Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 30.01.2003

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 30.01.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 7 RI 738/98
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 10 RI 43/01
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. Dezember 2000 aufgehoben. Die
Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf eine Witwerrente.
Der 1924 geborene Kläger ist Witwer der 1925 geborenen und am 15. Mai 1998 verstorbenen Versicherten der
Beklagten I., geb. J. (Versicherte). Die Eheleute hatten am 26. Januar 1946 die Ehe geschlossen. Die Versicherte
bezog seit dem 1. September 1951 ununterbrochen bis zum Beginn ihrer Regelaltersrente am 1. November 1990 eine
Erwerbsunfähigkeitsrente von der Beklagten auf Grund eines Lungenleidens sowie einer Herzinsuffizienz. Seit
November 1996 bezog sie ferner auf Grund eines Pflegegutachtens des Medizinischen Dienstes der
Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN) vom 17. Juni 1997 Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung
nach Pflegestufe I, die rückwirkend seit März 1997 als Pflegegeld in Höhe von monatlich 400,00 DM an den Kläger
gezahlt wurden. Auf Grund eines ergänzenden Pflegegutachtens des MDKN vom 25. Mai 1998 wurde die Versicherte
rückwirkend ab März 1998 in die Pflegestufe II eingestuft; zur Auszahlung eines erhöhten Pflegegeldes kam es zu
ihren Lebzeiten jedoch nicht mehr. Der Kläger bezog seinerseits seit dem 1. Dezember 1979 eine
Erwerbsunfähigkeitsrente und erhält seit dem 1. April 1989 eine Regelaltersrente von der Beklagten, deren
Zahlbeträge jeweils über denen der Renten der Versicherten lagen.
Am 4. Dezember 1988 hatten die Eheleute vor dem Versicherungsamt der Stadt K. schriftlich erklärt, dass für sie ab
dem 1. Januar 1986 weiter das bis zum 31. Dezember 1985 geltende ("alte”) Hinterbliebenenrentenrecht Anwendung
finden soll.
Am 28. Mai 1998 beantragte der Kläger die Gewährung einer Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen
Ehefrau. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. Juni 1998 ab, da nach dem anzuwendenden "alten”
Hinterbliebenenrentenrecht ein Anspruch auf eine Witwerrente nur bestehe, wenn die Versicherte den Unterhalt der
Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand überwiegend bestritten habe. Als letzter wirtschaftlicher
Dauerzustand sei der Zeitraum vom 1. Mai 1997 bis 30. April 1998 zu berücksichtigen. In diesem Zeitraum habe nicht
die Versicherte, sondern der Kläger die überwiegenden Einkünfte erzielt. Das Pflegegeld könne den Einkünften der
Versicherten dabei nicht hinzugerechnet werden. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger insbesondere geltend,
dass die Versicherte und er bei Abgabe der Erklärung über die Anwendbarkeit des "alten” Hinterbliebenenrentenrechts
vom Versicherungsamt der Stadt K. fehlerhaft beraten worden seien. Dort sei ihnen erläutert worden, dass nach
Abgabe einer entsprechenden Erklärung auch dem Witwer eine Hinterbliebenenrente zustehen könne. Nur im Hinblick
darauf sei die Erklärung abgegeben worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 1998 wies die Beklagte den
Widerspruch zurück. Darin vertrat sie nunmehr die Auffassung, dass als letzter wirtschaftlicher Dauerzustand die Zeit
seit dem 1. März 1998 bis zum Tode der Versicherten anzusehen sei. Zwar sei dabei das gezahlte Pflegegeld auf
Seiten der Versicherten als ihr zusätzlicher Beitrag zum Familienunterhalt zu berücksichtigen, jedoch stehe dem die
vom Kläger persönlich geleistete Pflege mindestens in Höhe dieses Pflegegeldes als dessen zusätzlicher Beitrag
zum Familienunterhalt gegenüber. Beide zusätzlichen Unterhaltsbeiträge würden sich daher gegenseitig aufheben und
könnten im Ergebnis unberücksichtigt bleiben. Aus dem Vergleich der Renten beider Eheleute ergebe sich sodann,
dass die Versicherte im maßgeblichen Zeitraum nicht den überwiegenden Anteil zum Familienunterhalt beigetragen
habe. Von einer fehlerhaften Beratung der Eheleute durch das Versicherungsamt K. könne nicht ausgegangen werden:
Sämtliche Mitarbeiter seien damals hinreichend über die Rechtsänderungen im Hinterbliebenenrentenrecht sowie über
die Bedeutung und Tragweite einer gemeinsamen Erklärung zur Weitergeltung des "alten” Hinterbliebenenrentenrechts
informiert gewesen seien. Es sei bekannt gewesen, dass es vor allem für die Geltung des "neuen”, seit 1. Januar
1986 geltenden Rechts nicht der Abgabe einer entsprechenden Erklärung bedurfte. Das "neue” Recht sei für die
Eheleute auch nicht in einem Maße vorteilhaft gewesen, dass es geradezu zwingend habe erscheinen müssen, keine
Erklärung abzugeben. Insgesamt sei daher von der Wirksamkeit der von den Eheleuten getroffenen Rechtswahl
auszugehen.
Auf die vom Kläger dagegen beim Sozialgericht (SG) Hannover erhobene Klage hat das SG eine Auskunft des
Versicherungsamtes der Stadt K. vom 13. Oktober 1999 eingeholt und sodann im Termin zur mündlichen Verhandlung
am 14. Dezember 2000 die seinerzeit tätig gewordenen Mitarbeiter dieser Behörde L. und M. als Zeugen vernommen.
Mit Urteil vom selben Tage hat es dem Klagebegehren sodann entsprochen und die Beklagte zur Leistung einer
Witwerrente ab dem 1. Juni 1998 nach "neuem” Recht verurteilt. Der Kläger könne sein Begehren auf einen
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen, da er gemeinsam mit der Versicherten vor Abgabe der gemeinsamen
Erklärung zur Anwendung des "alten” Hinterbliebenenrentenrechts vom Versicherungsamt der Stadt K. fehlerhaft
beraten worden sei. Zwar könne dies nicht auf das Ergebnis der Zeugenvernehmung gestützt werden, da die gehörten
Zeugen zum Inhalt des Gesprächs mit den Eheleuten keine Angaben mehr hätten machen können. Allerdings ergebe
eine Berücksichtigung der Vor- und Nachteile, die sich jeweils für den Kläger und die Versicherte unter Geltung des
"alten” bzw. des "neuen” Rechts darstellten, dass die Eheleute unzureichend beraten worden seien: Nur nach "neuem”
Recht wäre dem Kläger im konkreten Fall überhaupt erst ein Hinterbliebenenrentenanspruch erwachsen. Andererseits
hätte er bei Anwendung des "neuen” Rechts nur eine vergleichsweise geringfügige Kürzung der Hinterbliebenenrente
durch Anrechnung seiner eigenen Altersrente hinnehmen müssen. Deshalb wäre es bereits aus damaliger Sicht
gerade zu zwingend gewesen, eine Erklärung über die Fortgeltung des "alten” Rechts nicht abzugeben. Die Mitarbeiter
des Versicherungsamtes K. hätten bei dieser Sachlage die gemeinsame Erklärung der Eheleute nicht annehmen
dürfen bzw. von ihr abraten müssen. Insgesamt sei der Kläger deshalb so zu stellen, als wenn die gemeinsame
Erklärung nicht abgegeben worden wäre. Ihm stehe damit die geltend gemachte Hinterbliebenenrente nach "neuem”
Recht zu.
Gegen dieses ihr am 18. Januar 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 9. Februar 2001 Berufung beim
Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung unter anderem vorgetragen, dass die Voraussetzungen für den
vom SG angenommen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht vorlägen. Die dafür erforderliche Pflichtverletzung
habe nicht bewiesen werden können. Für eine ordnungsgemäße Beratung der Eheleute spreche auch, dass diese auf
der gemeinsamen Erklärung schriftlich bestätigt hätten, dass maßgebliche Informationsmaterial zur Anwendung des
"alten” Hinterbliebenenrentenrechts zur Kenntnis genommen zu haben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. Dezember 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. Dezember 2000 zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der von den
Eheleuten in der gemeinsamen Erklärung unterzeichneten Anmerkung, das maßgebliche Informationsmaterial zur
Kenntnis genommen zu haben. Dies stelle vielmehr in Form einer "allgemeinen Geschäftsbedingung” eine bloße
Unterstellung einer ausführlichen Information und ordnungsgemäßen Beratung dar. Demgegenüber müsse die
Beklagte nachweisen, dass sie ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Beratung nachgekommen sei. Es sei auch nicht
ersichtlich, welche Vorteile die Wahl des "alten” Hinterbliebenenrentenrechts für die Eheleute gehabt haben sollte. Die
spätere Pflegebedürftigkeit der Versicherten und damit die Möglichkeit, dass sie durch Pflegegeld im Wesentlichen
den Unterhalt der Familie bestreiten könne, sei zum Zeitpunkt der gemeinsamen Erklärung nicht absehbar gewesen.
Schließlich sei die Versicherte bereits im Dezember 1988 derart erkrankt gewesen, dass mit ihrem Vorversterben
gerechnet werden musste. Die in der gemeinsamen Erklärung vorgenommene Rechtswahl habe sich bei
Berücksichtigung dieser Umstände daher nicht als vorteilhaft darstellen können. Soweit es nach "altem” Recht auf
den überwiegenden Beitrag zum Familienunterhalt ankomme, seien aber auch die für die Versicherte vor ihrem Tode
geleisteten Pflegegeldzahlungen als ihr ergänzender Beitrag zu berücksichtigen.
Der Senat hat im vorbereitenden Verfahren eine Auskunft der Pflegekasse bei der N., Regionaldirektion K., vom 29.
Oktober 2002 eingeholt, der auch die Pflegegutachten über die Versicherte vom 17. Juni 1997 und vom 25. Mai 1998
beigefügt waren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird
auf den Inhalt der Prozessakte, der Verwaltungsakte der Beklagten und der zum Verfahren beigezogenen
Versichertenakte des Klägers Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind und der Entscheidungsfindung des Senats zu Grunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Die
Berufung ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des SG hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Witwerrente
aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau. Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die
Voraussetzungen für die Annahme eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs und damit für die Unwirksamkeit der
gemeinsamen Erklärung der Eheleute vom 4. Dezember 1988 über die Fortgeltung des "alten”, am 31. Dezember 1985
geltenden Hinterbliebenenrentenrechts vorliegen (I.). Der Anspruch des Klägers auf Witwerrente nach dem daher
anzuwendenden § 303 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch — Gesetzliche Rentenversicherung — (SGB VI) scheitert
daran, dass die Versicherte den Unterhalt ihrer Familie im zu Grunde zu legenden letzten wirtschaftlichen
Dauerzustand vor ihrem Tode nicht überwiegend bestritten hat (II.). Die angefochtenen Bescheide der Beklagten
erweisen sich daher als rechtmäßig.
I.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Witwerrente nach dem "neuen”, seit 1. Januar 1986 geltenden
Hinterbliebenenrentenrecht (§ 46 SGB VI) zu. Die Eheleute haben durch ihre schriftliche Erklärung vom 4. Dezember
1988 gem. Art. 2 § 18 Abs. 3 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) vom 23. Februar 1957
(BGBl. I, 45) in der Fassung nach Inkrafttreten von Art. 4 Nr. 2 des Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-
Gesetzes (HEZG) vom 11. Juli 1985 (BGBl. I, 1450) unwiderruflich die Fortgeltung der am 31. Dezember 1985
geltenden Rechtsvorschriften für Renten an Witwen und Witwer bestimmt, so dass allein das nunmehr in § 303 SGB
VI geregelte "alte” Hinterbliebenenrentenrecht Anwendung findet. Von dieser Erklärung kann sich der Kläger auch
nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs lösen, denn dessen Voraussetzungen liegen nicht vor.
Nach diesem in ständiger Rechtsprechung (vgl. bereits BSGE 32, 60; 34, 124; BSG SozR 1300 § 44 Nr. 18)
entwickelten Rechtsinstitut kann ein Versicherter die Herstellung desjenigen Rechtszustandes verlangen, der
eingetreten wäre, wenn er von dem zuständigen Sozialleistungsträger oder von einem diesem zuzurechnenden Dritten
pflichtwidrig fehlerhaft beraten worden ist und ihm dadurch ein sozialrechtlicher Schaden entstanden ist. Die
Voraussetzungen für das Bestehen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hat dabei grundsätzlich derjenige zu
beweisen, der daraus ein Recht für sich in Anspruch nimmt (vgl. zuletzt BSG SozR 3-2600 § 197 Nr. 2).
Der Senat vermag danach bereits nicht zu erkennen, dass sich die Beklagte oder die mit der Beratung der Eheleute
befassten Mitarbeiter des Versicherungsamtes K. pflichtwidrig verhalten haben. Aus den vorliegenden Unterlagen ist
lediglich zu entnehmen, dass der Kläger am 14. November 1988 um einen Beratungstermin beim Versicherungsamt
K. zur Abgabe der Erklärung über die Wahl des "alten” Hinterbliebenenrentenrechts gebeten und die von ihm und
seiner Ehefrau am 4. Dezember 1988 unterschriebene "gemeinsame Erklärung” dort am 5. Dezember 1988 abgegeben
hat. Ob und inwieweit in diesem Zusammenhang überhaupt eine Beratung des Klägers und/oder der Versicherten
stattgefunden hat, lässt sich den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen. Es ergibt sich lediglich, dass der Kläger
(und die Versicherte) die "gemeinsame Erklärung” weder unmittelbar bei Gelegenheit der Vorsprache zur Umwandlung
seiner Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Altersrente unterschrieben hat — der entsprechende Umwandlungsantrag
datiert vielmehr bereits vom 14. November 1988 — noch erst bei ihrer Abgabe am 5. Dezember 1988. Den Aussagen
der vom SG vernommenen Zeugen L. und M. lassen sich ebenfalls keine Angaben für eine Beratung entnehmen, da
sich beide Zeugen an Einzelheiten des Kontaktes mit dem Kläger bzw. der Versicherten nicht mehr erinnern konnten.
Der Nachweis einer pflichtwidrig fehlerhaften Beratung der Eheleute kann auch nicht dadurch als erbracht angesehen
werden, dass es möglicherweise für die Eheleute zum damaligen Zeitpunkt vorteilhafter gewesen wäre, die
gemeinsame Erklärung über die Fortgeltung des "alten” Hinterbliebenenrentenrechts nicht abzugeben und damit die
Geltung des "neuen” Rechts zu bewirken. Entgegen der Auffassung des SG vermag der Senat nicht zu erkennen,
dass nur das "neue” Hinterbliebenenrentenrecht ausschließliche oder zumindest überwiegende Vorteile für die
Eheleute bedeutet hätte. Richtig ist zwar, dass nur durch die Wahl des "neuen” Rechts dem Kläger unter den
gegebenen Umständen ein möglicher Anspruch auf eine Witwerrente erwachsen konnte. Andererseits hätte die
Anwendung des "neuen” Rechts für die Versicherte im Falle des Vorversterbens des Klägers bedeutet, dass ihre
eigene Erwerbsunfähigkeits- bzw. (ab 1. November 1990) Regelaltersrente auf die Witwenrente — zumindest teilweise
— Anrechnung gefunden hätte (§ 1281 Reichsversicherungsordnung - RVO - in der seit 1. Januar 1986 geltenden
Fassung/§ 97 SGB VI in der seit 1. Januar 1992 geltenden Fassung). Der Umstand, dass dies möglicherweise nur in
einem geringen Umfang der Fall gewesen wäre, lässt die Entscheidung der Eheleute in der gemeinsamen Erklärung
noch nicht in einem Maße als unvernünftig erscheinen, dass ihnen hiervon in jedem Fall hätte abgeraten werden
müssen. Vielmehr konnten sich gerade die geringere Rente der Versicherten und ihre bereits langjährige Erkrankung
als Umstände darstellen, die es nachvollziehbar erscheinen ließen, in jedem Fall eine Verringerung der ihr nach
"altem” Recht zustehenden Ansprüche auf eine Hinterbliebenenversorgung zu vermeiden. Bei dieser Sachlage kann
nicht davon ausgegangen werden, dass nur eine Entscheidung — die für die Anwendung des "neuen”
Hinterbliebenenrentenrechts —sachgerecht gewesen wäre. Aus dem bloßen Umstand, dass sich die von den
Eheleuten vorgenommene Rechtswahl später als nachteilig erwiesen konnte, ergibt sich kein überzeugender
Nachweis für einen der Beklagten zuzurechnenden Beratungsfehler. Eine Verpflichtung der Sozialleistungsträger,
nach ordnungsgemäßer Beratung des Versicherten dessen rechtlich zulässige Erklärung nicht zu akzeptieren bzw.
nicht anzunehmen, ist nicht ersichtlich. § 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch — Allgemeiner Teil — (SGB I)
verpflichtet die Sozialleistungsträger lediglich zu einer ordnungsgemäßen Beratung der Versicherten, nicht aber dazu,
diese nach ordnungsgemäßer Beratung vor möglichen späteren nachteiligen Auswirkungen ihrer Entscheidungen zu
bewahren. Eine solche Verpflichtung kann auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs
begründet werden. Der Kläger muss sich daher an der gemeinsamen mit seiner verstorbenen Ehefrau abgegebenen
Erklärung zur Anwendbarkeit des "alten” Hinterbliebenenrentenrechts festhalten lassen.
II.
Nach der somit hier allein anwendbaren Vorschrift des § 303 SGB VI steht dem Kläger der geltend gemachte
Anspruch auf eine Witwerrente nicht zu. Danach besteht, wenn die Ehegatten bis zum 31. Dezember 1988 eine — wie
dargelegt — wirksame Erklärung über die weitere Anwendung des bis zum 31. Dezember 1985 geltenden
Hinterbliebenenrentenrechts abgegeben haben, ein Anspruch auf eine Witwerrente unter den sonstigen
Voraussetzungen des geltenden Rechts nur, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie im letzten
wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode überwiegend bestritten hat (§ 303 Satz 1 SGB VI). Die Regelung ist mit
dem Grundgesetz vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1264 Nr. 8). Die genannte Voraussetzung liegt jedoch nicht vor. Die
Versicherte hat im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand den Unterhalt der Familie nicht überwiegend bestritten.
Als letzter wirtschaftlicher Dauerzustand sind nach ständiger Rechtsprechung diejenigen wirtschaftlichen Verhältnisse
zu berücksichtigen, die sich nach der letzten wesentlichen Änderung mit Dauerwirkung in der Regel bis zum Tode des
Versicherten ergeben haben (vgl. BSG SozR 2200 § 1266 Nrn. 9, 23). Ein starrer zeitlicher Maßstab kann dabei nicht
angelegt werden, entscheidend sind vielmehr die Verhältnisse des Einzelfalls (vgl. BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 9).
Zum Familienunterhalt ist unter Rückgriff auf § 1360a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) alles zu rechnen, was
nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die
persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten zu befriedigen (vgl. BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 23). Hierzu zählen zunächst
alle den Ehegatten zufließenden Geldleistungen, die dem Unterhalt der Familie zu dienen bestimmt sind, unabhängig
davon, ob es sich um Einkommen oder Einkommensersatzleistungen, wie zum Beispiel auch Pflegegeld nach dem
Bundessozialhilfegesetz (vgl. BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 7), handelt. Zu berücksichtigen sind allerdings nur solche
Leistungen, die bis zum Ende des maßgeblichen Zeitraums tatsächlich erbracht worden sind und damit zum
Familienunterhalt tatsächlich beigetragen haben. Damit ist die Berücksichtigung solcher Leistungen ausgeschlossen,
die dem Verstorbenen zwar rechtlich zustanden, tatsächlich aber erst nach Beendigung des letzten wirtschaftlichen
Dauerzustandes in seine bzw. in die Verfügungsgewalt seiner Rechtsnachfolger gelangt sind (vgl. BSG SozR 2200 §
1266 Nrn. 9, 15). Zu den zu berücksichtigen Unterhaltsbeiträgen zählt darüber hinaus neben Geldleistungen auch der
wirtschaftliche Wert der geleisteten Haushaltsführung und etwaiger Pflegedienste für hilfsbedürftige
Familienangehörige (vgl. BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 7). Der Wert dieser Leistungen ist im Zweifel danach zu
bemessen, welche Einkünfte der jeweilige Ehegatte in einem vergleichbaren Beschäftigungsverhältnis bei einem
Arbeitsgeber erzielt hätte (vgl. BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 13; BSG, Urteil vom 12. September 1990 — 5 RI 67/89).
Gemessen an diesem Maßstab liegen die Voraussetzungen für den geltend gemachten
Hinterbliebenenrentenanspruch nicht vor. Der Senat kann es dabei dahingestellt sein lassen, ob als letzter
wirtschaftlicher Dauerzustand vor dem Tode der Versicherten nur der Zeitraum ab dem 1. März 1998 (Neubewertung
der Pflegestufe durch den MDKN), der Zeitraum vom 1. Mai 1997 bis 30. April 1998 (letzte zwölf Monate vor dem
Todesmonat der Versicherten) oder der Zeitraum ab Beginn der Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung (1.
November 1996) anzusehen ist. Während jedes der genannten Zeiträume standen den Eheleuten im Wesentlichen die
Geldmittel aus den beiderseitigen Renten und den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung zur Verfügung. Die
Einstufung in eine höhere Pflegestufe auf Grund des Gutachtens des MDKN vom 25. Mai 1998 ist zu Lebzeiten der
Versicherten nicht mehr in Form der Auszahlung eines höheren Pflegegeldes wirksam geworden und hat die
wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute daher nicht mehr bestimmt. Während des gesamten Zeitraumes gelangten
vielmehr ausweislich der vom Senat eingeholten Auskunft der N., Regionaldirektion K., vom 29. Oktober 2002
Pflegegeldleistungen in monatlicher Höhe von 400,- DM zur Auszahlung. Soweit darüber hinaus für die Monate April
und Mai 1998 auch Sachleistungen durch einen ambulanten Pflegedienst erbracht wurden, haben diese die
wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute nicht bestimmt. Der Senat kann es im Ergebnis auch dahingestellt sein
lassen, ob die für die Versicherte geleisteten Pflegegeldzahlungen dem Unterhaltsbeitrag der Versicherten oder dem
Unterhaltsbeitrag des Klägers als Empfänger der Zahlungen zuzurechnen sind. Sofern die Pflegegeldzahlungen der
Versicherten als ihr Unterhaltsbeitrag zuzurechnen wären, ergäbe sich zwar in Verbindung mit der von ihr bezogenen
Rente zunächst ein gegenüber der Rente des Klägers geringfügig überwiegender finanzieller Unterhaltsbeitrag (zuletzt:
1.378,69 DM Rente der Versicherten zuzüglich 400,- DM Pflegegeld = 1.778,69 DM, gegenüber 1.711,05 DM Rente
des Klägers). Einem derartigen Unterhaltsbeitrag der Versicherten wären jedoch die Pflegeleistungen des Klägers
gegenüber zu stellen, die dieser zu Gunsten der Versicherten ausweislich des Pflegegutachtens vom 17. Juni 1997
erbracht hat. Danach betrug der wöchentliche Pflegeaufwand des Klägers für die Versicherte spätestens ab dem 26.
Mai 1997 zwischen 14 und unter 21 Stunden. Diese Pflegeleistungen des Klägers wogen damit in jedem Fall einen
seine Rente geringfügig übersteigenden Unterhaltsbeitrag der Versicherten aus ihrer Rente und dem für sie geleisteten
Pflegegeld auf. Damit lässt sich ein überwiegender Unterhaltsbeitrag der Versicherten im letzten wirtschaftlichen
Dauerzustand vor ihrem Ableben nicht feststellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den Vorschriften der §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).