Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 23.01.2003

LSG Nsb: schwerhörigkeit, lärm, niedersachsen, entstehung, hörschaden, wahrscheinlichkeit, anerkennung, berufskrankheit, minderung, erwerbsfähigkeit

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 23.01.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 36 U 361/02
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 6 B 390/02 U
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 11. November 2002 wird
zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe - PKH - für das Verfahren vor dem Sozialgericht - SG - , in dem über die
Anerkennung einer Berufskrankheit - BK - (Nr. 2301: Lärmschwerhörigkeit) und die Erstattung der Kosten für die
Anschaffung von zwei Hörgeräten gestritten wird.
Der 1962 geborene Kläger, der seit 1999 beiderseits ein Hörgerät trägt, ist verheiratet - die Ehefrau erzielt kein
Einkommen - und hat ein im Jahr 2000 geborenes Kind, für das er Kindergeld bezieht. Er verdient als
Gabelstaplerfahrer monatlich 2.131,85 EUR (vgl. im Einzelnen die Erklärung über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse vom 27. September 2002).
Der Kläger war nach einer Ausbildung zum Kessel- und Stahlbauschlosser in diesem Beruf bis August 1994 tätig und
dabei Lärm ausgesetzt, der geeignet ist, eine Lärmschwerhörigkeit zu verursachen. Seitdem ist er nicht mehr
lärmexponiert tätig und arbeitet seit 1996 als Gabelstaplerfahrer. Auf die Anzeige über eine BK des Arztes für Hals- ,
Nasen- und Ohrenkrankheiten Dr. C. vom 10. Okto-ber 2000 prüfte die Beklagte, ob die arbeitstechnischen und
medizinischen Voraussetzungen einer berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit vorliegen und holte deshalb u.a. das nach
ambulanter Untersuchung erstattete ohrenärztliche Gutachten des Prof. Dr. D. vom 19. Oktober 2001 mit ergänzender
Stellungnahme vom 15. April 2002 sowie die ohrenärztlichen Stellungnahmen ihres beratenden Arztes Dr. E. vom 18.
Dezember 2001 und des Landesgewerbearztes Prof. Dr. F. vom 12. Februar 2002 ein.
Gestützt auf das Ergebnis ihrer Ermittlungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Juli 2002 die Anerkennung
einer BK nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung ab, weil der berufsbedingte Lärm, dem der
Kläger ausgesetzt gewesen sei, nicht die Ursache seiner Hörstörung sei. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos
(Widerspruchsbescheid vom 30. August 2002).
Dagegen hat der Kläger am 30. September 2002 Klage vor dem Sozialgericht - SG - Hannover erhoben und PKH
beantragt. Das SG hat den Antrag auf PKH mit Beschluss vom 11. November 2002 abgelehnt, weil die beabsichtigte
Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete: Nach den Stellungnahmen ihres Technischen
Aufsichtsdienstes - TAD - sei der Kläger zwar von 1986 bis 1993 grenzwertigen Lärmbelastungen von 85 Dezibel (dB)
und mehr als 85 dB ausgesetzt gewesen, so dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für diesen Zeitraum erfüllt
sein dürften. Im Ergebnis könne dies jedoch offen bleiben, weil die beiderseitige Hörstörung nicht mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf diese Lärmexposition zurückzuführen sei. Wegen der Einzelheiten der
Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen ihm am 15. November 2002 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 5. Dezember 2002 Beschwerde
eingelegt. Er bezieht sich auf den Arzt für Hals- , Nasen- und Ohrenheilkunde G ... Dieser habe ihm bestätigt, dass
die Hörschädigung im Innenohr liege und annähernd seitengleich sei und außerdem, dass keine wesentliche
Verschlechterung seit 1995 (nach dem Ende der Lärmexposition) eingetreten sei. Es sei vielmehr davon auszugehen,
dass zur lärmbedingten Vorschädigung unerhebliche, kaum messbare und auf andere Faktoren zurückzuführende
Anzeichen einer Zunahme der Schwerhörigkeit hinzugetreten seien.
Die Beklagte hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend (vgl. den Schriftsatz vom 20. Dezember 2002).
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§ 73a Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 127 Abs. 2
Zivilprozessordnung - ZPO - ). Sie ist jedoch mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung (§ 73a
SGG i.V.m. § 114 ZPO) nicht begründet. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, sofern ein Erfolg oder Teilerfolg
als durchaus möglich erscheint. Eine Erfolgsaussicht in diesem Sinne ist, wie das SG zutreffend entschieden hat, im
vorliegenden Fall jedoch schon nach dem Ergebnis des Verwaltungsverfahrens nicht gegeben. Die für das PKH-
Verfahren gebotene summarische Prüfung führt vielmehr zu dem Ergebnis, dass die Schwerhörigkeit des Klägers
nicht wesentlich auf berufsbedingten Lärm zurückzuführen ist. Zur Begründung wird, um Wiederholungen zu
vermeiden, auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Darin wird auch zutreffend ausgeführt,
dass die Ermittlungen im Verwaltungsverfahren - insbesondere das Gutachten des Prof. Dr. D. - auch im gerichtlichen
Verfahren zu verwerten sind.
Die Beschwerdebegründung führt zu keiner für den Kläger günstigeren Beurteilung. Das gilt auch dann, wenn man
davon ausgeht, dass die Ausführungen des behandelnden Ohrenarztes H. in der Beschwerdebegründung zutreffend
wiedergegeben worden sind. Denn entscheidend ist, dass Prof. Dr. D. alle vorliegenden Audiogramme - auch
diejenigen, die der Ohrenarzt H. der Beklagten mit Bericht vom 27. November 2000 übermittelt hat - nach den
allgemein anerkannten Beurteilungskriterien im Hinblick auf die Frage ausgewertet hat, ob sich daraus mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit eine wesentlich lärmbedingte Entstehung der Hörstörung des Klägers ableiten lässt.
Er hat dabei durchaus eingeräumt, dass man aus dem Audiogramm vom 12. September 1993 (Blatt 88 der
Verwaltungsakten) auf einen Lärmschaden schließen kann, hat aber gleichwohl an seiner Auffassung festgehalten,
dass der Hörschaden des Klägers nicht wesentlich lärmbedingt ist. Diese Beurteilung erscheint deshalb schlüssig,
weil Prof. Dr. D. aus den überschwelligen Tests, den deutlichen Schwankungen des Hörvermögens und der Zunahme
der Schwerhörigkeit nach dem Ende der Lärmexposition zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Hörschaden im
Wesentlichen endogen und damit nicht aufgrund der Lärmexposition wesentlich verursacht worden ist. Im Übrigen ist
der beratende Arzt der Beklagten, Dr. E., von seiner ursprünglichen Vermutung, es liege eine BK nach Nr. 2301 vor
(fachärztliche Stellungnahme vom 20. Juli 2001), abgerückt und hat in seiner Stellungnahme vom 18. Dezember 2001
ausgeführt, dem Gutachten des Prof. Dr. D. sei in allen Punkten zu folgen. Schließlich ist Prof. Dr. F. in seiner
gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 12. Februar 2002 zwar davon ausgegangen, dass ein geringfügiger
lärmbedingter Hörverlust mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - von unter 10 v.H. entstanden sei, dass
dann jedoch offensichtlich später ein lärmunabhängiger Prozess eingesetzt habe, der auch mit Hörverlusten im
Tieftonbereich einhergegangen sei. Auch dieser Beurteilung ist zu entnehmen, dass dem Berufslärm, dem der Kläger
ausgesetzt war, für die Entstehung der Schwerhörigkeit allenfalls eine untergeordnete und damit keine wesentliche
Bedeutung zukommt.
Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).