Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 30.04.2003

LSG Nsb: hallux valgus, anhaltende somatoforme schmerzstörung, physikalische therapie, fibromyalgie, orthopädie, niedersachsen, migräne, limitierung, leistungsfähigkeit, facharzt

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 30.04.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 1 RA 404/99
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 1 RA 16/01
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für die Zeit ab Oktober 1998.
Die 1942 geborene Klägerin erlernte in der Zeit von Juli 1956 bis September 1959 den Beruf der Verkäuferin im
Textilgewerbe. Anschließend blieb sie zunächst noch ein Jahr im Lehrbetrieb, einem Modesalon. Danach war die
Klägerin Arbeiterin im I., Raumpflegerin, teilweise in geringfügiger Beschäftigung, jeweils über längere Zeit
unterbrochen durch die Erziehung der 1961 und 1967 geborenen Kinder. Seit März 1972 war die Klägerin Ver-käuferin
bei der Firma J. in Hannover. Sie wurde dort in der Abteilung für Oberbekleidung eingesetzt. Neben der
Verkaufstätigkeit war sie für die Lagerpflege und das Einräumen der Ware zuständig. Sie wurde zuletzt nach der
Gehaltsgruppe G 2 des Gehaltstarifver-trages für den Niedersächsischen Einzelhandel entlohnt. Die Gehaltsgruppe G
2 erfasst dabei Angestellte mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung in einem anerkannten Anlernberuf
(Regelausbildungszeit bis zu zwei Jahre).
Im September 1997 erkrankte die Klägerin arbeitsunfähig vor allem wegen Beschwerden der Hals- und
Lendenwirbelsäule, Restbeschwerden nach operativer Zehenkorrektur des linken Fußes, Pseudarthrose, Gonarthrose
beiderseits, ausgedehnter Varikosis beider-seits sowie anfallsweise auftretender Migräne. Die Klägerin bezog ein Jahr
lang Kranken-geld (im Anschluss bis November 2001 Arbeitslosengeld; seit dem 1. Juni 2002 steht sie in Bezug
verminderter Altersrente für Frauen).
Am 28. September 1998 stellte die Klägerin bei der Beklagten den Antrag, ihr Rente we-gen Erwerbsunfähigkeit (EU),
hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU), zu gewähren. Vor allem durch die fortbestehenden Beschwerden im linken
Fuß nach der am 17. September 1997 durchgeführten Zehenkorrekturoperation, Wirbelsäulenbeschwerden, Arthrose
und Rheuma werde sie dauerhaft beeinträchtigt. Die Beklagte zog die Arbeitgeberauskunft vom 15. 0ktober 1998
sowie die im Krankengeldverfahren vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) gefertigten Gutachten
(vom 23. Januar und 14. September 1998) bei. Sie ließ die Klägerin durch den Facharzt für Orthopädie und
Chirotherapie Dr. K. begutachten. Dieser Sachverständige führte unter dem 15. Januar 1999 aus, das
Großzehengrundgelenk links sei bei einem Zustand nach operativer Revision weitgehend ankylosiert mit Schmerz
beim Bewegungsversuch. Auch rechts sei das Großzehengrund-gelenk deutlich bewegungseingeschränkt mit
Schmerzhaftigkeit. Endgradige Bewe-gungseinschränkungen seien in den Abschnitten der Wirbelsäule festzustellen.
Gleiches gelte für die Kniegelenke, rechts ausgeprägter als links. Die Klägerin sei als Textilver-käuferin lediglich noch
unter 2 Stunden pro Tag einsetzbar. Dagegen könne sie voll-schichtig leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend
im Sitzen mit gelegentlichem Wechsel zum Stehen und Gehen bewältigen.
Vor dem Hintergrund der erhobenen medizinischen Befunde lehnte die Beklagte den Rentenantrag durch den Bescheid
vom 4. Februar 1999 ab. Die Klägerin widersprach und legte ein ärztliches Attest des behandelnden Arztes für
Orthopädie, Sportmedizin, Kinder-orthopädie und Sonographie Dr. L. vom 26. April 1999 vor. In diesem Attest hieß es,
we-gen der Erkrankung beider Vorfüße könne die Klägerin keine mit überwiegendem Stehen verbundene
Berufstätigkeit mehr ausüben. Die Beklagte wies den Widerspruch als unbe-gründet zurück. Zwar könne davon
ausgegangen werden, dass die Klägerin nicht mehr als Textilverkäuferin einsetzbar sei, das festgestellte
Leistungsvermögen genüge aber beispielsweise für die ihr zuzumutende Verweisungstätigkeit einer Telefonistin
(Wider-spruchsbescheid vom 8. Juli 1999).
Dagegen hat die Klägerin am 5. August 1999 Klage zum Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Sie hat zur
Begründung geltend gemacht, unter Schmerzen am gesamten Be-wegungsapparat zu leiden. Die Hallux Valgus-
Beschwerden (Abknickung der Großzehe nach der Kleinzehenseite hin, sogenannte X-Großzehe) beider Füße hätten
bereits das Gangbild verändert. Die Beklagte habe den davon ausgehenden Funktionsbeeinträchti-gungen nicht
genügend Rechnung getragen.
Das SG hat Befundberichte der Orthopäden Dr. L. und Dr. M. (vom 20. Januar 2000 bzw. vom 7. April 2000)
beigezogen und eine Arbeitgeberauskunft der N. vom 2. Februar 2000 eingeholt. Ferner hat es den Facharzt für
Orthopädie, Chirotherapie und Physikalische Therapie Dr. O. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser
Sachverständige führte unter dem 30. August 2000 zu der leidensführenden schweren Hallux Valgus-Bildung
beiderseits mit nahezu vollständiger Einsteifung beider Großzehen sowie zu den Wirbelsäulen-, Hüft- und
Kniegelenksbeschwerden aus, körperlich leichte Arbeiten mög-lichst mit Gelegenheit zum Haltungswechsel, ohne
Zwangshaltungen, ohne schweres Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und ohne weitere besondere
Beanspruchun-gen seien noch in voller Schicht möglich. Unter anderem sei an Tätigkeiten einer Kassie-rerin,
Telefonistin oder Tätigkeiten in der Buchhaltung zu denken. Die im Gutachten ent-haltene weitere Angabe,
Arbeitswege zu Fuß seien auf höchstens zweimal 500 m pro Tag zu beschränken, korrigierte Dr. O. unter dem 28.
September 2000 dahin, 500 bis 1000 m seien zusammenhängend viermal am Tag zuzumuten. Dabei müsse in
Rechnung gestellt werden, dass die Klägerin selbst bei der Untersuchung geschätzt habe, trotz ihrer Fußbe-
schwerdesymptomatik ca. eine Stunde ununterbrochen gehen zu können.
Das SG hat die Klage durch das Urteil vom 4. Januar 2001 abgewiesen. Es hat der Klä-gerin den Berufsschutz einer
Fachverkäuferin zugebilligt und ist davon ausgegangen, die bisherige und mit überwiegendem Gehen und Stehen
verbundene Verkaufstätigkeit im Textilbereich sei nicht mehr zumutbar. Die Klägerin müsse sich jedoch u.a. auf die
Arbeit als Kassiererin an einer Sammel- oder Packtischkasse in einem großen Kaufhaus ver-weisen lassen. Dieser
Beruf könne in wechselnder Körperhaltung ausgeübt werden und sei weder mit schwerer körperlicher Arbeit noch mit
weiteren Belastungen verbunden, die insbesondere Dr. O. als nicht mehr leistbar bezeichnet habe. Wegen der
weiteren Einzel-heiten der Verweisungstätigkeit hat das SG auf die Rechtsprechung des Bundessozialge-richts (BSG)
sowie die Rechtsprechung des erkennenden Senats verwiesen (BSG-Urteil vom 14. Mai 1996, Az: 4 RA 60/94; LSG
Niedersachsen, Urteil vom 28. April 1994, Az: L 1 An 51/93). Eine Änderung ergebe sich auch nicht durch den von der
Klägerin unmittel-bar vor der mündlichen Verhandlung nachgereichten Bericht des Arztes für Innere Medi-zin und
Rheumatologie Dr. P. vom 28. November 2000. Soweit dieser Arzt erstmals ein generalisiertes Fibromyalgie-Syndrom
konstatiert habe, sei zunächst der Erfolg der der Klägerin verordneten manuellen Massagen und Wärmeanwendungen
über eine vorgese-hene Behandlungszeit von 4 bis 6 Monaten abzuwarten.
Gegen das ihr am 18. Januar 2001 zugestellte Urteil richtet sich die Klägerin mit ihrer am 5. Februar 2001
eingegangenen Berufung. Zu deren Begründung führt die Klägerin aus, das von ihr angegebene Maximum von einer
Stunde dauernden Gehens sei unter den Vorbehalt zu stellen, dass dies nur unter starken Beschwerden möglich sei.
Das SG habe das Fibromyalgie-Syndrom nicht als eine vielschichtige und kaum therapierbare Krankheit erkannt.
Die Klägerin beantragt nach ihrem Vorbringen im schriftlichen Verfahren,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 4. Januar 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Februar
1999 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 8. Juli 1999 aufzuheben und
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Rente wegen Berufsunfähigkeit, für die
Zeit ab dem 1. Oktober 1998 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat einen Befundbericht des Dr. P. vom 27. Juli 2001 beigezogen. Daneben ist Dr. Q. mit der Erstattung
eines internistisch-rheumatologischen Gutachtens beauftragt worden. Der Sachverständige stellt unter dem 12. Januar
2002 fest, das Fibromyalgie-Syndrom zeige eine (nur) mäßige Aktivität. Die sogenannten Tenderpoints seien nur in
geringer Zahl auffindbar gewesen. Unter Einbeziehung der sonstigen und bereits be-kannten Diagnosen sei von einem
arbeitstäglichen Leistungsvermögen von lediglich noch 4 bis 5 Stunden auszugehen. Die Beklagte hat dem mit ihrem
Schriftsatz vom 20. März 2002 widersprochen und vertritt die Auffassung, angesichts der von Dr. Q. als seit 1998
unverändert eingeschätzten Verhältnisse sei die Abweichung zu den Vorgutachten nicht nachvollziehbar. Dr. Q. hat
daraufhin unter dem 10. Juni 2002 ergänzend ausgeführt, in erster Linie schränke das "klassische und ausgedehnte”
Fibromyalgie-Syndrom (als Schmerzkrankheit) die Leistungsfähigkeit für einen vollen Arbeitstag ein. Darüber hinaus
wirkten sich auch die Migräne und die depressiven Störungen als quantitativ das Leis-tungsvermögen einschränkend
aus. Allenfalls unter Einsatz ihrer gesamten Willens- und Spannkraft werde die Klägerin in der Lage sein, eine
vollschichtige Arbeitszeit zu bewälti-gen.
Der Senat hat schließlich die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychothe-rapie Frau Dr. R. als
Sachverständige gehört. Frau Dr. R. führt in ihrem Gutachten vom 15. November 2002 auf neurologischem Gebiet
eine Migräne auf (durchschnittlich ein Migräneanfall pro Monat), auf psychiatrischem Gebiet eine anhaltende
somatoforme Schmerzstörung. Die Klägerin sei sich der Schmerzstörung bisher nur in Ansätzen be-wusst. Die
Störung sei dabei nicht so ausgeprägt, dass sie nicht unter entsprechender Willensanspannung und ggf. unter
Zuhilfenahme therapeutischer Maßnahmen überwind-bar und prinzipiell mit einer Arbeitsaufnahme vereinbar sei.
Während die in den Vorgut-achten aufgelisteten qualitativen Leistungseinschränkungen bestätigt werden könnten, sei
die von Dr. Q. beschriebene zeitliche Limitierung auf 4 bis 5 Stunden pro Tag nicht nach zu vollziehen. Bei näherer
Betrachtung der Schmerzstörung, die letztlich mit dem von Dr. Q. diagnostizierten sekundären Fibromyalgie-Syndrom
identisch sei, könne vor allem deshalb kein Einfluss auf das zeitliche Leistungsvermögen konstatiert werden, weil es
an rentenrelevanten psychosozialen Verlusten fehle.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündli-che Verhandlung
einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie
die Rentenakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand von Beratung
und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Be-teiligten hiermit einverstanden
erklärt haben, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die gemäß den §3 143 f SGG statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet.
Weder das Urteil des SG noch die Bescheide der Beklagten sind zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch
auf Rente wegen verminderter Leistungsfähigkeit, und zwar weder auf Rente wegen EU/BU nach dem bis zum 31.
Dezember 2000 geltenden Recht (§§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch –SGB VI- a.F.) noch auf Rente wegen
Er-werbsminderung nach dem seit dem 1. Januar 2001 geltenden Recht (§§ 43, 240 SGB VI n.F.).
Das SG hat in seinem Urteil die hier maßgeblichen Rechtsgrundlagen geprüft, rechtsfeh-lerfrei angewendet und sich
zutreffend mit dem Vorbringen der Klägerin auseinanderge-setzt. Es ist insbesondere unter nicht zu beanstandender
Auswertung der von Dr. K. und Dr. O. erstatteten Gutachten zu der richtigen Entscheidung gelangt, dass der Klägerin
bereits Rente wegen BU nicht zusteht. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederho-lungen auf die
Entscheidungsgründe des Urteils vom 4. Januar 2001 Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Richtig ist das SG davon ausgegangen, die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit der Textil-verkäuferin sei der Klägerin
nicht mehr zuzumuten. Zu Gunsten der Klägerin können da-bei die aktenkundig gewordenen Anforderungen auf dem
letzten Arbeitsplatz als reprä-sentativ für den bisherigen Beruf angesehen werden. Im Rahmen der Untersuchung bei
Frau Dr. R. gab die Klägerin am 12. November 2002 an, bei der N. zuletzt fast aus-schließlich im Stehen gearbeitet zu
haben. Nicht mit dem tatsächlichen Leistungsvermö-gen der Klägerin in Übereinstimmung zu bringende
Erschwernisse hatte bereits Dr. Q. anlässlich der ambulanten Untersuchung vom 10. Januar 2002 festgehalten, indem
er ausführte, die Klägerin habe zuletzt auch Aufräumarbeiten bewältigen müssen. Schon in der Auskunft vom 15.
Oktober 1998 hatte der Arbeitgeber erklärt, die Aufgaben der Klä-gerin bestünden nicht nur im Kassieren, sondern
auch im Kunden bedienen und Ware auspacken. Selbst wenn aber dies und zusätzlich ebenfalls zu Gunsten der
Klägerin un-terstellt wird, vor dem Hintergrund ihrer dreijährigen Berufsausbildung sei sie der Gruppe der gelernten
Angestellten zuzuordnen – und nicht lediglich der Gruppe der Angelernten wie in der Arbeitgeberauskunft vom 2.
Februar 2000 erklärt -, steht der Klägerin der Ver-weisungsberuf einer Kassiererin an einer Sammelkasse offen. Dieser
ist nämlich zumin-dest der Gruppe der Angelernten zuzuordnen und damit der nächst niedrigeren Berufs-gruppe unter
derjenigen, der der bisherige Beruf der Klägerin angehörte (vgl. neben den vom SG bereits zitierten Entscheidungen
zuletzt den Beschluss des Senats vom 16. Ja-nuar 2002, Az: L 1 RA 198/00 sowie das Urteil des Senats vom 21.
Februar 2002, Az: L 1 RA 188/00). Ob der Klägerin darüber hinaus auch die weiteren, namentlich von der Be-klagten
in den Schriftsätzen vom 16. Mai und vom 21. September 2000 aufgelisteten Verweisungstätigkeiten einer
Telefonistin, Auskunftsassistentin oder Buchhaltungsange-stellten zugemutet werden können, brauchte angesichts
dessen nicht erörtert zu werden. Das Anforderungsprofil der Verweisungstätigkeit der Sammelkassenkassiererin als
leichter, in wechselnder Körperhaltung auszuübender und nicht mit Erschwernissen ver-bundener Arbeit geht dabei
bereits ausreichend aus dem Urteil des SG hervor. Auch in-soweit wird wiederum Bezug auf die dortigen
Ausführungen genommen.
Die ergänzenden Ermittlungen des Senats haben im Ergebnis das vom SG gefundene vollschichtige
Leistungsvermögen für den Verweisungsberuf der Sammelkassenkassiere-rin bestätigt. Zwar hat Dr. Q. am 12.
Januar und am 10. Juni 2002 die zeitliche Leis-tungsfähigkeit der Klägerin auf lediglich 4 bis 5 Stunden pro Tag
veranschlagt, diese Ein-schätzung ist jedoch durch das anschließend auf einschlägigem Fachgebiet eingeholte
Gutachten der Frau Dr. R. widerlegt worden. In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Beklagten vom 20. März
2002 und den Ausführungen der Frau Dr. Ritter vermisst der Senat bei Dr. Q. eine den Nachweis der zeitlichen
Limitierung der Arbeitskraft erbringen-de Ableitung. Im wesentlichen stellt Dr. Q. fachfremd auf die Schmerzstörung
und die depressive Verstimmung ab, die aber erst mit der Aufarbeitung der lebensgeschichtlichen Entwicklung der
Klägerin und der Analyse der psychosozialen Situation der Klägerin hin-reichend sicher beurteilt werden konnten. Den
Ausführungen des Dr. Q. fehlt auch des-halb die notwendige Beweiskraft, weil er das zeitlich beschränkte
Leistungsvermögen auf die Zeit der Rentenantragstellung (September 1998) rückbezieht, ohne sich in gebotener
Weise mit den gegenteiligen Beurteilungen des Dr. K. und des Dr. O. auseinander zu setzen. Auch Dr. K. hatte
nämlich die Schmerzsymptomatik bereits verschiedentlich er-wähnt, ohne ihr leistungsmindernde Auswirkungen
beizumessen. Dr. O. hatte weder nach Aktenlage noch gemäß seiner klinischen Untersuchung schwerwiegende
Erkrankungen auf nicht orthopädischem Fachgebiet feststellen können. Darüber hinaus hatte sich Dr. O. - wie auch
später die vom Senat beauftragte Frau Dr. R. - bereits zu einem weiteren Ein-wand geäußert, der einer
rentenrechtlichen Bedeutsamkeit der somatoformen Schmerz-störung entgegen steht. Dr. Göhmann hatte
hervorgehoben, dass die Stärke der von der Klägerin beschriebenen Schmerzen insoweit "moderiert” werden müsse,
als bisher keine nennenswerten medikamentösen oder anderweitigen Therapien angegangen worden seien. Da auch
Frau Dr. R. erklärte, unter Zuhilfenahme therapeutischer Maßnahmen – ggf. auch bereits ohne ärztliche Hilfe unter
entsprechender Willensanspannung – sei die der Arbeitsaufnahme entgegenstehende somatoforme Schmerzstörung
überwindbar, liegt hier ein Fall vor, in dem Rentenleistungen erst nach Ausschöpfung derartiger Therapien in Betracht
kommen.
Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die zeitliche Leistungseinschätzung des Dr. Q. nicht zuletzt vor dem
Hintergrund zu sehen war, dass er festhielt, die Klägerin habe zuletzt stets lediglich in Teilzeit gearbeitet. Dem stehen
aber die Arbeitgeberauskünfte vom 15. Oktober 1998 und vom 2. Februar 2000 entgegen. Dort wurde die Dauer des
täglichen Einsatzes der Klägerin mit 7 ½ Stunden bzw. 6 bis 8 Stunden festgehalten.
Frau Dr. R. begründete für den Senat überzeugend, dass der Schmerzstörung tatsächlich keine für die Ausübung der
zugemuteten Beschäftigung einschränkende Bedeutung zu-kommt. Denn die gleichermaßen wahrzunehmenden
Alltagsgeschäfte sind nicht im Sinne psychosozialer Rückzugstendenzen eingeschränkt. Beispielhaft erwähnte Frau
Dr. R. Hobbys und Freizeitinteressen, familiäre und außerfamiliäre Kontakte wie Treffen mit Kolleginnen,
Unternehmungen mit dem Kegelverein und Urlaubsreisen wie etwa eine Kreuzfahrt ins Mittelmeer. Soweit es die
messbaren körperlichen Funktionsbeeinträchti-gungen anbelangt, hat die Beweiserhebung des Senats ebenfalls keine
Änderung zu Gunsten der Klägerin zu Tage gefördert. Vielmehr bestätigte Dr. P. im Befundbericht vom 27. Juli 2001
unauffällige Laborwerte und den Ausschluss einer entzündlichen rheumati-schen Erkrankung. Frau Dr. R. hielt zu
dieser Frage u.a. fest, die Klägerin sei nach ihren eigenen Angaben noch in der Lage, ihren Haushalt allein zu
versorgen.
War die Klägerin nach alledem schon nicht berufsunfähig gemäß § 43 SGB VI a.F., so war sie erst recht nicht
erwerbsunfähig nach § 44 SGB VI a.F., da hierfür noch weiterge-hende Leistungseinschränkungen erforderlich wären.
Die Klägerin ist schließlich auch nicht erwerbsgemindert im Sinne der §§ 43, 240 SGB VI n.F., weil insbesondere eine
zeitliche Leistungsbegrenzung nicht feststellbar ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Es hat kein gesetzlicher Grund gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorgelegen, die Revision zuzu-lassen.