Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 31.10.2012

LSG Niedersachsen: umschulung, erwerbsfähigkeit, rehabilitation, arbeitsmarkt, eingliederung, leistungsfähigkeit, beruf, krankheit, ermessensausübung, behinderung

1
2
3
4
Rentenversicherung
Ein Eingliederungszuschuss wäre nur dann ermessensfehlerfrei, wenn mit
dessen Hilfe eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt realistischerweise
möglich scheint. Dies ist nicht der Fall, wenn der Versicherte bisher
ausschließlich in gelernten Bereichen mittelschwerer bis schwerer
körperlicher Anforderungen arbeitstätig war und all seine Qualifikationen in
diesem Gebiet liegen, er aber diese Anforderungen nunmehr von seiner
körperlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr erfüllen kann. Es erscheint dann
allein durch eine Eingliederungshilfe keine realistische Aussicht zu bestehen,
eine Tätigkeit im Bereich der körperlich leichten bis allenfalls zeitweise
mittelschweren Tätigkeiten auf vergleichbarer sozialer Ebene zu finden.
SG Oldenburg (Oldenburg) 81. Kammer, Urteil vom 31.10.2012, S 81 R 314/12
§ 9 SGB 6, § 34 SGB 9
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 20.10.2011 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15.05.2012 wird aufgehoben und der Bescheid
der Beklagten vom 25.07.2012 wird geändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Antrag des Klägers auf eine Leistung zur
Teilhabe am Arbeitsleben unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
neu zu bescheiden.
3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer
Umschulung im kaufmännischen Bereich.
Der am E. 1965 geborene Kläger absolvierte nach dem Hauptschulabschluss
eine Ausbildung zum Heizungsbauer. Danach war er zeitweise als
Produktionsarbeiter tätig und absolvierte eine Fortbildung zum Dreher. Später
war er als Hefter und Schweißer, als Produktionsarbeiter, als Lagerist und zuletzt
als Schlosser beschäftigt.
Da der Kläger arbeitsunfähig erkrankte, holte das Arbeitsamt F. am 04.02.1999
ein Gutachten ein. Darin hieß es, der Kläger sei aufgrund seiner
gesundheitlichen Einschränkungen voraussichtlich nicht mehr in der Lage, in
seinem erlernten Beruf tätig zu sein. Sein formal-logisches und rechnerisches
Denkvermögen sei mit den durchschnittlichen Möglichkeiten von Umschülern zu
vergleichen, die sprach-logischen Fähigkeiten seien schwächer. Nach dem
intellektuellen Niveau seien Umschulungen möglich, die sich am
Hauptschulniveau orientieren. Der Kläger selbst begehre eine anspruchsvollere
Umschulung, dafür sei noch Vorbereitung erforderlich.
In der Folge bewilligte die Beklagte dem Kläger ebenfalls im Jahre 1999 eine
Berufsfindungsmaßnahme. Danach zeige der Kläger eine insgesamt
durchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit. In orthopädischer Hinsicht
lägen Einschränkungen vor durch Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule und
Knie. So könne er nicht schwer Heben und Tragen sowie keine Arbeiten in
5
6
7
8
9
10
11
12
Zwangshaltungen verrichten. Die schulischen Kenntnisse des Klägers wiesen
mittlere Lücken auf, denkbar sei etwa eine Umschulung zum Haustechniker
oder eine Arbeitstrainingsmaßnahme. Kaufmännisch-verwaltende
Umschulungen seien nur nach geeigneter Vorförderung und nur auf einfachem
Niveau möglich.
Im März 2000 begann der Kläger sodann die Maßnahme „Bildung und Praxis für
Erwachsene“ (BPE), während der er drei Praktika abbrach. Die Beklagte
beendete die Maßnahme daraufhin, da der Kläger sich eine Umorientierung in
den kaufmännischen Bereich wünschte, die Beklagte ihn aber in dieser Hinsicht
nicht für geeignet hielt.
Stattdessen absolvierte der Kläger von Juli 2001 bis August 2002 erfolgreich
eine Umschulung zum Berufskraftfahrer im Bereich Güterverkehr. Bis zum Jahre
2007 war der Kläger in diesem Bereich arbeitstätig. Dann gab er diese Tätigkeit
aus gesundheitlichen Gründen auf. Der Sozialmedizinische Dienst der
Beklagten hielt sie aufgrund einer Nierenerkrankung des Klägers nicht mehr für
leidensgerecht. Zur Neuorientierung begann der Kläger erneut eine BPE-
Maßnahme, konnte diese aufgrund der Nierenerkrankung jedoch nicht zu Ende
führen und unterzog sich im Jahre 2009 einer Nierentransplantation. Laut
Entlassungsbericht der Anschlussheilbehandlung kann der Kläger nicht mehr
als Berufskraftfahrer tätig sein, lediglich leichte Tätigkeiten überwiegend im
Sitzen ohne häufiges Bücken seien möglich.
Daraufhin durchlief der Kläger im September 2009 erneut eine
Berufsfindungsmaßnahme, wonach er selbst angab, eine reine Bürotätigkeit
eher nicht anzustreben und über eine Außendiensttätigkeit nachzudenken. Die
Rechtschreibfähigkeiten wurden als unterdurchschnittlich eingestuft, die
Grundrechenarten als überdurchschnittlich, die Englischkenntnisse seien weit
unterdurchschnittlich. Danach könnten kaufmännische Qualifizierungen lediglich
auf einfachem Niveau empfohlen werden. Eine Empfehlung für mittlere oder
gehobene kaufmännische Umschulungen wie etwa Groß- und Außenhändler
könne nicht sicher gegeben werden. Insgesamt könne der Kläger als geeignet
angesehen werden für die Tätigkeit des Automatenfachmanns, auch einfache
kaufmännische Qualifizierungen könnten versucht werden. Der Beruf des
Haustechnikers/Hausmeisters sei nicht geeignet.
Mit dem Ziel einer Umschulung zum Lockführer, schloss der Kläger sodann von
Oktober 2009 bis Januar 2010 einen Rehavorbereitungslehrgang ab, wurde
jedoch bei der anschließenden Eignungsprüfung des Bahnunternehmens
abgelehnt.
Daraufhin absolvierte der Kläger in der Zeit vom Juni 2010 bis zum Juni 2011
eine Umschulung zum Hausmeister/Haustechniker.
Direkt im Anschluss nahm er an einer medizinischen Maßnahme zur
Rehabilitation teil, von dort wurde dieser gerade absolvierte Umschulungsberuf
nicht für leidensgerecht erachtet. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere
Tätigkeiten verrichten, überwiegend im Sitzen, im Wechsel der Körperhaltungen,
ohne häufiges Bücken, Knien und Hocken, nicht auf Leitern und Gerüsten, ohne
regelmäßigen Publikumskontakt.
Dementsprechend stellte der Kläger am 23.09.2011 erneut einen Antrag auf
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Er begehrte eine Umschulung im
kaufmännischen Bereich und bezog sich zur Begründung auf orthopädische
Beschwerden sowie seine Nierenerkrankung.
Mit Bescheid vom 20.10.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger
habe bereits diverse Maßnahmen absolviert und müsse sich die erworbenen
Fähigkeiten anrechnen lassen und bei der Suche nach einem geeigneten
Arbeitsplatz verwerten. Eine Eignung für kaufmännische Berufe habe sich nicht
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
feststellen lassen. Eine Eingliederungshilfe könne aber in Aussicht gestellt
werden.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und trug vor, eine
Tätigkeit als Hausmeister sei nicht leidensgerecht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2012 wies die Beklagte den Widerspruch
zurück. Da der Kläger für eine Tätigkeit als Hausmeister/Haustechniker nicht
ausreichend belastbar sei, liege ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben vor. Es liege aber keine Ermessensreduzierung für eine
Umschulung im kaufmännischen Bereich vor. Ergänzend zu der Begründung im
Bescheid führte sie an, es bestünden Zweifel an einer ausreichenden
Belastbarkeit des Klägers für eine umfassende Qualifizierung.
Mit seiner am 12.06.2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren
weiter. Er sei nicht mehr in der Lage, seinen Umschulungsberuf als Hausmeister
auszuüben. Durch einen Eingliederungszuschuss werde er nicht in die Lage
versetzt, sich langfristig eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Er sei nicht
mehr in der Lage, körperlich zu arbeiten.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 20.10.2011 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 15.05.2012 aufzuheben sowie
2. den Bescheid vom 25.07.2012 zu ändern und die Beklagte zu
verurteilen, ihm eine Kostenübernahme für eine Umschulung im
kaufmännischen Bereich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen
Widerspruchsbescheid. Es liege keine Ermessensreduzierung auf Null vor, die
einen Anspruch auf eine kaufmännische Umschulung begründen würde.
Mit Bescheid vom 25.07.2012 bewilligte sie dem Kläger grundsätzlich einen
Eingliederungszuschuss. Bei Erfolglosigkeit dieser Leistung komme
Gegebenenfalls eine Betreuung durch den Integrationsfachdienst in Frage.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und im Wesentlichen auch begründet. Die
Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Der Kläger hat einen Anspruch auf
eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Hinsichtlich der geeigneten
Maßnahme wird die Beklagte den Antrag unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden haben.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erbringt die
Rentenversicherung medizinische Leistungen zur Rehabilitation, Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um den Auswirkungen
einer Krankheit oder körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf
die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden
und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr
vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie
möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Die Leistungen
zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreicher
26
27
28
29
30
31
32
Rehabilitation nicht oder voraussichtlich zu einem späteren Zeitpunkt zu
erbringen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Die Leistungen können erbracht
werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
dafür erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VI). Für die Leistungen zur Teilhabe haben
Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, deren Erwerbsfähigkeit
wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung
erheblich gefährdet oder gemindert ist (Nr. 1) und (Nr. 2) bei denen
voraussichtlich
a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der
Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur
Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann,
b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder
wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung
abgewendet werden kann, oder
c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche
Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe
am Arbeitsleben erhalten werden kann (§ 10 Abs. 1 SGB VI).
Die Beklagte bejahte im Widerspruchsbescheid vom 15.05.2012 einen
Anspruch auf eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und bewilligte mit
Bescheid vom 25.07.2012 dem Grunde nach eine Eingliederungshilfe an einen
potentiellen Arbeitgeber. Dieser Bescheid ist gem. 96 Abs. 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden, da er nach
Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen
Verwaltungsakt abändert. Damit steht zwischen den Beteiligten fest, dass der
Kläger die persönlichen Voraussetzungen nach § 10 SGB VI erfüllt. Dies ist
auch inhaltlich richtig. Denn der Kläger kann weder in seiner letzten
sozialversicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit als Berufskraftfahrer im
Güterverkehr, noch in seinem Umschulungsberuf als
Hausmeister/Haustechniker tätig sein. Beide Tätigkeiten sind angesichts der
körperlichen Beeinträchtigungen des Klägers nicht leidensgerecht, da in beiden
Berufen auch teilweise schwer gehoben werden muss. Zudem ist bei der
Tätigkeit als Berufskraftfahrer kein Wechsel der Körperhaltungen möglich, bei
der Tätigkeit eines Hausmeisters/Haustechnikers sind regelmäßig Arbeiten in
Zwangshaltungen und auf Leitern erforderlich.
Welche Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Kläger konkret bewilligt
wird, liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Allerdings lehnte die
Beklagte mit fehlerhafter Ermessensausübung die Gewährung einer
Umschulung im kaufmännischen Bereich ab.
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bestimmt der Träger der Rentenversicherung
im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen
sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Nach § 16
SGB VI i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sind
bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie
Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen zu berücksichtigen.
Nach § 39 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) besteht auf die
pflichtgemäße Ausübung des Ermessens ein Anspruch (Satz 2), wobei die
Sozialleistungsträger ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung
auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten haben
(Satz 1). Nur hierauf bezieht sich die gerichtliche Kontrolle. Das Gericht prüft
deshalb nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten und ob
von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden
Weise Gebrauch gemacht ist (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG).
33
34
35
36
37
Im vorliegenden Fall begehrt der Kläger in erster Linie eine Umschulung im
kaufmännischen Bereich, ist jedoch nach seinen Angaben in der mündlichen
Verhandlung auch offen für andere Maßnahmen.
Eine so genannte Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dass die
Beklagte ihr Ermessen nur in einer Weise rechtmäßig hätte ausüben können -
nämlich in Form einer Förderung der Umschulung im kaufmännischen Bereich -
und jede andere Entscheidung rechtswidrig gewesen wäre, ist nicht erkennbar
und wird vom Kläger inhaltlich auch nicht behauptet.
Es liegt jedoch ein Ermessensfehlgebrauch seitens der Beklagten vor, wenn
diese die in Rede stehende Umschulung mit Hinweis auf die bereits
durchgeführten Umschulungen ablehnt. Die Umschulung zum Berufskraftfahrer
hat der Kläger erfolgreich absolviert und danach Jahre in diesem Beruf
gearbeitet, bis er nicht mehr leidensgerecht war. Die Umschulung zum
Hausmeister/Haustechniker im Jahre 2010/2011 war von vornherein
ungeeignet. Dies wurde bereits als Ergebnis der Berufsfindungsmaßnahme des
Jahres 2009 formuliert und drängte sich auch nach dem Bericht der zuvor
durchgeführten Anschlussheilbehandlung nach erfolgter Nierentransplantation
auf, wonach lediglich noch leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen
möglich seien. Dies geht nicht konform mit einer Tätigkeit als
Hausmeister/Haustechniker mit dem Erfordernis von zeitweise auch schweren
Heben, dem Besteigen von Leitern sowie Arbeiten in Zwangshaltungen. Dass
gleichwohl die ungeeignete Umschulung durchgeführt wurde führt für den hier in
Rede stehenden zeitlich späteren Antrag auf eine erneute Leistung zur Teilhabe
am Arbeitsleben nicht zu einem Verbrauch des Anspruchs auf eine Leistung,
denn der Erfolg einer solchen Maßnahme, eine reale Hilfe bei der Eingliederung
in den Arbeitsmarkt, ist mit einer von vornherein für den Kläger ungeeigneten
Umschulung nicht erbracht.
Die grundsätzliche Haltung der Beklagte im vorliegenden Fall, außer Leistungen
an Arbeitgeber (§ 34 SGB IX) keine Leistungen zur Teilhabe mehr erbringen zu
wollen, begegnet Bedenken. Ein Eingliederungszuschuss wäre nur dann
ermessensfehlerfrei, wenn mit dessen Hilfe eine Eingliederung
realistischerweise möglich ist. Dies ist nicht der Fall, wenn der Versicherte bisher
ausschließlich in gelernten Bereichen mittelschwerer bis schwerer körperlicher
Anforderungen arbeitstätig war und auch all seine Qualifikationen in diesem
Gebiet liegen, er aber diese Anforderungen nunmehr von seiner körperlichen
Leistungsfähigkeit nicht mehr erfüllen kann. Es erscheint dann allein durch eine
Eingliederungshilfe keine realistische Aussicht zu bestehen, eine Tätigkeit im
Bereich der körperlich leichten bis allenfalls zeitweise mittelschweren Tätigkeiten
auf vergleichbarer sozialer Ebene zu finden. Ziel ist es, eine im Vergleich zur
bisherigen Tätigkeit angemessene Tätigkeit zu finden. Bisher war der Kläger in
gelernten bzw. umgeschulten Bereichen tätig. Leistungen können nicht mit der
Begründung verweigert werden, die Erwerbsfähigkeit sei zwar für die bisherige
Tätigkeit, nicht aber etwaige andere Tätigkeiten gefährdet oder eingeschränkt.
Auf die sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Übrigen bietenden
Möglichkeiten kommt es nicht an (BSG, Urt. v. 29.02.1968 - 4 RJ 423/66; BSG,
Urt. v. 31.01.1980 - 11 RA 8/79; LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 03.03.2005
- L 10 RJ 165/04). Dass die Beklagte meint, der Kläger könne mit seinen
handwerklich/technischen Fachkenntnissen eine körperlich leichte Arbeit auf
ähnlichem sozialen Niveau finden, scheint lebensfremd. Damit war die Zusage
einer Eingliederungshilfe ermessensfehlerhaft.
Auch die Ablehnung einer Umschulung im kaufmännischen Bereich, mit der
Argumentation, der Kläger sei nicht umschulungsfähig für eine qualifizierte
Tätigkeit, eine Eignung für kaufmännische Berufe habe sich nicht feststellen
lassen, ist nicht haltbar und begründet damit ebenfalls einen Ermessensfehler.
Die Beklagte ist bei ihrer Entscheidung offensichtlich von falschen Tatsachen
ausgegangen. Nach dem Gutachten des Arbeitsamtes F. aus dem Jahre 1999
sind Umschulungen, die sich am Hauptschulniveau orientieren, nach dem
38
39
intellektuellen Niveau des Klägers möglich. Nach dem Bericht der
Berufsfindungsmaßnahme im Jahre 1999 wurden kaufmännisch-verwaltende
Umschulungen auf einfachem Niveau für möglich gehalten, wenn auch nur nach
geeigneter Vorförderung. Auch dass der Kläger zwei Umschulungen
(Berufskraftfahrer und Haustechniker) durchlaufen hat, spricht für seine
grundsätzliche Umschulungsfähigkeit. Im Abschlussbericht der
Berufsfindungsmaßnahme aus dem Jahre 2009 wurden kaufmännische
Qualifizierungen auf einfachem Niveau ebenfalls empfohlen. Lediglich eine
Empfehlung für mittlere oder gehobene kaufmännische Umschulungen wie etwa
Groß- und Außenhändler konnte nicht sicher gegeben werden. Es ist daher
nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte keinerlei kaufmännische Qualifizierung
für möglich hält, auch nicht solche auf einfachem Niveau. Die Ablehnung einer
kaufmännischen Umschulung war danach ermessensfehlerhaft.
Es besteht nunmehr ein Anspruch des Klägers auf pflichtgemäße
Ermessensausübung durch die Beklagte hinsichtlich der Frage, welche Leistung
zur Teilhabe am Arbeitsleben geeignet ist. Die Beklagte hat hierbei die
Ausführungen des Gerichts zu beachten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei das Unterliegen des
Klägers in Bezug auf einen Verpflichtungsantrag gegenüber lediglich einem
Erfolg im Sinne eines Bescheidungsurteils in den Hintergrund tritt.