Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 04.07.2002

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 04.07.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hildesheim S 11 U 113/01
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 6 U 444/01
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialge-richts Hildesheim vom 22. November 2001 wird zurückge-
wiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Hinterbliebenenleistungen zuste-hen. Die Klägerin ist die Witwe des
am 9. Februar 2000 verstorbenen C ...
Der 1944 geborene Ehemann der Klägerin war als Sportlehrer im D.-Hotel in E. beschäftigt. Am 9. Februar 2000 führte
er - wie üblich - mit einer Gruppe von Gästen einen Morgenlauf mit Kneippanwendungen durch. Nach einer gewissen
Laufstrecke wurde im Kurpark Halt gemacht und dort Barfuss in der Oder Was-ser getreten. Beim Wiederanziehen der
Schuhe fiel der Ehemann der Klägerin von der Bank, beim Eintreffen des herbeigerufenen Facharztes für
Allgemeinme-dizin Dr. F. war er bereits tot. Dr. F. nahm als Todesursache einen "Sekunden-herztod” an (Bericht vom
28. Februar 2000).
Mit Bescheid vom 1. März 2000 verneinte die Beklagte einen Arbeitsunfall und lehnte die Gewährung von
Hinterbliebenenleistungen ab. Im Widerspruchsverfah-ren machte die Klägerin geltend, der Tod sei Folge der
beruflichen Belastung durch Joggen und anschließendem Wassertreten in eiskaltem Wasser. Eine Ob-duktion lehnte
sie ab. Die Beklagte holte das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK G. ein und zog die Krankenunterlagen des
Hausarztes Dr. H. bei. Außerdem holte sie das Gutachten von Prof. Dr. I. vom 1. November 2000 ein. Nach dessen
Ausführungen waren die körperlichen Belastungen am 9. Februar 2000 für den Sportlehrer, der das Fit-nessprogramm
betreut, normal. Ein Zusammenhang zwischen der routinemäßi-gen Belastung und dem plötzlichen Tod sei nicht
wahrscheinlich. Eine genaue Todesursache hätte nur durch eine Autopsie geklärt werden können. Hinweise für ein
Grundleiden, das durch die Umstände verschlimmert worden wäre, und zum Tod beigetragen haben könnte, lägen
nicht vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dagegen hat die
Klägerin rechtzeitig Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildes-heim erhoben und geltend gemacht, der
Sekundenherztod sei als Herzkreislauf-versagen infolge berufsbedingter körperlicher Belastung zu werten.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. November 2001 abgewiesen. Zur Be-gründung hat es ausgeführt, es lasse
sich nicht feststellen, dass der Ehemann der Klägerin infolge eines Arbeitsunfalls verstorben sei, weil die
Todesursache nicht habe geklärt werden können.
Gegen dieses am 1. Dezember 2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. Dezember 2001 Berufung eingelegt, mit
der sie ihr Begehren weiter verfolgt.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 22. November 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 1. März
2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2001 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin anlässlich des To-des ihres Ehemannes, Georg Beutel,
Hinterbliebenenleistungen zu erbringen.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 22. November 2001 zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG und ihre Bescheide für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Be-teiligten wird auf den Inhalt der
Prozessakte Bezug genommen. Der Entschei-dungsfindung haben die Verwaltungsakten der Beklagten zu Grunde
gelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Betei-ligten mit dieser Verfahrensweise
einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie ist aber nicht begründet, denn das
SG und die Beklagte haben zu Recht einen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen verneint.
Gemäß § 63 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII sind Hinterblie-benenleistungen zu gewähren, wenn
der Tod infolge eines Arbeitsunfalls einge-treten ist.
Für die Annahme des ursächlichen Zusammenhanges zwischen einem Arbeits-unfall und dem Tod muss eine
Wahrscheinlichkeit bestehen, d.h. bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden
Umstände müssen die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwie-gen, dass die dagegen
sprechenden außer Betracht bleiben können. Eine bloße Möglichkeit reicht zur Annahme des Zusammenhanges nicht
aus.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann im vorliegenden Fall nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit
festgestellt werden, dass der Tod des E-hemannes der Klägerin Folge einer Gesundheitsstörung war, die durch die
beruf-liche Tätigkeit entstanden oder verschlimmert worden ist.
Es steht schon nicht fest, dass tatsächlich Herzrhythmusstörungen aufgetreten sind, die zu einem Sekundenherztod
geführt haben. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. I. sind vielmehr auch andere Todesursa-chen denkbar, etwa eine
akute Hirnblutung oder ein akutes Einreißen einer Hauptschlagader. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch ein
kausaler Zusammenhang zwi-schen dem Wassertreten und (zum Tod führenden) Kreislaufstörungen nicht
wahrscheinlich. Abgesehen davon, dass ihr Ehemann am Todestag das Lauftrai-ning und das Wassertreten
komplikationslos beendet hatte, spricht entscheidend gegen einen Ursachenzusammenhang, dass das Wassertreten
nach Absolvie-rung des Lauftrainings für den Sportlehrer keine erhebliche körperliche Belastung darstellte.
Vielmehr handelte es sich um das gewohnte morgendliche Fitnessprogramm, das er als Sportlehrer betreute. Prof. Dr.
I. hat deshalb - für den Senat überzeugend - einen Zusammenhang zwischen dieser routinemäßigen körperlichen
Belastung und dem plötzlichen Tod verneint. Außerdem hat er nachvollziehbar eine - zum Tod führende -
Verschlimmerung eines Grundleidens durch eine berufliche Belastung schon deshalb ausgeschlossen, weil keine
Anhaltspunkte für ein Grundleiden vorliegen, das durch eine berufliche Belastung beeinflussbar war.
Ist die Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der betrieblichen Tätigkeit
und dem Tod des Versicherten nicht fest-stellbar, so treffen die Folgen der objektiven Beweislosigkeit denjenigen, der
aus dieser Tatsache ein Recht herleiten kann. Das ist im vorliegenden Fall die Kläge-rin.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Es hat keine Veranlassung bestanden, die Revision zuzulassen.