoweit unwahrscheinlich, weil die Bescheinigungen auch von der Firma M.
gegengezeichnet worden seien. Wegen der auch erfolgten Barauszahlungen seien die vom Kläger vorgelegten Belege
über Zahlungen per Scheck nicht aussagekräftig. Vielmehr sei das Gericht überzeugt, dass – wie in anderen Fällen –
die Firma T. und der Versicherte zusammengewirkt und falsche Angaben gegenüber dem Arbeitsamt gemacht hätten.
Somit hätten gegenüber den Angaben, die der Bewilligungsverfügung vom 6. März 1997 zugrunde gelegen hätten,
wesentliche Änderungen vorgelegen, die die Beklagte gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X zur
Aufhebung der Bewilligungsbescheide und zur Erstattungsforderung berechtigten.
Gegen diese ihm am 2. April 2002 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 29. April 2002 Berufung beim
Landessozialgericht eingelegt. Er macht geltend, in einem diesem Verfahren vorangegangenen Widerspruchsverfahren
habe nachgewiesen werden können, dass eine Bescheinigung über Nebeneinkommen von ihm nicht unterschrieben,
sondern plump gefälscht worden sei. Der Verdacht einer falschen Abrechnung der Firma T. mit Kunden liege nahe. Es
seien mehrere Verfahren beim Sozialgericht anhängig, bei denen Arbeitnehmer mehr Stunden geleistet haben sollten,
als das tatsächlich der Fall gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 8. April 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 1999 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und schließt sich dessen Begründung an.
Die Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und stellen keine Anträge.
Das LSG hat erneut den Zeugen J. vernommen. Dieser hat seine vorherigen Aussagen bestätigt und angegeben, es
sei eher die Regel gewesen, dass neben Schecks und Überweisungen noch Barzahlungen erfolgt seien. Auf einzelne
Personen könne er das aber unmöglich beziehen. Es gebe keinerlei Aufzeichnungen über die Barzahlungen mit
Ausnahme vielleicht von privaten Aufzeichnungen der Zeugin M. (geborene N.). Bei der Firma M. habe der Zeuge L.
die Leute in eigener Regie eingesetzt und habe, wie er – der Zeuge – erst im Strafverfahren erfahren habe, auch die
Stundenzettel durch Verschieben von Stunden von Woche zu Woche "geschönt”, um eine gleichmäßige und nicht zu
hohe Stundenbelastung herzustellen. Die bei der Firma M. geführten Aufzeichnungen hätten dagegen die wahre
Stundenbelastung der Einzelnen wiedergegeben. Es sei auch vorgekommen, dass Arbeitnehmer nach ihrem
Ausscheiden noch zwei oder drei Monate in der Lohnliste weitergeführt worden seien, um ausgegebenes Geld in die
Buchführung einzubringen. Ebenso habe es auch wenige sogenannte "Dummys” gegeben. Wegen weiterer
Einzelheiten wird auf die Niederschrift des Erörterungstermins vom 12. Februar 2003 Bezug genommen.
Des Weiteren hat das Gericht die Zeugin M. und den Zeugen L. vernommen. Der Zeuge L. hat angegeben, seine
Aufgabe als Vorarbeiter bei der Firma T. habe darin bestanden, verschiedene Mitarbeiter für die Arbeiten einzuteilen
und darauf zu achten, dass die Grenze der geringfügigen Beschäftigung mit einem Höchstmaß von 14,9 Stunden
eingehalten worden sei. Diese Stunden habe er wöchentlich korrekt für die Arbeitnehmer ausgerechnet und diese auch
entsprechend eingesetzt. Verschiebungen zuviel geleisteter Arbeiten von einer Woche auf die nächste habe er nicht
vorgenommen. Auf Vorlage der in der Leistungsakte des Klägers (Bl. 79/80) enthaltenen Leistungsscheine für die
Firma M. hat der Zeuge auch die dortige Handschrift als seine eigene identifiziert und ausgesagt, die dort für den
Kläger eingetragenen Stunden müssten so richtig sein. Wenn er diese Stunden für den Kläger so aufgeschrieben
habe, dann seien sie auch gearbeitet worden. Eine Manipulationsmöglichkeit an dieser Stelle schließe er aus bzw.
könne er sich nicht vorstellen. Er könne sich allerdings nicht erklären, weshalb er einen Stundenzettel wie für den
Kläger für August 1997 so ausgestellt habe, wenn dieser nur als "630-DM-Kraft” beschäftigt gewesen sei, weil er in
der Regel darauf geachtet habe, dass diese Grenze von den Arbeitnehmern nicht überschritten werde. Er könne sich
das nur so erklären, dass er angenommen habe, der Kläger sei Festangestellter. Im Übrigen sei er erst von einem
bestimmten Zeitpunkt damit beauftragt worden, auf die Stundengrenzen für eine geringfügige Beschäftigung zu
achten. Ein Aufschreiben von Stunden, die tatsächlich nicht von der Person dieses Namens gearbeitet worden seien
(Einsetzen sogenannter »Dummys«), habe es in seinem Bereich nicht gegeben. Er könne sich allerdings unter dem
Namen des Klägers keine konkrete Person vorstellen.
Wegen der Zeugenaussagen wird im Übrigen auf die Protokolle des Erörterungstermins vom 20. Juni 2003 und des
Verhandlungstermins vom 21. August 2003, wegen des weiteren Sachverhalts auf die Prozessakte sowie die
Leistungsakte der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen haben dem Gericht vorgelegen und sind zum Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Entscheidung der
Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Zu Recht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom
1.7. – 22.9.1997 aufgehoben und die Erstattung der gezahlten Leistung einschließlich der Aufwendungen für die
Kranken- und Pflegeversicherung verlangt. Gegenüber dem Bewilligungsbescheid über Arbeitslosenhilfe lt. Verfügung
vom 6. März 1997 war eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dadurch eingetreten, dass der Kläger im August
1997 versicherungspflichtig beschäftigt und damit nicht mehr arbeitslos und bis einschließlich 22. September 1997
auch nicht erneut arbeitslos gemeldet war.
Die versicherungspflichtige Beschäftigung im August 1997 ergibt sich aus den Akten-unterlagen und den in
wesentlichen Punkten damit übereinstimmenden Aussagen der vom Sozialgericht und vom Landessozialgericht
gehörten Zeugen.
Ausgangspunkt waren die durch die Betriebsprüfung der Beigeladenen zu 2. und die kri-minalpolizeilichen
Ermittlungen gemachten Feststellungen über den tatsächlichen Umfang der Tätigkeit des Klägers und anderer
Beschäftigter in der Firma T. Diese Feststellungen haben zu dem Beitragsbescheid der Beigeladenen zu 2. in einer
Gesamthöhe von DM 219.779,50 geführt, wobei die von der Beklagten zugrunde gelegten Entgelte auch der auf den
Kläger bezogenen Berechnung der Beiträge zugrunde lagen. Diesen Bescheid hat die Firma rechtskräftig werden
lassen und die entsprechenden Beiträge bezahlt, weil, wie der Zeuge J. in seiner Aussage vor dem LSG angegeben
hat, die Forderung im Wesentlichen berechtigt war.
Die Feststellungen entsprechen den Leistungsscheinen (Bl. 79 und 80 der Leistungs-akte), in denen die Arbeitstage
und -stunden einschließlich der Pausenzeiten minutiös festgehalten sind. Insgesamt hat der Kläger danach im August
130,75 Stunden gearbeitet und in jeder Woche die Grenze von 15 Stunden und die monatliche Verdienstgrenze (§ 101
Abs. 1 Satz 2 AFG i. d. F. des Gesetzes vom 24.3.1997 O. i. V. m. § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch –
Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – P.) überschritten. Der Zeuge L. hat diesen Leistungsschein als
von ihm erstellt und unterschrieben erkannt und ausgesagt, dass diese Aufzeichnungen den tatsächlichen
Arbeitsstunden entsprächen. Diese Aussagen sind glaubhaft, auch wenn der Zeuge nicht bzw. nur mit der
Fehlannahme, der Kläger sei als versicherungspflichtig Beschäftigter angestellt gewesen, erklären konnte, dass er
den Kläger in dem dort dokumentierten Umfang eingesetzt bzw. eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt hat.
Ein Indiz für die Richtigkeit der Aufzeichnungen ergibt sich auch aus dem für den Monat September 1997
ausgestellten Leistungsschein. Hier sind in derselben Weise wie in dem Leistungsschein für August 1997
Arbeitsstunden des Klägers für Montag, den 1., und Freitag, den 5. September 1997, von insgesamt 13,5 Stunden
eingetragen, was auch genau der für September erstellten Bescheinigung über Nebeneinkommen entspricht. Diese
Bescheinigung erweckt auch nicht, wie der Kläger meint, den Eindruck einer plumpen Fälschung der Unterschrift des
Klägers, wobei im Übrigen auch fraglich ist, weshalb bei einer im Hinblick auf die in Rede stehenden Manipulationen
völlig »harmlosen« und zu keinerlei Anrechnung führenden Erklärung eine solche Unterschrift gefälscht worden sein
sollte. Die exakte Übereinstimmung der Angaben für den Monat September in der Nebenverdienstbescheinigung mit
dem Leistungsschein spricht aber für die Richtigkeit der erstellten Leistungsscheine und dafür, dass für den Monat
August 1997 die Angaben in der Bescheinigung über Nebeneinkommen lediglich auf das "erlaubte” Maß begrenzt
worden sind.
Die sich aus der für August bescheinigten Stundenzahl von 130,75 bei einem Stundenlohn von DM 12,50 ergebende
Vergütung entspricht dem von der Beigeladenen zu 2. in dem Beitragsbescheid bzw. in der auf den Kläger bezogenen
Anlage zugrunde gelegten Betrag von DM 2.210,17, wenn der von der Beigeladenen zu 2. berücksichtigte Steuersatz
von 34,9 % dem Nettoeinkommen hinzugerechnet wird. Zu Recht hat auch das SG bereits darauf hingewiesen, dass
die Leistungsscheine, die nicht nur von einem Vertreter der Firma T. unterschrieben worden sind, sondern auch von
der Auftraggeberin, der Firma M., einen besonderen Beweiswert haben und die Möglichkeit größerer Manipulationen
unwahrscheinlich machen. Der Umstand, dass der Zeuge L. mit dem Namen des Klägers keine konkrete Person
verbinden konnte, erklärt sich zwanglos aus der kurzen Zeit der Beschäftigung des Klägers und der erheblichen Zeit,
die seit dem vergangen ist, und führt nicht zu Zweifeln an der Richtigkeit der schriftlichen Aufzeichnungen.
Angesichts dieser Unterlagen und der Bestätigung und Erklärung ihres Zustandekommens durch die Aussage des
Zeugen L. und angesichts der Angaben des Zeugen J. über die generelle Richtigkeit des nach Betriebsprüfung
ergangenen Beitragsbescheides spricht alles dafür, dass die von der Beklagten zugrunde gelegten Feststellungen
über den zeitlichen Umfang der Beschäftigung des Klägers im August 1997 zutreffend sind. Damit war der Kläger
versicherungspflichtig beschäftigt und nicht mehr arbeitslos. Soweit im September eine Beschäftigung nicht mehr
gegeben war, fehlt es jedenfalls bis zur Vorsprache beim Arbeitsamt am 23. September 1997 an einer erneuten
Arbeitslosmeldung.
Gegenüber den Feststellungen zum zeitlichen Umfang der Beschäftigung im August 1997 beweist die vom Kläger
vorgelegte Bescheinigung über Nebentätigkeit nichts anderes. Wie bereits oben angedeutet, kann diese
Bescheinigung unter Berücksichtigung der übrigen Feststellungen und der Zeugenaussagen und des aus den
Gesamtumständen – wie auch aus einem den Beteiligten bekannten Parallelverfahren – erkennbaren "Systems” nur
als falsche Formalbescheinigung angesehen werden.
Auch die vom Kläger nachgewiesene Scheckgutschrift der Bank vom 30. September 1997 beweist nichts anderes, da
sich – wie erwähnt – aus den Aussagen des Zeugen J. vor dem SG und dem LSG und der Zeugin M. ergibt, dass es
gang und gäbe war, dass nur der nach der Geringfügigkeitsgrenze erlaubte Betrag per Überweisung oder Scheck
ausgezahlt wurde, die darüber hinausgehenden Beträge jedoch in bar. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die
Aussagen dieser Zeugen insofern nicht glaubhaft sind. Zwar könnte ihre Verwicklung in das System betrügerischer
Manipulationen im Rahmen dieser Firma, das auch zu strafrechtlichen Feststellungen geführt hat, die persönliche
Glaubwürdigkeit insbesondere des Zeugen J. beeinträchtigen. Es ist jedoch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich,
weshalb der Zeuge in den hier maßgeblichen Punkten falsch ausgesagt haben sollte. Anlass zur bewussten
Falschdarstellung des Sachverhalts ist aus seiner Sicht nicht gegeben, zumal die Strafverfahren rechtskräftig
abgeschlossen sind und die Aussagen darüber hinaus auch nicht erkennbar dem Ziel dienlich sein könnten, eine
strafrechtliche Verantwortlichkeit in Frage zu stellen. Das selbe gilt für den Zeugen L ... Der Umstand, dass der Zeuge
J. bzw. die Firma T. auch die Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen im Hinblick auf die Beschäftigung
zahlreicher Mitarbeiter über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus akzeptiert und entsprechende Zahlungen geleistet hat,
spricht für die Richtigkeit seiner generellen Angaben über die Beschäftigung und Bezahlung von Mitarbeitern und den
Zahlungsweg. Seine allgemeinen Aussagen werden mit Bezug auf den Kläger durch die vorhandenen Unterlagen, die
vom Zeugen L. glaubhaft als eigene Aufzeichnungen erkannt und als den Tatschen entsprechend bezeichnet worden
sind, konkretisiert, so dass sich daraus insgesamt die Überzeugung gewinnen lässt, dass der Kläger in
entsprechendem Umfang beschäftigt war.
Da der Kläger wusste oder jedenfalls wissen musste, dass er bei einem derartigen Umfang der Beschäftigung nicht
mehr als arbeitslos gelten konnte und zu entsprechenden Mitteilungen an das Arbeitsamt verpflichtet war, sind die
Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB X zu bejahen. Auch die Voraussetzungen der Nr. 4 dieser
Vorschrift, wonach vorausgesetzt ist, dass der Leistungsbezieher wusste oder wissen musste, dass ihm die Leistung
nicht mehr zustand, liegen jedenfalls für die fast ganztägige Beschäftigung im August 1997 vor. Anhaltspunkte dafür,
dass dem Kläger – ohne grobe Fahrlässigkeit – die maßgeblichen Umstände nicht bekannt waren, sind bei dem
eindeutigen Lebenssachverhalt nicht ersichtlich. Gemäß § 330 Abs. 3 SGB III (entsprechend dem früheren § 152 Abs.
3 AFG) war die Entscheidung ohne Ausübung von Ermessen zu treffen.
Die Beklagte war auch nicht aufgrund der vorangegangenen Aufhebung des Anrechnungsbescheides vom 20. April
1998 durch den Bescheid vom 6. August 1998 daran gehindert, die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 1. August –
22. September 1997 mit dem angefochtenen Bescheid nunmehr ganz aufzuheben. Insbesondere stellt die Aufhebung
des Anrechnungsbescheides vom 20. April 1998 (ohne Begründung) keine "Bestätigung” der ursprünglichen
Gewährung von Arbeitslosenhilfe vom März 1997 dar. Sie lässt lediglich den Schluss zu, dass die Beklagte zum
damaligen Zeitpunkt mit den ihr verfügbaren Informationen und Beweismitteln, eventuell auch aufgrund
verfahrensrechtlicher Überlegungen, die damalige Anrechnungsentscheidung nicht meinte halten zu können. Daraus
ergibt sich keine Sperre für eine erneute Überprüfung, zumal nach zwischenzeitlichen weiteren Informationen und mit
anderer Zielrichtung.
Die Rücknahme ist auch nicht verspätet nach Ablauf der Jahresfrist gemäß § 48 Abs. 4 i. V. m. § 45 Abs. 4 Satz 2
SGB X erfolgt. Denn aus den Akten ist ersichtlich, dass maßgeblich für die Beklagte die Entscheidung der
Beigeladenen zu 2. nach der Betriebsprüfung durch Beitragsbescheid vom 19. August 1998 war. Dieser
Beitragsbescheid, der in der Anlage auch Feststellungen über das Ergebnis der Betriebsprüfung bezüglich der
Beschäftigung des Klägers im August 1997 enthielt, war bei einem insgesamt nicht leicht zu beurteilenden
Sachverhalt für die Beklagte ein weiteres, entscheidendes Glied in der Kette der Feststellungen, die zur Annahme
eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses des Klägers im August 1997 geführt haben, auch wenn
eine in dem angefochtenen Bescheid postulierte Tatbestandswirkung nicht bestehen dürfte. Gerechnet von diesem
Zeitpunkt hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. Februar 1999 die Jahresfrist nicht überschritten.
Da somit die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe rückwirkend zu Recht aufgehoben hat, war sie auch
gemäß § 50 Abs. 1 SGB X berechtigt, wie mit den im Widerspruchsbescheid genannten Betrag geschehen, die in der
von der Aufhebung betroffenen Zeit bezogenen Leistungen zurückzufordern. Darüber hinaus hat diese Rückforderung
gemäß § 335 Abs. 1 und 5 SGB III (entsprechend dem bis zum 31.12.1997 geltenden § 157 Abs. 3a i. V. m. § 166c
Satz 2 AFG) die Ersetzung der von der Beklagten aufgewandten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zur
Folge.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) ist nicht ersichtlich.