Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 30.04.2003

LSG Nsb: versorgung, ärztliche behandlung, niedersachsen, krankenversicherung, kompetenz, gsg, form, einverständnis, ausschluss, wirtschaftlichkeit

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 30.04.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Osnabrück S 61 KR 117/00
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 4 KR 281/01
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Kostenerstattung für privatärztliche Behandlungen bei dem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung
zugelassenen Arzt für Urologie Dr C., Bremen.
Der 1939 geborene Kläger ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Unter Vorlage von Rechnungen vom 7.
Januar 1998, 8. Mai 1998 und 4. Januar 1999 bean-tragte er die Kostenerstattung für Behandlungen bei Dr C ... Es
waren Behandlungskosten in Höhe von 2.715,47 DM entstanden. Sie betrafen die Behandlungszeiträume vom 16.
Juni bis 15. Dezember 1997, vom 9. April bis 27. April 1998 und 19. Oktober bis 18. De-zember 1998.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 9. Februar 2000 ab, da eine Kostenerstattung nur für
eine Behandlung bei einem zugelassenen oder ermäch-tigten Vertragsarzt möglich sei. Dr C. zähle nicht hierzu. Dem
Kläger wurde mitgeteilt, dass die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Proktologen D. und E., beide
Bremen, zur Verfügung stünden. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 8. März 2000
Widerspruch ein. Er legte ein Schreiben des Dr F., Facharzt für Chi-rurgie vom 6. Juni 1995 vor, dem zu entnehmen
sei, dass es sich bei ihm um einen "Risi-kopatienten” handele. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den
Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2000 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 3. August 2000 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Olden-burg erhoben. Er hat auf sein
Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. November 2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen folgendes ausgeführt: Der gemäß § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - für
Versicherte in der gesetzlichen Kran-kenversicherung gegebene Anspruch auf ärztliche Behandlung werde gemäß §
95 Abs 1 SGB V durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden, zugelassenen und ermächtigten
Ärzte sowie ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen erfüllt (vgl auch § 4 Abs 1 Satz 1 Bundesmantelvertrag –
Ärzte (BMV-Ä) vom 19. Dezember 1994). Unter diesen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten und
Einrichtungen könnten die Versicherten frei wählen (§ 76 Abs 1 Satz 1 SGB V). Andere Ärzte dürften nur in Notfällen
in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs 1 Satz 2 SGB V). Diese Vor-aussetzungen für die Inanspruchnahme von
Nichtvertragsärzten lägen im vorliegenden Fall nicht vor. Der vom Kläger in Anspruch genommene Urologe Dr C. sei
unstreitig nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er sei von dem Kläger auch nicht im Rahmen einer
unaufschiebbaren Notfallbehandlung in Anspruch genommen worden. Dies werde auch vom Kläger nicht behauptet.
Ein gegen die Beklagte verfolgbarer Sachleistungsanspruch auf Behandlungen durch den Nichtvertragsarzt Dr C., den
der Kläger als Kostenerstattungsanspruch weiter verfolgen könne, bestehe daher nicht. Die-sen Ausschluss von
Nichtvertragsärzten von der Behandlung von Versicherten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung
(sogenanntes "Vertragsarztmonopol”) habe das Bundessozialgericht – BSG – in ständiger Rechtsprechung bestätigt
(vgl BSG USK 9349; NZS 1993, 212; USK 9510). Ärzte, die nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelas-sen
seien, unterlägen nicht dem Kassenarztrecht. Sie seien weder dem Wirtschaftlich-keitsgebot des § 12 SGB V
unterworfen, noch seien für sie die vertraglichen Bestimmun-gen über die vertragsärztliche Versorgung (vgl dazu § 95
Abs 3 Satz 2 und Abs 4 Satz 2 SGB V) verbindlich. Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen ver-
fügten auch über keinerlei Kompetenz, die Tätigkeit nicht zugelassener bzw nicht er-mächtigter Ärzte – nicht zuletzt
auch im Interesse der Versicherten – zu überprüfen. Nach § 106 Abs 1 SGB V dürften sie nur die Wirtschaftlichkeit
der vertragsärztlichen Versorgung überwachen, an der diese Ärzte jedoch nicht teilnähmen (vgl auch § 106 Abse 5
und 7 SGB V; BSG NZS 1993, 212, 213 mwN). Die Inanspruchnahme nicht zu-gelassener Ärzte stehe ferner im
Widerspruch mit den vom Gesetzgeber durch das am 1. Januar 1993 in Kraft getretene "Gesetz zur Sicherung und
Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz – GSG)” vom 21. De-zember
1992 (BGBl I 2266) verfolgten Zielen (vgl dazu im Einzelnen BSG USK 9510, 55 ff). Die Kammer habe keine
Veranlassung, dieser Rechtsprechung des BSG nicht zu folgen. Sie sei auch vom Landessozialgericht (LSG)
Niedersachsen wiederholt bestätigt worden (vgl LSG Niedersachsen, Urteil vom 18. Februar 1998 – L 4 KR 131/96 -).
Auch die sonstigen vom Kläger vorgetragenen Umstände könnten seinen Anspruch nicht begründen. Selbst wenn der
Kläger in medizinischer Hinsicht als "Risikopatient” anzuse-hen wäre, sei nicht ersichtlich, weshalb eine fachgerechte
und ausreichende medizini-sche Versorgung des Klägers nicht auch durch andere, zur vertragsärztlichen Versor-gung
zugelassene Ärzte sichergestellt werden könne. Die Beklagte habe entsprechende Möglichkeiten bereits im
Ausgangsbescheid vom 9. Februar 2000 aufgezeigt. Auch die von Dr C. abgerechneten Behandlungen ließen nicht
erkennen, dass eine vergleichbare Versorgung des Klägers nicht durch zugelassene Vertragsärzte möglich wäre.
Der Kläger hat gegen diesen ihm am 26. November 2001 zugestellten Gerichtsbescheid am 20. Dezember 2001
Berufung vor dem SG Oldenburg eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, entgegen der Auffassung des SG habe es
sich bei der Behandlung um eine unaufschiebbare Notfallbehandlung gehandelt. Die Vertragsärzte seien nicht in der
Lage, ihm entsprechende Hilfe zu gewähren. Hierüber sei Beweis zu erheben.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 19. November 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 9.
Februar 2000 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 12. Juli 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurtei-
len, die Kosten für die mit Rechnungen vom 7. Januar 1998, 8. Mai 1998 und 4. Januar 1999 dokumentierten
ambulanten Behandlungen bei Dr C. zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Prozessakten des ersten und zweiten Rechtszuges sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der
Beklagten Bezug genommen. Diese wa-ren Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Nach § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung entscheiden.
Die gemäß §§ 105 Abs 2, 143 ff SGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht ein-gelegt worden und auch im
Übrigen zulässig.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Das SG hat die Klage zu Recht aus den im Tatbestand angegebenen
Gründen abgewiesen. Der Senat nimmt hierauf Bezug und sieht insoweit gemäß § 153 Abs 2 SGG von einer eigenen
Darstellung der Entschei-dungsgründe ab.
Ergänzend sei hinzugefügt, dass sich weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus den vorgelegten Rechnungen
sowie ärztlichen Unterlagen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich hier um eine Notfallbehandlung gehandelt
hätte. Dagegen spricht schon die Tatsache, dass sich die Behandlungen des Klägers durch Dr C. jeweils auf einen
Zeit-raum von mehreren Monaten erstreckten. Darauf hat die Beklagte zutreffend hingewie-sen. Der Senat hält den
vom Kläger erstmals im Berufungsverfahren vorgetragenen Hinweis auf eine Notfallbehandlung für eine
Schutzbehauptung und hat keinen Anlass zu weiterer Beweiserhebung gesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision haben nicht vorgelegen, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.