Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 03.04.2003

LSG Nsb: zumutbare tätigkeit, ausbildung, berufsunfähigkeit, erwerbsfähigkeit, niedersachsen, qualifikation, rauch, verwalter, belastung, hitze

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 03.04.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 6 RI 131/94
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 12 RI 45/97
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 5. Juli 1997 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit erfüllt.
Der am 6. Juni 1958 geborene Kläger besuchte von September 1976 bis August 1979 eine private Handelslehranstalt
und machte dort den Hauptschul- und Realschulabschluss. Von August bis Oktober 1979 arbeitete er als
Gartenarbeiter. Von November 1979 bis Januar 1980 durchlief er einen Schweißerlehrgang bei der I. AG (MIG-
Schweißen) und war anschließend bei dieser Firma bis Dezember 1993 als Schweißer beschäftigt; er war zuletzt in
die Lohngruppe 8 des Tarifvertrags der Metall-industrie im Unterwesergebiet eingestuft. Seit 11. Mai 1992 bestand
Arbeitsunfähigkeit.
Am 30. Juni 1993 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Rentenantrag unter Hinweis auf ein Bluthochdruckleiden,
Nasenhöhleneiterung und ein Meniskusleiden. Die Beklagte zog diverse Gutachten des Medizinischen Dienstes der
Krankenversicherung (MDK) aus dem Zeitraum von Mai 1991 bis Februar 1993 bei; in einem Gutachten der Ärztin Dr.
J. vom 1. Februar 1993 wurde u. a. die Auffassung vertreten, in Wechselschicht und unter Zeitdruck könne der Kläger
nicht mehr als Schweißer arbeiten. Weiter zog die Beklagte ein für das Landesarbeitsgericht Bremen erstelltes
Gutachten der Ärztin für Arbeitsmedizin Dr. K. vom 17. August 1992 bei; darin wird ein schwerer essentieller
Bluthochdruck Stadium 3-4 diagnostiziert und eine Arbeit in Wechselschicht als gesundheitsschädlich bezeichnet.
Sodann erstellte die Internistin Dr. L. im Auftrage der Beklagten ein Gutachten vom 14. Oktober 1993. Sie
diagnostizierte eine essentielle arterielle Hypertonie, ein leichtes Übergewicht und eine psychovegetative
Übererregbarkeit. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Klägers führte sie aus, dieser könne vollschichtig leichte und
gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne wesentlichen Zeitdruck, ohne erhöhte Unfallgefährdung und möglichst ohne
Wechselschicht verrichten; der Kläger sei im Übrigen für Anlernmaßnahmen im Bürobereich gut geeignet. Ferner holte
die Beklagte eine Arbeitgeberauskunft vom 29. November 1993 ein. Hiernach handelte es sich bei den ausgeübten
Tätigkeiten um Arbeiten, die eine kurze, bis zu drei Monate dauernde innerbetriebliche Einweisung oder Einarbeitung
voraussetzten; andererseits wurde angegeben, die tarifliche Einstufung habe der zuletzt tatsächlich verrichteten
Tätigkeit entsprochen.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 1993 lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit der Begründung ab, der Kläger könne
noch als Punktschweißer an Arbeitsplätzen ohne Wechselschicht tätig sein.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger unter Bezugnahme auf das arbeitsmedizinische
Gutachten von Frau Dr. K. geltend, die Begleitumstände einer Tätigkeit als Punktschweißer führten zu einer
dauerhaften Erhöhung der Blutdruckwerte und seien daher äußerst gesundheitsschädlich; er sei daher berufsunfähig.
Die Beklagte zog vom Arbeitsamt Bremen ein arbeitsamtsärztliches Gutachten der praktischen Ärztin M. vom 30.
März 1994 bei, welches in Anbetracht der ab 1. Januar 1994 eingetretenen Arbeitslosigkeit des Klägers erstellt worden
war. Die Gutachterin nahm darin an, der Kläger könne vollschichtig körperlich leichte Arbeiten in überwiegend
sitzender Körperhaltung, in geschlossenen Räumen und in Tagesschicht ohne Zeitdruck, Nässe, Kälte, Zugluft und
Temperaturschwankungen, Hitze, Staub, Rauch, Gase und Dämpfe, Schmutz, Lärm, erhöhte Verletzungsgefahr,
häufiges Bücken sowie Zwangshaltungen verrichten, so dass er im Bürobereich eingesetzt werden könne. Mit
Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 1994 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch mit der Begründung zurück,
der Kläger könne noch die Tätigkeit eines Registrators, Telefonisten, Pförtners/Rezeptionisten oder einer
Bürohilfskraft verrichten.
Der Kläger hat am 5. Juli 1994 beim Sozialgericht (SG) Bremen Klage erhoben. Er hat eine Bescheinigung des
Internisten Dr. N. vom 30. Juli 1991, einen Bericht des Instituts für Magnet-Resonanz-Diagnostik O. vom 26. März
1997 und einen Entlassungsbericht des Klinikums P. vom 22. August 1988 zu den Akten gereicht und zur
Begründung sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.
Die Beklagte hat zur Erwiderung ausgeführt, es gebe sozial zumutbare Verweisungs-tätigkeiten als
Auslieferungsfahrer, Lagerarbeiter, Hilfshandwerker, Haushandwerker und Qualitätskontrolleur.
Das SG hat u. a. weitere Entlassungsberichte der Klinik Q. vom 6. Oktober 1992 und 30. Oktober 1992 beigezogen.
Ferner hat es Befundberichte des Internisten/Kardiologen Dr. R. vom 15. März 1995 (mit der Angabe des
Ausschlusses einer koronaren Herzkrankheit bei medikamentös gut eingestelltem Hochdruck) und des
Rehabilitations-Zentrums S. vom 28. Mai 1997 eingeholt. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) haben die Internisten Dres. T. und U. ein Gutachten vom 6. Mai 1996 erstattet. Sie diagnostizieren einen
labilen, arteriellen Bluthochdruck im Stadium I-II unter Medikation, eine Übergewichtigkeit und eine Hyperlipidämie.
Die Gutachter geben an, der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Stehen und in wechselnder
Körperhaltung in geschlossenen Räumen ausüben, jedoch ohne Wechsel- bzw. Nachtschicht, Akkord, Arbeiten an
laufenden Maschinen, im Freien, in Kälte, Zugluft, Hitze und Nässe und mit häufigem Heben, Tragen, Bücken sowie
Klettern und Steigen. Dem Gutachten war ein Bericht des Kardiologen Dr. V. vom 5. Februar 1996 beigefügt. Ein
weiteres Gutachten hat das SG von der Arbeitsmedizinerin Dr. K. eingeholt. In ihrem Gutachten vom 13. Februar 1997
hat sie zusätzlich zu den Diagnosen des Vorgutachtens Beschwerden bei besonderer Belastung der Kniegelenke und
einen Rückstau im Bereich beider Füße und Unterschenkel nach längerem Stehen diagnostiziert. Auch diese
Sachverständige hielt die Ausübung von vollschichtigen leichten bis mittelschweren Arbeiten für möglich, wobei
insbesondere auch kniebelastende Tätigkeiten vermieden werden sollten. Sie hat die unterschiedlichen Anforderungen
an Schweißer-Arbeitsplätzen dargelegt und u. a. eine Tätigkeit als Auslieferungsfahrer als eine mögliche
Verweisungstätigkeit bezeichnet.
Das SG Bremen hat die Klage mit Urteil vom 9. Juni 1997 abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt,
angesichts der Einstufung des Klägers in die Lohngruppe 8 des einschlägigen Tarifvertrages während seines letzten
Beschäftigungsverhältnisses sei er als Facharbeiter anzusehen. Er müsse sich aber auf angelernte Tätigkeiten wie
Hausmeister, Qualitätskontrolleur und Auslieferungsfahrer verweisen lassen.
Gegen dieses ihm am 26. Juli 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. August 1997 Berufung beim
Landessozialgericht (LSG) Bremen eingelegt. Er hat eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem Kurs "Gas- und
Lichtbogenschweißen” in der Zeit vom 1. September bis 29. Oktober 1981 (40 Unterrichtsstunden) der W. AG,
Betriebliches Bildungswesen, vom 25. Januar 1982 eingereicht und eine Arbeitsplatzbeschreibung
"Lichtbogenschweißer” sowie Entgeltabrechnungen aus den Jahren 1980 bis 1992 vorgelegt. Zur Begründung führt er
aus, es gebe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine zumutbaren Verweisungstätig-keiten. Insbesondere die
Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers sei unzumutbar, da es sich hierbei um eine ungelernte Tätigkeit handele. Die
Verweisung auf eine Tätigkeit als Hausmeister sei zu pauschal, auch sei die körperliche Beanspruchung sehr
unterschiedlich; häufig seien mittelschwere bis schwere körperliche Arbeiten bei Transporten, Reparaturen und bei
Gartenarbeiten zu verrichten. Arbeitsplätze als Qualitätskontrolleure stünden betriebsfremden Personen nicht zur
Verfügung; hierzu wird ein Schreiben des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Rheinhessen e.V. an
das SG Trier vom 20. März 1996 eingereicht. Er sei im Übrigen in sämtlichen denkbaren Schweißverfahren
ausgebildet worden. Schließlich habe sich sein Gesundheitszustand seit dem Jahre 2000 erheblich verschlechtert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 9. Juni 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des
Bescheides vom 16. De- zember 1993 in der Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 9. Juni 1994 zu verurteilen,
dem Kläger Rente wegen verminderter Erwerbs- fähigkeit ab 1. Juni 1993 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Erwiderung zum einen auf die nach ihrer Auffassung zutreffenden Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils. Die Tätigkeiten des Auslieferungsfahrers und des Hausmeisters seien mindestens auf der
Anlernebene anzusiedeln und daher für einen Facharbeiter als Verweisungstätigkeit zumutbar. Das Gleiche gelte für
eine Tätigkeit als Qualitätskontrolleur. Darüber hinaus sei der Kläger fähig, Tätigkeiten eines Fertigungs- und
Funktionskontrolleurs im Bereich der Schloss- und Schlüsselmacher-industrie auszuüben sowie in der
Lagerverwaltung und Materialausgabe nebst Pflege der Werkzeuge, Arbeitsgeräte und Maschinen.
Das Gericht hat den Beteiligten eine berufskundliche Auskunft des Landesarbeitsamts Niedersachsen-Bremen vom
10. Februar 2000 (zum Az. L 2 J 28/96) zugesandt. Im Erörterungstermin vom 27. Juni 2000 hat der Berichterstatter
als berufskundlichen Sachverständigen den Dipl.-Verwaltungswirt Hermann X. zu möglichen Verweisungstätigkeiten
gehört. Dieser hat angegeben, angesichts der betrieblichen Ausbildung in einem Schweißverfahren und der
langjährigen Berufstätigkeit sei von einer Qualifikation eines Angelernten im oberen Bereich auszugehen, obwohl
Facharbeiterlohn bezogen worden sei. Eine Tätigkeit als Hausmeister könne er nicht erlangen und ausüben, da er
nicht einen der üblichen Zugangsberufe habe. Jedoch sei eine Tätigkeit als Auslieferungsfahrer gesundheitlich
zumutbar. Der Kläger könne auch Bürohilfstätigkeiten und eine Tätigkeit als Verwalter eines Schweißlagers verrichten.
Das Gericht hat ein Gutachten des Arbeitsamtsarztes Y. vom 8. März 2001 beigezogen, dem weitere medizinische
Unterlagen beigefügt waren. In dem Gutachten ist zum Leistungsvermögen des Klägers angegeben, er könne
vollschichtig leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Zeitdruck, Hitze, Nässe, Kälte, Zugluft und
Temperaturschwankungen, Staub, Rauch, Gase und Dämpfe, erhöhte Verletzungsgefahr, häufiges Bücken,
Zwangshaltungen und häufiges Heben und Tragen ohne mechanische Hilfsmittel verrichten. Diesem Gutachten waren
u. a. Berichte des Krankenhauses Z. vom 19. Juni und 26. Oktober 2000 beigefügt, in denen über Belastungs-EKGs
mit Werten von 100 Watt und 150 Watt berichtet worden ist. Seitens der Beklagten ist hierzu eine sozialmedizinische
Stellungnahme des Internisten – Sozialmedizin – Dr. AB. vom 2.Mai 2001 eingereicht worden. Darin heißt es, die
Belastungs-Ergometrie lasse eine mittelhohe bis hohe Belastung zu. Dem arbeitsamtsärztlichen Gutachten sei noch
zu entnehmen, dass Tätigkeiten mit sicherer Farbendifferenzierungsmöglichkeit nicht gefordert werden sollten. Im
Übrigen sei eine richtunggebende Verschlechterung nicht festzustellen.
Das Gericht hat die Rentenakte des Klägers – Versicherungsnummer 28 060658 S 034 – beigezogen. Der Inhalt
dieser Akte und der Prozessakte des LSG Niedersachsen-Bremen/SG Bremen – L 12 RI 45/97 (S 6 RI 131/94) – ist
zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG und die Beklagte haben zu Recht entschieden, dass eine
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zu zahlen ist.
Der Anspruch richtet sich gemäß § 300 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung -
(SGB VI) nach §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a. F.), falls der
Rentenanspruch vor dem 1. Januar 2001 entstanden wäre; für die Zeit danach kommt es auf die Voraussetzungen der
§§ 43, 240 SGB VI i. d. F. des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.
Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827) – SGB VI n. F. – an.
Nach § 43 Abs. 1 SGB VI a.F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjah-res Anspruch auf Rente
wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie 1. berufsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der
Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeitragszeiten haben und 3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine
Wartezeit erfüllt haben. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf
weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung
und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Abs. 2 Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen
die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten
entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen
Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Abs. 2 Satz 2).
Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI a.F. ). Nach § 240 SGB VI n.F. erhalten vor
dem 2. Januar 1961 geborene Versicherte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unter den
gleichen Voraussetzungen mit der Maßgabe, dass der Anspruch schon gegeben ist, wenn die Erwerbsfähigkeit
gegenüber vergleichbaren Versicherten auf unter sechs Stunden gesunken ist, und bereits dann ausgeschlossen ist,
wenn eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden ausgeübt werden kann.
Berufsunfähigkeit ist nach beiden Regelungen hier nicht gegeben, da der Kläger ihm zumutbare Tätigkeiten noch
vollschichtig verrichten kann. Er leidet zwar an gesundheitlichen Störungen, die auf den Umfang seiner beruflichen
Belastbarkeit einen Einfluss ausüben. Diese sind aber nicht so schwerwiegend, dass die Annahme einer verminderten
Erwerbsfähigkeit im o. a. Sinne gerechtfertigt ist. Der Kläger ist nämlich nicht daran gehindert, eine vollschichtige
Erwerbstätigkeit auszuüben. Diese Feststellung gründet sich auf die überzeugenden und im Wesentlichen auch
übereinstimmenden Gutachten der Internistin Dr. L. vom 14. Oktober 1993, der Internisten Dres. T./U. vom 6. Mai
1996 und der Arbeitsmedizinerin Dr. K. vom 13. Februar 1997 sowie der sozialmedizinischen Stellungnahme des
Internisten Dr. AB. vom 2. Mai 2001. Danach steht im Vordergrund des Beschwerdebildes des Klägers sein
Bluthochdruckleiden bei erheblichem Übergewicht und Fettstoffwechselstörungen. Daneben liegt noch ein chronisches
Knieleiden und eine Gefäßschwäche mit Beschwerden im Bereich der Füße und Unterschenkel vor. Es ist für das
Gericht überzeugend, wenn die Gutachter hinsichtlich des Leistungsvermögens des Klägers zu dem Ergebnis
gelangen, dass dieser in der Lage ist, vollschichtig eine leichte und gelegentlich mittelschwere Erwerbstätigkeit im
Sitzen und in wechselnder Körperhaltung unter Witterungsschutz und unter Vermeidung von Wechselschicht,
Akkordarbeit, Arbeiten an laufenden Maschinen, häufigen kniebelastenden Arbeiten, Arbeiten mit sicherer
Farbendifferenzierung und besonderer Stressbelastung zu verrichten.
Hingegen vermag sich das Gericht den für das Arbeitsamt erstellten Gutachten der praktischen Ärztin M. vom 30.
April 1994 und des Arztes Y. vom 8. März 2001 nur in eingeschränktem Maße anzuschließen. So soll der Kläger nach
diesen Gutachten über die oben genannten qualitativen Einschränkungen hinaus auch frei von Staub, Rauch, Gasen
und Dämpfen arbeiten; eine Funktionseinschränkung im Bereich des Atemtraktes, die als Grund für eine solche
Einschränkung des Leistungsvermögen angesehen werden könnte, ist bei dem Kläger jedoch nicht festgestellt
worden. Insbesondere ist aber kein Grund für eine Begrenzung des Leistungsvermögens auf leichte Arbeiten
erkennbar. Wie der Internist Dr. AB. in seiner Stellungnahme vom 2. Mai 2001 nachvollziehbar darlegt, ergibt sich
vielmehr aus den Berichten des BB. vom 19. Juni und 26. Oktober 2000 eine ergometrische Belastbarkeit für
mittelhohe und sogar hohe Belastungen.
Die Befundberichte der Kardiologen Dr. R. vom 15. März 1995 und Dr. V. vom 5. Februar 1996 enthalten keine in den
vorerwähnten Gutachten nicht berücksichtigten bzw. nicht gewürdigten Krankheitsbefunde, welche das berufliche
Einsatzvermögen des Klägers weiter einzuschränken in der Lage wären.
Aus der Beschreibung des Leistungsvermögens des Klägers folgt für das Gericht, dass dieser für seine bis 1992
ausgeübte Tätigkeit als Schweißer in der Automobilproduktion wegen der in diesem Bereich regelmäßig
anzutreffenden Wechselschichtarbeit und des Zeitdrucks durch Akkordarbeit nicht mehr geeignet ist.
Die Feststellung, dass der Kläger seine Tätigkeit als Schweißer im Kraftfahrzeugbau, welche den bisherigen Beruf im
Sinne von §§ 43 Abs. 2 SGB VI a. F., 240 Abs. 2 n. F. darstellt, nicht mehr verrichten kann, hat rechtlich allerdings
nicht unmittelbar zur Folge, dass er als berufsunfähig anzusehen ist. Es stellt sich vielmehr – wie bereits oben
dargelegt – die Frage, ob es Tätigkeiten gibt, auf die sich der Kläger verweisen lassen muss, und ob er unter
Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten imstande ist, eine der in
Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten zu verrichten. Die Beantwortung dieser Frage setzt zunächst die
Feststellung voraus, wie der qualitative Wert der von dem Kläger zuletzt verrichteten Tätigkeit einzuordnen ist.
Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Arbeiterberufe in Gruppen eingeteilt, wobei
der Stufenbildung im Ansatz die zur Erreichung einer bestimmten beruflichen Qualifikation normalerweise erforderliche
Ausbildung zugrunde gelegt wurde. Dementsprechend werden die Gruppen durch folgende Leitberufe charakterisiert:
Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. besonders hochqualifizierter Facharbeiter, Facharbeiter (anerkannter
Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), angelernter Arbeiter (sonstiger
Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und ungelernter Arbeiter. Die Einordnung
eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt zum einen nach der Dauer der Ausbildung, da diese
einen sicheren Hinweis auf die qualitative Bewertung eines Berufs gibt. Zum anderen kommt insbesondere den
Tarifvertragsparteien bzw. der konkreten tarif-lichen Einstufung eine maßgebliche Rolle für die Bestimmung der
Qualität einer Tätigkeit zu; denn die Tarifpartner als die unmittelbar am Arbeitsleben Beteiligten nehmen relativ
zuverlässig eine Bewertung von Berufstätigkeiten vor, die den Anforderungen des Mehrstufenschemas und den
diesem Schema zugrunde liegenden Qualitätsanforderungen entspricht (BSG vom 28.05.1991, SozR 3-2200 § 1246
Nr. 14).
Danach gehört der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters nicht nur an, wer einen anerkannten Ausbildungsberuf
im Sinne des Berufsbildungsgesetzes mit mehr als zweijähriger Ausbildung erlernt und ausgeübt hat, sondern auch
derjenige Versicherte, der in einem anerkannten Ausbildungsberuf arbeitet, ohne die hierfür erforderliche Ausbildung
durchlaufen zu haben, wenn neben der tariflichen Einstufung als Facharbeiter die Kenntnisse und Fertigkeiten in voller
Breite denjenigen eines vergleichbaren Facharbeiters mit abgelegter Ausbildung entsprechen (BSG vom 7.10.1987,
SozR 2200 § 1246 Nr. 149). Von dem Grundsatz, dass von der tariflichen Einstufung einer Berufsart auszugehen ist,
werden in der Rechtsprechung des BSG Ausnahmen nur anerkannt, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde
Merkmale wie besondere Nachteile und Erschwernisse der Arbeit oder soziale Gründe wie ein Bewährungsaufstieg
bestimmt ist (BSG vom 8.9.1982, SozR 2200 § 1246 Nr. 101; vom 3.10.1984, SozR 2200 § 1246 Nr. 123; vom
14.5.1991, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 13).
Im vorliegenden Falle kann es offen bleiben, ob der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters
zuzurechnen ist. Gegen eine solche Zuordnung spricht, dass er eine reguläre, mindestens dreijährige Ausbildung zum
Schmelzschweißer nicht durchlaufen hat. Er ist vielmehr in einem zwei- bis dreimonatigen Lehrgang bei seinem
Arbeitgeber an das Schweißen herangeführt worden. Der berufskundliche Sachverständige X. hat hierzu in seiner
Aussage vom 27. Juni 2000 ausgeführt, der Kläger sei lediglich in einem Schweißverfahren ausgebildet worden und
habe auf dieser Grundlage langjährig ge-arbeitet. Der Sachverständige hat hieraus den Schluss gezogen, die
Qualifikation des Klägers entspreche nicht der eines Facharbeiters, sondern eines angelernten Arbeiters im oberen
Bereich. Hingegen spricht für eine Zugehörigkeit des Klägers zur Gruppe der Facharbeiter zum einen sein eigenes
Vorbringen, er sei in diversen Schweißverfahren ausgebildet worden. Dieses Vorbringen ist allerdings trotz mehrfacher
Hinweise des Gerichts nur unzureichend von Seiten des Klägers untermauert worden; er hat in diesem
Zusammenhang lediglich die Bescheinigung der W. AG vom 25. Januar 1982 über die Absolvierung eines Lehrgangs
zum Gas- und Lichtbogenschweißer vorgelegt. Von größerer Bedeutung könnte die Einstufung in die (Facharbeiter-
)Tarifgruppe 8 des Tarifvertrags der Metallindustrie im Unterwesergebiet sein. Nach der Arbeitgeberauskunft vom 29.
November 1993 entsprach diese tarifliche Einstufung auch den tatsächlich verrichteten Tätigkeiten des Klägers. In die
Lohngruppe 8 werden nach dem Tarifvertrag Beschäftigte eingestuft, die Arbeiten ausführen, die Arbeitskenntnisse
und Handfertigkeiten voraussetzen, wie sie durch eine abgeschlossene fachentsprechende Berufslehre oder durch
gleich zu bewertendes einschlägiges Können erreicht werden. In der erwähn-ten Arbeitgeberauskunft ist allerdings
auch ausgeführt, dass der Kläger in Wechselschicht und unter Akkordbedingungen gearbeitet hat. Hierbei könnte es
sich um besondere Nachteile oder Erschwernisse der Arbeit, also um qualitätsfremde Merkmale im oben erwähnten
Sinne handeln.
Als ein der Gruppe der Arbeiter mit dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnender Versicherter wäre der Kläger auf
alle Tätigkeiten verweisbar, die zu den Facharbeiterberufen oder den sonstigen anerkannten Ausbildungsberufen
gehören oder die eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten erfordern (BSG vom 25.6.1986,
SozR 2200 § 1246 Nr. 137; vom 17.11.1987, SozR 2200 § 1246 Nr. 152). Den sonstigen Ausbildungsberufen
gleichzustellen sind ungelernte Tätigkeiten, die sich durch besondere Qualitätsmerkmale wie durch eine
Vertrauensstellung oder besondere Verantwortung aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten so hervorheben, dass
sie den angelernten Tätigkeiten gleichstehen, tariflich wie diese eingestuft sind und von dem Versicherten innerhalb
einer drei Monate andauernden Einweisungs- und Einarbeitungszeit erlernt werden können (BSG vom1.2.1984, SozR
2200 § 1246 Nr. 116; vom 22.7.1992 – 13 RJ 21/91).
Wenn das Gericht dem für eine Facharbeiter-Qualifikation sprechenden Vorbringen des Klägers folgt, er sei in
diversen Schweißverfahren ausgebildet, wäre er auf Schweißertätigkeiten in solchen Schweißverfahren verweisbar,
bei denen keine höheren Anforderungen an den Bewegungsapparat anfallen und die nicht mit Schicht- oder
Nachtarbeit oder Akkordbedingungen ausgeübt werden. Nach dem Gutachten der Arbeitsmedizinerin Dr. K. vom 13.
Februar 1997 gibt es durchaus auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland in größerem Umfange solche
Arbeitsplätze. Seine beruflichen Erfahrungen im Schweißbereich könnte der Kläger daneben auch in einer Tätigkeit als
Verwalter eines Schweißlagers verwerten. Nach den Aussagen des berufskundlichen Sachverständigen X. führen
bestimmte Betriebe wie z. B. Werften oder Stahlkonstruktionsbetriebe eigene Lagerbereiche, in denen ausschließlich
die Schweißmaterialien verwaltet werden. Die Arbeitssituation stellt sich so dar, dass bei Arbeitsbeginn und bei
Arbeitsende die Materialien ausgegeben bzw. wieder zurückgenommen werden. Hierbei fallen weder schwere noch
ständig mittelschwere Tätigkeiten an, so dass der Kläger den körperlichen Anforderungen einer solchen Tätigkeit
gewachsen wäre. Angesichts der für eine solche Tätigkeit erforderlichen Fachkenntnisse handelt es sich auch bei
dieser Tätigkeit jedenfalls um eine angelernte Tätigkeit.
Sollte der Kläger aufgrund seines bisherigen Berufs hingegen der Gruppe der Versicherten mit dem Leitberuf des
angelernten Arbeiters (im oberen Bereich) zuzurechnen sein, dürfte er nach der Rechtsprechung des BSG nicht auf
alle Tätigkeiten der untersten Gruppe mit dem Leitberuf des Ungelernten verwiesen werden. Für eine Verweisung der
im oberen Bereich angesiedelten Versicherten scheiden vielmehr ungelernte Tätigkeit von ganz geringem qualitativen
Wert als nicht zumutbar aus (BSG vom 15.11.1983, SozR 2200 § 1246 Nr. 109). Aus der so eingeschränkten
Verweisbarkeit folgt ferner, dass mindestens eine in Betracht kommende Verweisungs-Tätigkeit konkret bezeichnet
werden muss. Für ihn kämen weitere gesundheitlich zumutbare Verweisungstätigkeiten in Betracht.
Zunächst ist die bereits oben angeführte Tätigkeit als Verwalter eines Schweißlagers anzuführen. Sodann haben die
Sachverständigen Dr. K. und X. übereinstimmend die Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers angeführt. Nach den
Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. wird im Nahverkehrsbereich häufig ohne Nacht- und Schichtarbeit
gearbeitet. Von einem besonderen Stress sei bei zunehmender Fahrerfahrung nicht auszugehen. Auch die körperliche
Belastung beim Be- und Entladen übersteige nicht die Möglichkeiten des Klägers, zumal technische Hilfsmittel zur
Erleichterung eingesetzt würden. Ob der Kläger angesichts der genannten zumutbaren Verweisungs-Tätigkeiten
zusätzlich auch noch auf eine Tätigkeit als Bürohilfskraft verweisbar ist, wie dies der berufskundliche
Sachverständige X. unter Hinweis auf die einschlägige schulische Ausbildung des Klägers sowie die Gutachterin
Seebach in ihrem Gutachten vom 30. März 1994 angenommen haben, kann dahinstehen.
Wenn danach Berufsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung weder nach altem noch nach neuem
Recht vorliegt, so ist der Kläger auch nicht als erwerbsunfähig i. S. v. § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. oder als voll
erwerbsgemindert i. S. v. § 43 Abs. 2 SGB VI n.F. anzusehen; denn der Begriff der Erwerbsunfähigkeit bzw. der
vollen Erwerbsminderung setzt im Vergleich zu dem der Berufsunfähigkeit eine noch weitergehende Einschränkung
des Leistungsvermögens der Versicherten voraus. Bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen kommt ferner eine
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung i. S. v. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI n.F. nicht in Betracht.
Nach alledem steht dem Kläger eine Versichertenrente aus der gesetzlichen Renten-versicherung zum gegenwärtigen
Zeitpunkt nicht zu, so dass der Berufung der Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision lag kein gesetzlicher Grund im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG vor.