Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 30.01.2003

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 30.01.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 1 RI 284/00
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 10 RI 55/02
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbe-scheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 18. Januar 2002 wird
zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Streitig ist
insbesondere, ob der Kläger die dafür erforderliche Anzahl von acht Jahren Pflichtbeiträgen im maßgeblichen Zeitraum
vor Beginn der Rente hat.
Der am 30. September 1940 geborene Kläger beantragte am 18. April 2000 bei der Beklagten die Gewährung einer
Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres. Die Beklagte klärte daraufhin das Versiche-
rungskonto. Mit Bescheid vom 27. Juni 2000 lehnte sie den Antrag ab, da der Kläger die besonderen
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die bean-tragte Rente nicht erfülle. In seinem Versicherungsverlauf
seien in den letzten zehn Jahren keine acht Jahre mit Pflichtbeitragszeiten vorhanden. Statt der erfor-derlichen 96
Pflichtbeitragsmonate habe er nur 79 Monate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit
zurückgelegt. Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger insbesondere geltend, dass er in der
Zeit vom 13. Mai 1996 bis 25. August 1996 arbeitsunfähig gewesen sei, ohne dass hierfür eine Krankschreibung von
seinem behandelnden Arzt erfolgt sei. Er sei aber in dieser Zeit nicht in der Lage gewesen, eine Beschäftigung
auszuüben oder sich arbeitslos zu melden. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2000 wies die Beklagte den
Widerspruch aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück und führte ergänzend aus, dass auch eine
Verlängerung des maßgebli-chen Vorversicherungszeitraums durch Anrechnungszeiten nicht in Betracht komme. Eine
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den mit dem Widerspruch geltend gemachten Streckungstatbestand habe der
Kläger nicht vorlegen können.
Die hiergegen vom Kläger beim Sozialgericht (SG) Lüneburg erhobene und nicht weiter begründete Klage hat das SG
im Wesentlichen unter Bezug auf die Grün-de des Widerspruchsbescheides mit Gerichtsbescheid vom 18. Januar
2002 als unbegründet abgewiesen. Gegen den ihm am 25. Januar 2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger
am 25. Februar 2002 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.
Ergänzend hat er vorgetragen, dass bei ihm auch zwischen dem 1. Februar 1991 und dem 22. April 1992 sowie
zwischen dem 5. August 1998 und dem 30. September 2000 Streckungstatbestände vorlägen, um die sich der
maßgebliche Zehnjahreszeitraum verlängere. Zumindest der Zeit-raum vom 5. August 1998 bis 30. September 2000
sei als Anrechnungszeit we-gen Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen. Durch die Verlängerung des maßgebli-chen
Zeitraums seien weitere 21 Pflichtbeitragsmonate einzubeziehen, sodass er alle tatbestandlichen Voraussetzungen
für die beantragte Rente erfülle.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 18. Januar 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom
27. Juni 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2000 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Oktober 2000 eine Alters-rente wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozial-gerichts Lüneburg vom 18. Januar 2002
zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Auch der vom Kläger er-gänzend geltend gemachte Zeitraum
vom 1. Februar 1991 bis 22. April 1992 könne nicht als Streckungstatbestand berücksichtigt werden, weil für diese
Zeit eine Meldung beim Arbeitsamt nicht nachgewiesen sei und damit eine Berück-sichtigung als Anrechnungszeit
nicht in Betracht komme. Die Zeit vom 5. August 1998 bis 30. September 2000 sei ebenfalls nicht anrechenbar, weil
durch sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nicht unterbrochen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
ge-wesen sind und der Entscheidungsfindung des Senats zu Grunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übri-gen zulässig. Sie ist jedoch nicht
begründet. Das SG hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Altersrente wegen
Arbeitslosigkeit hat. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erweisen sich als rechtmäßig.
Einen Anspruch auf eine vorgezogene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit kann der Kläger nur unter den
Voraussetzungen des § 237 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in der im
Wesentlichen seit dem 1. Januar 2000 geltenden Fassung geltend machen. Zwischen den Beteilig-ten ist insofern nur
streitig, ob der Kläger die Voraussetzungen des § 237 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI erfüllt. Danach hängt der Anspruch auf die
Rente unter anderem davon ab, dass der Versicherte in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre
Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat. Der Zeitraum von zehn Jahren verlängert sich
dabei um Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auch Pflicht-
beitragszeiten auf Grund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind (§ 237 Abs. 1 Nr. 4, 2. Hs. SGB VI).
Nach den vom Kläger nicht bestrittenen Darstellungen der Beklagten im Versiche-rungsverlauf vom 27. Juni 2000
(Anlage 2 zum Ausgangsbescheid vom 27. Juni 2000), der im Übrigen auch Rechtsfehler nicht erkennen lässt, sind in
dem da-nach maßgeblichen Zehnjahreszeitraum vom 1. Oktober 1990 bis 30. September 2000 lediglich 79 Monate mit
Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt. Damit fehlen dem Kläger zur Erfüllung der
genannten Vor-aussetzung des § 237 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI 17 Kalendermonate mit entsprechen-den
Pflichtbeitragstatbeständen.
Der Kläger kann die Einbeziehung einer entsprechenden Anzahl von Pflichtbei-tragsmonaten auch nicht über eine
Ausdehnung des maßgeblichen Zehnjahres-zeitraums durch sog. Streckungstatbestände nach § 237 Abs. 1 Nr. 4, 2.
Hs. SGB VI erreichen. Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung lie-gen bei dem Kläger in dem
maßgeblichen Zeitraum nicht vor. Zur Überzeugung des Senats sind im Versicherungsverlauf zwischen dem 1.
Oktober 1990 und dem 30. September 2000 aber auch keine Anrechnungszeiten zu berücksichti-gen. Nach dem
eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung könnte es sich dabei ohnehin nur um Zeiten handeln, die nicht
auch bereits als Pflichtbei-tragszeiten auf Grund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit Berück-sichtigung
gefunden haben.
Für den vom Kläger geltend gemachten Zeitraum vom 1. Februar 1991 bis 22. April 1992 ist nicht erkennbar, weshalb
dieser als Anrechnungszeit zu berück-sichtigen sein sollte. Es sind weder Umstände vorgetragen worden noch
ersicht-lich, die in diesem Zeitraum einen Anrechnungszeittatbestand erkennen lassen würden. Die Beklagte hat
insbesondere zutreffend darauf hingewiesen, dass in dieser Zeit eine Meldung bei einem Arbeitsamt nicht
nachgewiesen werden konnte. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln, und hält es deshalb auch nicht für
geboten, entsprechende eigene Ermittlungen anzustrengen. Eine Berücksichtigung dieses Zeitraum als
Anrechnungszeit scheidet daher aus.
Der vom Kläger geltend gemachte Zeitraum vom 13. Mai 1996 bis 25. August 1996 kann ebenfalls keine
Berücksichtigung als Anrechnungszeit finden. Nach den eigenen Angaben des Klägers erfolgte in diesem Zeitraum
weder eine Krankschreibung durch den behandelnden Arzt, die die Annahme einer Anrech-nungszeit wegen
Arbeitsunfähigkeit (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) rechtferti-gen könnte, noch eine Meldung bei einem Arbeitsamt,
die Voraussetzung für die Annahme einer Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI)
wäre. Die eigene Beurteilung des Klägers, er sei in diesem Zeitraum gleichwohl arbeitsunfähig gewesen, vermag den
Senat nicht von einem anderen Ergebnis zu überzeugen. Nach seinem Schreiben vom 1. Juni 2000 rechnete der
Kläger selbst trotz bestehender Restbeschwerden nach Meniskusoperation mit seiner uneingeschränkten
Vermittelbarkeit durch das Arbeitsamt. Dies entsprach offensichtlich auch der Beurteilung des seinerzeit
behandelnden Arztes. Dass sich der Kläger gleichwohl nicht arbeitslos meldete, steht der Annahme einer An-
rechnungszeit entgegen.
Aus den gleichen Gründen scheidet auch die Berücksichtigung dieses Zeitraums als Überbrückungstatbestand zu der
nachfolgenden Zeit der Arbeitslosigkeit ab dem 26. August 1996 aus. Der gem. § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI für die
Anerken-nung einer Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit erforderliche zeitliche Zu-sammenhang zur
vorangegangenen versicherungspflichtigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit ist nur gewahrt, wenn die
Unterbrechung weniger als ei-nen vollen Kalendermonat beträgt (st. Rspr., vgl. u.a. bereits BSGE 53, 54) oder aber —
bei einem längerem zeitlichen Abstand — Pflichtbeträge aus vertretbaren Gründen nicht entrichtet werden konnten
(vgl. BSG SozR § 2200 § 1259 Nr. 94). Beides ist indes nicht der Fall. Der Zeitraum der Arbeitslosigkeit des Klägers
mit Leistungsbezug vom 26. August 1996 bis 4. August 1998 kann daher ebenfalls keine Berücksichtigung als
Anrechnungszeit finden.
Schließlich kann auch der Zeitraum ab dem 5. August 1998 nicht als Anrech-nungszeit berücksichtigt werden. Zwar
ist der Kläger seither ebenfalls unstreitig als Arbeitssuchender — wenn auch ohne Leistungsbezug — bei der
Arbeitsver-waltung gemeldet. Auch hier liegt eine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit jedoch nur vor, wenn
dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit unterbrochen ist. Die Arbeitslosigkeit des
Klägers ab dem 5. August 1998 schließt jedoch in diesem Sinne nicht zeitnah an eine vorangegangene ver-
sicherungspflichtige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit an, sondern an eine zuvor seit dem 26. August 1996
bestehende Arbeitslosigkeit mit Leistungs-bezug, die ihrerseits — wie oben dargestellt — nicht als Anrechnungszeit
Berück-sichtigung finden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).