Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 15.04.2002

LSG Nsb: stationäre behandlung, schiefhals, schutzwürdiges interesse, wahrscheinlichkeit, unfallfolgen, gutachter, arbeitsunfall, mrt, erwerbsfähigkeit, niedersachsen

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 15.04.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 22 U 388/97
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 6 U 161/01
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 15. März 2001 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung der vorläufigen Verletztenrente und die Ablehnung der Dauerrente.
Außerdem begehrt sie höhere Verletztenrente.
Die 1954 geborene Klägerin erlitt am 4. September 1995 bei ihrer Tätigkeit als Packerin bei der C. GmbH & Co. in D.
einen Unfall, bei dem ein Stapel verpackter Kreissägeblätter aus einem Regal fiel und die Klägerin im Nacken und am
Hinterkopf traf. Der sofort aufgesuchte Durchgangsarzt Dr. E. fand bei der Untersuchung eine in allen Richtungen
schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule (HWS) und einen Muskelhartspann der
Schulternackenmuskulatur, jedoch keine äußeren Verletzungszeichen. Die röntgenologische Untersuchung ergab
keinen Hinweis auf frische knöcherne Verletzungen. Bei der Untersuchung gab die Klägerin Kopfschmerzen, Übelkeit
und Schwindel an. Dr. E. diagnostizierte eine HWS-Distorsion und versorgte die Klägerin mit einer Halskrawatte. Nach
dem Bericht von Dr. F. vom 5. Oktober 1995 war die Einschränkung der HWS-Beweglichkeit nicht auf eine
Schädigung der Nerven oder der Nervenwurzeln zurückzuführen, Hinweise auf eine hirnorganische Störung ergaben
sich ebenfalls nicht. Eine am 20. Oktober 1995 durchgeführte Computertomographie (CT) der HWS-Segmente C4/5
bis C7/Th1 ergab keinen auffälligen Befund (Bericht vom 23. Oktober 1995). Am 13. Oktober 1995 nahm die Klägerin
die Arbeit wieder auf.
Ab dem 10. November 1995 war sie erneut arbeitsunfähig. Vom 22. November 1995 bis 19. Dezember 1995 erfolgte
eine stationäre Behandlung im Kreiskrankenhaus G ... Das am 1. Dezember 1995 durchgeführte MRT der HWS war
unauffällig (Bericht des Prof. Dr. H. vom 1. Dezember 1995). Dr. I. fand bei der neurologisch-psychiatrischen
Untersuchung keine zentral- oder periphernervöse Mitbeteiligung am geklagten Beschwerdebild. Er äußerte den
Verdacht auf eine psychogene Mitverursachung der massiven HWS-Beschwerden in Form eines Schiefhalses. Vom
21. März 1996 bis 6. Juni 1996 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der Sonderstation für
Schwerverletzte J ... Die Beklagte holte das chirurgische Gutachten von Prof. Dr. K. vom 12. Juni 1996 und das
neurologische Zusatzgutachten des Dr. L. vom 7. Mai 1996 ein. Dr. L. fand keinen fassbaren Anhalt für eine
Schädigung des zentralen oder des peripheren Nervensystems. Nach der Einschätzung von Prof. Dr. K. ist die
nachweisbare Funktionseinschränkung im HWS-Bereich mangels feststellbarer konkurrierender Erkrankungsursachen
am ehesten Folge des Arbeitsunfalls.
Mit Bescheid vom 12. November 1996 stellte die Beklagte als Unfallfolgen fest: "Bewegungseinschränkung der HWS
bei fixiertem rechtsseitigen Schiefhals, Verspannung der Nackenmuskulatur links, Bewegungsbehinderung des linken
Schultergelenkes”. Außerdem bewilligte sie ab 1. Oktober 1996 vorläufige Verletztenrente in Höhe von 20 v.H. der
Vollrente. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein.
Im Verfahren zur Feststellung der Dauerrente erstatteten Prof. Dr. M. den neurologischen Befundbericht vom 11. April
1997. Bei der Untersuchung gab die Klägerin neben dem Schiefhals und den Schmerzen im Nackenbereich auch eine
Schwäche im gesamten linken Arm an. Außerdem sei die Gehstrecke aufgrund einer Schwäche beider Beine
verkürzt. Bei der Untersuchung fand sich kein Anhalt für einen zentralen oder peripheren Nervenschaden. Nach den
Angaben der Gutachter ist eine neurogene Ursache für die Schwäche im linken Arm und in den Beinen
ausgeschlossen, weil neurologisch bedingte Lähmungserscheinungen stets mit Veränderungen der Reflexe
einhergingen und pathologische Befunde in neurophysiologischen Zusatzuntersuchungen ergäben. Gegen einen
Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Schiefhals sprechen das nur geringfügige Schädelhirntrauma und der
fehlende Nachweis von intrakraniellen Traumafolgen.
Mit Schreiben vom 9. Mai 1997 hörte die Beklagte die Klägerin zu der beabsichtigten Rücknahme des
Rentenbescheides vom 12. November 1996 an.
Im Rahmen der chirurgischen Begutachtung zur Feststellung der Dauerrente erfolgte ein Computertomogramm (CT)
der HWS, aufgrund dessen eine Subluxationsstellung HWS 0 bis 2 ausgeschlossen wurde. Ein erneutes
Magnetresonanztomogramm (MRT) ergab einen Normalbefund. Eine Narkoseuntersuchung zeigte keine knöchernen
oder ligamentären Verletzungen der HWS, diese war in Narkose vollständig frei beweglich und zeigte keine
Abnormitäten und keine Fehlstellungen. In ihrem Gutachten vom 3. Juni 1997 führten Prof. Dr. N. aus, eine
somatische Ursache für den Schiefhals sei nicht zu eruieren. Alle Gelenke der HWS stellten sich regelrecht dar. Es
gebe keinen Anhalt für Verletzungen von Bändern oder Muskulatur. Am ehesten entspreche die Diagnose einem
psychogenen Schiefhals. Unfallbedingt sei der Zustand nach HWS-Distorsion, die Minderung der Erwerbsfähigkeit
(MdE) betrage 10 v.H.
Mit Bescheid vom 27. Juni 1997 nahm die Beklagte den Bescheid vom 12. November 1996 mit Wirkung für die
Zukunft zurück und entzog die vorläufige Rente mit Ablauf des Monats Juni 1997. Außerdem lehnte sie die Zahlung
einer Dauerrente ab. Zur Begründung führte sie aus, es lägen keine Unfallfolgen vor, sondern eine unfallunabhängige
schwere psychogene Störung. Der am 30. Juni 1997 zugestellte Bescheid wurde gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens. Die Klägerin legte den Bericht von Prof. Dr. O. vom 4.
September 1997 über eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 16. Juni bis 16. Juli 1997 vor. Mit
Widerspruchsbescheid vom 3. November 1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Hannover hat die Klägerin den Bericht von Dr. P.
(Klinik für Manuelle Therapie in Q.) vom 18. Mai 1998 sowie die Bescheinigung von R. vom 27. Mai 1998 vorgelegt.
Außerdem hat sie die Arztbriefe von Dr. S. vom 30. Mai 1998 (MRT der Kopfgelenke) und von Dr. T. vom 7.
September 1998 vorgelegt. Das SG hat das Gutachten von Dr. U. vom 3. März 1999 eingeholt. Die Gutachter haben
keinen Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Beschwerden der Klägerin festgestellt. Die von Dr. S. vermutete
beidseitige isolierte Teilruptur der Ligamenta alaria (Flügelbänder) sei nicht auf einen Unfall zurückzuführen, weil dies
pathomechanisch nicht möglich sei. Die Klägerin hat den Bericht von Dr. P. vom 29. April 1999 vorgelegt. Danach
sind die Beschwerden der Klägerin als unfallbedingt anzusehen. Das SG hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109
SGG das Gutachten des Arztes R. vom 4. Januar 2001 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, der bei der
Klägerin vorliegende Symptomenkomplex zeige, dass eine Störung im Kopfgelenksbereich vorliegen müsse. Eine
morphologische Schädigung (beider Flügelbänder) sei geeignet, einen Schmerz zu induzieren bzw. aufrecht zu
erhalten. Eine solche Schädigung im Bereich der oberen HWS könne auch Ursache für Schmerzen in entfernteren
Abschnitten des Körpers sein. Die MdE betrage 100 von 100.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 15. März 2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte
habe die Gewährung einer Verletztenrente über den 30. Juni 1997 hinaus zu Recht abgelehnt, weil dem Unfallereignis
keine Teilursächlichkeit für die über den 30. Juni 1997 hinaus bestehenden gesundheitlichen Beschwerden der
Klägerin zugewiesen werden könne. Eine isolierte Verletzung der Ligamenta alaria sei eine seltene Verletzung, eine
beidseitige isolierte traumatische Teilruptur jedoch pathomechanisch nicht möglich. Das Gutachten des Arztes R.
könne nicht den notwendigen Grad der Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen Unfallereignis und
Gesundheitsstörung herstellen, es handele sich allenfalls um diskussionswürdige Möglichkeiten zur Erklärung der bei
der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen. Gegen dieses am 3. April 2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin
am 23. April 2001 Berufung eingelegt. Zur Begründung bezieht sie sich auf das Gutachten von R. vom 4. Januar 2001
und den Arztbrief von Dr. V. vom 29. April 1999.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
1. das Urteil des SG Hannover vom 15. März 2001 aufzuheben,
2. den Bescheid der Beklagten vom 12. November 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November
1997 zu ändern,
3. den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 1997
aufzuheben,
4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin (höhere) Verletztenrente auch über den 30. Juni 1997 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Hannover vom 15. März 2001 zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit Verfügung der Berichterstatterin vom 3. Dezember 2001 darauf hingewiesen worden, dass der
Senat beabsichtigt, über die Berufung nach § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden. Ihnen ist Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Prozessakte Bezug genommen. Der Entscheidungsfindung haben die Verwaltungsakten der Beklagten zu Grunde
gelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die gemäß §§ 143 und 144 Abs. 1 Satz 2 SGG zulässige Berufung nach vorheriger Anhörung
der Beteiligten durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung
nicht für erforderlich hält (vgl. § 153 Abs. 4 SGG).
Die Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Denn die Klägerin hat ab 1. Juli 1997 keinen Anspruch auf
Verletztenrente (I.). Sie hat auch keinen Anspruch auf eine höhere Rente für den Zeitraum Oktober 1996 bis Juni 1997
(II.).
Das Begehren der Klägerin richtet sich auch nach Eingliederung des Rechts der Gesetzlichen Unfallversicherung in
das Sozialgesetzbuch (SGB) zum 1. Januar 1997 nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO). Das
ergibt sich aus der Übergangsregelung in § 212 SGB VII, wonach auf Versicherungsfälle, die vor dem 1. Januar 1997
eingetreten sind, das alte Recht (§§ 548, 580, 581 RVO) anzuwenden ist.
I.
Verletztenrente ist gemäß § 581 Abs. 1 Ziffer 2 RVO zu gewähren, soweit ein Versicherter wegen der Folgen eines
Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Die Beklagte hat zwar mit Bescheid
vom 12. November 1996 Unfallfolgen festgestellt, die eine MdE in rentenberechtigendem Grade (mindestens 20 v.H.)
bedingen. Dieser Bescheid entfaltet jedoch ab Juli 1997 keine Wirkung mehr, weil die Beklagte ihn mit Bescheid vom
27. Juni 1997 rechtmäßig gemäß § 45 SGB X zurückgenommen hat. Nach dieser Vorschrift darf ein Leistungsträger
einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen, wenn dem nicht ein schutzwürdiges
Interesse des Berechtigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes entgegensteht (vgl. dazu unten). Die mit Bescheid
vom 12. November 1996 getroffene Feststellung von Unfallfolgen (und ihr folgend die Gewährung einer
Verletztenrente) war rechtswidrig, denn es lässt sich nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der
Arbeitsunfall vom 4. September 1995 die zunächst anerkannten (1.) oder andere (2.) Unfallfolgen hinterlassen hat.
Dies ergibt sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus den überzeugenden Ausführungen der
Gutachter Prof. Dr. W. und der Sachverständigen Dr. U ...
1. Entscheidend gegen eine unfallbedingte Verursachung der anerkannten Gesundheitsstörungen
(Bewegungseinschränkung der HWS mit fixiertem rechtsseitigen Schiefhals, Verspannung der Nackenmuskulatur
links, Bewegungsbehinderung des linken Schultergelenkes) spricht, dass nach dem Unfall keine strukturellen
Verletzungen im Bereich des Kopfes oder der HWS nachgewiesen werden konnten, die diese Gesundheitsstörungen
erklären könnten. Darauf haben die Gutachter und Sachverständigen zu Recht hingewiesen. Bei der ersten
Untersuchung durch Dr. E. fehlten äußere Verletzungszeichen, röntgenologisch fanden sich keine frischen
knöchernen Verletzungen. Bei der Spiralcomputertomographie der HWS am 4. Februar 1997 waren Luxationen oder
Subluxationen im Bereich der gelenkigen Verbindungen nicht erkennbar. Es gibt auch keinen Hinweis auf
Verletzungen der Muskulatur. Denn die HWS war bei der Röntgennarkoseuntersuchung frei beweglich (Gutachten
Prof. Dr. N.). Ebenso wenig fand sich ein Anhalt für Verletzungen der Bänder, vielmehr waren die 1995 und 1997
angefertigten Kernspintomographien der HWS unauffällig. Schließlich hat sich bei den unterschiedlichen
neurologischen Untersuchungen kein fassbarer Anhalt für eine Schädigung des zentralen oder peripheren
Nervensystems oder für eine hirnorganische Störung ergeben (vgl. Berichte Dr. X. und Gutachten Dr. L.). Etwas
anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Berichts von Dr. S. über ein am 29. Mai 1998 gefertigtes
MRT von den Kopfgelenken der Klägerin. Nach Beurteilung des Radiologen liegt u.a. eine vermehrte Auffaserung
beider Ligamenta alaria "allenfalls im Sinne einer Teilruptur” bei Kontinenz beider Ligamente vor. Damit äußert der Arzt
jedoch nur eine Vermutung, so dass ein Gesundheitsschaden nicht bewiesen ist. Selbst wenn man aber Teilläsionen
der Bänder unterstellt, lassen sich diese nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 4. September 1995
zurückführen. In diesem Zusammenhang haben Dr. Y. deutlich gemacht, dass es allenfalls bei axialer Rotation und
gleichzeitiger Flexion des Kopfes unter hoher Gewalteinwirkung zu einer Ruptur eines Flügelbandes kommen kann.
Weiterhin haben sie - einleuchtend - darauf hingewiesen, dass bei einer solchen Bewegung eine beidseitige isolierte
traumatische Teilruptur der Ligamenta alaria nicht möglich ist.
Das Gutachten von dem Arzt R., der die (anerkannten) Gesundheitsstörungen der Klägerin im Nacken- und
Schulterbereich auf den Unfall zurückführt, überzeugt den Senat nicht. Denn der Sachverständige unterstellt bei
seinen Ausführungen eine Schädigung beider Flügelbänder, die jedoch - wie ausgeführt - weder bewiesen ist noch mit
Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 4. September 1995 zurückgeführt werden könnte. In den übrigen von der
Klägerin vorgelegten Stellungnahmen der Ärzte der Klinik für Manuelle Therapie findet sich keine Begründung für die
Annahme, dass die Beschwerden als unfallbedingt anzusehen seien.
2. Es liegen auch keine anderen - unfallbedingten - Gesundheitsstörungen vor, die die Erwerbsfähigkeit der Klägerin
um wenigstens 20 v.H. mindern und somit zur Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 12. November 1996 führen
könnten. Zwar hat Dr. T. eine zentrale Gleichgewichtsfunktionsstörung festgestellt, sein Bericht vom 7. September
1998 enthält jedoch keine Begründung für einen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall vom 4. September 1995. Auch
die Schmerzen und Bewegungsstörungen im linken Arm und in den Beinen lassen sich nicht mit Wahrscheinlichkeit
auf den Arbeitsunfall zurückführen. Anlässlich der Untersuchung bei Prof. Dr. M. ist eine neurogene Ursache
ausgeschlossen worden, weil sich weder eine Veränderung der Reflexe noch pathologische Befunde bei der
neurophysiologischen Untersuchung ergeben hatten. Nach ihrer Beurteilung liegt auch keine dystone
Bewegungsstörung nach Schädelhirnverletzung vor, weil zum einen eine schwere Schädelhirnverletzung nicht
diagnostiziert worden ist und zum anderen das Bewegungsmuster nicht als typisch dyston bezeichnet werden könne.
Soweit der Sachverständige R. eine Fibromyalgie, eine Lumbo-ischialgie links sowie eine Zwangshaltung des
gesamten Körpers auf den Unfall zurückführt, überzeugt das Gutachten den Senat auch insoweit nicht. Nach den
Ausführungen des Sachverständigen ist eine Schädigung im Bereich der oberen HWS Ursache für die Schmerzen in
den entfernteren Abschnitten des Körpers. Wie ausgeführt ist jedoch eine solche Schädigung weder bewiesen noch
mit Wahrscheinlichkeit Unfallfolge, so dass auch die übrigen Gesundheitsstörungen nicht auf den Unfall zurückgeführt
werden können.
Schließlich kann ein Schiefhals auch nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als psychogene Unfallfolge
festgestellt werden. Denn für die Annahme, dass dem Arbeitsunfall, bei dem die Klägerin – wie ausgeführt – keine
strukturelle Verletzung erlitt und der auch vom Ablauf her nicht dramatisch war, für die Entwicklung des stetig
zunehmenden komplexen Beschwerdebildes der Klägerin eine wesentliche Bedeutung zukommt, fehlt jeder
Anhaltspunkt (chirurgisches Gutachten des Dr. Z. vom 3. März 1999, S. 23; neurologischer Befundbericht des Prof.
Dr. AB. vom 11. April 1997, S. 6). Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Gemäß § 45 Abs. 2
Sätze 1 und 2 SGB X darf der Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den
Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer
Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte eine
Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen
kann.
Die Klägerin hat nicht vorgetragen, eine derartige Vermögensdisposition getroffen zu haben. Soweit sie auf eine
Weiterzahlung der Rente vertraut hat, weil ihre Beschwerden andauern, hat die Beklagte bei der Abwägung dieses
Vertrauens mit dem öffentlichen Interesse zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin inzwischen Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit bezieht, die die finanzielle Einbuße mindert. Die Ermessensentscheidung der Beklagten ist
ebenfalls rechtmäßig, denn die Klägerin hat keine besonderen Gründe für eine Weiterzahlung der Rente angegeben,
mit denen sich die Beklagte hätte auseinandersetzen müssen. Schließlich hat die Beklagte den Bescheid innerhalb
von zwei Jahren nach der Bekanntgabe zurückgenommen (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X).
Da Unfallfolgen nicht vorliegen, hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf eine Verletztendauerrente.
II.
Schließlich bestand im Zeitraum Oktober 1996 bis Juni 1997 auch kein Anspruch auf höhere Verletztenrente. Die
Anerkennung der Unfallfolgen (Bewegungseinschränkung der HWS bei fixiertem rechtsseitigen Schiefhals,
Verspannung der Nackenmuskulatur links, Bewegungsbehinderung des linken Schultergelenkes) und die Bewilligung
der Verletztenrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente basierte auf dem Gutachten von Prof. Dr. K ... Die Gutachter
haben außer einer leichten Verspannung der linken Nackenmuskulatur und einer endgradigen
Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk insbesondere die Bewegungseinschränkung im HWS-Bereich mit
fixiertem Schiefhals bewertet. Der Senat teilt die Einschätzung der Gutachter, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch diese - anerkannte - körperliche Beeinträchtigung um ein Fünftel gemindert
war. Die Klägerin hat auch keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die für eine höhere MdE sprechen könnten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht
gegeben.