Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 24.02.2009

LSG Nsb: unfallversicherung, plötzliche einwirkung, obhut, anerkennung, arbeitsunfall, versicherter, hort, hochschule, versicherungsschutz, niedersachsen

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 24.02.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 36 U 454/04
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 9 U 41/06
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 11. Januar 2006 wird zurückgewiesen. Die
Berufungsklägerin hat dem Berufungsbeklagten seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 3. Dezember 2003 als Arbeitsunfall.
Der 1996 geborene Berufungsbeklagte besuchte im Dezember 2003 neben der allgemeinbildenden Schule den
Schülerladen "Bunte Tüte" in C ... Am 3. Dezember 2003 besuchte der Schülerladen mit den Kindern - wie zu dieser
Zeit jeden Donnerstag - das D. Bad, um mit den Kindern schwimmen zu gehen. Nach Beendigung des gemeinsamen
Schwimmens sammelten sich die Kinder - je nach dem Zeitpunkt des Fertigwerdens mit dem Umziehen und Föhnen -
im Vorraum des Schwimmbades. Eine anwesende Erzieherin verteilte an die bereits wartenden Kinder mitgebrachte
und vorbereitete Nahrungsmittel (u.a. Pfannkuchen). Sie entdeckte nach einer Weile den Berufungskläger leblos am
Boden und begab sich zu ihm. Sie stellte fest, dass dieser leblos war und der hinzu eilende Bademeister brachte den
Berufungsbeklagten in seinen Raum, wo eine Wiederbelebung eingeleitet und der Notarzt verständigt wurde. Aus dem
Notarzteinsatzprotokoll ergibt sich, dass bei dem Berufungsbeklagten eine Asystolie, Apnoe sowie eine Prellmarke an
der Stirn festgestellt wurden. Es wurde die Diagnose Bolustod gestellt. Bei dem Berufungsbeklagten liegt jetzt eine
schwere Mehrfachbehinderung vor mit schwerem kognitiven Defizit, einer Tetraspastik, die zur vollständigen
Immobilität, sowie zu Blindheit, Schluck- und Ernährungsstörung, schwerer Einschränkung der verbalen und
nonverbalen Kommunikationsfähigkeit, Harn- und Stuhlinkontinenz sowie epileptische Anfällen geführt hat.
Die Berufungsklägerin leitete - auf die Unfallanzeige vom 4. Dezember 2003 hin - Ermittlungen ein und zog unter
anderem Unterlagen aus der Medizinischen Hochschule C. (MHH) über die Behandlung des Berufungsklägers (Bericht
vom 21. Januar 2004) und unter anderem Zeugenaussagen der Erzieherinnen und eines abholenden Vaters bei
(insoweit wird auf die genannten Unterlagen Bezug genommen). Mit Bescheid vom 16. März 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 30.November 2004 lehnte sie die Anerkennung des Ereignisses als Unfallereignis im
Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Zur Begründung wies sie im Wesentlichen darauf hin, die Tätigkeit des
Essens, die hier als unfallverursachend in Betracht komme, unterliege nicht dem Schutz der gesetzlichen
Unfallversicherung. Zudem sei nicht nachgewiesen, dass der bei dem Berufungsbeklagten eingetretene Herzstillstand
auf Pfannkuchenreste zurückzuführen sei, die im Hals des Berufungsbeklagten steckengeblieben seien.
Am 29. Dezember 2004 ist Klage erhoben worden.
Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die schriftliche Aussage des Zeugen E. vom 9. Dezember 2004 beigezogen. Mit
Urteil vom 11. Januar 2006 hat es der Klage stattgegeben, den Bescheid der Beklagten vom 16. März 2004 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2004 aufgehoben und festgestellt, dass der
Berufungsbeklagte am 3. Dezember 2003 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Zur Begründung hat das SG im
Wesentlichen darauf hingewiesen, der Berufungsbeklagte habe im fraglichen Zeitpunkt unter dem Schutz der
gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Dies ergebe sich aus dem weitgehenden Schutz von Kindern während
ihres Aufenthalts in Betreuungseinrichtungen. Es sei auch für die Zwecke des Verfahrens genügend nachgewiesen,
dass der Herzstillstand des Berufungsbeklagten, der zu erheblichen Folgeschäden geführt habe, auf die Einwirkungen
von verschluckten Pfannkuchenresten zurückzuführen sei.
Gegen das am 19. Januar 2006 zugestellte Urteil ist am 13. Februar 2006 Berufung eingelegt worden.
Die Berufungsklägerin macht geltend, der Berufungsbeklagte habe im fraglichen Zeitpunkt nicht unter dem Schutz der
gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Der vom SG angenommene weitgehende Schutz von Kindern in
Betreuungseinrichtungen beziehe sich nicht auf Kinder, die bereits das Schulalter erreicht hätten. Zudem sei nicht
nachgewiesen, dass der Herzstillstand des Berufungsbeklagten auf eingeatmete Pfannkuchenreste zurückzuführen
sei.
Die Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 11. Januar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf das erstinstanzliche Urteil sowie das Ergebnis der ergänzenden zweitinstanzlichen
Sachverhaltsaufklärung.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts das Kinder-Untersuchungsheft des Bundesausschusses der
Ärzte und Krankenkassen betreffend den Berufungsbeklagten beigezogen. Sodann hat er Befundberichte von der
Fachärztin für Allgemeinmedizin F. vom 9. September 2008 sowie von der Fachärztin für Allgemeinmedizin G. vom
10. September 2008 eingeholt und sich ein Gutachten von der Fachärztin für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Dr.
H. vom 10. Oktober 2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 10. Dezember 2008 erstatten lassen. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die genannten Unterlagen Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der
Gerichtsakte sowie auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Berufungsklägerin Bezug genommen.
Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat in seinem Urteil vom 11. Januar 2006 zutreffend festgestellt, dass das Ereignis vom 3. Dezember 2003
ein Arbeitsunfall im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung ist (§ 55 Abs.1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -).
Der Bescheid der Berufungsklägerin vom 16. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.
November 2004 ist rechtswidrig und verletzt den Berufungsbeklagten in seinen Rechten. Dieser hat aus § 56
Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) i.V.m. §§ 8, 2 Abs. 1 Nr. 8a SGB VII
einen Anspruch gegen die Berufungsklägerin, auf Anerkennung des Ereignisses vom 3. Dezember 2003 als
Arbeitsunfall.
Zur Begründung nimmt der Senat zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen in Anwendung von § 153 Abs. 2
SGG Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des SG zu den rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung
eines Arbeitsunfalls in seinem Urteil vom 11. Januar 2006. Das Ergebnis der ergänzenden Ermittlungen im
Berufungsverfahren ist nicht dazu geeignet, zu einer anderen Bewertung zu gelangen. Auch aufgrund der ergänzenden
Ermittlungen des Senats ist nach der Überzeugung des Senates davon auszugehen, dass es am 3. Dezember 2003
zu einem Unfallereignis im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung gekommen ist (dazu nachstehend
unter 2). Der Berufungsbeklagte stand im Zeitpunkt dieses Unfallereignisses auch unter dem Schutz der gesetzlichen
Unfallversicherung, weil die von ihm zu diesem Zeitpunkt verrichtete Tätigkeit im Zusammenhang mit versicherter
Tätigkeit gestanden hat (dazu nachstehend unter 1).
1. a. Der Berufungsbeklagte stand in dem Moment, in dem sich das hier streitige Ereignis abspielte, im Gegensatz
zur Auffassung der Berufungsklägerin in Anwendung von § 2 Abs. 1 Nr. 8a SGB VII unter dem Schutz der
gesetzlichen Unfallversicherung. Nach dieser Vorschrift sind Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen,
deren Träger für den Betrieb der Einrichtung der Erlaubnis nach § 45 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch - Kinder- und
Jugendhilfe (SGB VIII) bedürfen, kraft Gesetzes versichert. Um eine solche Einrichtung handelt es sich bei dem
Schülerladen "Bunte Tüte", einem Hort im Sinne von § 22 SGB VIII,- was zwischen den Beteiligten unstreitig ist -
ohne Zweifel.
Versicherungsschutz besteht insoweit abweichend von der herkömmlichen Terminologie etwa in § 8 Abs. 1 Satz 1
SGB VII des Unfallversicherungsrechtes "während des Besuchs der Tageseinrichtung" (vgl. hierzu und zum
Nachstehenden Kruschinsky in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, § 2 Rn 485; vgl. ebendort
auch Krasney zu § 8 Rn 153; BSG, Urteil vom 30. Juni 1998, B 2 U 20/97 R = NZS 1999,42 ff ausdrücklich auch im
Hinblick auf § 2 Abs. 1 Nr. 8a SGB VII, obwohl der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt noch nach
den Vorschriften der RVO zu beurteilen war). Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass Kinder
während der gesamten Zeit des Besuchs der Tageseinrichtung - hier des Horts - durch die gesetzliche
Unfallversicherung geschützt sein sollen (so auch Richter in LPK SGB VII, 2. Aufl., § 2 Rn 49; Riebel in Hauck/Noftz,
K § 2 SGB VII, Rn 95; Keller in Hauck/Noftz, K § 8 Rn 171). Entgegen der Auffassung der Berufungsklägerin ist nicht
zwischen Kindergärten - als Einrichtungen der vorschulischen Erziehung - und Horten – als Einrichtungen, die zu
einem späteren Zeitpunkt an der Erziehung von Kindern mitwirken - zu differenzieren.
Dies ergibt sich aus § 22 SGB VIII. Darin formuliert der Gesetzgeber den Erziehungsauftrag für alle darin genannten
Tageseinrichtungen - also auch für Horte wie den hier betroffenen Schülerladen - dahingehend, dass er die Förderung,
die Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern umfasst (diese Überlegung führt auch das BSG in seiner bereits
zitierten Entscheidung ein, vgl. auch Kruschinsky a.a.O. Rn 486a). Zum Betreuungsauftrag gehört die Gewährleistung
einer lückenlosen Obhut für das Kind, die im Zusammenwirken mit den Sorgeberechtigten herbeizuführen ist. Dem
Gesetzestext lässt sich die von der Berufungsklägerin angenommene Differenzierung zwischen Kindern, die einen
Kindergarten besuchen, und Kindern, die eine andere Tageseinrichtung im Sinne von § 22 SGB VIII besuchen, gerade
nicht entnehmen. Im Gegenteil macht es § 22 Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII den Tageseinrichtungen zur Aufgabe, den Eltern
der Kinder dabei zu helfen, Erwerbstätigkeit und Erziehung besser miteinander vereinbaren zu können. Daraus ergibt
sich, dass gerade die sonst dem Personensorgeberechtigten obliegende Obhuts- und Betreuungsfunktion, die er
aufgrund seiner Erwerbstätigkeit nicht umfassend wahrnehmen kann, durch die Tageseinrichtung zum Teil
abgenommen werden soll. Dies gilt auch für Einrichtungen zur Betreuung und Förderung von Kindern, die das
Kindergartenalter bereits hinter sich gelassen haben. Gerade auf diesen Personenkreis soll aber auch der
unfallversicherungsrechtliche Schutz ausgedehnt werden.
Auch aus den Gesetzesmaterialien, worauf schon der Prozessbevollmächtigte des Berufungsbeklagten zutreffend
hingewiesen hat, ergibt sich, dass der Gesetzgeber eine Ausdehnung des lückenlosen Schutzes in Kindergärten, den
auch die Berufungsklägerin einräumt, auf alle Tageseinrichtungen wollte. So heißt es in der Begründung der
Bundesregierung zum Entwurf der heutigen Regelung in § 2 Abs. 1 Nr. 8a SGB VII (BT-Drucks. 13/2204, S. 74
abgedruckt bei Kruschinsky a.a.O. Rn 472) wörtlich: "Der Unfallversicherungsschutz wird auf alle Tageseinrichtungen
(Krippen, Horte, altersgemischte Gruppen, kindergartenähnliche Einrichtungen) im Sinne des § 22 SGB VIII erstreckt."
Damit hat die Bundesregierung deutlich gemacht, dass sie den bisher existierenden und ihr bekannten
unfallverischerungsrechtlichen Schutz in Kindergärten auf andere Tageseinrichtungen ausdehen wollte. In ihrer
weiteren Begründung des Gesetzentwurfs weist die Bundesregierung darauf hin, die Aufgabe aller Tageseinrichtungen
nach § 22 SGB VIII umfasse die Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder. Der Hort habe inzwischen einen
eigenständigen Erziehungs- und Bildungsauftrag. Zudem sähen die landesrechtlichen Regelungen die Möglichkeit von
altersgemischten Gruppen und damit eine organisatorische Einheit von Krippe, Kindergarten und Hort vor, was
wiederum eine eindeutige Abgrenzung der genannten Einrichtungen nicht mehr zulasse. Auch hieraus ergibt sich für
den Senat, dass der von der Berufungsklägerin vermutete Unterschied im unfallversicherungsrechtlichen Schutz von
Hort- und Kindergartenkindern vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt war. Sie würde vielmehr zu der nur schwer
verständlichen Konsequenz führen, dass bei gemischten Gruppen manche Kinder bei derselben Handlung
unfallversicherungsrechtlich geschützt wären, andere aber nicht. Die Auslegung durch die Berufungsklägerin ist für
den Senat vielmehr eher überraschend und gerade angesichts der Gesetzgebungsgeschichte und der von der
Berufungsklägerin gesehenen und zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht nachvollziehbar.
Versicherungsschutz besteht deshalb nach § 2 Abs. 1 Nr 8a SGB VII schon nach dem Gesetzeswortlaut umfassend
auch dann, wenn Tätigkeiten verrichtet werden, die sonst nicht versichert sind - etwa wie hier das Essen (vgl. erneut
BSG a.a.O ...; Riebel a.a.O.; Kruschinsky a.a.O. Rn 485; Ricke in Kasseler Kommentar zum
Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB VII Rn 148). Ein den privatwirtschaftlichen und damit nicht versicherten
Verrichtungen zuzurechnender Bereich ist während des Besuchs von Tageseinrichtungen im Gegenteil kaum denkbar
(BSG a.a.O.; Richter a.a.O.). Eine Differenzierung danach, ob es sich etwa bei dem gemeinsamen Essen, um eine
pädagogisch notwendige oder jedenfalls auch aus pädagogischen Gründen durchgeführte Tätigkeit handelt, wie dies
die Berufungsklägerin bei Hortkindern annehmen will, kommt daher schon grundsätzlich nicht in Betracht. Soweit sich
die Berufungsklägerin für ihre Auffassung auf den Aufsatz von Leube (SGb 2008, 398 ff) bezieht , kann sie damit
nicht überzeugend ihren Rechtsstandpunkt begründen. Zunächst weist Leube, der sich mit dem
Unfallversicherungsschutz von Schülern befasst (auf S. 400 in Fußnote 30), selbst darauf hin, dies sei bei dem
Besuch von Tageseinrichtungen im Sinne von § 22 SGB VIII anders zu bewerten, ohne hierbei zwischen den
verschiedenen Formen von Tageseinrichtungen zu differenzieren, zu denen - wie ausgeführt - auch Schülerhorte
gehören. Zudem hält der Senat - ohne dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits hierauf ankäme - die
Auffassung von Leube aber auch aus den zuvor dargestellten Gründen des Wortlauts und der
Gesetzgebungsgeschichte, die auch für § 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII gelten, für unzutreffend. Auch Leube hat darauf
hingewiesen, Schüler seien "während des Besuchs" versichert, also immer dann, wenn die unfallbringende
Verrichtung im Organisationsbereich der Schule - hier des Horts - liege (a.a.O. S. 398 bei Fußnoten 7 und 8).
Dies gilt insbesondere auch, wenn es sich - wie hier - bei dem von der Einrichtung durchgeführten
Schwimmbadbesuch um Verrichtungen außerhalb des Aufenthalts in der Tageseinrichtung handelt, wenn sie nur in
den Verantwortungsbereich der Tageseinrichtung fallen (vgl. hierzu schon LSG Niedersachsen, Urteil vom 5. Juli
1990, L 6 U 334/89 = Breithaupt 1991, 197; zustimmend Kruschinsky a.a.O. Rn 486 a). Das Bundessozialgericht
(a.a.O.) hat insoweit überzeugend ausgeführt, der Unfallversicherungsschutz folge der Obhutsverpflichtung des
Kindergartens und mithin unter Geltung von § 2 Abs. 1 Nr. 8a SGB VII der Tageseinrichtung - hier des Horts. Die
Kinder unterliegen also dem umfassenden unfallversicherungsrechtlichen Schutz, solange sie nicht wieder in die
Obhut des Sorgeberechtigten gewechselt sind, was bei dem Berufungsbeklagten gerade noch nicht wieder der Fall
war.
b. Daneben und selbständig tragend unterfällt das Essen der Kinder nach dem Schwimmbadbesuch in der Vorhalle
des Schwimmbades schon aus anderen Gründen - unabhängig von der normativen Wirkung des § 2 Abs. 1 Nr. 8a
SGB VIII - dem unfallversicherungsrechtlichen Schutz.
Die Ausführungen der Berufungsklägerin, wonach der Berufungsbeklagte im Zeitpunkt des Ereignisses schon
deswegen nicht unter Versicherungsschutz gestanden habe, weil er einer privatwirtschaftlichen Verrichtung, nämlich
dem Essen, nachgegangen sei, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand. Die Berufungsklägerin will damit
offenbar den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Tätigkeit zur Zeit des Unfalls
bestreiten.
In der Tat ist ein solcher Zusammenhang grundsätzlich Voraussetzung für die Anerkennung eines Ereignisses als
Arbeitsunfall im Sinne von § 8 SGB VII. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch seit langem anerkannt,
dass persönliche Verrichtungen - wie zum Beispiel die Esseneinnahme - nicht in einem solchen sachlichen
Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen (vgl. Krasney in Brackmann, a.a.O., § 8 Rn 70 ff). Das BSG hat
in seiner ständigen Rechtsprechung, der der Senat in seiner Spruchpraxis folgt, aber auch seit langem Ausnahmen
von dieser Grundregel entwickelt (vgl. für den Unfallversicherungsschutz von Schülern nach § 2 Abs. 1 Nr. 8b SGB
VII auch schon Senatsurteil vom 29. November 2006, L 9 U 75/05 mit umfangreichen Hinweisen zur Rechtsprechung;
zusammenfassend aus jüngerer Zeit auch Leube, SGb 2008,398).
Dies gilt zunächst schon dann, wenn das Essen direkt auf eine dem unfallversicherungsrechtlichen Schutz
unterliegende Tätigkeit zurückzuführen ist, weil die versicherte Tätigkeit unmittelbar zu verstärkten Hungergefühlen
geführt hat (vgl. zu dieser Überlegung BSG, Urt. v. 30. Januar 2007, B 2 U 8/06 R, zitiert nach juris dort Rn 13 unter
Hinweis auf ältere Rechtsprechung des BSG; Krasney a.a.O. Rn 72; so auch der von der Berufungsklägerin zur
Stützung ihrer Ansicht herangezogene Aufsatz von Leube a.a.O. S. 400 bei Fußnote 33) - nämlich wie hier der der
Förderung der Kinder im Sinne von § 22 SGB VIII dienende Schwimmbadbesuch. Schon deswegen steht die hier
streitgegenständliche Esseneinnahme auch im nach § 8 SGB VII erforderlichen Zusammenhang mit der versicherten
Tätigkeit. Wie die Mitglieder des Senats aus vielfacher eigener Erfahrung wissen, führt ein Schwimmbadbesuch bei
Kindern in diesem Alter wegen der damit verbundenen körperlichen Anstrengungen und auch wegen der für den
kindlichen Körper besonders anstrengenden Temperaturunterschiede zwischen menschlichem Körper und Wasser
zuweilen schon während des Schwimmbadbesuchs zu ganz erheblichen Hungergefühlen, die unmittelbar befriedigt
werden müssen. So ist auch zu erklären, dass die Betreuungspersonen der Schülerladengruppe - dies wissend -
diverse Nahrungsmittel (Pfannkuchen, Kohlrabi, Gurke, rote Paprika - vgl. dazu Zeugenaussage I. von Dezember
2004, Bl. 33 der Gerichtsakte) - mitgeführt haben, um unmittelbar nach dem Schwimmbadbesuch den nach ihrer
Erfahrung auftretenden Hunger alsbald befriedigen zu können. Die Ausführungen der Berufungsklägerin in der
Berufungsbegründung, worin gerade dies bestritten wird, sind lebensfremd und erkennbar von dem Bemühen getragen,
eine Leistungspflicht zu vermeiden. Die versicherte Tätigkeit Schwimmbadbesuch hat damit ein besonderes Hunger-
und Durstgefühl verursacht, womit der Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Essen im Sinne der
zitierten Rechtsprechung des BSG hergestellt ist.
Eine weitere Ausnahme wird in der Rechtsprechung des BSG angenommen, wenn der Versicherte durch die
versicherte Tätigkeit veranlasst war, seine Mahlzeit an einem bestimmten Ort oder in einer besonderen Form
einzunehmen oder wenn bestimmte betriebliche Umstände den Versicherten zwar nicht zwangen, aber wenigstens
veranlassten, seine Mahlzeit an einem bestimmten Ort einzunehmen, mithin betriebliche Umstände die Einnahme des
Essens also wesentlich mitbestimmten (hierzu erneut BSG, Urt. v. 30.Januar 2007 a.a.O). Auch diese
Voraussetzungen für diese Ausnahme sind vorliegend gegeben. Durch die Umstände des Schwimmbadbesuchs war
der Berufungsbeklagte gezwungen, seine Mahlzeit unter ganz besonderen und nicht kindgemäßen Umständen, worauf
die Sachverständige Dr. H. hinweist, nämlich in der Vorhalle des D. Bades einzunehmen, wo es u.a. nicht genug
Sitzgelegenheiten gibt. Auch aus diesem Grund bestand ein sachlicher Zusammenhang zwischen versicherter
Tätigkeit und der Einnahme der Mahlzeit.
Hinzu kommt, dass die Situation nach dem Schwimmbadbesuch nicht allein durch die Verrichtung "Essen" geprägt
war, sondern auch dadurch, dass abgewartet wurde, bis alle Kinder umgezogen waren, um dann gemeinsam den
Rückweg zum Schülerladen antreten zu können beziehungsweise um einzelne Kinder vor Ort in die elterliche Obhut
durch Abholen durch die Eltern zu übergeben. In dieser Situation stand nicht allein das Essen im Vordergrund,
sondern ebenso die fortdauernde Obhut und Betreuung der Kinder, wie sie von § 2 Abs. Nr. 8a SGB VII in Verbindung
mit § 22 SGB VIII - wie bereits mehrfach erwähnt - besonders in den Vordergrund gestellt und dem
unfallversicherungsrechtlichen Schutz unterworfen wird. Da die Situation aber eben nicht allein durch eine - etwaige -
persönliche Verrichtung geprägt war, sondern jedenfalls auch gleichermaßen durch die fortdauernde Obhut und
Betreuung anlässlich des Besuchs der Tageseinrichtung und damit eine gemischte Tätigkeit mit entsprechender
Handlungstendenz vorlag, kann schon deswegen der unfallversicherungsrechtliche Schutz nicht verneint werden.
2. Dieses geschützte Essen führte auch zu einer als Unfallereignis im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII zu bewertenden
Einwirkung auf den Körper des Berufungsbeklagten. Für das zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende
Ereignis nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Diese
Voraussetzung dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen wie Herzinfarkt,
Kreislaufkollaps usw. sowie zur vorsätzlichen Selbstschädigung. Die Unfreiwilligkeit der Einwirkung bei demjenigen,
den das Geschehen betrifft, ist dem Begriff des Unfalls immanent, weil ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer
Einwirkung dem Begriff des Unfalls widerspricht (BSG, SozR 2200, § 1252, Nr. 6, S. 20). Hiervon zu unterscheiden
sind jedoch die Fälle eines gewollten Handelns und einer ungewollten Einwirkung; in diesen Fällen liegt eine äußere
Einwirkung vor (Keller in Hauck/Noftz, a.a.O., § 8 RdNr 14). Dies ist für äußerlich sichtbare Einwirkungen unbestritten,
z.B. für den Sägewerker, der nicht nur ein Stück Holz absägt, sondern auch unbeabsichtigt seinen Daumen. Gleiches
gilt für äußere Einwirkungen, deren Folgen äußerlich nicht sichtbar sind. Die äußere Einwirkung kann auch in der
(unsichtbaren) Kraft liegen, die der schwere und festgefrorene Stein dem Versicherten entgegensetzt, wenn ein
Versicherter zur Ausübung einer versicherten Tätigkeit eine erhebliche Kraftanstrengung unternimmt und dabei einen
Gesundheitsschaden nach der Theorie der wesentlichen Bedingung erleidet (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, RdNr. 7 ff).
Die Einwirkung selbst kann, muss aber nicht sichtbar sein, z.B. radioaktive Strahlen, elektromagnetische Wellen, eine
starke Sonneneinstrahlung, die von außen zu einem Kreislaufkollaps führt (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 56; zu
allem die schon mehrfach zitierte Entscheidung des BSG vom 30. Januar 2007 a.a.O. Rn 15).
Von daher stellt die Fehlaufnahme von Nahrung, ein Verschlucken, im Rahmen eines der versicherten Tätigkeit
zuzurechnenden Essens ohne weiteres ein Unfallereignis dar, für das auch die Unfallkausalität gegeben ist, weil die
Aufnahme und krankmachende Wirkung durch das Essen verursacht wurde und ihm zuzurechnen ist. Die durch die
falsch aufgenommene Nahrung im Körper des Versicherten ausgelösten Prozesse stellen in diesen Fällen
typischerweise eine plötzliche Einwirkung von außen dar.
Der Senat hat aufgrund der überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. H. mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit festgestellt, dass der Herzstillstand des Berufungsbeklagten und die auf diesen
zurückzuführenden, verbliebenen Schädigungen des Gehirns auf die Einwirkungen dieses Essens zurückzuführen
sind. Der Berufungsbeklagte hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Teile des von ihm verzehrten
Pfannkuchens angeatmet, was zu einer Verlegung der Atemwege geführt hat, wodurch es wiederum zu
Sauerstoffmangel und daraus folgend zum Herzstillstand gekommen ist.
Die Sachverständige hat es zunächst als äußerst unwahrscheinlich angesehen, dass es aus innerer Ursache zu dem
Herzstillstand gekommen ist, wofür die Berufungsklägerin aber beweispflichtig wäre, weil hierfür keinerlei Hinweise in
der Krankenvorgeschichte aufzufinden waren. Auch in den ärztlichen Unterlagen über das akute Geschehen waren
keine Nachweise dafür vorhanden, dass eine (innere) Anlage des Berufungsbeklagten zu dem Herzstillstand geführt
hat. Die Sachverständige hat - insoweit für den Senat überzeugend - im Einzelnen denkbare Differentialdiagnosen
aufgezeigt und jeweils herausgearbeitet und im Einzelnen begründet, warum diese im Hinblick auf den
Berufungsbeklagten nicht in Betracht kommen.
Die Sachverständige hat darüber hinaus aus dem gesamten Aktenvorgang Tatsachen zusammengetragen, die die
Grundlage der Überzeugungsbildung sind, dass der Berufungsbeklagte Teile des Pfannkuchens aspiriert hat, was zu
einer Verlegung des Kehlkopfes oder der Atemröhre geführt hat. Sie hat insbesondere darauf hingewiesen, dass
sowohl die Erzieherin als auch der Bademeister davon berichtet haben, im Mund des Berufungsbeklagten hätten sich
Pfannkuchenteile befunden, die ausgeräumt worden seien. Sie hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass
anlässlich des stationären Aufenthaltes in der medizinischen Hochschule C. weitere Hinweise auf den Unfallhergang
gefunden worden sind. Bei bildgebenden Untersuchungen der Lunge des Berufungsbeklagten sind nämlich "rechts
vermehrt streifig-netzige Verdichtungen, vor allem im Oberlappen, vereinbar mit Aspiration" gesehen worden. Die
Sachverständige hat insofern im Einzelnen dargelegt, dass gerade ein solcher Befund auf die Aspiration von
Nahrungsmitteln hindeutet. Sie hat auch darauf hingewiesen, der Berufungsbeklagte müsse schon im Moment des
Sturzes jedenfalls bewusstseinsgetrübt gewesen sein, weil sich keine Hinweise auf eine Abstützreaktion gefunden
hätten. Auch hieraus muss darauf geschlossen werden, dass es in schneller Folge zu Sauerstoffmangelversorgung,
Bewusstlosigkeit und Herzstillstand gekommen ist. Sie kommt daher für den Senat überzeugend zu dem
abschließenden Ergebnis, nach differentialdiagnostischen Abwägungen komme lediglich das Ein- oder Anatmen des
Pfannkuchens mit folgender Sauerstoffminderversorgung als Ursache in Betracht. Die Sachverständige befindet sich
damit auch in Übereinstimmung mit der Einschätzung der nach dem Ereignis behandelnden Ärzte in der
Medizinischen Hochschule C., die durchgängig von einem sogenannten Bolustod als Ursache für den Herzstillstand
ausgegangen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG.
Anlass die Revision in Anwendung von § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen besteht nicht. Der Senat sieht insbesondere
nicht die von der Berufungsklägerin vermutete grundsätzliche Bedeutung der Sache, weil die wesentlichen
Rechtsfragen in diesem Zusammenhang bereits vom BSG geklärt worden sind.