Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 17.01.2002

LSG Nsb: unfallfolgen, stationäre behandlung, erwerbsfähigkeit, arbeitsunfähigkeit, osteoporose, vollrente, form, prozess, vergleich, arthrose

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 17.01.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hildesheim S 11 U 79/97
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 6/3 U 61/00
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 29. November 1999 wird
zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 29. November
1999 insoweit aufgehoben, als darin unfallbedingte Arbeits-unfähigkeit vom 5. September 1996 bis 4. Oktober 1996
festgestellt wird und die Beklagte zur Zahlung von Verletztengeld und Verletztenrente verurteilt wird. Insoweit wird die
Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Verletztengeld und Verletztenrente streitig.
Die 1935 geborene Klägerin stürzte am 31. Oktober 1995, dabei zog sie sich ei-ne körpernahe
Oberschenkelhalsfraktur links zu. Nach operativer Versorgung (stationäre Behandlung bis 30. November 1995),
krankengymnastischer Nachbe-handlung und Reha-Behandlung in der C. (7. Januar bis 21. Februar 1996) be-gann die
Klägerin am 28. Mai 1996 mit einer Belastungserprobung, die sie am 30. Mai 1996 wegen Schmerzen abbrach. Bei
der folgenden Untersuchung durch Dr. D. am 11. Juni 1996 klagte die Klägerin über starke Rückenschmerzen. In
seiner Stellungnahme vom 11. Juni 1996 teilte der Gutachter mit, die Fraktur sei knöchern verheilt, insofern sei die
Klägerin arbeitsfähig. Die Beschwerden in der Lendenwirbelsäule (LWS) seien unfallunabhängig. Die Beklagte holte
das Erste Rentengutachten von Dr. E. vom 28. Juli 1996 ein. Bei der Untersuchung gab die Klägerin an, sie habe seit
dem 30. Mai 1996 starke Rückenschmerzen. Der Gut-achter stellte als wesentliche Unfallfolgen fest:
Muskelminderung linker Ober-schenkel, Beinverkürzung links, Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk, Gang-
und Belastungsstörung des linken Beines, Beckentiefstand links, Narben am linken Oberschenkel, röntgenologische
Veränderungen und subjektive Be-schwerden in der linken Hüfte. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte
er bis 11. Dezember 1996 auf 20 vH, danach auf 10 vH.
Mit Bescheid vom 14. August 1996 gewährte die Beklagte für den Zeitraum 12. Juni bis 31. Dezember 1996 vorläufige
Rente nach einer MdE um 20 vH in Form einer Gesamtvergütung. Als Unfallfolgen erkannte sie an: Muskel- und Be-
lastungsschwäche des linken Beines, Beinverkürzung, Gangbehinderung, Bewe-gungseinschränkung des linken
Hüftgelenkes. Degenerative Veränderungen der Brust- und Lendenwirbelsäule erkannte sie nicht als Unfallfolgen an.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, die funktionellen und subjektiven
Wirbelsäulenbeschwerden seien erst nach dem Beinbruch entstan-den, sie habe weiterhin sehr starke Beschwerden
im linken Bein. Am 28. August 1996 führte Dr. F. eine Skelettszintigraphie durch. Nach seiner Beurteilung fanden sich
Kompressionsfrakturen auf osteoporotischer Basis der Lendenwirbelkörper 2, 3 und 4. Außerdem äußerte er den
Verdacht auf das Vor-liegen eines ostitischen Prozesses über dem mittleren Femurverlaufsdrittel. Vom 5. September
1996 bis 14. September 1996 befand sich die Klägerin zur Entfernung des Gammanagels in stationärer Behandlung.
Die Beklagte holte das Gutachten von Prof. Dr. G. vom 2. Januar 1997 ein. Dort gab die Klägerin an, die
Beschwerden im Rücken seien plötzlich Ende Mai 1996 aufgetreten. Die Gutachter stellten als Unfallfolgen fest:
Bewegungsabhängige Beschwerden an der linken Hüfte, Anlaufschwierigkeiten, Bewegungseinschrän-kung,
Beinverkürzung links, Muskelminderung linker Oberschenkel, Schonhinken links, Kalksalzminderung linker
Oberschenkel. Die Osteoporose der Brust- und Lendenwirbelsäule sei unfallunabhängig. Die entzündliche Veränderung
im Oberschenkel sei zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht mehr nachweisbar gewesen. Die MdE schätzten sie vom
12. Juni 1996 bis 11. Dezember 1996 auf 30 vH und vom 12. Dezember 1996 bis 30. Oktober 1997 auf 20 vH. Nach
Einholung einer Stellungnahme vom Dr. H. vom 11. Februar 1997, der die MdE mit 10 vH bewertete, wies die
Beklagte die Widersprüche mit Wider-spruchsbescheid vom 30. April 1997 zurück. Im anschließenden Klageverfahren
vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim hat die Klägerin das Attest von Dr. I. vom 25. Mai 1997 vorgelegt. Das SG hat
das Gutachten von Dr. J. vom 2. März 1999 eingeholt. Nach Ansicht des Sachver-ständigen sind die
Wirbelsäulenveränderungen degenerativ. Es habe sich auch keine Entzündung im Oberschenkel gezeigt, vielmehr sei
die Aktivitätssteigerung im proximalen Oberschenkel links operationsbedingt. Die MdE schätzte er bis 31. Oktober
1997 auf 20 vH, danach auf 10 vH. Mit Urteil vom 29. November 1999 hat das SG Hildesheim festgestellt, dass im
Zeitraum 5. September 1996 bis 4. Oktober 1996 eine unfallbedingte Arbeitsun-fähigkeit bestanden habe, und hat die
Beklagte zur Zahlung von Verletztengeld für diesen Zeitraum verurteilt. Als weitere Unfallfolgen hat es festgestellt:
knö-chern mit geringer Einstauchung und in vermehrter Innenrotation (ca 15 bis 20 Grad) fest verheilter petrochantärer
Oberschenkelbruch links, schmerzhafte Narbenhernie im linken Oberschenkel, Umfangminderung des linken Beines.
Außerdem hat es die Beklagte verurteilt, vom 1. Januar bis 31. Oktober 1997 Verletztenrente in Höhe von 20 vH der
Vollrente zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Urteil ist der Beklagten am 21. Januar und der
Klägerin am 25. Januar 2000 zugestellt worden. Am 14. Februar 2000 hat die Beklagte Berufung gegen dieses Urteil
eingelegt. Sie wendet sich gegen die Verurteilung zur Verletztengeld- und Verletztenrenten-zahlung. Am 17. Februar
2000 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie begehrt die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung als weitere
Unfallfolge sowie die Zahlung von Verletztenrente über den 31. Oktober 1997 hinaus.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 29. November 1999 und den Bescheid der Beklagten vom 14. August
1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1997 zu ändern,
2. festzustellen, dass ihre Wirbelsäulenerkrankung Folge des Ar-beitsunfalls vom 31. Oktober 1995 ist,
3. die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 31. Oktober 1997 hin-aus Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 vH
der Vollrente zu zahlen,
4. die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 29. November 1999
zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 29. November 1999 insoweit aufzuheben, als darin unfallbedingte
Arbeitsunfähigkeit vom 5. September 1996 bis 4. Oktober 1996 festgestellt wird und die Beklagte zur Zahlung von
Verletztengeld und Verletztenrente verurteilt wird,
2. die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 29. November 1999
zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Be-teiligten wird auf den Inhalt der
Prozessakte Bezug genommen. Der Entschei-dungsfindung haben die Verwaltungsakten der Beklagten zu Grunde
gelegen.
Entscheidungsgründe:
Die statthaften Berufungen sind form- und fristgerecht eingelegt und damit zuläs-sig. In der Sache Erfolg hat jedoch
nur die Berufung der Beklagten, denn ihre Be-scheide sind nicht zu beanstanden.
Das Begehren der Klägerin richtet sich auch nach Eingliederung des Rechts der Gesetzlichen Unfallversicherung in
das Sozialgesetzbuch (SGB) zum 01. Januar 1997 nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Das ergibt sich aus der Übergangsregelung in § 212 SGB VII, wonach auf Versicherungs-fälle, die vor dem 01. Januar
1997 aufgetreten sind, das alte Recht (§§ 548, 580, 581 RVO) anzuwenden ist.
1. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Oktober 1997
Verletztenrente in Höhe von 20 vH der Vollrente zu zahlen. Denn ab dem 1. Januar 1997 liegt eine MdE in
rentenberechtigendem Grade nicht vor. Aus diesem Grund hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf eine
Verletztenrente ab 1. November 1997. Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist gemäß §§ 580, 581 RVO zu
gewähren, so lange die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge des Arbeitsunfalls um wenigstens 20 vH gemindert ist.
Im vorliegenden Fall kommt es indes nicht darauf an, ob sich der Gesundheitszu-stand der Klägerin gegenüber dem
14. August 1996 (Rentenbewilligung in Form einer Gesamtvergütung) wesentlich geändert hat (§ 48 Abs 1 Zehntes
Sozialge-setzbuch - SGB X - iVm § 73 Abs 3, 214 Abs 3 Satz 2 Siebtes Sozialgesetzbuch - SGB VII -). Vielmehr
kann nach Ablauf des Zeitraums der Gesamtvergütung Verletztenrente nur gewährt werden, wenn die
Voraussetzungen des § 581 RVO vorliegen (§ 603 Satz 2 RVO).
Die Entscheidung der Frage, in welchem Grade die Erwerbsfähigkeit eines Ver-letzten gemindert ist, ist eine
tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach seiner freien, aus
dem Gesamter-gebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Die Bemessung der un-fallbedingten MdE
richtet sich nach dem Umfang der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung des Verletzten durch die Unfallfolgen
und der dem Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Er-werbslebens.
Dabei liegt die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch Unfallfolgen
beeinträchtigt sind, in erster Linie auf medizinisch-wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerungen dar-
über, inwieweit sich derartige Beeinträchtigungen auf die Erwerbsfähigkeit des Verletzten auswirken, sind zwar nicht
verbindlich, bilden aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE.
Dar-über hinaus sind bei der Beurteilung der MdE auch die von der Rechtsprechung sowie von dem
versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen
Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht im Einzelfall bindend, aber als Grundlage für eine gleiche und gerechte
Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis heranzu-ziehen sind (BSG SozR 2200 § 581
RVO Nr. 23). Sie stellen in erster Linie auf das Ausmaß der unfallbedingten Funktionsbeeinträchtigung ab.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nicht festgestellt werden, dass die durch die Folgen des
Arbeitsunfalls vom 31. Oktober 1995 bedingte MdE der Klägerin seit dem 1. Januar 1997 mindestens 20 vH beträgt.
Die Klägerin hat bei dem Unfall eine Fraktur des linken Oberschenkels erlitten. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 14.
August 1996 folgende Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen anerkannt: Muskel- und Belastungsschwäche des linken
Beines, Beinverkürzung, Gangbehinderung, Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes. Außer-dem hat das
SG folgende weitere Unfallfolgen festgestellt: Knöchern mit geringer Einstauchung und in vermehrter Innenrotation (ca
15 bis 20 Grad) fest verheilter petrochantärer Oberschenkelbruch links, schmerzhafte Narbenhernie im linken
Oberschenkel, Umfangsminderung des linken Beines.
Diese Unfallfolgen bedingen keine MdE von mindestens 20 vH. Bei der Bemes-sung der MdE bei Verletzungen des
Oberschenkels bzw der Hüfte ist eine MdE um 20 vH zB anzunehmen bei einer deutlichen posttraumatischen
Arthrose mit Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk (30 bis 50 Grad), einer Muskelminde-rung um mehr als 2 cm
und einer leichten Gangbehinderung (Schönber-ger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage
S. 612). Eine so gravierende Funktionseinschränkung liegt im vorliegenden Fall ab 1. Januar 1997 nicht vor. In
keinem der Gutachten oder ärztlichen Stellungnahmen ergibt sich ein Hinweis auf eine Arthrose. Die Beweglichkeit der
Hüfte ist nur endgradig eingeschränkt, auch die von Dr. J. festgestellte Innenrotationsfehlstellung wirkt sich nicht
merk-lich aus. Es besteht auch nur eine minimale Muskelminderung. Die Beinverkür-zung um 1 cm gegenüber rechts
ist nach den Ausführungen von Dr. J. nicht we-sentlich, sondern liegt bei einem Großteil der Bevölkerung vor, ohne
dass damit Beschwerden verbunden sind. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Kläge-rin die
Beinlängendifferenz durch Einlagen ausgleicht. Schließlich führen auch die leichte Gangbehinderung und die
Narbenhernie nicht zu einer MdE um 20 vH.
Die bei der Klägerin bestehenden Wirbelsäulenbeschwerden führen nicht zu einer höheren MdE, weil der Senat eine
"Wirbelsäulenerkrankung” nicht als weitere Unfallfolge festzustellen (§ 55 Abs 1 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -)
vermag. Denn es lässt sich nicht wahrscheinlich machen, dass die bei der Skelettszinti-graphie am 28. August 1996
festgestellten Veränderungen der Wirbelkörper (Kompressionsbrüche an den Lendenwirbelkörpern 2, 3 und 4) auf den
Arbeits-unfall zurückzuführen sind. Nach den übereinstimmenden Feststellungen von Prof. Dr. K./Dr. L. und Dr. J.
handelt es sich vielmehr um Spontanfrakturen und -sinterungen infolge der bei der Klägerin nachweisbaren
hochgradigen Osteoporo-se. Die selbe Beurteilung ergibt sich aus dem Arztbrief des Radiologen Dr. F. vom 28.
August 1996. Auch Dr. D. und Dr. E. hatten die von der Klägerin angegebe-nen LWS-Beschwerden bereits zuvor als
unfallunabhängig beurteilt.
Eine für die Klägerin günstigere Einschätzung ergibt sich auch nicht unter Be-rücksichtigung der weiteren
Ausführungen in den Gutachten von Dr. J. und Prof. Dr. G. sowie der Arztbriefe von Dr. F., Dr. I. und Dr. M ... Dr. J.
schätzt die MdE ab 1. Januar 1997 bis 31. Oktober 1997 allein deshalb auf 20 vH, weil bei dem Vergleich der von Dr.
E. und Prof. Dr. G. erhobenen Untersu-chungsergebnisse keine wesentliche Änderung feststellbar sei. Auf eine
wesentli-che Änderung kommt es jedoch – wie ausgeführt – nicht an. Prof. Dr. G. schätzen die MdE ebenfalls bis 31.
Oktober 1997 mit 20 vH ein. Diese Beurteilung ist je-doch nicht durch die am 12. Dezember 1996 erhobenen Befunde
zu rechtfertigen, die im Wesentlichen mit den anerkannten Unfallfolgen übereinstimmen. Darauf hat Dr. H. zu Recht
hingewiesen. Soweit Prof. Dr. K. und Dr. L. für den Zeitraum bis 11. Dezember 1996 eine MdE von 30 vH annehmen,
unterstellen sie bei ihrer Beurteilung, dass am linken Ober-schenkelknochen eine Entzündungsreaktion vorgelegen
hatte, die auch nach ih-ren Feststellungen am Untersuchungstag (12. Dezember 1996) nicht mehr nach-weisbar war.
Eine solche entzündliche Veränderung ist jedoch nicht bewiesen. Dr. F. hat lediglich die Verdachtsdiagnose
"Ostitischer Prozess über dem mittle-ren Femurverlaufsdrittel” gestellt (Bericht vom 28. August 1996). Weitere – eine
Entzündung bestätigende – Berichte liegen jedoch nicht vor. Auch bei der am 6. September 1996 durchgeführten
Operation (Entfernung des Gammanagels) wurde eine entzündliche Veränderung nicht vermerkt (Bericht Prof. Dr. N.
vom 9. September 1996). Nach den einleuchtenden Ausführungen von Dr. H. und Dr. J. ist die festgestellte vermehrte
szintigraphische Aktivitätsanreicherung operationsbedingt (Bohrung zur Einbringung des Gammanagels) und weist nur
darauf hin, dass der Knochenstoffwechsel noch gesteigert ist. Die operationsbe-dingte Störung der Durchblutung des
Oberschenkelknochens von innen normali-siere sich jedoch nach einer relativ kurzen Zeit wieder.
Dem Bericht von Dr. F. vom 28. August 1996 lässt sich nur entnehmen, dass die Klägerin (unfallunabhängig) an
Kompressionsfrakturen auf osteoporotischer Ba-sis leidet. Der außerdem geäußerte Verdacht auf einen ostitischen
Prozess im linken Bein hat sich – wie ausgeführt – nicht bestätigt. Die Ausführungen von Dr. I. vom 27. November
1996 betreffen die – hier nicht streitige – Frage nach dem Grund für die attestierte Arbeitsunfähigkeit ab 8. November
1996. Die gutachterliche Stellungnahme des Dr. I. vom 25. Mai 1997 führt ebenfalls nicht zu einer anderen
Beurteilung. Für die Begründung ei-nes Ursachenzusammenhanges zwischen dem Unfall und den Beschwerden der
Klägerin reicht es nicht aus, dass die Beschwerden nach dem Unfall begonnen haben. Es kommt deshalb nicht darauf
an, ob die Klägerin vor dem Unfall Schmerzen im linken Bein oder in der Wirbelsäule angegeben hat oder ob die
Beschwerden "schlagartig mit dem Unfall begannen”. Ein Vergleich der vor und nach dem Unfall vom 31. Oktober
1995 erhobenen Szintigraphiebefunde ergibt keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass der Unfall vom 31. Oktober
1995 auch zu Wirbelkörperfrakturen geführt hat. Dagegen spricht entscheidend, dass am Unfalltag keine Frakturen
festgestellt worden sind und dass die Beschwerden erst Ende Mai aufgetreten sind (vgl. Angaben der Klägerin bei der
Untersuchung durch Dr. L.). Auf letzteren Umstand hat Dr. J. zu Recht hingewiesen. Schließlich lassen sich die
Beschwerden an den Hüftgelenken, dem rechten Bein und den oberen Wirbelsäulenabschnitten sowie die Entstehung
der Osteoporose nicht durch unfallbedingte Bettruhe und Fehlbelastung erklären. Dagegen spricht der kurze Zeitraum
der durch die Bettruhe erzwungenen Untätigkeit. Außerdem wäre dann zu erwarten gewesen, dass die Osteoporose
sich zeitnah zum Unfall ver-schlimmert. Das war jedoch nicht der Fall, denn noch bei der Untersuchung bei Dr. D. am
11. Juni 1996 war die Lendenwirbelsäule der Klägerin insoweit unauf-fällig. Soweit Dr. M. in dem Bericht vom 26.
September 1997 darauf hinweist, dass die Sinterungsfrakturen vor dem Unfall noch nicht vorhanden waren, ist dies
unstreitig. Es kommt im vorliegenden Fall jedoch darauf an, ob die Frakturen Unfallfolgen sind. Dies ist – wie
ausgeführt – zu verneinen.
2. Auf die Berufung der Beklagten ist das Urteil des SG auch hinsichtlich der Verur-teilung zur Zahlung von
Verletztengeld für den Zeitraum vom 5. September 1996 bis 4. Oktober 1996 aufzuheben. Denn ein
Verletztengeldanspruch besteht nicht. Gemäß § 560 Abs 1 RVO erhält der Verletzte Verletztengeld, solange er infolge
des Arbeitsunfalls arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung ist und keinen Anspruch auf Übergangsgeld nach
den §§ 568, 568a Abs 2 oder 3 RVO hat. Zwar befand sich die Klägerin im streitigen Zeitraum unfallbedingt – zur Ent-
fernung des Gammanagels – in stationärer Behandlung. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sie bereits seit dem 12.
Juni 1996 und über den 4. Oktober 1996 hinaus wegen unfallunabhängiger Erkrankungen (Wirbelsäulenerkrankung) ar-
beitsunfähig war, so dass eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht begründet werden konnte (vgl BSG, Urteil vom 26. Mai
1977, BSGE 44, 22, 25). Aber selbst wenn man der Auffassung des SG, im streitigen Zeitraum habe die
unfallbedingte Ar-beitsunfähigkeit überwogen, folgen würde, ergäbe sich kein Anspruch der Kläge-rin auf
Verletztengeld. In diesem Fall würde der Anspruch gemäß § 107 Abs 2 SGB X als erfüllt gelten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht
gegeben.