Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.06.2002

LSG Nsb: innere medizin, psychiatrische untersuchung, rente, virus, niedersachsen, diagnose, beratung, form, erwerbsunfähigkeit, prozess

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 27.06.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Aurich S 6a RA 94/99
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 1 RA 103/01
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Die 1961 geborene Klägerin wurde von 1981 bis 1984 zur Fremdsprachensekre-tärin ausgebildet und war anschließend
bis 1986 als kaufmännische Angestellte tätig. Sie war danach arbeitslos gemeldet. In der Folgezeit ist lediglich der
Zeit-raum vom 15. Juni bis 15. August 1992 mit Pflichtbeiträgen belegt. Eine weitere Pflichtbeitragszeit ist vom 7. bis
14. März 1994 im Versicherungskonto der Kläge-rin gespeichert. Weitere rentenrechtlich relevante Zeiten sind nicht
vorgemerkt.
Im Juli 1998 beantragte die Klägerin wegen eines Virusinfektes, der seit etwa September 1995 bestehe, die
Gewährung einer Versichertenrente. Die Beklagte zog einen Befundbericht des Radiologen Dr. C. vom 11. November
1997 bei und veranlasste dann ein Rentengutachten durch den Internisten Dr. D ... Nachdem dieser Sachverständige
nach Untersuchung der Klägerin am 14. Oktober 1998 die Diagnose einer psychovegetativen Labilität, einer
Fehlhaltung der Wirbelsäu-le, eines Zustandes nach Hautkrebsoperation 1992 und eines Verdachtes auf Borna-Virus-
Infektion gestellt, sich jedoch außer Stande gesehen hatte, eine so-zialmedizinische Stellungnahme abzugeben und
zum Leistungsvermögen der Klägerin Feststellungen zu treffen, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit
Bescheid vom 4. Dezember 1998 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass bei der Klägerin ein leistungsminderndes
Leiden nicht habe festgestellt werden kön-nen. Außerdem seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht
erfüllt. Auf den Widerspruch der Klägerin hin holte die Beklagte einen Befundbericht des behandelnden
Allgemeinmediziners E. vom 30. November 1998 mit Arztberichten ein. Nachdem die Klägerin eine neurologisch-
psychiatrische Untersuchung ab-gelehnt hatte, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 15.
Juli 1999 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht (SG) Aurich erhoben und unter Vorlage zahlreicher
Arztberichte und sonstiger Stellungnahmen ihren An-spruch weiterverfolgt. Sie hat insbesondere geltend gemacht,
durch eine Borna-Virus-Infektion in rentenberechtigendem Grade leistungsgemindert zu sein. Das SG hat einen
Befundbericht des Orthopäden Dr. F. vom 15. Mai 2000 sowie des Allgemeinmediziners E. vom 26. Oktober 2000 mit
weiteren Arztberichten beige-zogen und sodann beschlossen, die Klägerin durch die Ärztin für Innere Medizin Dr. G.
untersuchen und begutachten zu lassen. Dieser Gutachtenauftrag ist von der Sachverständigen zurückgegeben
worden mit dem Hinweis, dass eine inter-nistische Begutachtung zur Klärung des medizinischen Sachverhalts nichts
bei-tragen könne, da sich aus den Akten lediglich Anhaltspunkte für Störungen im psychischen Bereich ergäben.
Nachdem die Klägerin es abgelehnt hatte, sich einer neurologisch-psychiatrischen Untersuchung und Begutachtung
zu unterzie-hen, hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. Mai 2001 abgewiesen. In den Gründen hat es im
Einzelnen ausgeführt, dass sich nicht habe feststellen lassen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer EU
oder BU-Rente er-füllt seien. Denn die Klägerin habe sich geweigert, die bei ihr bestehenden Leis-
tungseinschränkungen durch medizinische Sachaufklärung feststellen zu lassen. Die damit vorliegende
Beweislosigkeit aber gehe zu ihren Lasten. Im Übrigen sei auch zweifelhaft, ob die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen erfüllt seien. Dies sei nur dann der Fall, wenn der Leistungsfall der BU oder EU bereits weit vor der
Rentenantragstellung eingetreten wäre. Auch insoweit hätten sich jedoch Feststellungen nicht treffen lassen.
Gegen den ihr am 10. Mai 2001 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am folgenden Tage eingegangene
Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Anspruch weiter verfolgt. Unter Vorlage zweier Stellungnahmen des Arztes Dr.
H. vom 12. Januar 1999 und 17. April 2001 führt sie zur Begründung aus, dass nicht eine psychiatrische, sondern
eine virologische Begutachtung angezeigt sei. Denn es seien die Folgen der bei ihr nach wie vor bestehenden Virus-
Infektion, die eine Erwerbstätigkeit nicht mehr zuließen. Es treffe des weiteren auch nicht zu, dass – wie vom SG
angenommen – die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Denn sie sei jahrelang beim
Arbeitsamt als Arbeitsuchende registriert worden. Diese Zeiten seien als Ausfallzeit anzurechnen. Dass sie in den
letzten sechs Jahren krank geschrieben sei und daher keine Pflichtbeiträge habe entrichten können, sei nicht von ihr
zu verantworten und könne ihr deshalb nicht zum Nachteil gereichen.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aurich vom 3. Mai 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 4.
Dezember 1998 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 15. Juli 1999 aufzuheben, 2. die Beklagte zu
verurteilen, der Klägerin ab 1. Juli 1998 Rente wegen Er-werbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und bezieht sich im Übrigen auf ihr bisheriges Vorbringen.
Der Senat hat der Klägerin nach vorbereitender Durchsicht der Akten mitgeteilt, dass er eine weitere medizinische
Sachaufklärung durch Einholung eines neuro-logisch-psychiatrischen Gutachtens für erforderlich halte. Die Klägerin
hat darauf-hin mitgeteilt, dass sie sich einer solchen Begutachtung nicht unterziehen werde. Der für die Beklagte tätig
gewesene Sachverständige Dr. D. habe empfohlen, ein virologisches Gutachten über sie – die Klägerin – zu erstellen.
Nur einer solchen Untersuchung und Begutachtung werde sie zustimmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die Prozess- und
Beiakten verwiesen. Sie haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung und Entscheidung
gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 143 f. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und
somit zulässig.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.
Der Gerichtsbescheid des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Denn die
Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, und zwar weder auf Rente wegen EU/BU nach
dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht (§§ 43, 44 Sechstes Buch Sozial-gesetzbuch – SGB VI – a.F.),
noch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähig-keit nach dem seit dem 1. Januar 2001 geltenden Recht (§§ 43, 240
SGB VI n.F.).
Das SG hat in seinem Gerichtsbescheid die hier zu prüfenden Rechtsgrundlagen angewendet und den medizinischen
Sachverhalt, soweit er sich aus den Akten ergibt, zutreffend dahin gewürdigt, dass derzeit keine Anhaltspunkte dafür
er-sichtlich sind, dass bei der Klägerin im rentenrechtlichen Sinne erhebliche Ein-schränkungen des
Leistungsvermögens vorliegen. Zustimmung verdienen die Ausführungen des SG auch, soweit es darlegt, dass es zu
Lasten der Klägerin geht, wenn sie eine für erforderlich erachtete Untersuchung auf neurologisch-psychiatrischem
Fachgebiet ablehnt und damit eine weitere medizinische Sach-aufklärung unmöglich macht. Da folglich auch die
Feststellung eines Leistungs-falles nicht möglich ist mit der Folge, dass auch die Frage, ob die versicherungs-
rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, offen bleiben muss, ist das SG zu der richtigen Entscheidung gekommen,
dass der Klägerin eine Versichertenrente nicht zugesprochen werden kann. Der Senat nimmt deshalb zur Vermeidung
von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides vom 3. Mai 2001 Bezug (§ 153 Abs. 2
SGG).
Im Berufungsverfahren sind neue Gesichtspunkte nicht zu Tage getreten. Insbe-sondere haben sich in medizinischer
Hinsicht keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das vom SG angenommene Leistungsvermögen nicht mehr
gegeben ist. Insoweit war auch dem Senat eine weitere medizinische Sachaufklärung nicht möglich, da sich die
Klägerin wiederum ausdrücklich geweigert hat, sich der vom Gericht für notwendig erachteten neurologisch-
psychiatrischen Untersuchung und Begutachtung zu unterziehen. Feststellungen, die den geltend gemachten An-
spruch der Klägerin stützen könnten, waren daher dem Senat verwehrt.
Im Gegensatz zu der Auffassung der Klägerin brauchte der Senat sich nicht ge-drängt zu fühlen, ein virologisches
Gutachten einzuholen. Insoweit kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht vorrangig darauf an, ob ein
bestimmtes Krankheitsbild, z.B. eine bestimmte Virusinfektion, vorliegt. Maßgeblich ist viel-mehr vor allem, welche
Einschränkungen des Leistungsvermögens vorliegen. Insoweit ergeben sich jedoch nach den in den Akten
befindlichen medizinischen Unterlagen und insbesondere auch bei Berücksichtigung der von Frau Dr. G. vor-
genommenen Würdigung der erhobenen Befunde keine Anhaltspunkte dafür, dass die nach Angaben der Klägerin seit
1995 bestehende Viruserkrankung zu einer körperlichen Leistungsminderung geführt hat. Denn zu Recht führt die
Sachverständige insoweit aus, dass die körperlichen und technischen Untersu-chungsbefunde - insbesondere auch
bei der Untersuchung durch den Internisten Dr. D. - vollkommen normal waren. Dem entsprach es, dass auch die
Beschwer-deschilderung der Klägerin bei den sie behandelnden Ärzten keine Hinweise auf eine durch eine
Virusinfektion bedingte körperliche Einschränkung ergab. Unter diesen Umständen war die Einholung eines
virologischen Gutachtens nicht ge-boten, das allenfalls die Diagnose bestätigen könnte, auf die es für die Entschei-
dung des Rechtsstreits nicht ankommt.
Da sich nach allem bei der Klägerin weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit fest-stellen lässt, konnte die Berufung
keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Es bestand kein Grund, die Revision zuzulassen.