Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.04.2003

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 28.04.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Oldenburg S 71 U 135/99
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 6 U 279/02
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 25. April 2002 wird als unzulässig
verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt, seine Gesundheitsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK)
Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anzuerkennen und zu entschädigen.
Der im Mai 1937 geborene Kläger war nach Abschluss seiner Ausbildung zum Maurer und Fliesenleger als
Betonwerker (1956 bis 1963) beschäftigt. Danach war er bis Januar 1975 als Teilhaber in der Firma seines Vaters bei
der Betonwarenherstellung tätig. Anschließend arbeitete er als selbständiger Fliesenleger, seit 1992 führt er seinen
Betrieb zusammen mit seinem Sohn. Seit 1988 war der Kläger wiederholt wegen akuten Lumboischialgien, seit 1985
wegen Beschwerden von Seiten der Halswirbelsäule (HWS) arbeitsunfähig.
Im November 1996 erstattete die AOK die BK-Anzeige und legte gleichzeitig das Vorerkrankungsverzeichnis vor. Mit
Bescheid vom 6. August 1997 lehnte die Beklagte die Anerkennung der BK Nr. 2108 ab. Der Kläger erfülle mit seiner
Tätigkeit als Fliesenleger für die Zeit nach dem 31. März 1988 nicht die arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser
BK.
Im Widerspruchsverfahren hat die Beklagte die medizinischen Unterlagen über den Arbeitsunfall des Klägers vom 19.
März 1996 (Sturz vom Baugerüst, Prellung der rechten Fußwurzel), hier insbesondere das Gutachten des Chirurgen
Dr. C. vom 21. Januar 1997, beigezogen und danach den Widerspruch zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom
11. August 1998).
Hiergegen hat der Kläger am 8. September 1998 Klage erhoben. Er hat den Arztbrief des Dr. D., E. vom 9. Juni 1994
und den MRT-Befund vom 15. Juni 1994 sowie den kernspintomografischen Bericht vom 3. November 1993 vorgelegt.
Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat das Gutachten des Dr. F. vom 15. November 1999 eingeholt. Danach ist auf
Antrag des Klägers das Gutachten der Orthopädin G. vom 27. Juli 2000 erstattet worden. Im Termin zur mündlichen
Verhandlung vom 25. April 2002 ist als medizinischer Sachverständiger der Orthopäde Dr. H. gehört worden. Gestützt
auf das Ergebnis der Beweisaufnahme hat das SG Oldenburg mit Urteil vom 25. April 2002 die Klage abgewiesen: Es
könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 erfülle. Denn
jedenfalls die medizinischen Voraussetzungen lägen nicht vor. Nach den Ausführungen des Dr. H. sei bereits
zweifelhaft, ob der Kläger an einer bandscheibenbedingten Erkrankung leide. Aber auch wenn diese zugunsten des
Klägers unterstellt werde, lasse sich der Kausalzusammenhang nicht hinreichend wahrscheinlich machen. Eine
altersvorauseilende Schädigung der LWS lasse sich nicht feststellen. Die Segmente LWK3/4 und LWK4/5 seien
unauffällig, wohingegen nur die Segmente LWK2/3 und LWK5/S1 osteochondrotische Reaktionen zeigen. Zudem
sprächen die fortgeschrittenen Verschleißerscheinungen des Klägers im Bereich der HWS und BWS gegen den
Kausalzusammenhang seiner LWS-Beschwerden mit der beruflichen Tätigkeit. Außerdem begünstige die
anlagebedingte erhebliche mehrfache Skoliose der Wirbelsäule mit Torsionskomponente nach den Angaben des Dr. H.
die Entstehung der Bandscheibenschäden beim Kläger. Das Gutachten der Orthopädin G. rechtfertige keine andere
Beurteilung, da ihr nach ihren eigenen Ausführungen der neueste medizinische Kenntnisstand zu dieser BK Nr. 2108
nicht bekannt sei.
Dieses Urteil ist dem Kläger am 23. Mai 2002 zugestellt worden. Mit einem am 3. Juni 2002 beim Gericht
eingegangenen Schriftsatz vom 3. Juni 2002 hat die Rechtsanwältin I. Berufung eingelegt und die Begründung bis
zum 1. Juli 2002 angekündigt. Die Berufung ist in der Folgezeit nicht begründet worden. Der Kläger beantragt
sinngemäß
1. das Urteil des SG Oldenburg vom 25. April 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 6. August 1997 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 1998 aufzuheben,
2. festzustellen, dass seine Gesundheitsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule Folgen der Berufskrankheit Nr.
2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung sind,
3. die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente in Höhe von 20 vH der Vollrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Oldenburg vom 25. April 2002 zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Mit Verfügungen der Berichterstatterin vom 13. Juni 2002 und 21. Januar 2003 ist Rechtsanwältin I. darauf
hingewiesen worden, dass die im Klageverfahren vorgelegte Vollmacht vom 30. August 1997 nur für Rechtsanwältin J.
erteilt worden sei. Sie ist um die Übersendung einer ihr schriftlich erteilten Prozessvollmacht des Klägers im Original
gebeten worden. Mit weiterer Verfügung vom 19. März 2003 ist Rechtsanwältin I. erneut an die Übersendung erinnert
worden und sie ist darauf hingewiesen worden, dass bei Nichtübersendung bis zum 15. April 2003 die Berufung durch
Beschluss nach § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zurückzuweisen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die
Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.
II.
Die Berufung ist unzulässig. Sie ist durch eine vollmachtlose Prozessbevollmächtigte eingelegt worden und damit
unwirksam. Denn die für den Kläger im Berufungsverfahren auftretende Prozessbevollmächtigte hat innerhalb der
richterlichen Frist - die auf ihre telefonische Nachricht, sie werde bis 25. April 2003 antworten, vom 15. April auf den
25. April 2003 um 10 Tage verlängert worden ist - , nicht die mehrfach angeforderte Prozessvollmacht übersandt.
Gemäß § 73 Abs 1 Satz 1 SGG können sich die Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens in jeder Lage des
Verfahrens durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Nach § 73 Abs 2 Satz 1 SGG ist die Vollmacht schriftlich zu
erteilen und bis zur Verkündung der Entscheidung zu den Akten einzureichen. Das Vorlegen der Prozessvollmacht im
Original ist eine Prozessvoraussetzung, die im sozialgerichtlichen Verfahren von Amts wegen zu prüfen ist. Wird die
Prozessvollmacht nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung oder bis zum Zeitpunkt der Entscheidung im
schriftlichen Verfahren vorgelegt, ist die Berufung unzulässig und aus diesem Grunde zu verwerfen (BSG Urteil vom
13. Dezember 2000, - B 6 KA 29/00 - m.w.N.; Meyer-Ladewig SGG § 73 Rnr. 18 ff.).
Im Berufungsverfahren ist eine Prozessvollmacht für Rechtsanwältin I. nicht vorgelegt worden. Die im Klageverfahren
überreichte Vollmacht des Klägers vom 30. August 1997 ist nur Rechtsanwältin J. erteilt worden, die ihre Kanzlei zu
diesem Zeitpunkt allein betrieb. Dem Umstand, dass der Kläger zusammen mit Rechtsanwältin I. den Termin zur
mündlichen Verhandlung vor dem SG wahrgenommen hat, ist keine umfassende Erteilung einer Prozessvollmacht
auch für die Durchführung des Berufungsverfahrens zu entnehmen. Der Kläger hat sich hiermit lediglich
stillschweigend damit einverstanden erklärt, dass Rechtsanwältin I. ihn in der mündlichen Verhandlung im
Klageverfahren vertreten wird. Eine Bevollmächtigung auch für das Berufungsverfahren - die schriftlich zu erfolgen hat
- ist hierin nicht zu sehen.
Auf diese Folgen einer unterbliebenen Übersendung der Vollmacht ist die Prozessbevollmächtigte des Klägers auch
schriftlich hingewiesen worden, nachdem sie den wiederholten Aufforderungen der Berichterstatterin, die schriftliche
Vollmacht zu übersenden, nicht nachkommen ist und auch keine Hinderungs- oder Entschuldigungsgründe mitgeteilt
hat. Sie ist auch darauf hingewiesen worden, dass die Berufung bei Nichtvorlage der Vollmacht bis zum 15. April 2003
durch Beschluss nach § 158 SGG als unzulässig verworfen werde.
Angesichts dessen hatte der Senat nicht zu prüfen, ob der Anspruch des Klägers auf Feststellung einer BK Nr. 2108
Aussicht auf Erfolg hätte, woran angesichts des Akteninhalts allerdings erhebliche Zweifel bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Es liegt kein Grund vor, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG).