Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 13.12.2001

LSG Nsb: ausbildung, zumutbare tätigkeit, rente, wechsel, berufsunfähigkeit, verkäuferin, operation, erwerbsunfähigkeit, erfahrung, niedersachsen

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 13.12.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Oldenburg S 5 RA 23/97
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 1 RA 44/00
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise we-gen Berufsunfähigkeit (BU).
Die 1944 geborene Klägerin schloss 1962 eine Ausbildung zur Fleischereifachver-käuferin erfolgreich ab. Sie war
anschließend in diesem Beruf beschäftigt. Wegen offener Beine nach Thrombose (teilweiser oder völliger
Gefäßverschluss durch ortsständige Blutgerinsel) wurde sie innerbetrieblich umgesetzt. In ihrem 1978 be-gründeten
Beschäftigungsverhältnis bei der PLUS Warenhandelsgesellschaft H. war sie zuletzt als Verkäuferin mit der
Regalpflege, dem Verräumen von Ware, dem Kassieren und der Beratung der Kunden betraut. Das
Beschäftigungsverhält-nis wurde einvernehmlich zum 30. Juni 1996 aufgelöst.
Bereits am 11. Dezember 1995 hatte die Klägerin wegen Rückenbeschwerden, der Folgen einer Bypass-Operation des
linken Beines, Thromboseneigung und chronischer Bronchitis (Arbeitsunfähigkeit seit dem 16. November 1995) bei der
Beklagten den Antrag gestellt, ihr Rente wegen EU/BU zu gewähren. Die Beklagte holte einen Befundbericht des
behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Sportmedizin Dr. I. vom 29. Februar 1996 ein. Zu
den Akten gelangten ferner Krankenhausberichte, insbesondere über die am 30. November 1995 durchgeführte
Bypass-Operation nach Verschluss der Artheria iliaca externa links (äußere Schlagader des Darmbeins,
Versorgungsgebiet Leistengegend, vor-derer Darmbeinbereich und Bauchwand). Außerdem beauftragte die Beklagte
den Orthopäden und Rheumatologen Dr. J., den medizinischen Sachverhalt zu begut-achten. Der Sachverständige
sah die venösen und arteriellen Durchblutungsstö-rungen als im Vordergrund stehend an. Die Klägerin solle
langdauerndes Sitzen ebenso wie ständiges Stehen ohne Umhergehen vermeiden. Der letzte Arbeits-platz sei unter
den gegebenen Umständen bestmöglich angepasst. Derzeit sei das Leistungsvermögen auf halb- bis
untervollschichtig für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten herabgesunken.
Es be-stehe allerdings die begründete Aussicht, die Einsatzfähigkeit im Wege medizini-scher Rehabilitation,
betreffend die Koordination, den Muskelaufbau, die Haltung sowie eine in Bezug auf Ernährung und das Rauchen
gesündere Lebensweise zu verbessern.
Nachdem die Beratungsärztin Frau Dr. K. unter dem 15. April 1996 die Leistungs-einschätzung Dr. L. als nicht
ausreichend begründet angesehen hatte, lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit ihrem Bescheid vom 21. Mai 1996
ab. Die Klägerin könne in ihrer bisherigen Berufstätigkeit weiter vollschichtig arbeiten. Gleichzeitig bot die Beklagte
der Klägerin ein medizinisches Heilverfahren an.
Die Klägerin widersprach der Rentenablehnung und erklärte gleichzeitig zum An-gebot der Beklagten, der körperliche
Zustand werde sich nicht bessern lassen. Mit 52 Jahren werde sie keine neue Arbeit finden. Tatsächlich führte die
Klägerin die Reha-Maßnahme aber in der Zeit vom 13. August bis zum 10. September 1996 in der Klinik M. in N.
durch. Im Entlassungsbericht vom 26. September 1996 hieß es, die Klägerin habe an einer venenspezifischen
Gymnastik teilgenommen und ma-nuelle Lymphdrainagen des linken Beines durchgeführt. Ihr seien Kompressions-
strümpfe verordnet worden. Im Wegstreckentest sei nach ca 800 m ein Hinken zu beobachten gewesen. Subjektiv sei
die Wegstrecke bei eigenem Tempo unbe-grenzt gewesen. Die Symptomatik der Lendenwirbelsäule sei unter
gymnastischen Übungen und Reizstromanwendungen praktisch behoben worden. Die Klägerin sei zwar für ihre letzte
Tätigkeit nicht mehr ausreichend belastungsfähig. Dagegen könne sie Arbeiten ohne schweres Heben oder Tragen
über 10 kg im Wechsel der Haltungsarten vollschichtig bewältigen.
Die Beklagte, die zusätzlich eine berufskundliche Stellungnahme vom 28. Oktober 1996 beizog, wies den
Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 1996 zurück. Sie führte aus, entsprechend dem
Ergebnis der Reha-Maßnahme und der berufskundlichen Stellungnahme sei die Klägerin zwar nicht mehr in der Lage,
ihren Hauptberuf weiter auszuüben, sie müsse sich jedoch auf Tätigkeiten einer Angestellten im Innendienst eines
Handelsunternehmens ver-weisen lassen.
Die Klägerin hat dagegen Klage zum Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben und geltend gemacht, keine EDV-
Kenntnisse, keine Ausbildung im Rechnungswesen und keine Erfahrung in Büroarbeiten zu besitzen. Darüber hinaus
sei ihre chroni-sche Bronchitis nicht in die Leistungsbeurteilung eingeflossen.
Das SG hat die undatierte, am 12. Februar 1998 eingegangene Auskunft der PLUS Warenhandelsgesellschaft und
weiter die Befundberichte des Facharztes für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. O. vom 24. April 1998 sowie des Dr. I.
(s.o.) vom 16. August 1998 eingeholt. Im ärztlichen Bericht des P. vom 25. Mai 1999 heißt es anlässlich einer
Kontrolluntersuchung, der im November 1995 gelegte Bypass sei frei. Dr. Q. hat am 18. September 1999 ein
fachärztlich-chirurgisches Gutachten erstattet. Darin hat der Sachverständige ausgeführt, im Vordergrund der
anlässlich der ambulanten Untersuchung am 8. September 1999 gefundenen krankhaften Veränderungen stünden die
Durchblutungsstörungen der unteren Ex-tremitäten. Die Analyse der eigenanamnestischen Angaben und der in den
Akten enthaltenen Dokumente zeige dabei, dass seit der Rentenantragstellung bis zum Tage der jetzigen
Untersuchung eine deutliche Besserung eingetreten sei. Als postthrombotische Erscheinung lasse sich zwar noch
eine leichte Schwellneigung im Bereich des linken Unterschenkels nachweisen. Diese sei jedoch als diskret
anzusehen. Das Krampfaderleiden sei vor allem deshalb nicht als ausgeprägt zu bezeichnen, weil sich in den äußeren
Venen keine wesentlichen Umgehungs-kreisläufe entwickelt hätten. Zu beobachten seien lediglich
Besenreiservarizen, die nach medizinischer Erfahrung keine wesentlichen Beschwerden hervorriefen. Bei normalem
Schritttempo sei die Gehstrecke nunmehr auf ca 1000 m festzulegen. Bezüglich der Wirbelsäulenproblematik könne
anhand der am Untersuchungstag im Röntgen-Institut Dr. R. gefertigten Aufnahmen lediglich eine "ganz leichte Aus-
biegung" nach rechts im oberen Bereich festgestellt werden. Auch bei Einbezie-hung der weiter geklagten Leiden sei
die Klägerin – in Übereinstimmung mit dem Reha-Entlassungsbericht – in Tätigkeiten mit Wechsel der Haltungsarten
voll-schichtig belastbar.
Das SG hat die Klage durch sein Urteil vom 17. Februar 2000 abgewiesen. Mit dem vor allem von Dr. Q. analysierten
Leistungsvermögen sei die Klägerin weder bu noch eu. Die Einwände der Klägerin gegen die von der Beklagten
genannte Verweisungstätigkeit hat das SG nicht im Einzelnen erörtert, da die Klägerin je-denfalls als Kassiererin an
einer Sammelkasse in großen Kaufhäusern arbeiten könne. Es handele sich um leichte und im Wechsel der
Körperhaltungen auszu-führende Arbeiten. Sie seien binnen einer Einweisungszeit von weniger als drei Monaten
vollwertig zu bewältigen.
Gegen das ihr am 2. März 2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. März 2000 eingegangene Berufung der
Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, nach ihrer Auffassung sei der Leistungsbeurteilung Dr. L. der Vorzug
gegenüber dem Reha-Entlassungsbericht und dem Gutachten Dr. S. zu geben. Dr. I. habe in seinem Befundbericht
vom 16. August 1998 ua dokumentiert, dass bereits nach 10 Minuten Sitzen Schmerzen aufträten. Die
Verweisungstätigkeit der Sammel-kassenkassiererin sei tatsächlich überwiegend im Sitzen zu absolvieren.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
1. das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 17. Februar 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Mai
1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1996 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, für die Zeit ab
dem 1. Januar 1996 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich in ihrem Schriftsatz vom 6. April 2000 der Auffassung des SG an und verweist die Klägerin ebenfalls
auf die Tätigkeit an einer Sammelkasse.
Auf den weiteren Hinweis der Klägerin, im Zusammenhang mit einem Venenge-schwür in Behandlung zu sein, hat der
Senat einen Befundbericht des Hautarztes und Allergologen Dr. T. eingeholt. Unter dem 21. Oktober 2001 heißt es
dort, eine Schuppenflechte sei mit Salicylsäure und Salbenzubereitungen behandelt worden, die Geschwüre mit
Meclosorb Creme, am Rücken aufgetretene Naevuszellnaevi seien operativ entfernt worden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Sachvortra-ges der Beteiligten wird auf den
Inhalt der Gerichtsakten sowie der Renten- und Reha-Akten der Beklagten verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der
Beratung und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Über die nach den §§ 143 f Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung konnte ohne mündliche Verhandlung
entschieden werden, nachdem sich die Be-teiligten mit dieser Verfahrensweise übereinstimmend einverstanden erklärt
hat-ten, §§ 124 Abs 2, 153 Abs 1 SGG.
Das angefochtene Urteil des SG erweist sich nicht als rechtswidrig. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 1996 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1996 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat zwar die
versiche-rungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente erfüllt, sie ist jedoch weder eu noch bu.
Auch die Voraussetzungen der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung des ab dem 1. Januar 2001 geltenden Rechts
sind nicht erfüllt.
Auszugehen war zunächst von § 43 Sozialgesetzbuch (SGB) VI in der bis zum 31. Dezember 2000 gültigen Fassung.
Denn die Klägerin hat ihren Rentenantrag lange vor Ablauf von drei Monaten nach Inkrafttreten des neuen Rechts
gestellt und ihn sinngemäß auf die Zeit bereits ab Antragstellung bezogen, § 300 Abs 2 SGB VI.
Das Merkmal der BU ist in § 43 Abs 2 SGB VI näher bestimmt. Gemäß dieser Vorschrift sind bu Versicherte, deren
Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Be-hinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und
see-lisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kennt-nissen und Fähigkeiten gesunken
ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle
diejenigen, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des
Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen an ihrer bisherigen
Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig aus-
üben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Bei der Beurteilung, ob diese
gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, ist in der Regel von der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen und
pflichtversicherten Beschäftigung oder Tätigkeit als "bisherigem Beruf" auszugehen (BSGE 55, 45, 47; BSG-Urteil
vom 14. September 1995, Az: 5 RJ 50/94). Anders ist es dann, wenn sich der Versicherte gerade aus
gesundheitlichen Gründen einer anderen, meist weniger qualifizierten und geringer entlohnten Tätigkeit zugewandt hat.
Dann bleibt die früher ausgeübte Tätigkeit der "bisherige Beruf".
Im Falle der Klägerin spricht vieles dafür, im Sinne der genannten Ausnahme auf die bis 1978 ausgeübte Arbeit einer
Fleischereifachverkäuferin als bisherigen Be-ruf abzustellen. Denn nach ihrer eigenen Erklärung und der jeweils
nachvollzieh-baren Rückschau in den vorliegenden Gutachten veranlassten Gesundheitsbe-schwerden die Klägerin,
sich einer neuen Betätigung zuzuwenden. Die Frage muss aber letztlich ebensowenig entschieden werden wie das
weitere Problem, ob es bei der Fleischereifachverkäuferin und der Verkäuferin mit dem von der PLUS
Warenhandelsgesellschaft beschriebenen Aufgabenbereich, nämlich der Regal-pflege, dem Verräumen der Ware, der
Kassiertätigkeit und der Kundenberatung, um jeweils eigenständige Berufe oder lediglich Arbeitsplatzvarianten ein-
und des-selben bisherigen Berufs handelte. Denn die Klägerin, die beide Aufgabenfelder nicht mehr bewältigen kann,
das aktuelle Aufgabenfeld – entgegen Dr. J. – wegen der Notwendigkeit, etwa Getränkepaletten zu ziehen, ist nach
jeder der Varianten auf die Tätigkeit einer Kassiererin an einer Sammelkasse verweisbar.
Die Frage, auf welche Tätigkeiten Versicherte verwiesen werden können, wird nach der Wertigkeit des bisherigen
Berufs beurteilt. Das BSG hat dazu ein Mehr-stufenschema entwickelt, das die Berufe in vier Gruppen einteilt.
Maßgebend für die Einteilung sind die Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs
haben. Im Angestelltenbereich ergeben sich nach der Rechtsprechung folgende Berufsgruppen: Angestellte mit hoher
beruflicher Quali-tät, die regelmäßig eine akademische oder vergleichbare Qualifikation voraussetzt und mit einem
Bruttoarbeitsentgelt oberhalb, an oder in der Nähe der Beitragsbe-messungsgrenze; Angestellte mit einer längeren als
zweijährigen (regelmäßig dreijährigen) Ausbildung; Angestellte mit einer Ausbildung von bis zu zwei Jahren und
schließlich ungelernte Angestellte mit einer Ausbildungs- bzw. Einweisungs-zeit von weniger als drei Monaten.
Zuzumuten ist dem Versicherten regelmäßig, sich auf andere Berufe der selben Stufe oder auf solche der jeweils
nächstniedri-geren Stufe verweisen zu lassen (vgl zum Ganzen und auch zur weiteren Diffe-renzierung der Gruppe der
Angelernten in einen oberen und einen unteren Be-reich BSG-Urteil vom 29. März 1994, SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr
45).
Ausgehend vom bisherigen Beruf einer Fleischereifachverkäuferin muss sich die Klägerin darauf verweisen lassen,
als Kassiererin an einer Sammelkasse zu ar-beiten. An der Verweisbarkeit würde sich nichts ändern, wenn auf die
spätere Tä-tigkeit als Verkäuferin abgestellt würde. Denn an die einschlägige Vorausbildung könnte auch in diesem
Falle angeknüpft werden.
Als Fleischereifachverkäuferin ist die Klägerin der zweiten Stufe von oben des so-eben erläuterten
Mehrstufenschemas zuzuordnen. Verweisbar ist sie auf die dritte Stufe, also diejenige der angelernten Angestellten.
Dabei ist – anders als beim bisherigen Beruf – nicht zwischen dem oberen und dem unteren Bereich zu diffe-
renzieren. Die Arbeit einer Kassiererin an einer Sammelkasse, die schwerpunkt-mäßig beinhaltet, zu kassieren, Geld
zu wechseln, Rechnungen und Quittungen auszustellen, Warenrückgaben und Auswahlen zu behandeln, Waren zu
verpa-cken und den Kunden Informationen zu geben, wird tariflich der Gruppe der an-gelernten Angestellten
zugeordnet. Für den Einsatz an einer Sammelkasse ist le-diglich eine kurze Einweisung erforderlich, wobei der
Klägerin ihre einschlägige Ausbildung und zumindest teilweise einschlägige Berufspraxis bis 1996 zu statten
kommen. Im Gegensatz zu der zum Teil einseitig belastenden Arbeit der Fleische-reifachverkäuferin kann die
Sammelkassenkassiererin ihre Körperhaltung wech-seln. Sie ist lediglich leichten körperlichen Anforderungen
ausgesetzt (vgl. zum Ganzen: LSG Nds., Urteil vom 28. April 1994 SO, bestätigt durch BSG SozR 3-2600 § 43 SGB
VI Nr. 13).
Wie das SG bereits überzeugend dargelegt hat, folgt aus einer zusammenfassen-den Würdigung der eingeholten
Gutachten und sonstigen medizinischen Unterla-gen, dass die Klägerin die gesundheitlichen Anforderungen erfüllt, die
an die Tä-tigkeit der Sammelkassenkassiererin erstellt werden. Ungeachtet der bei ihr be-stehenden
Beschwerdekomplexe kann sie einen Arbeitstag noch in voller Schicht bewältigen.
Bezüglich der im Vordergrund stehenden Durchblutungsstörungen an den unteren Extremitäten konnte vor allem Dr.
Q. in seiner ausführlichen Begutachtung keine so wesentliche Einschränkung feststellen, dass daraus
erwerbshindernde Funkti-onseinschränkungen resultieren würden. So war das postthrombotische Syndrom, das Dr. Q.
im Sinne einer leichten Schwellneigung im Bereich des linken Unter-schenkels nachweisen konnte, lediglich als
diskret zu beurteilen. Das von der Klä-gerin vorgetragene Druckgefühl in den Beinen, insbesondere wiederum links,
führte Dr. Q. auf leichte venöse Blutumlaufstörungen zurück, ohne der Erschei-nung eine für die hiesige Entscheidung
maßgebliche Funktionseinschränkung zu-zuordnen. Unter Einbeziehung des Zustandes nach der Bypass-Operation,
der Dr. Q. einen überdurchschnittlich guten Erfolg bescheinigte, ging Dr. Q. von der weiter bestehenden Fähigkeit der
Klägerin aus, auch im Stehen zu arbeiten. Der Arbeitsplatz müsse lediglich die – im Falle der
Sammelkassenkassiererin vorhan-dene – Möglichkeit bieten, die Haltungsarten zu wechseln. Die negativere Ein-
schätzung Dr. L. ist bereits durch die Abschlussuntersuchung nach der Reha-Maßnahme um August/September 1996
widerlegt bzw in dem Sinne ergänzt wor-den, dass sich die von Dr. J. angesprochene wesentliche
Besserungsmöglichkeit realisiert hat. Mit einer venenspezifischen Gymnastik, den manuellen Lymphdrai-nagen und
den – gut tolerierten – Kompressionsstrümpfen ist das postthromboti-sche Syndrom beherrschbar geworden und mit
einer Berufstätigkeit in Einklang zu bringen. Dem Entlassungsbericht zufolge stellen die Verschlusskrankheit und der
Bluthochdruck keine rentenerheblich limitierenden Faktoren dar. Dr. Q. konnte bei seiner Untersuchung keine
Blutdruckerhöhung mehr feststellen. Er verwies auf die offenbar den gewünschten Erfolg herbeiführenden
Medikamente.
Der Wirbelsäulenbefund führt ebenfalls nicht zu einer für den Ausgang des Recht-streits erheblichen
Leistungseinbuße. Dafür bestanden bereits aufgrund der im Verwaltungsverfahren von den Fachärzten für Radiologie
U., Dr. V., Dr. W. und der Assistenzärztin X. vom 20. Dezember 1995 und des Dr. I. vom 29. Februar 1996 keine
ausreichenden Anhaltspunkte. Dr. J. sprach Fehlhaltungen und muskuläre Dysbalancen an, die im Reha-Verfahren
durch Reizstromanwendungen und Massagen deutlich gebessert werden konnten. Dr. Q. erwähnte am 18. September
1999 lediglich noch ein leichtgradiges Wirbelsäulensyndrom ohne sekundäre Manifestationen. Eine wesentliche
Einschränkung des Leistungsver-mögens resultierte aus der degernativen Wirbelsäulenveränderung jedenfalls nicht.
An der maßgeblichen Gesundheitsbeurteilung ändert auch das Asthmaleiden nichts. Es übt keinen wesentlichen
Einfluss auf das Leistungsvermögen aus. Dr. Q. zitierte die Klägerin insoweit damit, Husten und zusätzliche
Heiserkeit träten lediglich bei bestimmten Wetterkonstellationen auf. Er bezeichnete die Beschwer-den als diskret.
Schließlich gab auch die im Berufungsverfahren erfolgte Beweiserhebung keinen Anlass, den Sachverhalt neu zu
beurteilen. Denn die diagnostizierten Hauterkran-kungen sind zum Teil behandelt worden bzw behandelbar, vor allem
aber sind es Erscheinungen, die eine Berufstätigkeit in keiner Weise ausschließen.
Die vor allem mit dem Reha-Entlassungsbericht und dem Gutachten Dr. S. offen-bar gewordene Diskrepanz der
eigenen Einschätzung der Klägerin zu den medizi-nischen Leistungsbeurteilungen ist vor dem Hintergrund eines
deutlichen Leidens-drucks zu verstehen. Die entsprechenden Verdeutlichungstendenzen, die etwa bei Dr. I. unter dem
29. Februar 1996 (deutlicher Leidensdruck) und bei Dr. J. ("de-monstrative Mühsal bei Gelenkbeweglichkeit") ihren
Niederschlag fanden, können nicht zu einer von den Gutachtenergebnissen abweichenden Beurteilung führen.
Da die Klägerin nach alledem schon nicht als bu anzusehen war, kam erst Recht nicht in Betracht, ihr Rente wegen
EU zuzusprechen.
Gemäß der bezüglich der Zeit ab dem 1. Januar 2001 anzuwendenden Neufas-sung des SGB VI hat die Klägerin erst
Recht keinen Anspruch. Denn für die Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung und für die Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, §§ 43, 240 SGB VI nF, müsste das zeit-liche Leistungsvermögen
sogar auf weniger als drei bzw weniger als sechs Stun-den täglich gesunken sein. Dabei fehlen im Übrigen
Anhaltspunkte dafür, dass überhaupt eine gravierende Verschlechterung eingetreten sein könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Es hat kein gesetzlicher Grund vorgelegen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG).