Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 01.03.2006

LSG Nsb: im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen., innere medizin, teilleistung, nummer, gesellschafter, weiterbildung, vertragsarzt, optik, facharzt

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 01.03.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 10 KA 492/01
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 3 KA 175/04
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin ist eine ärztliche Gemeinschaftspraxis, die aus zwei zur vertragsärztlichen Versorgung mit dem
Schwerpunkt Pneumologie zugelassenen Internisten besteht. Sie wendet sich gegen die Nichtvergütung von
Leistungen nach Ziffer 1500 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen -EBM -
(Untersuchung des Kehlkopfes und/oder der Trachea mit dem Lupenlaryngoskop oder mittels flexibler Optik).
Mit Schreiben vom 24. Februar 2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit: "Bei der Bearbeitung ihrer Abrechnung für
das 4. Quartal 1998 haben wir festgestellt, dass von Ihnen die EBM-Nr. 1500 abgerechnet wurde ... Die Ärztekammer
Niedersachsen hat uns mitgeteilt, dass es sich bei der o.g. Leistung für einen Facharzt für Innere Medizin mit der
Schwerpunktanerkennung Pneumologie um eine fachfremde Leistung handelt. Aus diesem Grund kann eine
Honorierung der EBM-Nr. 1500 ab dem 2. Quartal 2000 nicht mehr erfolgen."
Im Quartal II/2000 rechnete die Klägerin Leistungen nach EBM-Ziffer 1500 69mal ab. Diese Leistungen setzte die
Beklagte – neben weiteren vom vorliegenden Rechtsstreit nicht erfassten Abrechnungspositionen – im
Honorarbescheid für das Quartal II/2000 vom 18. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
07. Juni 2001 als fachfremde Leistungen ab.
Zur Begründung der am 26. Juni 2001 vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage hat sich die Klägerin
darauf berufen, dass sie nach den Vorgaben der Niedersächsischen Weiterbildungsordnung (WBO) vom 06. Februar
1993 zur Vornahme von Leistungen nach Ziffer 1500 EBM berechtigt sei. Das Fachgebiet der Inneren Medizin
umfasse namentlich auch Erkrankungen der Atemwege und damit auch solche des Kehlkopfes.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, dass sie an die Rechtsauffassung der – im
Berufungsverfahren beigeladenen – Ärztekammer Niedersachsen gebunden sei. Absetzungen von Leistungen nach
Ziffer 1500 EBM nehme sie inzwischen gleichmäßig bei allen Internisten vor; aufgrund krankheitsbedingter
Personalengpässe hätten allerdings nicht alle Betroffenen zeitgleich informiert werden können, sodass unter
Vertrauensschutzgesichtspunkten entsprechende Berichtigungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingesetzt hätten.
Mit Urteil vom 14. Januar 2004, der Beklagten zugestellt am 27. Januar 2004, hat das SG "die sachlich-rechnerischen
Berichtigungen im 2. Quartal 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Juni 2001" aufgehoben und die
Beklagte zur Nachvergütung der von der Klägerin abgerechneten Leistungen nach Ziffer 1500 EBM verpflichtet. Zur
Begründung hat es ausgeführt: Das Schwerpunktgebiet der Pneumologie umfasse namentlich die Erkennung und
Behandlung von Atemwegserkrankungen und damit auch von Erkrankungen der Trachea und des Larynx. Damit zähle
auch eine Untersuchung der Trachea mit dem Lupenlaryngoskop oder mittels flexibler Optik zum Bereich der
Pneumologie.
Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem angefochtenen Urteil hat die Beklagte am 24. Februar 2004
Beschwerde eingelegt (L 3 KA 2/04 NZB), aufgrund derer der Senat mit Beschluss vom 27. Juli 2004 die Berufung
zugelassen hat.
Der Senat hat am 25. Mai 2005 über die Berufung mündlich verhandelt. Den Rechtsstreit hat der Senat zur weiteren
Sachaufklärung vertagt und die Klägerpartei unter Hinweis auf die Allgemeinen Bestimmungen des EBM Teil A Ziffer
1 Satz 2 um Darlegung gebeten, ob die Leistung nach Ziffer 1500 EBM erforderlich sei, um eine Bronchoskopie nach
den Regeln der ärztlichen Kunst zu erbringen.
Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte insbesondere geltend, dass die Weiterbildungsrichtlinien nicht die
Erbringung von Leistungen nach Ziffer 1500 EBM durch angehende Internisten bzw. Pneumologen vorschrieben. Dies
belege, dass es sich dabei um fachfremde Leistungen für Internisten handele. Hieraus ergebe sich auch, dass die
Leistung nach Ziffer 1500 EBM nicht als Annexlei- stung einer Bronchoskopie erbracht und abgerechnet werden
könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. Januar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist weiterhin darauf hin, dass zu den dem internistischen Fachgebiet zugeordneten Atemwegserkrankungen
auch Erkrankungen der Trachea und des Kehlkopfes zu zählen seien. Darüber hinaus würden auch andere
internistische Erkrankungen oftmals sekundäre Krankheitsmanifestationen an der Trachea und am Kehlkopf nach sich
ziehen; eine diesbezüglich erforderliche Abklärung erfolge in der Praxis in der Regel durch den Pneumologen. Ohnehin
seien zwischen dem internistischen und dem hno-ärztlichen Fachgebiet vielfältige Überschneidungen festzustellen.
Zu dem Aufklärungsbeschluss des Senats führt die Klägerin aus: Die Erbringung der Leistung nach EBM-Nummer
1500 sei nicht erforderlich, um eine Bronchoskopie (EBM-Nummer 725) nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu
erbringen. Beide EBM-Nummern hätten eigenständige und abgrenzbare Leistungsinhalte. Bei einer Bronchoskopie
könne das flexible Gerät auch rigide durch die Glottis (Eingang in den Tracheabaum) von Endoskopeur geführt
werden, wenn dieser sich auf die Bronchoskopie beschränke. Das bloße Vorbeischieben des Endoskops am Kehlkopf
zur Durchführung einer Endoskopie sei keine Untersuchung des Kehlkopfes im Sinne der EBM-Nummer 1500. Die
Untersuchung des Kehlkopfes beinhalte nicht nur die bloße Betrachtung des Organs während des Vorbeischiebens
des Endoskops, sondern auch eine Untersuchung der Stimmbänder und der Aryknorpel sowie eine Beurteilung der
Funktionsfähigkeit der Stimmbänder beim bewußtseinsklaren Patienten. Diese Leistungen seien nicht Bestandteil der
Bronchoskopie. Allerdings sei es häufig notwendig, beide Leistungen nebeneinander zu erbringen.
Die beigeladene Ärztekammer stellt keinen Antrag.
Sie ist der Auffassung, dass gebietszugehörig nur solche Leistungen seien, die explizit in der WBO bzw. in den
Richtlinien dem jeweiligen Fachgebiet zugeordnet seien. Die Weiterbildungsrichtlinien sähen eine Durchführung von
Lupenlaryngoskopien nur bei HNO-Ärzten, nicht hingegen bei Internisten vor. Die WBO solle die Qualität der ärztlichen
Berufsausübung sichern und damit die Patienten schützen. Nur eine sorgsame Abgrenzung ermögliche eine
ordnungsgemäße Berufsausübung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach– und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die aufgrund der vom Senat mit Beschluss vom 27. Juli 2004 (L 3 KA 2/04 NZB) ausgesprochenen Zulassung
statthafte Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Dabei stellt der Senat zur Vermeidung möglicher
Missverständnisse vorsorglich klar, dass sich die in dem angefochtenen Urteil ausgesprochene Teilaufhebung des
Honorarbescheides II/2000 – wie auch den Urteilsgründen zu entnehmen ist – nur auf die sachlich-rechnerische
Berichtigung (im Sinne der Absetzung) von Leistungen nach Ziffer 1500 EBM und nicht auf die in demselben
Bescheid vorgenommenen (von der Klägerin gar nicht angegriffenen) Berichtigungen anderer Leistungsziffern
erstreckt.
In der Sache dringt die Beklagte mit ihrer Berufung nicht durch. Zwar ist die Beklagte grundsätzlich befugt, von einem
Vertragsarzt außerhalb der Grenzen seines Fachgebietes erbrachte Leistungen von seiner Honorarforderung
abzusetzen (1.). Das SG hat aber zutreffend dargelegt, dass die Beklagte die von der Klägerin nach Ziffer 1500 EBM
abgerechneten Leistungen zu Unrecht als fachfremd qualifiziert und damit von der Honorierung ausgeschlossen hat
(2.). Die Leistung nach Ziffer 1500 EBM (Laryngoskopie) ist auch nicht Teil des Leistungsinhalts der Bronchoskopie
(EBM-Nr. 725), so dass sich der Ausschluss der Abrechenbarkeit der Laryngoskopie nicht aus den Allgemeinen
Bestimmungen des EBM Teil A Ziffer 1 Satz 2 ergibt. (3.)
1. Als Rechtsgrundlage der angefochtenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen sind die Regelungen des
Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä) und des Bundesmantelvertrags-Ärzte-/Ersatzkassen (EKV-Ä) über die Befugnis
der Kassenärztlichen Vereinigung zur Durchführung sachlich-rechnerischer Richtigstellungen (§ 45 Abs. 2 Satz 1
BMV-Ä in der seit 1. Januar 1995 geltenden Fassung; § 34 Abs. 4 Satz 2 EKV-Ä in der seit dem 1. Juli 1994
geltenden Fassung) in Betracht zu ziehen. Nach diesen im Wesentlichen gleich lautenden Vorschriften ist die
Kassenärztliche Vereinigung berechtigt, die Abrechnung der Vertragsärzte auf ihre rechnerische und sachliche
Richtigkeit zu überprüfen und ggfs. zu berichtigen.
Auf der Grundlage der erläuterten bundesmantelvertraglichen Berichtigungsvorschriften ist die Beklagte insbesondere
befugt, von einem Vertragsarzt außerhalb der Grenzen seines Fachgebietes erbrachte Leistungen von seiner
Honorarforderung abzusetzen. Vertragsärzte können Leistungen, die nicht in ihr Fachgebiet fallen, grundsätzlich nicht
abrechnen (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 5).
Die Heilberufs- bzw. Kammergesetze der Länder und die auf der Grundlage von Ermächtigungen in diesen Gesetzen
von den Ärztekammern der Länder erlassenen Weiterbildungsordnungen normieren die Verpflichtung derjenigen Ärzte,
die - wie die Gesellschafter der Klägerin - Gebietsbezeichnungen führen, ihre Tätigkeit auf dieses Fachgebiet zu
beschränken. In Niedersachsen folgt diese Verpflichtung aus § 22 der auf der Grundlage von § 34 Abs. 2 des
Kammergesetzes für die Heilberufe (HKG) erlassenen WBO der Ärztekammer Niedersachsen vom 1. Oktober 1996.
Unter Berücksichtigung der Einheit des Arztberufs ist eine Einschränkung der freien Berufsausübung durch
Fachgebietsbeschränkungen allerdings nur möglich, soweit durch die damit verbundene Spezialisierung eine
zweckmäßige ärztliche Versorgung verbessert wird. Jede die Einheit des Arztberufes beeinträchtigende Restriktion
muss durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt sein und ist als Eingriffsregelung eng
auszulegen (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 1).
Die Frage nach der Fachgebietszugehörigkeit bzw. Fachfremdheit einer ärztlichen Leistung beurteilt sich demnach in
erster Linie nach der Gebietsdefinition in der WBO. Soweit ein Arzt eine Schwerpunktbezeichnung führt, wie hier die
Mitglieder der Klägerin die der Pneumologie, ist gleichermaßen auf den Inhalt des Fachgebietes und den Gegenstand
des Schwerpunktes abzustellen, da nach § 22 S. 2 WBO ein solcher Arzt zwar auch im Schwerpunkt tätig sein muss,
sich auf diesen aber nicht zu beschränken hat.
Nach den Vorgaben der WBO sind die Facharztgruppen ganz unterschiedlich abgegrenzt (vgl. BVerfG SozR 3-2500 §
95 Nr. 35). Für die Zuordnung bestimmter ärztlicher Leistungen zu den Fachgebieten können Anhaltspunkte
insbesondere daraus entnommen werden, ob sie mehr methodenbezogen oder mehr körperbezogen, d.h. auf eine
Körperregion bzw. auf ein Organ bezogen, sind. Ist ein Fachgebiet im Schwerpunkt körperbezogen umschrieben (z.B.
Augenheilkunde, Gynäkologie, Orthopädie), so ist für die Frage der Fachgebietszugehörigkeit vor allem relevant, ob
die diagnostische und therapeutische Maßnahme eine dem Fachgebiet zugeordnete Körperregion bzw. ein ihm
zugeordnetes Organ betrifft (BSG Urt. v. 08. September 2004 - B 6 KA 32/03 R -). Ist das Fachgebiet indessen
schwerpunktmäßig oder vollständig methodenbezogen (z.B. Radiologie, Nuklearmedizin, Laboratoriumsmedizin,
Pathologie), so ergibt sich die Fachgebietszugehörigkeit im Allgemeinen schon aus der Anwendung einer bestimmten
Untersuchungs- oder Behandlungsmethode. Soweit die Methodik nicht teilweise anderen Fachgebieten zugeordnet ist
(z.B. bei den sog Teilradiologie-Zuständigkeiten spezieller Fachgebiete), begründet ihre Anwendung die Zugehörigkeit
zu dem methodenbezogenen Fachgebiet, gleichgültig, in welchem Körperbereich sie angewendet wird. In diesem
Zusammenhang ist namentlich zu prüfen, inwieweit die Vorgaben des Weiterbildungsrechts operative Eingriffe
speziellen Fachgruppen, namentlich chirurgischen Fachdisziplinen, vorbehalten (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 21).
Selbst wenn die WBO positiv den Inhalt eines bestimmten Fachgebiets beschreibt, wird dadurch nicht
ausgeschlossen, dass (insbesondere beim Zusammentreffen mit rein diagnostischen ärztlichen Fachdisziplinen)
einzelne ärztliche Aufgaben kraft expliziter Regelung gleichermaßen in die Zuständigkeit anderer Fachgebiete fallen
können. Auf diese Weise sind aus übergeordneten medizinischen Gründen auch Gebietsüberschneidungen und
Mehrfachzuständigkeiten denkbar (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 33). Angesichts der Vielgestaltigkeit der dem Arzt in
seiner täglichen Praxis unterkommenden Behandlungsfälle kann ohnehin keine starre Grenze zwischen den einzelnen
ärztlichen Fachgebieten gezogen werden, vielmehr muss dem Vertragsarzt aus dem Bedürfnis der Praxis eine
gewisse Toleranzbreite zugestanden werden (BSG SozR 2200 § 368a Nr. 20).
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte die von der Klägerin nach Ziffer 1500 EBM abgerechneten
Leistungen zu Unrecht als fachfremd qualifiziert. Denn das Fachgebiet der Inneren Medizin umfasst nach der
Definition in der WBO namentlich auch die Erkennung und Behandlung von Erkrankungen der Atmungsorgane. Unter
Atmungsorganen in diesem Sinne sind nach den überzeugenden Ausführungen der Beigeladenen die Gesamtheit der
luftführenden Organe und Strukturen unter Einschluss namentlich auch der Trachea und des Kehlkopfes zu
verstehen. Die von einem Facharzt für Innere Medizin nach der WBO (Ziffer 15.1) geforderten eingehenden
Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten umfassen damit auch Erkrankungen des Kehlkopfes und der Trachea.
Der erläuterten Zuordnung – auch – zum Fachgebiet der Inneren Medizin steht nicht entgegen, dass die Vornahme
von Laryngoskopien auch dem hno-ärztlichen Fachgebiet zuzuordnen ist und sich die in Rede stehende EBM-Nummer
im Kapitel L des EBM "Hals-Nasen-Ohrenheilkunde" befindet. Beide Fachgebiete sind als primär körperbezogen, d.h.
auf eine Körperregion bzw. auf ein Organ bezogen, im Sinne der vorstehend erläuterten Rechtsprechung und
dementsprechend ihrer Grundstruktur nach nicht als methodenbezogen zu qualifizieren. Dabei besteht zwischen
beiden Fachgebieten – was auch die Beigeladene einräumt – keine trennscharfe Abgrenzung der jeweils zu
behandelnden Körperregionen. Vielmehr zählen insbesondere die "oberen Luftwege" gleichermaßen zu den dem
internistischen Gebiet zugewiesenen Atmungsorganen wie zu den dem hno-ärztlichen Fachgebiet zugewiesenen
Organen. Bezeichnenderweise verlangen die Weiterbildungsrichtlinien für beide Fachgebiete gleichermaßen die
Vornahme von Sonographien der Halsweichteile.
Auch unter methodischen Gesichtspunkten begründen die Vorgaben der WBO keine ausschließliche Zuständigkeit
des hno-ärztlichen Fachgebietes für endoskopische Leistungen nach Ziffer 1500 EBM. Vielmehr sind endoskopische
Untersuchungen im Rahmen beider Fachgebiete vorzunehmen. Die hno-ärztlichen Weiterbildungsrichtlinien führen
ausdrücklich Laryngoskopien auf; Internisten müssen im Rahmen der Facharztausbildung nach den
Weiterbildungsrichtlinien an endoskopischen Untersuchungen insbesondere in Form von Bronchoskopien mitwirken
(und im Schwerpunkt Pneumologie diese auch selbstständig durchführen und befunden). Prinzipielle methodische
Unterschiede zwischen beiden endoskopischen Verfahren sind um so weniger anzunehmen, als die
Untersuchungsoptik sowohl bei Laryngo- als auch bei Bronchoskopien jedenfalls im Regelfall über die Luftröhre in den
Körper eingeführt wird.
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen lässt sich eine Zuordnung von Leistungen nach Ziffer 1500 EBM
ausschließlich zum hno-ärztlichen Fachgebiet auch nicht damit begründen, dass die Weiterbildungsrichtlinien der
Beigeladenen die Durchführung solcher Untersuchungen allein im Rahmen der hno-ärztlichen Weiterbildung und nicht
hingegen bei der internistischen Weiterbildung ausdrücklich fordern.
Bei den Richtlinien zur WBO handelt es sich ohnehin nur um – von der Vertreterversammlung der Beigeladenen
erlassene – Verwaltungsvorschriften (§ 15 Abs. 2 WBO). Diesen Verwaltungsvorschriften wird ein
norminterpretierender Charakter beigemessen, soweit sie nähere Festlegungen zu den unbestimmten Rechtsbe-griffen
"gründliche und eingehende Weiterbildung" treffen. Sie ergänzen und vervollständigen das formelle Satzungsrecht der
Ärztekammer um Vorgaben hinsichtlich der im Einzelnen für notwendig gehaltenen ärztlichen Eingriffe und
Untersuchungen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 30 S. 151 und SozR 4-2500 § 95 Nr 5). Aus den Richtlinien zur
WBO und der dort vorgenommenen Zuordnung bestimmter ärztlicher Eingriffe zu einzelnen ärztlichen Disziplinen
können zumindest Indizien für die Gebietszuordnung der jeweiligen Behandlungen abgeleitet werden (BSG SozR 4-
2500 § 95 Nr 5 m.w.N.).
Diese norminterpretierende Bedeutung der Verwaltungsvorschriften wird durch die Grenzen einer zulässigen
Auslegung limitiert. Die Weiterbildungsrichtlinien als Verwaltungsvorschriften haben die Bestimmungen der WBO zwar
zu interpretieren, sie dürfen diese jedoch nicht abändern. Schon im Hinblick auf die Verfassungsgarantie des Art. 12
Abs. 1 GG, wonach die Berufsausübungsfreiheit nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt
werden darf, können die Weiterbildungsrichtlinien als allgemeine Verwaltungsvorschriften den Ärzten nicht die
Befugnis zur Vornahme solcher Leistungen nehmen, deren Erbringung die Weiterbildungsordnung gestattet. Auch § 41
Abs. 1 Nr. 1 HKG schreibt im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen der Normenhierarchie ausdrücklich vor, dass
Inhalt und Umfang der Gebiete in der Weiterbildungsordnung (und nicht etwa in den Weiterbildungsrichtlinien)
festzulegen sind.
Darüber hinaus ist bei der Auslegung der WBO anhand der Weiterbildungsrichtlinien zu berücksichtigen, dass letztere
ohnehin nicht umfassend alle zu einem Fachgebiet zugehörigen diagnostischen und therapeutischen Methoden und
Maßnahmen erfassen sollen. Bezeichnenderweise beginnen die Richtlinien für Innere Medizin und für Hals-Nasen-
Ohrenheilkunde jeweils zunächst mit der Generalklausel "Erwerb der in der Weiterbildungsordnung aufgeführten
Weiterbildungsinhalte". Die nachfolgend jeweils explizit aufgeführten Untersuchungs– und Behandlungsverfahren
beinhalten schon nach dem Wortlaut keine abschließende Aufzählung. Vielmehr sollen sie lediglich als
Grundvoraussetzung für den Erwerb der Facharztqualifikation sicherstellen, dass der Facharzt zumindest mit den dort
aufgrund ihrer Bedeutung und/oder besonderen Anforderungen ausdrücklich benannten Verfahren vertraut ist.
Ausgehend von den vorstehend erläuterten Grundsätzen kommt zwar der ausdrücklichen Benennung eines
Verfahrens in den Weiterbildungsrichtlinien eine starke Indizwirkung in dem Sinne zu, dass dieses dem jeweiligen
Fachgebiet zuzuordnen ist; der Nichterwähnung eines Verfahrens kann hingegen allenfalls mit Zurückhaltung eine
Indizwirkung im Sinne der Fachgebietsfremdheit beigemessen werden. In Anbetracht des nur exemplarischen
Charakters der Auflistungen in den Richtlinien bedarf es konkreter Anhaltspunkte für die Annahme, dass die
Nichtaufnahme eines Verfahrens eine Willensentscheidung in dem Sinne zum Ausdruck bringen soll, dass der
Richtliniengeber von einer Zuordnung zum jeweiligen Fachgebiet absehen wollte. Solche greifbaren Anhaltspunkte
sind im vorliegenden Zusammenhang nicht ersichtlich.
3. Der Ausschluss der Abrechenbarkeit der Leistung nach Ziffer 1500 EBM ergibt sich auch nicht aus den
Allgemeinen Bestimmungen des EBM Teil A Ziffer 1 Satz 2. Diese Bestimmung des EBM legt fest, dass eine
Leistung dann nicht neben oder anstelle einer anderen Leistung berechnungsfähig ist, wenn sie Teil des
Leistungsinhalts einer anderen berechnungsfähigen Leistung oder eines Leistungskomplexes ist. Um die Frage zu
beantworten, wann eine Leistung Teil des Leistungsinhalts einer anderen Leistung und deshalb mit dieser abgegolten
ist, ist vom Zweck der genannten Regelung auszugehen. Sinn und Zweck der Bestimmung ergibt sich aus dem
Grundgedanken, dass Gebührenbestimmungen sachgerechterweise an zweckorientierte Leistungseinheiten
anknüpfen, nicht aber an die in der Leistungseinheit enthaltenen Einzelbemühungen, und dass demnach mit jeder
zweckorientierten Leistungseinheit alles abgegolten ist, was an Einzelbemühungen in der Gesamtleistung gewöhnlich
enthalten ist. Eine mitabgegoltene Einzelbemühung (Teilleistung) in diesem Sinne liegt dann vor, wenn die Teilleistung
derart zur Erbringung der Gesamtleistung gehört, dass diese ohne jene nicht als ordnungsgemäß erbracht angesehen
werden kann (so der vom Bundessozialgericht - BSG - entwickelte Grundsatz der Konsumierung der Teilleistung, vgl.
BSG SozR 5535 Nr. 12 BEMA Nr. 1; Nr. 49 BEMA Nr. 1; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 10 [nur Leitsatz; das vollst.
Urteil vom 20. Dezember 1995 - 6 R KA 64/94 – findet sich in Juris]).
Das vorliegende Verfahren gab Anlass, der Frage nachzugehen, ob die mit einer Punktzahl von 170 bewertete EBM-
Nr. 1500, also die Untersuchung des Kehlkopfes und /oder der Trachea mit dem Lupenlaryngoskop oder mittels
flexibler Optik, durch die mit einer Punktzahl von 2500 bewertete EBM-Nr. 725 - die Bronchoskopie - mitabgegolten
ist. Diese Frage hat der Senat im Ergebnis verneint. Denn bei der Laryngoskopie handelt es sich nicht um eine bloße
Teilleistung der Bronchoskopie. Dies hat die Klägerseite in ihrem Schriftsatz vom 13. Juni 2005 überzeugend
dargelegt. Danach könnte bei einer Bronchoskopie grundsätzlich das flexible Gerät auch rigide durch die Glottis (der
Eingang in die Luftröhre) vom Arzt geführt werden, wenn dieser sich auf die Bronchoskopie beschränkt. Das bloße
"Vorbeischieben" des Endoskops am Kehlkopf zur Durchführung einer Bronchoskopie sei aber keine Untersuchung im
Sinne der EBM-Nr. 1500. Die Untersuchung des Kehlkopfs beinhalte nicht nur die bloße Betrachtung des Organs
während des "Vorbeischiebens" des Endoskops, sondern auch eine Untersuchung der Stimmbänder und der
Aryknorpel. Desweiteren gehöre zur Untersuchung des Kehlkopfs eine Beurteilung der Funktionsfähigkeit der
Stimmbänder - und zwar beim bewusstseinsklaren Patienten - was auch nur bei Untersuchungen bei nicht starren
Geräten in Lokalanästhesie möglich sei. So könne auch bei Durchführung einer Bronchoskopie in Narkose mit starren
Geräten keine Untersuchung nach der EBM-Nr. 1500 erfolgen.
Der Senat schließt sich der Einschätzung der Klägerin, dass eine Leistung nach Ziffer 1500 EBM nicht durch die
Leistung nach Ziffer 725 EBM (Bronchoskopie) mitabgegolten ist, an. Dass die beiden "Gebührentatbestände" nicht
typischerweise und erst recht nicht zwangsläufig bei den in Rede stehenden Untersuchungen der Atmungsorgane
gleichermaßen verwirklicht sind und es sich um zwei selbständige, gesondert abrechenbare Maßnahmen handelt,
ergibt sich auch aus Sicht des Senats daraus, dass eine Bronchoskopie nicht nur mit flexiblen Geräten, sondern auch
mit einem starren Rohr durchgeführt werden kann. In der ärztlichen Praxis finden nämlich bei der Bronchoskopie
mittlerweile zwar grundsätzlich flexible Geräte Anwendung; es kommen aber auch nach wie vor - etwa in
Notfallsituationen - die seit jeher eingesetzten starren Geräte zum Einsatz, bei der die Bronchien in Vollnarkose über
ein starres Rohr erreicht werden. Bei der Untersuchung mit einem starren Rohr ist aber die im Rahmen einer
Laryngoskopie ggf. erforderliche Untersuchung der Stimmbänder beim bewusstseinsklaren Patienten – was die
Klägerpartei überzeugend dargelegt hat - nicht durchführbar. Eine Bronchoskopie ohne damit verbundene
Laryngoskopie findet nach der Darstellung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch in Fällen statt, in denen
das Endoskop aus medizinischen Gründen nicht über die Luftröhre, sondern durch einen Schnitt unterhalb des
Kehlkopfes eingeführt wird. In solchen Fällen sind die beiden Leistungen also nicht nebeneinander zu erbringen, so
dass sich die Annahme verbietet, beide Leistungen seien "typischerweise" miteinander verknüpft. Dass in dem
vorliegenden Fall beide Leistungen durch die Gesellschafter der Klägerin regelmäßig neneneinander erbracht und
abgerechnet worden sind (aus der Anlage 5 zum Honorarbescheid der Beklagten für das 2. Quartal 2000 ergibt sich,
dass die EBM-Ziffer 1500 insgesamt 69-mal abgerechnet wurde; der Anlage 1 zur Honorarabrechnung vom 18.
November 2000 lässt sich entnehmen, dass die EBM-Nr. 725 68-mal abgerechnet wurde), beruht auf der nach
Einschätzung der behandelnden Ärzte medizinisch begründeten Notwendigkeit einer eingehenden
Kehlkopfuntersuchung nach der EBM-Nr. 1500 neben der Bronchoskopie nach der EBM-Nr. 725 zur Abklärung bei
verschiedenen Erkrankungen des Kehlkopfes (TBC, Stimmbandlähmungen, Tumorerkrankungen). Die Gesellschafter
der Klägerin haben es also regelmäßig für erforderlich gehalten, neben der Untersuchung der Bronchien auch eine
genaue Inspektion des Larynx vorzunehmen. Daraus läst sich aus den genannten Gründen aber nicht der Schluss
ziehen, dass es sich bei der geringer bewerteten Leistung nach der EBM-Nr. 1500 um eine unselbstständige
Teilleistung der EBM-Nr. 725 handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG (in der im vorliegenden Rechtsstreit noch maßgeblichen bis
zum 01. Januar 2002 geltenden Fassung).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben. Grundsätzliche Bedeutung kommt der
Rechtssache nicht mehr zu, nachdem die in Streit stehende EBM-Ziffer 1500 inzwischen – mit Wirkung vom 1. April
2005 – durch die neuen Ziffern 09311 und 20310 ersetzt worden ist, die nur von HNO-Ärzten und Ärzten für Phoniatrie
und Pädaudiologie abgerechnet werden können.-