Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 18.10.2001
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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 18.10.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Braunschweig S 6 U 16/99
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 6 U 48/00
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 16. November 1999 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Entschädigung eines Verkehrsunfalls. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob er unter dem
Schutz der gesetzlichen Unfallver-sicherung stand, weil er im Unfallzeitpunkt alkoholisiert war.
Der 1963 geborene Kläger wohnte in D. und war als Vollzugsangestellter bei der Bereitschaftspolizei in E. tätig. Am
Samstag, dem 30. Oktober 1993 befand er sich auf dem Weg zur Arbeit. Dienstbeginn war 17.30 Uhr. An den beiden
Tagen zuvor hatte er Nachtschicht - einfache Tätigkeiten ohne physische Belastung - verrichtet. Dienstende war am
29. Oktober 1993 um 6.00 Uhr (Mitteilung der Landeseinsatzeinheit der Polizei des Landes F. vom 1. Dezember
1995). Ungefähr 1 km hinter dem Ortsausgang von D. verunglückte der Kläger gegen 16.50 Uhr beim Durchfahren
einer Linkskurve. Im Unfallbereich wurde in der Zeit vom 29. Oktober bis 5. November 1993 ein Dünnschichtbelag mit
Profilausgleich im Heißeinbau aufgebracht. Eine Straßenbeleuchtung war nicht vorhanden (Auskunft des G.
Straßenbauamts H. vom 4. März 1996). In der Verkehrsunfallanzeige vom 30. Oktober 1993 ist festgehalten, dass der
Kläger nach rechts von der Fahrbahn abgekommen sei. Durch Gegensteuern habe er versucht, Kontrolle über das
Fahrzeug zu erlangen. Er sei zunächst wieder auf die Fahrbahn gelangt, anschließend durch ein heftiges
Lenkmanöver nach rechts erneut von der Fahrbahn geraten. Danach habe er sich mit seinem Pkw mehrmals
überschlagen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit habe 60 km/h betragen. Der Kläger erlitt ein schweres gedecktes
Schädelhirntrauma (siehe im Einzelnen die Durchgangsarztberichte vom 20. Oktober, 1. und 25. November 1993
sowie den Krankenbericht vom 24. November 1993). Die um 20.15 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine
Ethanolkonzentration von 0,61 mg/g (Befundbericht des Dr. I. vom 5. November 1993). Polizeihauptkommissar (PHK)
J. verneinte in dem Wegeunfallfragebogen vom 3. März 1994 die Frage, ob der Unfall auf schadhafte Wegverhältnisse
zurückzuführen sei und vermerkte den neuen Straßenbelag sowie die fehlende Fahrbahnmarkierung. Der polizeilich
vernommene Augenzeuge K. hatte angegeben, dass der Kläger ihm vor einer Rechtskurve mit hoher Geschwindigkeit
entgegengekommen sei. Dieser habe die Kurve gerade angefahren und sei ins Schlingern gekommen. Nachdem er
wieder zur Straßenmitte gefahren sei, habe er erneut in Richtung Fahrbahnrand gesteuert. Er sei dann mit dem
rechten Vorderrad vom Straßenbelag heruntergekommen und habe sich mehrmals überschlagen (Zeugen-Fragebogen
vom 30. Oktober 1993). Der ebenfalls polizeilich vernommene Augenzeuge L., der sich im Unfallzeitpunkt auf einem
Schotterweg neben der Landstraße befand, gab an, der Kläger sei bei überhöhter Geschwindigkeit mit dem rechten
Hinterrad von der Fahrbahn abgekommen und habe bei dem Versuch gegenzusteuern die Gewalt über das Fahrzeug
verloren (Zeugen-Fragebogen vom 30. Oktober 1993). Der Pkw des Klägers wurde nicht begutachtet (Aktenvermerke
des Polizeiobermeisters M. vom 2. und 3. November 1993). Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wurde gemäß
§ 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt (Verfügung der Staatsanwaltschaft E. vom 24. Februar 1994).
Zur Klärung der Frage, wie hoch die Blutalkoholkonzentration zum Unfallzeit-punkt war und ob diese wesentliche
Unfallursache sei, holte die Beklagte das gerichtsärztliche Gutachten des G. Landesinstituts für Rechtsmedizin vom
15. Februar 1995 ein. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Falles gelangten Dres. N. zu dem Ergebnis,
dass eine Blutalkoholkonzentration für die Unfallzeit zwischen 0,86 und 1,31 mg/g realistisch sei. Der von den Zeugen
geschilderte Unfallhergang mit hoher Geschwindigkeit und Abkommen von der Fahrbahn nach rechts sei ein typisches
Fehlverhalten für eine alkoholbedingte Enthemmung, die mit Selbstüberschätzung der durch die Alkoholisierung
geminderten Fähigkeit einhergehe, schwierige Situationen im Straßenverkehr durch schnelle und adäquate Reaktion
zu meistern. Die alkoholische Beeinflussung sei dem ersten Anschein nach allein wesentlich für den Unfall. Andere
Unfallursachen seien nicht ersichtlich. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28. März 1995 die Anerkennung eines
Arbeitsunfalls ab. Im Widerspruchsverfahren holte sie die Auskunft des G. Straßenbauamts E. vom 4. März 1996
über den Straßenzustand im Unfallzeitpunkt und die Auskunft der Landeseinsatzeinheit der Polizei des Landes F.
vom 1. Dezember 1995 über die Schichtzeiten des Klägers ein. Danach wies sie den Widerspruch zurück. Im
Widerspruchsbescheid vom 11. September 1996 führte sie aus, gegenüber der festgestellten alkoholbedingten
Fahruntüchtigkeit hätten betriebsbedingte Umstände an der Entstehung des Unfalls nicht mitgewirkt. Der Kläger sei im
Unfallzeitpunkt relativ fahruntüchtig gewesen. Dieses ergebe sich aus der zum Unfallzeitpunkt ermittelten
Blutalkoholkonzentration von 0,86 bis 1,31 mg/g und den Zeugenaussagen, die auf eine überhöhte Geschwindigkeit
und ein gerades Hineinfahren in eine Linkskurve hinwiesen, obwohl der Kurvenverlauf dem Kläger durch das tägliche
Zurücklegen des Arbeitsweges bekannt gewesen sei. Dieses sei somit ein typisches Beweisanzeichen für eine
Alkoholbeeinflussung. Das Durchfahren dieses Streckenabschnitts habe wegen der zum Unfallzeitpunkt
stattgefundenen Bauarbeiten keine besonderen Anforderungen an einen aufmerksamen Kraftfahrer gestellt. Die Straße
sei trocken und ihr Verlauf durch Leitpfosten mit reflektierenden Katzenaugen erkennbar gewesen. Des Weiteren habe
der Kläger zwischen Nacht- und Tagschicht bei einer Zeitspanne von 35,5 Stunden genügend Zeit zur Erholung
gehabt. Im Übrigen könne seine Fahrweise nach den Ausführungen im gerichtsärztlichen Gutachten vom 15. Februar
1995 nicht auf Übermüdung zurückgeführt werden.
Dagegen hat der Kläger rechtzeitig vor dem Sozialgericht (SG) Frankfurt/Oder Klage erhoben. Die Beklagte hat das
weitere gerichtsärztliche Gutachten der Dres. N. vom 3. Dezember 1996 vorgelegt. Das SG hat in der Nichtöffent-
lichen Sitzung vom 16. Juli 1998 L., K. und O., die den Unfall beobachteten, als Zeugen vernommen. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom selben Tag Bezug genommen. Das SG hat
den Rechtsstreit durch Beschluss vom 11. Januar 1999 an das SG Braunschweig verwiesen, weil dieses SG örtlich
zuständig sei. Das SG hat durch Urteil vom 16. November 1999 die Beklagte verurteilt, den Verkehrsunfall als
Arbeitsunfall anzuerkennen. Zur Begründung hat es ausgeführt, neben der relativen Fahruntüchtigkeit sei auch eine
wegebedingte Gefahr wesentliche Ursache dieses Unfalls. An der Unfallstelle sei am 29. Oktober 1993 eine Baustelle
eingerichtet und die Fahrbahndecke erneuert worden. Somit habe der Kläger am Unfalltag eine Situation vorgefunden,
die zuvor nicht vorgelegen habe. Fahrbahnmarkierungen seien noch nicht aufgebracht gewesen. Durch den neu
aufgebrachten Straßenbelag sei zum unbefestigten Straßenrand ein Absatz vorhanden gewesen. Leitpfosten hätten in
einem Abstand von ungefähr 50 cm zur Fahrbahndecke gestanden. Es habe keine Straßenbeleuchtung gegeben.
Deshalb könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Unfall allein wegen der Alkoholisierung des Klägers
ereignet habe.
Gegen das ihr am 10. Januar 2000 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 3. Februar 2000 eingelegten
Berufung. Sie rügt die vom SG vorgenommene Beweiswürdigung. Nach den Zeugenaussagen sei das Abkommen von
der Fahrbahn Folge der nicht dem Verlauf der Straßenführung angepassten Geschwindigkeit. Insbesondere die
Aussage des Zeugen L., dass der Schleudervorgang bereits eingeleitet war, bevor der rechte Vorderreifen die
Fahrbahn verließ, deute auf eine alkoholbeeinflusste überhöhte Geschwindigkeit.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Braunschweig vom 16. November 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Braunschweig vom 16. November 1999 zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat die Akten der Staatsanwaltschaft E. beigezogen und die schriftlichen Aussagen der geschiedenen
Ehefrau des Klägers P. vom 13. Februar 2001 und der Mutter des Klägers Q. vom 12. Februar 2001 eingeholt.
Dem Senat haben neben den Prozessakten und den Strafakten die Unfallakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind
Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und
des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie hat auch in der
Sache Erfolg. Denn die zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage ist nicht begründet. Der angefochtene
Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Der Verkehrsunfall, den der Kläger am 30. Oktober 1993 erlitt, ist kein
Arbeitsunfall iSd § 550 Abs. 1 Reichsversiche-rungsordnung, die auf den vorliegenden Sachverhalt noch anzuwenden
ist (vgl. Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 Sozialgesetzbuch VII). Zwar stand die Fahrt zur
Arbeitsstätte in einem inneren Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis bei der Bereitschaftspolizei. Nach
der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der der erkennende Senat folgt, schließt die auf den
Alkoholgenuss zurückzuführende Fahruntüchtigkeit des Versicherten den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung
hier jedoch aus. Denn die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Klägers am Unfalltag drängt die
unternehmensbedingten Umstände derart in den Hintergrund, dass sie als die rechtlich allein wesentliche Bedingung
und damit als die alleinige Ursache des Unfalls anzusehen ist (BSGE 59, 193, 195). Der Kläger war im Unfallzeitpunkt
relativ fahruntüchtig (dazu unter 1), und diese Fahruntüchtigkeit war - entgegen der Auffassung des SG - die allein
wesentliche Ursache des Unfalls (dazu unter 2).
1. Bei ihrer Bestimmung der Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt des Unfalls zwischen 0,86 und 1,31 mg/g haben
Dres. N. im gerichtsärztlichen Gutachten vom 15. Februar 1995 ein Trinkende bis unmittelbar vor Fahrtbeginn gegen
16.45 Uhr unterstellt und Sicherheitszuschläge berücksichtigt. Diese stellen bei der Bestimmung der
Blutalkoholkonzentration zum Unfallzeitpunkt für den Kläger günstige Umstände dar. Denn eine Rückrechnung der
zum Zeitpunkt ihrer Entnahme vorhandenen Blutalkoholkonzentration auf die Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt
des Unfalls ist erst für das Ende der Anflutungsphase erlaubt, die im allgemeinen 1 Stunde nach Trinkende erreicht ist
(S. 2 des gerichtsärztlichen Gutachtens vom 15. Februar 1995). Zwar ist damit eine "absolute” Fahruntüchtigkeit, die
die höchstrichterliche Recht-sprechung bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 mg/g und mehr annimmt, nicht
bewiesen. Aufgrund der gerichtsärztlichen Gutachten vom 15. Februar 1995 und 3. Dezember 1996, die der Senat -
soweit es das Gutachten vom 15. Februar 1995 betrifft als Urkundenbeweis (§ 118 Abs. 1 Satz 1 Sozialge-
richtsgesetz - SGG - iVm §§ 415 ff. Zivilprozessordnung) und soweit es das Gutachten vom 3. Dezember 1996 betrifft
als von besonderer Sachkunde getragenen, qualifizierten Beteiligtenvortrag - zu würdigen hat (BSG, Urteil vom 8.
Dezember 1988 - 2/9b - RU 66/87), ist aufgrund zusätzlicher Tatsachen eine alkoholbedingte "relative”
Fahruntüchtigkeit belegt. Diese unterscheidet sich von der "absoluten” weder im Grad der Trunkenheit noch in der
Qualität der alkoholbedingten Leistungsminderung, sondern allein hinsichtlich der Art und Weise, wie der Nachweis der
Fahruntüchtigkeit zu führen ist (Brackmann/ Krasney, SGB VII, § 8 RdNr 351 mN zur höchstrichterlichen
Rechtsprechung und Literatur). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die an eine konkrete Ausfallerscheinung zu
stellenden Anforderungen um so geringer sind, je höher die festgestellte Blutalkoholkonzentration ist. Die
alkoholbedingte Fahruntüch-tigkeit erhält ein qualitativ stärkeres Gewicht, je höher die Blutalkoholkonzen-tration ist,
da die Leistungseinbußen beim Kraftfahrer mit steigender Blutalko-holkonzentration zunehmen (BSG, Urteil vom 25.
September 1992 - 2 RU 40/91).
Im gerichtsärztlichen Gutachten vom 3. Dezember 1996 haben Dres. N. durch Literatur ausgeführt, dass das
Verhalten des Klägers, der in einer leichten Linkskurve zunächst rechts von der Fahrbahn abkam und dann versuchte
gegenzusteuern, als typischer alkoholbedingter Fahrfehler zu werten ist. Denn bei der bei ihm festgestellten
Blutalkoholkonzentration kommt es zu Beeinträchtigungen des optischen und Innenohrsystems, die die für die
Bewältigung einer Kurvenfahrt notwendigen Leistungen erheblich einschränken. Die Umgebung wird infolge der durch
die Blutalkoholkonzentration bedingten Störungen im Bereich der willkürlichen und unwillkürlichen Augenbewegungen
nur noch zur Hälfte scharf erkannt. Die für Kurvenfahrten notwendige langsame Blickfolge und eine präzise Fixierung
springender Punkte ist nicht mehr möglich. Hinzu kommen Fehleinschätzungen von Fliehkraft, Kurvenneigung und
Seitenkippung durch Störung des Otolithensystems (S. 4 des gerichtsärztlichen Gutachtens vom 3. Dezember 1996).
Diese Ausführungen stimmen mit dem medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand überein, nach dem der Anteil
alkoholisierter Fahrer bei Kurvenunfällen besonders hoch ist (Malach, Über die Häufigkeit alkoholbedingter
Kurvenunfälle, Blutalkohol 1967, 189 ff.; Bürkle ua, Erscheinungsformen, Ursachen und Folgen alkoholbedingter
Verkehrsunfälle in Kurven, Blutalkohol 1971, 149 ff.; Schneble, Nachweis der Fahrunsicherheit infolge Alkohols,
Blutalkohol 1983, 177 ff.). Deshalb stellt der Unfall beim Durchfahren der Kurven neben der Blutalkoholkonzentration
hier ein Beweisanzeichen für die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Klägers dar (Urteil des erkennenden Senats
vom 17. September 1998 - L 6 U 250/97), zumal der Kläger ausweislich der im Berufungsverfahren eingeholten
schriftlichen Zeugenaussagen ansonsten umsichtig fuhr.
Hinzu kommt, dass entgegen der Auffassung des SG die urkundenbeweislich zu würdigenden Aussagen der vor dem
SG Frankfurt/Oder vernommenen Zeugen eine überhöhte Geschwindigkeit belegen. Die Zeugen haben sowohl in der
polizeilichen als in der gerichtlichen Vernehmung übereinstimmend angegeben, dass der Kläger mit "hoher”, "rasanter”
Geschwindigkeit fuhr, die "dem Straßenverlauf nicht angemessen” war. Diese Einschätzung der Zeugen ist entgegen
der Auffassung des SG gerade vor dem Hintergrund des Schleudervorgangs und der Schwere des Verkehrsunfalls,
die bei einer Geschwindigkeit im Rahmen der Geschwindigkeitsbegrenzung, dh bei einer Geschwindigkeit bis 60 km/h
nicht plausibel sind, überzeugend. Die überhöhte Geschwindigkeit findet in einer Enthemmung durch den
Alkoholgenuss ihre lebensnahe Erklärung, da andere Gründe nicht ersichtlich sind. Insbesondere kann nach den
Aussagen der im Berufungsverfahren schriftlich vernommenen Zeuginnen nicht davon ausgegangen werden, dass der
Kläger dazu neigte, Geschwindigkeitsbegrenzungen zu missachten. Selbst wenn entgegen der Auffassung des
erkennenden Senats nicht von einer überhöhten Geschwindigkeit ausgegangen wird, bleibt jedenfalls der
alkoholtypische Fahrfehler beim Durchfahren der Kurve, der auf die Fahruntüchtigkeit des Klägers schließen lässt. Im
Übrigen ist auch das SG im Ergebnis von dieser Fahruntüchtigkeit ausgegangen.
2. Die Lebenserfahrung spricht dafür, dass die auf Alkoholbeeinflussung beruhende Fahruntüchtigkeit des Klägers den
Unfall verursacht hat (Beweis des ersten Anscheins - BSGE 36, 35, 38). Denn andere Ursachen des Unfalls sind nicht
bewiesen. Insbesondere stellen die Umstände im Bereich der Unfallstelle - entgegen der Auffassung des SG - keine
eigenständige wesentliche Gefah-renquelle dar, die als alkoholunabhängiger Faktor den Unfall wesentlich (mit)
verursachten.
In dem Wegeunfallfragebogen vom 3. März 1994 verneinte PHK J. die Frage, ob der Unfall auf schadhafte
Wegverhältnisse zurückzuführen sei. Dieses stimmt mit der polizeilichen und gerichtlichen Aussage des Zeugen L.
überein, der die Straßenbeschaffenheit und die Witterungsver-hältnisse als gut beschrieb. Infolge der
Baustellenarbeiten fehlten Fahr-bahnmarkierungen und war die Straßenkante noch nicht abgeschrägt. Unabhängig von
den Baustellenarbeiten war eine Fahrbahnbeleuchtung nicht vorhanden und der Seitenstreifen unbefestigt. Dres. N.
haben in ihrem Gutachten vom 3. Dezember 1996 nachvollziehbar ausgeführt, dass durch die Begrenzung der
Geschwindigkeit auf 60 km/h ein Durchfahren der Baustelle problemlos möglich war. Allenfalls wegen des
alkoholtypischen Fahrfehlers und der alkoholbedingt überhöhten Geschwindigkeit waren die Gegebenheiten im
Unfallbereich eine Gefahrenquelle. Dieses genügt jedoch nicht, um sie als wesentliche Ursache des Unfalls bewerten
zu können (BSG, Urteil vom 25. August 1970 - 2 RU 227/67 - S. 9 f., vgl. auch Hauck/Keller, SGB VII, K § 8 Rn 282
mwN zur Rechtsprechung).
Auf die von Dres. N. im gerichtsärztlichen Gutachten vom 3. Dezember 1996 aufgeworfene Frage, ob ein Abkommen
von der Fahrbahnkante auch bei einem nüchternen Fahrer zu einem schweren Unfall geführt hätte, kommt es nicht an.
Denn die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit stellt auch dann die rechtlich allein wesentliche Unfallursache dar, wenn
ein Versicherter gerade wegen des Alkoholgenusses in eine Verkehrssituation geraten ist, die er auch als Nüchterner
nicht bewältigt hätte (BSG, Urteil vom 2. Mai 1979 - 2 RU 103/77 - S. 8). Das ist hier der Fall. Der Kläger kam aus den
oben dargestellten Gründen allein wegen des Alkoholgenusses von der Straße ab, die ihm vertraut war und die er
ansonsten problemlos befuhr. Andere Ursachen als die Alkoholbeeinflussung, die ein Abkommen von der Fahrbahn
erklären könnten, sind - wie oben ausgeführt - nicht bewiesen. Daran ändert auch die eingerichtete Baustelle nichts,
da von dieser - wie erwähnt - kein eigenständiges Gefahrenmoment ausging.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegt nicht vor.