Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.04.2002

LSG Nsb: reaktive depression, behinderung, niedersachsen, abrede, zustandekommen, anhörung, form

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 16.04.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Oldenburg S 11 SB 360/98
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 10/9 SB 37/01
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 25. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und insgesamt zulässig. Sie hat jedoch in der Sache
keinen Erfolg. Der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für
erforderlich. Die Entscheidung über die Berufung konnte deshalb gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes
(SGG) durch Beschluss ergehen.
II.
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der 1941 geborenen Klägerin die Voraussetzungen eines höheren Grades der
Behinderung (GdB) als 40 vorliegen.
Der Beklagte hatte bei der Klägerin zuletzt mit Bescheid vom 25. Oktober 1996 einen GdB von 20 wegen der
Funktionsstörungen 1. Wirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule, 2.
Handgelenks- und Fingergelenksverschleiß festgestellt.
Im Januar 1998 beantragte die Klägerin bei dem Versorgungsamt (VA) Oldenburg die Feststellung weiterer
Funktionsstörungen und eines höheren GdB. Nach Beiziehung von Befundberichten der behandelnden Ärzte der
Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 23. April 1998 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 20.
Oktober 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 1998 mit Wirkung ab Januar 1998 einen
GdB von 30 wegen der Funktionsstörung Wirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen der Hals- und
Lendenwirbelsäule fest. Die weiter vorliegenden Funktionsstörungen " Handgelenks- und Fingergelenksverschleiß",
"reaktive Depression" und "Senkspreizfuss beiderseits" wirkten sich nicht erhöhend auf den GdB aus.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben und die Feststellung eines GdB von
mindestens 50 begehrt. Nach Beiziehung von medizinischen Unterlagen von Dr. F., Dr. G. und Dr. H. hat das SG die
Klägerin von Dr. I. auf innerem und sodann auf ihren Antrag von Dr. F. auf orthopädischem Fachgebiet begutachten
lassen. Der Beklagte hat sich im Wege des Teilanerkenntnisses bereit erklärt, den GdB mit Wirkung ab Januar 1998
mit 40 festzustellen (Ausführungsbescheid vom 22. Februar 2001). Sodann hat das SG nach Anhörung des Dr. J. im
Termin der mündlichen Verhandlung die weitergehende Klage mit Urteil vom 25. Januar 2001 abgewiesen. Unter
Berücksichtigung des Gesamtergebnisses der Beweisaufnahme sei ein höherer GdB als 40 nicht gerechtfertigt. Das
Wirbelsäulensyndrom bedinge einen Teil-GdB von 30, die Depression und die chronisch-venöse Insuffizienz bedingten
einen Teil-GdB von je 20 und die Funktionsstörungen im Bereich der Hand- und Fingergelenke einen Teil-GdB von 10.
Bei der Bildung des Gesamt-GdB müsse berücksichtigt werden, dass der Somatisierungsanteil der psychischen
Erkrankung bereits bei der Bewertung der Wirbelsäulenfunktionsstörung berücksichtigt worden sei.
Gegen das ihr am 12. Februar 2001 zugestellte Urteil wendet sich die vorliegende am 12. März 2001 bei dem
Landessozialgericht eingegangene Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Zur
Begründung führt sie insbesondere aus, das angefochtene Urteil berücksichtige zu wenig ihre körperlichen und
seelischen Beeinträchtigungen. Sie sei in vielen Lebensbereichen auf fremde Hilfe angewiesen.
Nach ihrem schriftlichen Vorbringen beantragt die Klägerin sinngemäß,
1. das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 25. Januar 2001 aufzuheben und den Bescheid des
Versorgungsamtes Oldenburg vom 23. April 1998 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 20. Oktober 1998 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamtes Niedersachsen vom 10. November 1998 in
der Fassung des Ausführungsbescheides vom 22. Februar 2001 zu ändern,
2. den Beklagten zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von mindestens 50 seit Januar 1998 festzustellen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil und die angegriffenen Bescheide für zutreffend und sieht sich in dieser Auffassung
durch das Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils, den
sonstigen Akteninhalt sowie auf den Inhalt der Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes Oldenburg,
Aktenzeichen 57-1636 5, Bezug genommen. Die genannten Akten haben der Entscheidungsfindung zugrunde
gelegen.
Die Beteiligten ist die Gelegenheit gegeben worden, zu der beabsichtigten Entscheidung des Senates durch
Beschluss Stellung zu nehmen.
III.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind in der Gestalt, die sie
durch den Ausführungsbescheid vom 22. Februar 2001 genommen haben, nicht rechtswidrig. Das SG hat zutreffend
erkannt, dass der Klägerin ein GdB von mehr als 40 nicht zusteht. Es ist hierbei von den richtigen rechtlichen und
tatsächlichen Grundlagen ausgegangen und hat mit nachvollziehbaren Erwägungen und zutreffend seine
Entscheidung begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 25.
Januar 2001 Bezug genommen, § 153 Abs. 2 SGG. Zu weitergehenden Ausführungen sieht der Senat auch im
Hinblick darauf keinen Anlass, dass der Beurteilung anstelle des inzwischen aufgehobenen
Schwerbehindertengesetzes, Art 63 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) die - soweit hier
erheblich inhaltsgleichen - Vorschriften des am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen SGB IX zugrunde zu legen sind, Art.
68 Abs. 1 SGB IX.
Zu weitergehenden Ausführungen sieht der Senat insbesondere im Hinblick auf die von der Klägerin zur Begründung
der Berufung vorgebrachten Gesichtspunkte keinen Anlass. Zu einer weiteren medizinischen Beweisaufnahme
besteht selbst für den Fall keine Notwendigkeit, dass etwa das Zustandekommen des Gutachtens des Dr. J.
Bedenken begegnen sollte. Denn dieses Gutachten bestätigt im Ergebnis nur die bereits vorher eingeholten
Gutachten. Diese berücksichtigen auch bereits die Wechselwirkungen zwischen den körperlichen Funktionsstörungen
und der seelischen Erkrankung der Klägerin. Dass eine solche tatsächlich vorliegt, kann und will der Senat nicht in
Abrede stellen. Andererseits steht aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senates fest,
dass die objektivierbaren körperlichen Funktionseinschränkungen der Klägerin nicht völlig mit ihrem Erleben
übereinstimmen.
Allein der Umstand, dass die körperlichen Funktionsstörungen aufgrund der seelischen Erkrankung von der Klägerin
verstärkt erlebt werden, kann nicht zu einer doppelten Berücksichtigung bei der Bemessung des Gesamt-Grades der
Behinderung führen. Im Ergebnis ist dabei gleichgültig, ob man die körperlichen Funktionsstörungen nach ihrem
objektiven Ausmaß und das verstärkte Erleben derselben im Rahmen der seelischen Erkrankung bewertet oder ob
man der Einschätzung des GdB die körperlichen Funktionsstörungen nach dem erlebten Ausmaß zugrund legt, die
seelische Erkrankung dann aber nur noch von geringerer funktioneller Bedeutung ist. Bei der Bemessung des GdB
können im Übrigen auch therapeutische Maßnahmen nicht berücksichtigt werden. Der Senat sieht deshalb auch
keinen Anlass, dem diesbezüglichen Vorbringen der Klägerin weiter nachzugehen. Er unterstellt es vielmehr zu ihrem
Gunsten als zutreffend, ohne dass sich dadurch ein höherer GdB begründen ließe.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.