Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 24.03.2009

LSG Nsb: bedürftigkeit, umkehr der beweislast, vermögensanlage, niedersachsen, rücknahme, verwaltungsakt, verwertung, rechtsgrundlage, rückforderung, erlass

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 24.03.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hildesheim S 3 AL 311/05
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 7 AL 42/07
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgrichts Hildesheim vom 19.02.2007 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme bzw. die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für
den Zeitraum vom 09. September 1995 bis zum 26. März 2004 und gegen ein Erstattungsverlangen der Beklagten
hinsichtlich gezahlter Alhi in Höhe von 79.658,74 EUR und hinsichtlich gezahlter Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 19.765,39 EUR, mithin gegen eine Gesamtforderung in Höhe von
99.424,13 EUR.
Die am 03. Februar 1948 geborene Klägerin ist verheiratet (Geburtsdatum des Ehemanns F.: 10. November 1950). Die
Klägerin war zuletzt vom 17. Oktober 1978 bis zum 30. Juni 1993 als Arbeiterin in der G. Holzwarenfabrik GmbH &
Co. in H. beschäftigt. Vom 12. Juli 1993 bis zur Anspruchserschöpfung am 08. September 1995 bezog sie (mit
Unterbrechungen wegen Ortsabwesenheit) Arbeitslosengeld (Alg) von der Beklagten (Bemessungsentgelt: zuletzt
920,00 DM; Leistungssatz: 418,20 DM; Leistungsgruppe: C/1). Am 18. September 1995 beantragte sie beim
Arbeitsamt I. die Gewährung von Alhi. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung erklärte sie, dass sie und ihr Ehemann
über kein Vermögen verfügten. Die Beklagte bewilligte daraufhin ab dem 09. September 1995 Alhi
(Bemessungsentgelt: 920,00 DM; Leistungssatz: 355,80 DM; Leistungsgruppe: C/1). In den Alhi-Fortzahlungsanträgen
vom 30. Januar 1997, 10. September 1997, 19. Januar 1998, 07. Januar 1999, 13. Januar 2000 gab die Klägerin
wiederum an, dass weder sie noch ihr Ehemann über Vermögen verfügten. In den dann folgenden
Fortzahlungsanträgen vom 16. Januar 2001, 21. Januar 2002, 12. Februar 2003 und 26. Januar 2004 war lediglich
angegeben, dass Guthaben auf Girokonten zwischen 200,00 EUR und 1.900,00 DM bestanden hätten; ansonsten
wurde das Vorhandensein von Vermögen verneint. Aufgrund dieser Anträge erfolgte dann in der Folgezeit
durchgehend eine Bewilligung von Alhi (zuletzt Bescheid vom 06. Februar 2004; Bemessungsentgelt: 410,00 EUR;
Leistungssatz: 183,61 EUR: Leistungsgruppe: C/1). Für die Zeit vom 22. Juli bis zum 11. August 1997 hatte die
Beklagte bestandskräftig eine Leistungsaufhebung und Rückforderung wegen Ortsabwesenheit verfügt.
Auf der Grundlage einer Mitteilung zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und des Leistungsmissbrauchs des
Finanzamts J. nach Maßgabe des § 31a Abgabenordnung vom 08. Januar 2004 wurde der Beklagten bekannt, dass
die Klägerin und ihr Ehemann über umfangreiche Geldanlagen in der Türkei verfügten. Der Mitteilung waren u. a.
beigefügt unter dem 01. September 2003 durch die K. in L. für den Zeitraum ab Mai 1994 erstellte Übersichten über
Geldanlagen sowohl der Klägerin wie auch ihres Ehemannes. Diese belegen u. a. eine über die M. in der
Bundesrepublik Deutschland unter dem 20. Mai 1994 erfolgte Vermögenseinzahlung bzw. Anlage der Klägerin in Höhe
von 50.000,00 DM und für den 07. Juli 1997 in Höhe von 30.000,00 DM. Für den Ehemann der Klägerin erfolgte unter
dem 20. Mai 1994 auf demselben Weg eine Zahlung bzw. eine Vermögensanlage über einen Betrag in Höhe von
58.000,00 DM. Aus den Übersichten ergeben sich ferner die regelmäßigen Nettozinsgutschriften, die vorher
abgeführten Steuern und Bankkosten, die wiederum über die M. erfolgten Auszahlungen von Zinsen sowie die
Wiederanlage von Kapital- bzw. von Zinserträgen (wegen der weiteren Einzelheiten vgl. Bl. 194, 196 BA).
Nach daraufhin durchgeführter Anhörung nahm die Beklagte mit Bescheid vom 14. März 2005 die Bewilligung von Alhi
für die Zeit vom 09. September 1995 bis zum 26. März 2004 wegen fehlender Bedürftigkeit zurück. Da die Klägerin in
ihrem Leistungsantrag zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe, sei ihr Alhi in Höhe von 79.658,74
EUR zu Unrecht gewährt worden. Dieser Betrag sei von ihr zurückzuzahlen. Darüber hinaus habe sie die im
genannten Zeitraum durch die Beklagte getragenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt
19.765,39 EUR zu erstatten, so dass sich eine Gesamtforderung in Höhe von 99.424,13 EUR ergebe. Die Einlegung
eines Widerspruchs gegen diesen Bescheid erfolgte nicht. Mit Bescheid vom 24. März 2004 und
Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2005 hob die Beklagten dann (bestandskräftig) die Bewilligung von Alhi ab
dem 27. März 2004 auf.
Mit Antrag vom 28. April 2005 begehrte die Klägerin eine Überprüfung des Bescheids vom 14. März 2005 nach
Maßgabe des § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X).
Dieses Begehren lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Juli 2005 ab. Mit dagegen erhobenem Widerspruch vom
01. August 2005 machte die Klägerin geltend, dass sie zu keinem Zeitpunkt Inhaberin des Geldvermögens gewesen
sei. Vielmehr habe ihr Sohn, der Zeuge N., seit 1991 eigenes Geld verdient und angespart. Bis Mai 1994 sei ein
Betrag in Höhe von 108.000,00 DM zusammengekommen. Der Sohn sei jedoch dem Glückspiel verfallen gewesen, so
dass sie und ihr Ehemann befürchteten, er werde das Geld verlieren. Sie hätten auf ihn in der Weise eingewirkt, dass
er ihnen das Geld zum Zwecke der Vermögensverwaltung übergeben habe. Sie hätten dann das Geld in die Türkei
transferiert und 50.000,00 DM unter ihrem und 58.000,00 DM unter dem Namen ihres Ehemannes angelegt. Inhaber
des Vermögens sei jedoch immer der Sohn gewesen. Nachdem dieser aufgrund eines persönlichen
Reifungsprozesses von der Spielsucht abgekommen sei, wären sie zu dem Entschluss gekommen, dass er das Geld
zurückerhalten müsse. Sie hätten unter dem 15. Juni 2004 eine Summe von 56.625,00 EUR zurückgezahlt. Damit sei
die elterliche Vermögensverwaltung beendet gewesen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 25.
August 2005 zurück.
Die Klägerin hat am 26. September 2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben und zur Begründung im
Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. Februar 2007 abgewiesen. Zur Begründung hat es angegeben,
dass sich die Klägerin im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung an den durch die Vermögensinhaberschaft erzeugten
Rechtsschein festhalten lassen müsse. Das Vermögen sei ihr somit zuzurechnen, so dass mangels Bedürftigkeit an
Anspruch auf Alhi nicht bestanden habe. Da die Klägerin die Vermögensanlage im Rahmen der jeweiligen Alhi-Anträge
verschwiegen habe, sei die Beklagte berechtigt, die Bewilligung rückwirkend aufzuheben und die gewährten
Leistungen nebst Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen zurückzufordern.
Gegen den ihr am 23. Februar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 09. März 2007 Berufung
erhoben.
Zur Begründung wiederholt sie zunächst ihr Vorbringen hinsichtlich der treuhänderischen Bindung der
Vermögensanlagen. Sie rügt, dass das SG Hildesheim insoweit ihren als Zeugen benannten Sohn N. nicht gehört
habe. Sie macht auch eine unzulässige mehrfache Berücksichtigung der Vermögenswerte im Rahmen der
Bedürftigkeitsprüfung geltend.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 19. Februar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom
27. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, ihren Bescheid vom 14. März 2005 zurückzunehmen.
Die Beklagte tritt dem Berufungsbegehren entgegen und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Aufgrund einer gegen den Ehemann der Klägerin verfügten Leistungsaufhebung ab dem 01. September 1992 verlangt
die Beklagte von diesem einen Betrag in Höhe von insgesamt 76.862,36 EUR zurück. Gegen den ergangenen
Bescheid vom 13. Mai 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2005 ist - soweit ersichtlich -
eine Klage nicht erhoben worden. In seinem Berufungsverfahren beim LSG Niedersachsen-Bremen L 11 AL 245/06
wendet sich der Ehemann der Klägerin gegen die Ablehnung der Alhi-Bewilligung aufgrund seiner Anträge vom 24. Mai
und vom 16. September 2004.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Herrn N. als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 24. März 2009 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten als
Verwaltungsvorgänge vorgelegten Unterlagen, die beigezogenen Akten des Finanzamts J. zur Steuer-Nr. O. (1 Band
Umsatzsteuer, 1 Band Betriebsprüfung, 1 Band Einkommenssteuer), die Gerichtsakte des Landessozialgerichts
(LSG) Niedersachsen-Bremen aus dem Berufungsverfahren des Ehemanns der Klägerin L 11 AL 245/06 nebst
Beiakten, sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 24. März 2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige
Berufung ist unbegründet.
Die Beklagte ist nicht nach Maßgabe des § 44 SGB X verpflichtet, die mit ihrem Bescheid vom 14. März 2005
verfügte Leistungsrücknahme und -rückforderung zurückzunehmen. Dieser Bescheid und der angegriffene Bescheid
vom 27. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. August 2007 sind rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligung von Alhi ist § 45 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch -
Drittes Buch - Arbeitsförderung - SGB III -. Danach ist ein begünstigender Verwaltungsakt zurückzunehmen, wenn er
sich von Anfang an als rechtswidrig erweist. Dies gilt, soweit bei Antragstellung bzw. im Rahmen der
Fortzahlungsanträge ein Anspruch auf Alhi wegen fehlender Bedürftigkeit aufgrund des Vorhandenseins von
Vermögen bzw. von Einkünften nicht bestand. Soweit während eines laufenden Bewilligungsabschnitts dadurch eine
wesentliche Änderung eingetreten ist und der Anspruch der Klägerin auf Alhi entfiel, ist Rechtsgrundlage für die
Aufhebung der Bewilligung § 48 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Danach ist ein
Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - wie hier die Bewilligung von Alhi - aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder
rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des bewilligenden Verwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche
Änderung eintritt. Vorliegend ist im oben genannten Umfang von einer anfänglichen Rechtswidrigkeit der Bewilligung
bzw. von einer wesentlichen Änderung auszugehen. Denn der Klägerin stand wegen fehlender Bedürftigkeit kein
Anspruch auf Alhi gegen die Beklagte zu, da auf ihren Alhi-Anspruch Vermögen anzurechnen war.
Maßgebende Vorschrift für die Vermögensanrechnung vom 09. September 1995 bis zum Ablauf der letzten vor dem
01. Januar 1998 erfolgten Bewilligung sind §§ 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 137 Abs. 1, 2 Arbeitsförderungsgesetz - AFG -
in Verbindung mit §§ 6 ff Arbeitslosenhilfe-Verordnung - Alhi-VO - (vom 07.08.1974, BGBl. I, S. 1929; vgl. § 426 Abs.
2 SGB III i. d. F. des Art. 1 Nr. 16 des Gesetzes vom 23.04.2004, BGBl. I, S. 602). Für den ersten nach dem 01.
Januar 1998 beginnenden Bewilligungsabschnitt gelten §§ 190 Abs. 1 Nr. 5, 193 Abs. 1, Abs. 2 SGB III (vom
24.03.1997, BGBl. I, S. 594) i. V. m. §§ 6 ff Alhi-VO 1974.
Im Hinblick auf die Vermögensanrechnung gilt nach den genannten Vorschriften, dass Anspruch auf Alhi derjenige
hat, der u. a. bedürftig ist. Bedürftig ist ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als
durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Nicht
bedürftig ist ein Arbeitsloser auch, so lange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd
getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher
Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Nach § 6 Abs. 1 Alhi-VO 1974 ist das Vermögen
des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist,
die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000,00 DM
übersteigt. Vermögen ist insbesondere verwertbar, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet
werden können (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Alhi-VO 1974). Die Verwertung ist zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich
unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des
Vermögens und seiner Angehörigen billiger Weise erwartet werden kann (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 Alhi-VO 1974).
Dies zugrunde gelegt ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Alhi-Bewilligung am 09. September 1995 von einem
zumutbar verwertbaren Vermögen in Höhe von 92.000,00 DM auszugehen. Dieses Vermögen ist belegt durch die
Bescheinigungen der P ... Danach war unter dem 20. Mai 1994 für die Klägerin eine Vermögensanlage in Höhe von
50.000,00 DM, für ihren Ehemann in Höhe von 58.000,00 DM getätigt worden. Davon abzusetzen war gemäß § 6 Abs.
1 Alhi-VO 1974 für die Klägerin und ihren Ehemann der Freibetrag von jeweils 8.000,00 DM. Nach § 9 Alhi-VO 1974
besteht Bedürftigkeit nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens
durch das Arbeitslosenentgelt ergibt, nach dem sich die Alhi richtet. Unter Zugrundelegung des seinerzeit
maßgeblichen Bemessungsentgelts für die Klägerin in Höhe von 920,00 DM ergab sich somit eine fehlende
Bedürftigkeit für 100 volle Wochen, das heißt für die Zeit vom 09. September 1995 bis zum 08. August 1997.
Entgegen der von der Beklagten mit Posteingang vom 26. Januar 2009 beim LSG vorgelegten Neuberechnung ist im
Rahmen der Feststellung der (fiktiven) fehlenden Bedürftigkeit nur die Alhi der Klägerin maßgeblich, nicht zusätzlich
die ihres Ehemannes. Denn das Ergebnis kann nicht davon abhängen, ob der Ehepartner im Leistungsbezug steht
oder nicht. Dafür spricht auch der Wortlaut des § 9 Alhi-VO 1974.
Für den danach folgenden Zeitraum ab dem 09. August 1997 besteht ein Alhi-Anspruch deshalb nicht, weil die
Klägerin - unter Zugrundelegung eines wegen fehlender Bedürftigkeit vom 09. September 1995 bis zum 08. August
1997 nicht bestehenden Alhi-Anspruchs - nach § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG nicht innerhalb der einjährigen Vorfrist
Alg bezogen hatte. Keine Anwendung findet ab dem 01. April 1997 - d. h. auch hier - nach der ausdrücklichen
Ausschlussregelung in § 242 y AFG (eingefügt durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz - AFRG - vom 24.03.1997,
BGBl. I, S. 594) die Verlängerungsmöglichkeit für die Vorfrist auf drei Jahre nach § 134 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AFG.
Damit besteht kein Alhi-Anspruch zum 31. Dezember 1997.
Ab dem 01. Januar 1998 wäre zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Alhi wieder gegeben gewesen, da nach dem ab
diesem Zeitpunkt anzuwendenden § 192 Satz 2 Nr. 1 SGB III von einer auf drei Jahre verlängerten Vorfrist
auszugehen war, da die Klägerin - wie dargelegt - zuvor einen Anspruch auf Alhi lediglich wegen fehlender
Bedürftigkeit nicht hatte. Im Ergebnis bestand dieser Anspruch jedoch wiederum wegen der fehlenden Bedürftigkeit
nicht. Denn ausweislich der vorliegenden Bescheinigungen (P.) war unter dem 07. Mai 1997 eine erneute
Vermögensanlage über eine Summe in Höhe von 30.000,00 DM für die Klägerin erfolgt. Hinzu zu addieren war ein
Betrag von bis dahin angefallenen Zinsen in Höhe von 20.493,00 DM (vgl. Bl. 116 GA), so dass sich zu diesem
Zeitpunkt ein verwertbares Vermögen in Höhe von 50.493,00 DM ergibt. Eine erneute Berücksichtigung von
Freibeträgen muss nicht erfolgen, solange - wie vorliegend - das fiktiv angerechnete Vermögen in Höhe der
Freibeträge noch vorhanden ist (BSG, SozR 3-4300 § 193 Nr. 2; BSG, 19.12.2001 - B 11 AL 49/01 R -). Unter
Zugrundelegung des seinerzeit relevanten Bemessungsentgelts in Höhe von 900,00 DM ergibt sich eine fehlende
Bedürftigkeit von 56 vollen Wochen, d. h. bis zum 23. Januar 1999. Ab dem 24. Januar 1999 bestand dauerhaft kein
Alhi-Anspruch mehr, da zu diesem Zeitpunkt der letzte Alg-Vorbezug über drei Jahre zurück lag (vgl. § 191 i. V. m. §
192 SGB III).
Die der Anrechnung zugrunde gelegten Vermögensbeträge waren der Klägerin und ihrem Ehemann auch zuzurechnen.
Das Bundessozialgericht - BSG - hat inzwischen verschiedentlich zur Problematik der sogenannten verdeckten
Treuhandverhältnisse entschieden. Danach muss sich der Arbeitslose, der als verdeckter Treuhänder den
Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft erzeugt, im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nicht daran festhalten
lassen. Es ist vielmehr zu prüfen, welche Vereinbarung mit welchem Inhalt getroffen worden ist und wie sich diese auf
die Vermögensinhaberschaft bzw die Verwertbarkeit des Vermögens auswirkt. Sollten sich nach Ausschöpfung aller
Ermittlungsmöglichkeiten und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der freien, aus dem Gesamtergebnis des
Verfahrens zu gewinnenden Überzeugung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) entscheidungserhebliche Tatsachen nicht
feststellen lassen, kommt es auf die objektive Beweislast an, die im Rahmen der §§ 45, 48 SGB X grundsätzlich die
Bundesagentur für Arbeit (BA) für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide trägt. Eine Umkehr
der Beweislast kann gerechtfertigt sein, wenn in der Sphäre des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar
sind (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 28.08.2007 – B 7/7a AL 10/06 R – mit Verweis auf Urteile vom 13.09.2006 - B 11a AL
13/06 R und B 11a AL 19/06 R und vom 21.03.2007 - B 11a AL 21/06 R -). Dies zugrunde gelegt, ist von einer
Beweislastumkehr zu Lasten der Klägerin auszugehen. Im Ergebnis kann nicht davon ausgegangen werden, dass die
Klägerin und ihr Ehemann das Geld lediglich für den Zeugen N. verwaltet haben und es daher im Rahmen der
Bedürftigkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen ist. Ein Treuhandverhältnis wird nicht durch die Angaben des Zeugen
N. belegt. Seine Aussage widerlegt zunächst den von der Klägerin angegebenen Grund für die angebliche
treuhänderische Verwaltung, nämlich eine Spielsucht des Zeugen: Diese hat nach seiner ausdrücklichen Angabe nicht
bestanden. Es habe lediglich Streit über seinen Umgang bzw. den Besuch von Spielotheken gegeben. Darüber hinaus
wird durch die Aussage nicht belegt, dass das unter dem 20. Mai 1994 in der Türkei angelegte Geld in Höhe von
insgesamt 108.000,00 DM Vermögen des Zeugen ist, weil es ursprünglich sein Arbeitseinkommen gewesen sein soll
und er dieses Vermögen nur zur Verwaltung an seine Mutter, die Klägerin, weitergegeben haben will. Seine Aussage
ist insoweit nicht glaubhaft. Dies folgt aus dem Umstand, dass nach objektiven Maßstäben nicht nachvollziehbar ist,
dass der Zeuge vom Beginn seiner Berufstätigkeit 1991 an, als er 16/17 Jahre alt war, soviel Einkommen erzielt hat,
dass er bis zur Geldanlage im Mai 1994, d. h. in lediglich etwa 36 Monaten, 108.000,00 DM gespart haben konnte.
Dies entspräche einer Sparleistung von etwa 3.000,00 DM monatlich. Der von ihm angegebene Nettolohn in Höhe von
2.000,00 DM hätte dafür nicht ausgereicht. Dieser kann im Übrigen auch nicht nachvollzogen werden, da der
Stundenlohn für Hilfsarbeiter in der Möbelindustrie nach dem Lohntarifvertrag für die holz- und kunststoffverarbeitende
Industrie Niedersachsen seinerzeit etwa bei 11,00 DM brutto gelegen hat. Dies entspricht einem
Bruttomonatsverdienst in Höhe von lediglich 1.903,00 DM (173 Stunden monatlich). Es ist auch zu berücksichtigen,
dass der Zeuge als Jugendlicher keine Überstunden leisten und auch nicht in Akkordlohn beschäftigt werden durfte
(§§ 8 Abs. 1, 23 Jugendarbeitsschutzgesetz). Dass der Zeuge durch seine Nebentätigkeit als Pizza-Fahrer einen für
die Ansparung der angelegten Vermögenssumme ausreichenden Verdienst hatte, ist bereits deshalb nicht
nachvollziehbar, weil er erst mit 19 Jahren den Führerschein erworben hat. Er konnte daher bis zur Vermögensanlage
im Mai 1994 lediglich über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum von etwa sechs Monaten einen Verdienst aus
dieser Beschäftigung erzielt haben. Dass dieser Verdienst so umfangreich war, um mit seinem Arbeitslohn die
angelegte Summe zusammen zu bringen, ist objektiv nicht nachvollziehbar. Der Senat bewertet diese Angaben des
Zeugen daher als vorsätzliche Falschaussage, um seine Mutter, die Klägerin, vor einer Rückforderung seitens der
Beklagten zu bewahren. Der Eindruck, dass keine treuhänderische Kapitalverwaltung vorlag, wird verstärkt durch
seine Angabe, dass nicht darüber gesprochen worden sei, unter welchen Bedingungen die Eltern das Geld hätten
behalten wollen. Beim tatsächlichen Vorliegen einer treuhänderischen Kapitalverwaltung wäre zu erwarten gewesen,
dass - auch unter nahen Angehörigen - eine Vereinbarung über die Treuhand an sich und die einzelnen Modalitäten, z.
B. über deren Dauer, wem die erlösten Zinserträge zufließen sollen etc., getroffen wird (vgl. BSG, Urteil vom
24.05.2006 - B 11a AL 7/05 R -). Eine derartige Vereinbarung ist aber weder im Hinblick auf die Klägerin noch auf
ihren Ehemann vorgetragen oder belegt. Der Abschluss einer Treuhandvereinbarung hätte insbesondere angesichts
der erheblichen Geldsumme nahegelegen.
Das Vorbringen, dass die zugrunde zu legenden Vermögenswerte wegen der Aufrechterhaltung einer angemessenen
Alterssicherung nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Alhi-VO 1974 nicht zu berücksichtigen waren, hat die
Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 24. März 2009 nicht aufrecht erhalten. Im Übrigen könnte die dafür
erforderliche Zweckbestimmung des Vermögens nicht nachvollzogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 25.03.1999 - B 7
AL 21/98 R -; Urteil vom 27.05.2003 - B 7 AL 104/02 R -). Insgesamt ist somit von einer Vermögensanrechnung und
damit von einer fehlenden Bedürftigkeit im dargelegten Umfang auszugehen.
Die Rücknahme der Bewilligung nach Maßgabe des § 45 SGB X war zulässig, weil vertrauensvernichtende Umstände
des Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 der genannten Vorschrift vorlagen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, hat die
Rücknahme einer rechtswidrigen Begünstigung nach Maßgabe des § 330 Abs. 2 SGB III als gebundene Entscheidung
zu ergehen. Das bedeutet, dass die Beklagte hinsichtlich der Rücknahmeentscheidung nicht zu
Ermessenserwägungen verpflichtet ist. Hier liegen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vor.
Danach ist kann der Begünstigte sich nicht auf Vertrauen berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die
er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. So liegt es
hier. Die Klägerin hatte in ihren Alhi-Anträgen - mit Ausnahme der Angaben zu den Guthaben auf Girokonten - bei den
Nachfragen nach Vorhandensein von Vermögen jeweils die Alternative "nein" angekreuzt. Sie hat damit ihre
Mitteilungspflichten nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - SGB I - vorsätzlich
verletzt. Unerheblich ist, dass das Vermögen in der Türkei angelegt war. Die Nachfrage war nicht auf inländisches
Vermögen beschränkt. Auch die Voraussetzungen für eine rückwirkende Leistungsaufhebung nach Maßgabe des § 48
SGB X liegen vor. Hier sind die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gegeben, da die Klägerin nach
Antragstellung bzw. Erlass der begünstigenden Verwaltungsakte Einkommen bzw. Vermögen erzielte, das zum
Wegfall oder zur Minderung ihres Anspruchs geführt hat. Darüber hinaus hat sie im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr.
2 SGB X die insoweit ebenfalls eingetretene Änderung der Verhältnisse entgegen ihren Mitteilungspflichten der
Beklagten vorsätzlich nicht angezeigt. Da vertrauensvernichtende Umstände des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorliegen
bedurfte es gemäß § 330 Abs. 3 SGB III für die rückwirkende Leistungsaushebung auch keiner Ausübung von
Ermessen durch die Beklagte. Die Klägerin hat darüber hinaus versucht, die Täuschung der Beklagten durch die
Führung des vorliegenden Rechtsstreits zu vertiefen bzw. aufrecht zu erhalten. Dies muss umso mehr gelten, als in
der mündlichen Verhandlung am 24. März 2009 bekannt geworden ist, dass sie seit 1993 weitere Vermögenswerte -
nämlich ein Hausgrundstück am Schwarzen Meer - besaß. Bei der Frage nach Grundvermögen hatte sie in den Alhi-
Anträgen ebenfalls die Alternative "nein" angekreuzt.
Die Aufhebungs- und Rücknahmefristen sind gewahrt (vgl. §§ 45 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 SGB
X).
Da somit ein Anspruch auf Alhi nicht bestand, war die Beklagte berechtigt, ihre Bewilligungen zurückzunehmen bzw.
aufzuheben. Das entsprechende Erstattungsverlangen beruht auf § 50 Abs. 1 SGB X. Rechtsgrundlage für den
Erstattungsanspruch hinsichtlich erbrachter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ist § 335 SGB III. Die
Erstattungsforderung in Höhe von insgesamt 99.424,13 EUR war von der Beklagten (ursprünglich) richtig ermittelt
worden (vgl. Bl. 209 - 211 BA).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe: